Die charismatische Bewegung hat sowohl Stärken als auch Schwächen, die in verschiedenen Gemeinden und Kontexten unterschiedlich wahrgenommen werden.
Eine der größten Stärken der charismatischen Bewegung ist die Betonung der persönlichen Erfahrung mit dem Heiligen Geist. Viele Gläubige berichten von einer tiefen spirituellen Erneuerung und einer lebendigen Beziehung zu Gott, die durch das Wirken des Heiligen Geistes gefördert wird. Dies führt oft zu einer starken Gemeinschaft und einem intensiven Glaubensleben.
Zudem fördert die Bewegung eine offene Haltung gegenüber geistlichen Gaben wie Zungenrede, Prophetie und Heilungen. Diese Gaben werden als Zeichen der Gegenwart Gottes und als Mittel zur Erbauung der Gemeinde verstanden. Dadurch entsteht eine Atmosphäre der Erwartung und des Glaubens an Gottes unmittelbares Wirken.
Auf der anderen Seite gibt es auch Schwächen und Herausforderungen. Kritiker bemängeln, dass die charismatische Bewegung manchmal zu sehr auf emotionale Erfahrungen setzt und dabei theologische Grundlagen vernachlässigt. Dies kann zu einer Überbetonung von Gefühlen und zu einer Vernachlässigung der Schrift führen.
Ein weiteres Problem ist die Gefahr von Übertreibungen oder falschen prophetischen Aussagen, die das Vertrauen in die Bewegung untergraben können. In manchen Fällen kann dies zu Spaltungen innerhalb der Gemeinde führen oder den Eindruck erwecken, dass die Bewegung nicht ausreichend kontrolliert oder geleitet wird.
Zusätzlich wird gelegentlich kritisiert, dass die charismatische Bewegung zu stark auf individuelle Erfahrungen fokussiert ist und dadurch die Bedeutung von Gemeinschaft und Lehre in den Hintergrund tritt. Dies kann zu einer gewissen Beliebigkeit und zu einem Mangel an geistlicher Tiefe führen.
Insgesamt zeigt die charismatische Bewegung eine lebendige und dynamische Form des Glaubens, die viele Menschen anspricht und ermutigt. Gleichzeitig ist es wichtig, die Bewegung kritisch zu begleiten und sowohl ihre Stärken zu fördern als auch ihre Schwächen zu erkennen und zu bearbeiten.
Einführung und historische Entwicklung der Pfingst- und charismatischen Bewegung
Zunächst einmal zu den positiven Aspekten und Stärken: Was könnten wir von der Pfingst- und charismatischen Bewegung lernen?
Die Pfingst- und charismatische Bewegung, so wie ich sie kennengelernt habe, wird heute mehr den Schwerpunkt auf die charismatische Bewegung legen. Vielleicht fragen manche, was der Unterschied zwischen der Pfingstbewegung und der charismatischen Bewegung ist. Normalerweise, wenn ich darüber spreche, folgt ein geschichtlicher Teil. Diesen muss ich jetzt aus Zeitgründen weglassen, da uns nur der Nachmittag zur Verfügung steht. Dennoch möchte ich kurz darauf eingehen.
Die Pfingstbewegung entstand 1906 in Los Angeles in der Azusa Street. Dort gab es eine Versammlung, die sehr stark um den Empfang des Heiligen Geistes betete. Dann geschah etwas Außergewöhnliches: Augenzeugen berichten von einer Geistausgießung. Ich sage das jetzt einfach mal so neutral. Diese war so mächtig, dass die ganze Versammlung buchstäblich ein Stockwerk tiefer stürzte. Dies geschah, weil die Teilnehmer so emotional beteiligt waren, sie wippten und sprangen vor Freude, sodass der Boden brach.
Dies gilt als offizieller Beginn der Pfingstbewegung weltweit im Jahr 1906. Die Bewegung breitete sich sehr schnell über verschiedene Stationen bis nach Deutschland aus. Im selben Jahr, im Juli 1906, also drei Monate nach dem Ereignis in Los Angeles, fanden in Kassel im Friedenshof beim Deutschen EC-Verband Versammlungen statt, bei denen ebenfalls solche Phänomene auftraten. Menschen fielen um, äußerten sich ungewöhnlich, zuckten, schrien und krochen durcheinander wie Schlangen auf dem Boden. Das Ganze nahm solche Ausmaße an, dass die Polizei diese Versammlungen schließen musste.
Es war also im Juli 1906 in Kassel. Doch die Bewegung ließ sich nicht mehr aufhalten. Sie verbreitete sich sehr schnell über ganz Deutschland und auch Europa. Es entstand eine Bewegung unter Jonathan Paul, die man die Lehre des reinen Herzens nannte. Dabei war perfektionistisches Gedankengut vertreten. Einige meinten, wenn man diese Geisterfahrung gemacht habe, brauche man nicht mehr zu sündigen. Man könne frei werden von der Sünde – nicht nur von der Macht der Sünde, sondern überhaupt von der Sünde schlechthin.
1909 entstand eine Erklärung, die von den damaligen Führern der Gemeinschaftsbewegung in Deutschland unterschrieben wurde. Diese Berliner Erklärung wurde von Persönlichkeiten wie Elias Schrenk und Johannes Seitz getragen. Sie beurteilen die damaligen Ereignisse und Vorkommnisse als nicht geistlich und lehnten sie ab. Diese Berliner Erklärung hat jahrzehntelang in Deutschland die Dinge ziemlich in Grenzen gehalten.
1966 kam dann die charismatische Bewegung auf, die sich ebenfalls in Deutschland sehr schnell ausbreitete – trotz der Berliner Erklärung.
Was ist nun der Unterschied zwischen den beiden Bewegungen?
Die Pfingstbewegung, die 1906 entstand, gründete eigene Gemeinden – sogenannte Pfingstgemeinden. Hier in Karlsruhe gibt es heute, beziehungsweise gab es vor wenigen Jahren, fünf große Pfingstgemeinden. Ich muss jetzt nicht alle aufzählen; es sind eigene, selbständige Gemeinden.
Die charismatische Bewegung hingegen entstand 1960 zuerst in der katholischen Kirche und 1966 in der evangelischen Kirche. Sie nannte sich damals „geistliche Gemeindeneuerung“. Die Bewegung versuchte, die bestehenden Kirchen und Gemeinden charismatisch zu durchdringen. Sie gründete zunächst keine eigenen Gemeinden, sondern wollte die bestehenden Gemeinden charismatisch erneuern und durchdringen.
Man strebte eine Erneuerung der Kirchen und Gemeinden an. Der Weg dahin sollte durch die Gaben des Heiligen Geistes führen – durch besondere Gaben, die bisher wenig beachtet worden waren, wie Zungenrede, prophetisches Reden und Heilungen. Mit diesen Gaben wollte man die lauwarmen Gemeinden erneuern.
Das war also die charismatische Bewegung, die zunächst keine eigenen Gemeinden gründete. Später entstanden jedoch einige Zentren, sogenannte charismatische Zentren, wie zum Beispiel in Berlin unter Volkhard Spitzer. Dort wurde später die Kirche am Südstern gekauft, und diese gibt es heute noch. In vielen anderen Städten entstanden solche christlichen Zentren, inzwischen auch hier in Karlsruhe.
Inzwischen gibt es also auch eigene charismatische Gemeinden, die keine Pfingstgemeinden sind. Sie stammen nicht von der Pfingstbewegung her, sondern sind charismatische Gemeinden, die einen bestimmten Stil in Lehre, Frömmigkeit und Verkündigung haben. Diesen Stil werden wir gleich noch kennenlernen.
Positive Merkmale der charismatischen Bewegung
Festhalten an der biblischen Offenbarung und Ablehnung der Bibelkritik
Der erste Punkt betrifft die Stärken der charismatischen Bewegung. Eine wichtige Stärke sehe ich zunächst in der Ablehnung der Bibelkritik.
In vielen anderen Kreisen, und ich muss fast sagen auch in beiden großen Kirchen, ist die historisch-kritische Methode der Bibelauslegung weit verbreitet. Ich kann das nicht im Detail erklären, aber im Wesentlichen bedeutet diese Methode, dass man die Bibel nicht mehr von vornherein als Gottes Wort betrachtet. Stattdessen wird die Bibel wie eine Apfelsine geschält, um an den eigentlichen Kern zu gelangen. Dabei muss man zunächst den Ballast der äußeren Schale entfernen. So sehen das die modernen Theologen, die sich der historisch-kritischen Methode geöffnet haben.
In der charismatischen Bewegung wird diese Methode jedoch pauschal und grundsätzlich abgelehnt. Man hält fest an der ganzen Heiligen Schrift als Offenbarung Gottes, und zwar ohne Abstriche. Man glaubt, dass die Bibel Gottes Wort ist.
Das ist eine positive Haltung, die nicht mehr überall zu finden ist. In manchen Freikirchen ist sie sogar kaum noch vorhanden. In der charismatischen Bewegung wird die Bibelkritik grundsätzlich abgelehnt.
Betonung von Bekehrung und Wiedergeburt
In den charismatischen Kreisen ist die Botschaft von Bekehrung und Wiedergeburt präsent. Das ist in unserer christlichen Landschaft nicht selbstverständlich. Bekehrung und Wiedergeburt werden gepredigt und deshalb auch erlebt. Menschen werden gerettet, kommen hinzu, bekehren sich und werden Kinder Gottes.
Für Charismatiker ist es ein großes Anliegen, missionarische Arbeit zu leisten. Dies werde ich gleich noch einmal als Extrapunkt hervorheben. Die Botschaft von Bekehrung und Wiedergeburt ist also vorhanden.
Allerdings ist sie nicht mehr in allen Kirchen zu finden. In manchen Freikirchen beginnt es bereits, an diesem Punkt kritisch zu werden.
Wirklichkeit des Heiligen Geistes im Leben der Gläubigen
Dann drittens: Ich sage das jetzt zunächst ganz ungeschützt positiv: In der charismatischen Bewegung wird mit der Wirklichkeit des Heiligen Geistes gerechnet.
Der Heilige Geist existiert nicht nur auf dem Papier oder als Teil eines Glaubensbekenntnisses, zum Beispiel an dritter Stelle: „Ich glaube an den Heiligen Geist und die heilige christliche Kirche“ und so weiter. Vielmehr rechnet man heute, in unserer Zeit, mit der Wirklichkeit des Heiligen Geistes.
Das gilt sowohl im Gemeindeleben als auch im Leben des Einzelnen. Ob das teilweise vielleicht aus unserer Sicht zu weit geht, ist eine andere Frage. Aber zunächst einmal ist es positiv, dass man mit der Wirklichkeit des Heiligen Geistes rechnet – und das wollen wir auch.
Heiligung als gelebte Glaubenspraxis
Dann viertens: Heiligung wird gelehrt und gelebt. Heiligung bedeutet hier den Glaubensgehorsam der Christen. Es ist ein Begriff, der ausdrückt, dass Christen ihr Leben nach Gottes Wort, Maßstab und Willen ausrichten wollen.
Sie leben Heiligung, indem sie wirklich der Schrift gehorchen, insbesondere in ihrem persönlichen Glaubensleben.
Missionarischer Eifer und soziale Randgruppenarbeit
Dann, wie ich eben schon sagte, echter missionarischer Eifer. Gerade charismatische Gruppen gehen oft auf die Straße und ins Milieu. Sie leisten sehr gute Arbeit mit Randgruppen.
Diese Gruppen holen Menschen von der Straße, von Drogen, Alkohol und anderen Problemen. Vielleicht nicht alle charismatischen Gemeinden, aber viele leisten wirklich gute missionarische Arbeit. Sie scheuen sich nicht davor, auch Randgruppen zu erreichen.
Ganzheitliche Glaubenserfahrung: Einheit von Verstand, Wille und Gefühl
Ein Punkt, den ich etwas näher erläutern möchte, ist die Einheit von Verstand, Wille und Gefühl. Wir Menschen sind eine Einheit aus diesen drei Komponenten. Gott hat uns so geschaffen. In der westlichen Christenheit erleben wir jedoch häufig eine Art Verkopfung des Glaubens. Dieser Begriff stammt von Christa Mawis und beschreibt eine Intellektualisierung des Glaubens.
Das bedeutet, der Glaube spielt sich hauptsächlich im Kopf ab. Es handelt sich um einen Kopfglauben, bei dem die Zustimmung zu bestimmten Lehrüberzeugungen oder Dogmen im Vordergrund steht. Im praktischen Leben ist davon oft wenig zu sehen. Diese Verkopfung führt dazu, dass der Glaube vor allem intellektuell bleibt.
Wir sollten uns selbst als Einheit von Verstand, Wille und Gefühl verstehen. Dabei möchte ich keinesfalls einer Gefühlsduselei das Wort reden. Ich meine nicht, dass man in jedem Gottesdienst hüpfen, klatschen, springen oder weinen muss.
Wenn jedoch jemand nach dem Gottesdienst nach Hause geht und sagt: „Stell dir vor, heute hat jemand bei uns gelacht“ oder „Ich habe heute eine Träne gesehen“, und das wird als etwas ganz Aufsehenerregendes betrachtet, dann stimmt etwas nicht. Es sollte möglich sein, dass auch mal humorvoll gesprochen wird.
Ein gutes Beispiel dafür hat heute Morgen unser Bruder Giuseppe gegeben. Er hat gezeigt, wie man eine Sache sehr humorvoll sagen kann und dabei trotzdem geistlich richtig bleibt. Die Einheit von Verstand, Wille und Gefühl wird dadurch gewahrt.
Es schadet auch nichts, wenn eine Versammlung einmal herzhaft lacht, ohne dass das Ganze in Albernheit ausartet. Humor und Freude können Teil eines lebendigen Glaubenslebens sein.
Warme und herzliche Atmosphäre in den Gemeinden
Ein Punkt, den viele als Argument anführen, warum sie in eine charismatische Gemeinde gewechselt sind, ist die warme, herzliche Atmosphäre. Ob es richtig ist, allein wegen dieses Punktes die Gemeinde zu wechseln, ist eine andere Frage. Dennoch berichten viele, dass sie gerade deswegen dorthin gegangen sind.
Natürlich haben Charismatiker kein Monopol auf eine warme, herzliche Atmosphäre. Zum Glück gibt es so etwas auch in anderen Gemeinden und Kreisen. Trotzdem haben viele charismatische Gemeinden tatsächlich eine sehr einladende und herzliche Atmosphäre. Die Menschen spüren, wie sie angenommen und willkommen geheißen werden, und das macht einen Unterschied.
Die Leute fragen nicht zuerst nach dem Glaubensbekenntnis oder der Theologie. Vielmehr schauen sie zunächst, was für Menschen dort sind und ob sie dort aufgenommen werden. Dabei muss man nicht unbedingt an der Tür umarmt werden. Aber eine warme, herzliche Atmosphäre ist, denke ich, etwas Positives.
Das könnten wir uns durchaus zum Vorbild nehmen und daraus etwas lernen.
Intensive Seelsorge und Fürsorge für Kranke
Der achte Punkt heißt intensive Seelsorge untereinander. Wir kommen gerade von einer Konferenz, auf der wir uns intensiv mit Seelsorge beschäftigt haben. Einige von euch waren auch dabei, in Rehe. Ich glaube, dass in vielen Gemeinden, in allen Gemeinden hier, ein gewisses Defizit besteht – auch bei uns in Mannheim – was intensive Seelsorge untereinander betrifft.
Dabei geht es nicht um Seelsorge von Spezialisten, die Psychologie studiert haben müssen, sondern um Brüder und Schwestern, die eine Gabe von Gott haben. Diese sollten das Wort Gottes gut kennen, mit ihm umgehen können, trösten, aufrichten und ermahnen. Intensive Seelsorge untereinander ist wichtig.
In charismatischen Gemeinden sieht man das nicht selten. Dort sitzen Leute oft in kleinen Grüppchen, führen intensive Gespräche und beten gleich mit dem Betreffenden. Vielleicht ist das manchmal zu hemmungslos oder oberflächlich, aber das Grundanliegen ist weit verbreitet: Geschwister helfen sich gegenseitig in intensiver Seelsorge.
Darüber hinaus gibt es eine besondere Fürsorge für kranke Menschen. Das müssen wir einfach sehen. Der kranke Mensch wird wahrgenommen, egal ob er körperlich, seelisch oder geistlich krank ist. Für Kranke wird eine besondere Fürsorge gezeigt.
Vielleicht geht man in manchen Dingen auch zu weit, aber das möchte ich jetzt noch nicht ansprechen. Zunächst will ich das Positive hervorheben: Der Kranke wird gesehen, er wird ernst genommen. Für Kranke wird gepredigt, es wird die Gelegenheit zum Gebet für sie gegeben, und es gibt eine besondere Fürsorge.
Ich glaube, das ist christlich, gut und biblisch. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren.
Hoffnung auf die Wiederkunft Jesu Christi
Und das ist vielleicht ein allgemeiner Punkt: Die Hoffnung auf die Wiederkunft Jesu Christi ist auch in der charismatischen Bewegung lebendig. Man rechnet mit der Wiederkunft Jesu, lebt darauf hin und möchte wirken, bis er wiederkommt.
Das ist nicht selbstverständlich, deshalb erwähne ich es. Es gibt große Kirchen, in denen die Wiedergeburt und die Wiederkunft Jesu überhaupt keine Rolle spielen – in der Theologie schon gar nicht. Ein Beispiel dafür ist die römisch-katholische Kirche. Sie spricht zwar davon, allerdings eher am Sankt-Nimmerleins-Tag.
Zusammenfassung der positiven Beobachtungen
Ich habe hier noch ein paar Punkte offen gelassen. Das soll heißen, ich möchte keinesfalls behaupten, dass das schon alles ist, was man dort Positives sehen und beobachten könnte.
Ich habe jetzt diese zehn Punkte genannt. Wenn ihr später kommt und sagt, dass ihr das schon beobachtet oder dort erlebt habt, dann ergänze ich das gerne. Das würde dann auf der nächsten Folie mit aufgeführt werden.
Aber schon allein bei diesen zehn Punkten sehen wir, dass einiges vorhanden ist, von dem wir uns vielleicht die eine oder andere Scheibe abschneiden könnten. Wir in Mannheim zum Beispiel – wie es bei euch ist, kann ich nicht so beurteilen – aber da gibt es einige Dinge. Vielleicht nicht gerade im ersten Jahr, da glaube ich nicht, dass wir euch nachstehen. Aber es gibt ein paar andere Punkte, bei denen wir vielleicht sagen müssen, dass wir sogar etwas abgucken könnten. Und das wäre gar kein Fehler.
Ich denke, wir können überall lernen, wenn wir nach dem biblischen Motto vorgehen: Prüft alles, das Gute behaltet, meidet das Böse in jeder Gestalt.
Ich kann natürlich jetzt nicht zwei Stunden über die Stärken der charismatischen Bewegung sprechen – und auch nicht vier Stunden. Ich könnte schon, aber das wäre nicht unser Thema heute Nachmittag. Denn ich möchte gerne von der Bibel her zeigen, wo die Schwächen liegen, wo wir doch Zurückhaltung üben sollten.
Deshalb gehen wir jetzt einfach weiter in unserem Skript zum nächsten Punkt.
Lehrkritik: Geistestaufe und Wiedergeburt
Geistestaufe als von der Wiedergeburt getrennte Erfahrung?
Zu Lehre und Praxis innerhalb der charismatischen Bewegung muss ich leider eine Reihe von Punkten nennen, bei denen ich meine, dass Lehre und Praxis nicht mit der Bibel übereinstimmen.
Kommen wir zum ersten Punkt: Die Geistestaufe sei eine von der Wiedergeburt getrennte Erfahrung. Was ist Wiedergeburt? Ich glaube, das muss ich hier in diesem Kreis nicht lange erklären. Ich gehe davon aus, dass wir das alle erlebt haben.
- Johannes 1,12 sagt: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht oder das Recht, Kinder Gottes zu werden, die an seinen Namen glauben.“ Und in Vers 13 heißt es weiter: „die von Gott geboren sind.“ Das heißt, Wiedergeburt geschieht, indem der Same des Wortes Gottes – letztlich der Herr Jesus selbst, der das Wort Gottes ist – in Person aufgenommen wird. Als Frucht daraus geschieht die Wiedergeburt, und neues, von Gott geschenktes Leben kommt in unsere biologisch-irdische Existenz.
Wiedergeburt ist eine von Gott gewirkte Herzenserneuerung. Wir könnten auch sagen: Der Heilige Geist nimmt Wohnung in einem Menschenleben, Christus selbst nimmt unsichtbar im Heiligen Geist Wohnung. Der Heilige Geist in uns ist niemand anderes als der Herr Jesus, der unsichtbar in uns wohnt. Der Herr ist der Geist, sagt Paulus in 2. Korinther 3,17. Der Herr Jesus nimmt Wohnung in unserem Herzen – und zwar durch den Heiligen Geist.
Die Bibel sagt ganz klar: „Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein, der gehört nicht zu ihm“ (Römer 8,9). Es gibt kein Christsein ohne Heiligen Geist. Wer Christ ist, hat den Heiligen Geist, und wer nicht Christ ist, hat ihn nicht.
Der Heilige Geist ist eine Person. Den kann man nicht scheibchenweise empfangen, nicht zehn Prozent oder zwanzig Prozent, sondern ganz oder gar nicht. Leider wird er in der charismatischen Bewegung immer wieder mehr als Kraft gesehen. Es wird viel von der Kraft des Heiligen Geistes gesprochen. Von einer Kraft könnte man ja auch einen bestimmten Prozentsatz empfangen, aber nicht von einer Person.
Natürlich ist der Heilige Geist auch eine Kraft. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“, sagte der Herr Jesus zu den Jüngern, bevor er zum Himmel fuhr. Trotzdem müssen wir das sehen: Durch die Wiedergeburt empfängt ein Mensch den Heiligen Geist und wird in diesem Augenblick durch den Heiligen Geist in den Leib Christi hineingetauft.
Der Ausdruck Geistestaufe kommt in der ganzen Bibel nur einmal vor, und die Stelle sollten wir jetzt aufschlagen: 1. Korinther 12,13. Es ist die einzige Stelle, wo das Wort Geistestaufe im Neuen Testament vorkommt.
1. Korinther 12,13 schreibt der Apostel im großen Kapitel über die Gaben des Heiligen Geistes: „Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden.“ Hier steht: „Wir sind zu einem Leib getauft worden.“ Wann ist das geschehen? Wann sind wir in den Leib Jesu Christi hineingetauft worden?
Im Augenblick der Wiedergeburt, als wir Christen wurden, wurden wir ein Glied am weltweiten Leib Jesu Christi, an dem er das Haupt ist. Das ist ganz eindeutig klar: Geistestaufe nur hier.
Was jetzt wichtig ist, und was wir an unseren deutschen Bibeln nicht erkennen können, aber hier sind einzelne unter uns, die auch Griechisch können: Im Griechischen steht hier eine Zeitform, die es im Deutschen nicht gibt. Die Griechen haben nicht nur Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt, um Vergangenheit auszudrücken, sondern noch eine Zeitform, die nennt man Aorist.
Der Aorist beschreibt immer eine abgeschlossene Handlung. Da ist etwas in der Vergangenheit geschehen und abgeschlossen, eine einmalige Sache. Und hier steht in 1. Korinther 12,13: „In einem Geist sind wir zu einem Leib getauft worden“ – Aorist, abgeschlossen, einmalig.
Man kann nur einmal Glied am Leib Jesu Christi werden, nämlich in der Wiedergeburt. Und dann wird man nicht wieder abgerissen vom Leib und wieder dran amputiert und wieder ab und wieder dran und so weiter. Das ist eine völlig falsche Vorstellung.
Die Bibel sagt das ganz klar: Man wird Glied am Leib Jesu Christi im Augenblick der Wiedergeburt – und man bleibt es auch. Das ist neu testamentliche Lehre.
Wann geschieht das Ganze? Eine Stelle noch dazu: Epheser 1,13. Ich habe sie heute Morgen schon mal kurz erwähnt. Im Epheserbrief Kapitel 1, Vers 13, da ist der geistliche Segen, von dem wir heute Morgen gesprochen haben.
„In Christus sind wir in ihm auserwählt vor Grundlegung der Welt, wir sind schon mit dem Geist versiegelt und wir sind begnadet in dem Geliebten.“ Jetzt lesen wir Vers 13:
„In ihm, in Christus, seid auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, der Rettung, gehört habt und gläubig geworden seid, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung.“
Wann wird ein Mensch versiegelt mit dem Heiligen Geist? Antwort: In dem Augenblick, wo er gläubig wird – wirklich gläubig wird an den Herrn Jesus. Nicht so landläufig, sondern in dem Moment, wo er sein ganzes Vertrauen, seinen Blick auf die ewige Errettung, auf Jesus Christus setzt, sich bekehrt und wiedergeboren wird.
Denn Geist empfängt, Christus kommt in sein Herz – das ist der Augenblick der Geistestaufe.
Nach pfingstlich-charismatischem Verständnis ist Geistestaufe etwas ganz anderes, nämlich leider ein von der Wiedergeburt getrenntes Erlebnis. Das kann Wochen, Monate, Jahre oder Jahrzehnte später sein. Da ist jemand Christ geworden, und irgendwann später erlebt er nach pfingstlichem Verständnis die Geistestaufe. Und zwar meistens durch Handauflegung, vermittelt eines anderen Pfingstlers oder Charismatikers.
Fast immer ist Handauflegung im Spiel. Wir werden darauf gleich noch eingehen.
Dann kann es sein, dass der Betreffende vielleicht sehr auffällige, spektakuläre Gaben bekommt oder von da an entfaltet, wie zum Beispiel Zungenrede oder prophetisches Reden oder irgendetwas anderes in dieser Richtung.
Dann meinen Charismatiker, er habe wirklich die Geistestaufe erhalten. Sie sagen, bei der Wiedergeburt bekommt man nur ein Stück weit das Angeld des Heiligen Geistes, nur eben so einen Vorschuss, so ein Angeld. Man ist schon Christ, aber die eigentliche Geistestaufe fehlt noch.
Man ist praktisch in einer Anfangsstufe Christ, aber noch nicht im wirklichen vollen Sinne. Erst wenn man die Geistestaufe erlebt hat.
Persönliche Erfahrungen und Kritik an der Lehre
Ich hätte euch jetzt hier gerne auf einer Kassette den Originalton von Reinhard Bonnke eingespielt, als er 1991 hier im Kongresszentrum in Karlsruhe war. Davon habe ich Kassetten, und ich würde gerne eine Passage abspielen, in der sehr deutlich wird, wie Reinhard Bonnke damals die Geistestaufe erklärt hat.
Das Kongresszentrum war voll mit Christen, die überwiegende Mehrheit waren Gläubige. Nach seiner Verkündigung rief er die Christen nach vorne, damit sie die Geistestaufe empfangen konnten. Daran erkennt man: Das waren alles wiedergeborene Menschen, die den Heiligen Geist schon lange empfangen und versiegelt hatten. Dennoch meinte Reinhard Bonnke, er müsse sie jetzt nach vorne rufen, damit sie unter seiner Handauflegung und seinem Gebet die „wirkliche“ Geistestaufe erleben würden.
Das steht natürlich im Widerspruch zur Heiligen Schrift. Die Leute erleben vielleicht etwas, wenn sie sich dafür öffnen. Wenn sie sich innerlich bereitwillig und ohne geistliche Spannung ganz passiv öffnen, kann man durchaus etwas spüren. Aber ob das wirklich vom Heiligen Geist ist, möchte ich an dieser Stelle zumindest offenlassen.
Ein Bekannter von mir ist Karl Hermann Kaufmann aus Albstadt. Er war jahrelang ein überzeugter Pfingstler. Er war ursprünglich Christ im landeskirchlichen Bereich geworden, sehnte sich dann aber nach mehr. Er kam mit Charismatikern und Pfingstlern in Berührung und hörte von der Geistestaufe. Er erzählte einmal, wie er mit anderen Brüdern stundenlang flehte – wirklich flehte, bis sie heiser waren – um die Geistestaufe. Sie lagen auf Stühlen oder ausgestreckt auf dem Boden und beteten um die Geistestaufe. Das waren wiedergeborene Menschen, die den Heiligen Geist schon lange empfangen hatten.
So ist das, wenn man damit in Berührung kommt und einem vermittelt wird: Dir fehlt etwas, du brauchst noch etwas. Man wird aufgefordert, sein „kümmerliches Christsein“ anzuschauen: Kannst du überhaupt in Zungen reden? Hast du irgendeine Gabe? Wenn das unterschwellig oder sogar massiv verkündigt wird und man sich in so einem Kreis aufhält, entsteht ein starker psychischer Druck. Man fängt an, sich danach auszustrecken. Man sagt sich: Entweder haben die zu viel oder ich habe zu wenig. Meistens kommt man zu der Ansicht, dass man zu wenig hat, und man streckt sich danach aus.
Genauso ging es mir als junger Christ. Ich war erst wenige Monate gläubig, als ich Bücher von einem amerikanischen Pfingster namens Merlin Carruthers in die Hand bekam. Heute kennt ihn kaum noch jemand, aber damals waren seine Bücher weit verbreitet. Ich suchte stets das Abenteuer und las ein kleines Büchlein von ihm. Ich war fasziniert und dachte: Entweder hat der Mann zu viel oder ich habe zu wenig – eins von beidem.
Ich werde nie vergessen, wie ich eines Abends als ganz junger Christ, erst ein paar Monate gläubig, vor meinem Bett niederkniete und Gott um die Geistestaufe bat. Keine Sorge, es passierte nichts. Zum Glück erhört Gott nicht alle unsere Gebete – wohin hätten wir uns sonst schon gebetet? Er hat dieses Gebet nicht erhört, weil er sah, dass ich im Grunde hoffentlich aufrichtig war. Damals geschah überhaupt nichts.
Wenige Zeit später bekam ich ein anderes Buch in die Hand von Alexander Seibel mit dem Titel „Gemeinde Jesu – endseitig unterwandert“. Ich las das Buch und wusste sofort, der Mann hat Recht. Ich löste mich von den Gedanken, die ich noch in meinem Herzen hatte, und ging von da an meinen Weg – hoffentlich in nüchterner Richtung, aber immer noch mit der Sehnsucht im Herzen, wirklich Erfüllung mit dem Heiligen Geist zu erleben.
Und zwar nicht einmalig durch ein besonderes Ereignis, sondern immer und immer wieder neu. Das ist der große Unterschied: Geistestaufe ist einmalig in unserem Leben, in dem Augenblick, in dem wir die Wiedergeburt erleben und in den Leib Jesu Christi hineingetauft werden.
Erfüllung mit dem Heiligen Geist dagegen geschieht immer und immer wieder neu. Das ist die Stelle aus Epheser 5, wenn ihr noch aufgeschlagen habt, Vers 18: „Und berauscht euch nicht mit Wein, worin Ausschweifung ist, sondern werdet voll Geist.“
Das schreibt Paulus – eine unerhörte Sache. Er sagt: „Werden wir nicht betrunken vom Wein, sondern werden wir voll Geist.“ Das steht in einem Atemzug. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der wir uns nicht voll Wein saufen sollen, sollen wir voll Geist werden.
Genau übersetzt steht hier nicht der Aorist, also „werdet einmal voll mit dem Heiligen Geist und dann geht ihr so auf einer gehobenen Stufe euren Weg“. Nein, hier steht: Lasst euch ständig neu, immer wieder neu mit dem Heiligen Geist erfüllen.
Das sind zwei verschiedene Paar Stiefel: Empfang einmalig, Erfüllung immer und immer wieder neu.
Warum müssen wir immer wieder neu erfüllt werden mit dem Geist? Aus zwei Gründen: Erstens, weil wir durch jede Sünde, die wir begehen, den Geist trüben, dämpfen oder zurückdrängen in unserem Leben. Wenn wir gesündigt haben, gibt es einen Weg, darüber Buße zu tun, das heißt: das Bekennen der Sünde. Dann hat der Geist wieder Raum in uns.
Der zweite Grund ist: Wenn wir dem Herrn dienen, wenn wir wirklich geistlichen Dienst tun – in der Seelsorge, in einem langen Gespräch, in dem wir mit jemandem ringen, in der Verkündigung, im evangelistischen Zeugnis, zum Beispiel einem Arbeitskollegen gegenüber –, dann geht geistliche Kraft von uns aus. Manchmal fühlt man sich hinterher leer wie ein Bombenkrater.
Dann braucht man neue Erfüllung mit dem Heiligen Geist, in der Stille, wo wir ihm wieder neu begegnen. Ich bete oft ein Gebet: „Herr, mach mich wieder leer von dem, was ich erlebt habe, auch mit dir erlebt habe, und fülle mich wieder ganz neu mit dir selbst.“
Wir brauchen immer wieder Erfüllung mit ihm.
Auslegung von Lukas 11,13 und Gebet um den Heiligen Geist
Was ist jetzt mit Lukas 11,13? Dort steht doch, wir sollen um den Heiligen Geist bitten. Schlagen wir Lukas 11,13 auf: Das lehrt unser Herr Jesus selbst. Ihr kennt den Abschnitt. Es geht um das Gebet. Die Jünger sagten: „Herr, lehre uns beten“, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat, Johannes der Täufer.
Dann kommt die Antwort unseres Herrn, und in Vers 13 heißt es: „Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater, der vom Himmel gibt, den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?“ Hier steht doch, der Vater wird den Heiligen Geist geben, denen, die ihn bitten. Das ist eine Stelle, die jeder Pfingstler und auch jeder Charismatiker kennt. Darauf wird sich oft berufen, darauf bezieht man sich oft. Nur man vergisst eines: Wann hat Herr Jesus das zu seinen Jüngern gesagt? Das war vor Pfingsten.
Ihr Lieben, vor Pfingsten durften und sollten die Jünger um den Heiligen Geist bitten. Als sie zusammen waren im Obersaal in Jerusalem, haben sie nichts anderes gemacht, als auf die Verheißung des Vaters zu warten und zu flehen: „Vater, jetzt schenk uns deinen Heiligen Geist.“ Denn bis dahin waren sie noch furchtsam und verriegelt hinter den Türen. Aber dann bekamen sie Freimütigkeit, hinauszugehen in der Kraft des Heiligen Geistes.
Vor Pfingsten durften und sollten die Menschen selbstverständlich um den Empfang des Heiligen Geistes beten. Und wenn heute ein Mensch suchend ist, wenn er noch nicht errettet ist, können wir ihm auch sagen: „Du, bete doch darum, dass sich der Herr Jesus dir offenbart, bete doch darum, dass du ihn findest und bitte, dass der Heilige Geist in dein Leben kommt.“ Das können wir einem noch nicht erretteten Menschen durchaus sagen. Der darf so beten, es ist ganz in Ordnung.
Aber wir, die wir errettet sind, die wir den Heiligen Geist empfangen haben, die wir versiegelt sind mit dem Heiligen Geist, brauchen nicht um den Empfang des Heiligen Geistes zu beten, nicht um die Geistestaufe. Wir dürfen beten: „Herr, erfülle uns wieder neu mit deinem Heiligen Geist.“ Das können wir beten, das ist in Ordnung. Aber nicht in diesem Sinne, hier nicht auf Lukas 11,13 berufen, wenn wir dann so wie Karl Hermann Kaufmann und seine Freunde auf den Stühlen liegen oder auf dem Boden und um die Taufe mit dem Heiligen Geist bitten.
Also, wir haben jetzt unter erstens diese Stellen angeschaut: Empfang des Heiligen Geistes einmalig, Aorist abgeschlossen, im Augenblick der Wiedergeburt. Erfüllung immer und immer wieder neu.
Kommen wir zum zweiten Punkt. Oder bevor wir da hinkommen, will ich das noch einmal sagen: Die Charismatik ist ein Lehrproblem. Und bitte, das ist jetzt nicht nebensächlich, was wir gerade besprochen haben. Das ist ein ganz zentraler Punkt.
Ich persönlich könnte mich nie und nimmer einer Gemeinde anschließen, in der das offizielle Lehrmeinung ist, dass die Taufe mit dem Heiligen Geist eine von der Wiedergeburt getrennte Erfahrung ist. Hier an dieser Stelle ist die Tür offen für jegliche Form von Schwärmerei. Ich sage das ganz bewusst.
Hier ist die Tür ganz weit offen, wenn Rettung und Heiligung auseinandergerissen werden. Das gehört zusammen. In dem Augenblick, in dem ich mich wirklich bekehre, da macht Gott daraus die Wiedergeburt, und ich empfange den Heiligen Geist. Ich bin ein ganzer Christ. Ich bin noch jung im Glauben, aber ich habe denselben Heiligen Geist, den der Apostel Paulus hatte, den Hudson Taylor hatte und wie sie alle hießen.
Der wohnt dann in mir, und jetzt heißt es wachsen. Es ist ein ganz gravierender Lehrpunkt. Viele Pfingst- und charismatische Gemeinden haben das in ihrem offiziellen Glaubensbekenntnis, dass sie sagen, Geistestaufe ist eine von der Wiedergeburt getrennte Erfahrung. Da ist die Wurzel, da ist die falsche Weichenstellung.
Auf diesem Gleis kommt dann viel, viel Unnüchternes in das Leben von Menschen und auch in ganze Gemeinden hinein.
Kritik an der Praxis der Handauflegung
Bedeutung und biblische Verwendung von Handauflegung
Kommen wir zweitens zur Praxis der Handauflegung. Handauflegung bedeutet immer Einsmachung, Identifikation.
Das findet sich bereits im dritten Buch Mose. Wir schlagen die Stelle jetzt nicht auf, ihr kennt sie. Wenn der Hohepriester am großen Versöhnungstag einmal im Jahr in das Heiligtum, das Allerheiligste, ging, legte er dem Opfertier die Hände auf. Hebräisch heißt „Zermach“ aufstemmen. Er hat also die Hände richtig auf das Opfertier aufgestemmt.
Dabei wurde die unwissentlich geschehene Sünde des Volkes auf das Opfertier übertragen. Das heißt, er machte sich eins mit dem Tier und übertrug die Sünde des Volkes auf dieses Tier. Danach wurde das Tier in die Wüste gejagt – es war ein Bock oder ein anderes Tier. Er wurde getötet, und sein Blut wurde ins Allerheiligste gebracht und dort auf den Deckel der Lade gesprengt.
Einsmachung, Identifikation – in diesem Sinne kommt die Handauflegung auch einige Male vor, zum Beispiel in der Apostelgeschichte. Dort wird sie sechsmal erwähnt. Ihr habt die Stellen auf dem Umdruck. Die Apostelgeschichte beschreibt eine Zeitspanne von etwa dreißig Jahren, und in dieser Zeit wird sechsmal von Handauflegung berichtet.
Es ist also nicht so, dass die Apostel ständig und häufig die Hände aufgelegt hätten. Sechsmal in dreißig Jahren wird hier berichtet. Warum? Weil Handauflegung Einsmachung bedeutet. Identifikation ist daher auch mit einer gewissen Gefahr verbunden.
Wenn ich jemandem, den ich nicht kenne, einfach die Hände auflege – vielleicht jemandem, der kein gereinigtes Leben führt oder in dunkle Dinge verstrickt ist –, dann mache ich mich eins mit dieser Person. Das kann sogar Rückwirkungen auf mein eigenes Leben haben.
Es gibt einen Grundsatz im Neuen Testament, der in 1. Timotheus 5,22 steht. Dieser Vers bezieht sich zwar auf die Einsetzung von Ältesten, aber er ist allgemein gültig: Dort heißt es ganz richtig, man soll Ältesten nicht zu früh die Hände auflegen, also sie nicht voreilig zum Ältesten machen, ohne ihren Charakter gut zu kennen.
Das bedeutet auch ganz allgemein, niemandem zu schnell oder zu voreilig die Hände aufzulegen.
Diskussion über Vorsicht bei Handauflegung
Achim, ja, vielleicht ist es in Ordnung, wenn es nicht so oft vorkommt. Aber was möchtest du eigentlich fragen?
Das würde ja bedeuten, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man Leuten die Hände auflegt, weil der böse Geist, der gerade im Trend ist, auch auf mich zurückschlagen könnte. Dadurch wäre der Geist Gottes schwächer.
Zeigt dieser Punkt nicht eher, dass eine gewisse Ängstlichkeit vorhanden ist? Dass man lieber nicht zu schnell die Hände auflegt, anstatt es andersherum zu sehen? Gerade diese Stellen sind foliert.
In 1. Timotheus 5,22 steht, ob man daraus ableiten kann, dass das allgemein gilt, halte ich für schwierig. Denn Demotes bekommt dort die Anweisung im Zusammenhang mit den Ältesten.
Richtig, das habe ich auch gesagt. Vom Kontext her gilt es eindeutig für die Einsetzung der Ältesten. Aber weil danach noch steht: „Mache dich auch nicht teilhaftig an fremden Sünden“, glaube ich, dass das nicht nur auf die Ältesten bezogen ist, die vielleicht noch Sünden in ihrem Leben haben.
Ich glaube, das geht ein Stück weiter. Das möchte ich gerne mit der nächsten Stelle belegen, die nicht auf eurem Umdruck steht, und zwar mit Haggai 2,12-13.
Prinzipien aus Haggai 2,12-13 zur Heiligkeit und Unreinheit
In Haggai 2 wird ein ganz wichtiges Prinzip beschrieben. Wir finden es bei einem der kleinen Propheten, nämlich in Haggai 2,12-13. Ich muss gestehen, dass ich lange über diese Stelle hinweggelesen habe, ohne sie wirklich zu verstehen. Vielleicht verstehe ich sie jetzt ein wenig besser.
Haggai 2,12 lautet: „Wenn jemand heiliges Fleisch im Zipfel seines Kleides trägt und mit seinem Zipfel Brot oder Gekochtes oder Wein oder Öl oder irgendeine Speise berührt, wird das dadurch heilig?“ Versteht man die Fragestellung? Es wird gefragt, ob Heiligkeit übertragen werden kann. Wenn jemand heiliges Fleisch in ein Stück Stoff eingewickelt hat und damit eine andere Speise berührt, wird diese Speise dadurch heilig?
Die erwartete Antwort, die auch die Priester gaben, lautet: Nein, Heiliges kann nicht übertragen werden. Daraufhin sagte Haggai: „Wenn jemand, der sich an einer Leiche verunreinigt hat, dies alles berührt, wird es dadurch unrein?“ Die Priester antworteten: „Es wird unrein.“ Versteht man, was hier gesagt wird? Heiliges kann nicht einfach von einem Gegenstand auf einen anderen übertragen werden. Aber Unheiliges kann übertragen werden; es wird unrein.
Das ist ein Grundsatz. Wir haben jetzt keine Zeit, uns den gesamten Kontext von Haggai anzuschauen. Es ist aber ein ganz wichtiger Vers im Buch Haggai, den ich hier nur in den Raum stellen möchte.
Ich glaube nicht, dass wir jetzt in Sorge sein müssten, wenn wir einem Christen die Hände auflegen oder einem Nichtchristen. Es würde nicht sofort mit aller Macht etwas auf uns zurückschlagen. Das wäre fatal, denn der Geist, der in uns ist, ist stärker als der Geist, der in der Welt ist. Johannes schreibt genau das Gegenteil: „Der, der in euch ist, ist stärker als der, der in der Welt ist.“
Trotzdem glaube ich, dass wir sehr zurückhaltend sein sollten mit der Handauflegung. Ich persönlich würde niemandem die Hände auflegen, den ich nicht gut kenne. Und ich würde mir auch von niemandem die Hände auflegen lassen, den ich nicht gut kenne. In meinem Leben habe ich mir vielleicht zwei- oder dreimal die Hände auflegen lassen. Das waren Leute, die ich gut kannte, zum Beispiel ein alter Bruder, mein Seelsorger. Er hat mir einmal die Hände aufgelegt nach einer langen Seelsorge. Das war in Ordnung, und das kann ich so stehen lassen.
Aber ansonsten muss ich im Neuen Testament schauen: Wo wurden denn überhaupt Hände aufgelegt? Die Stellen in der Apostelgeschichte haben wir bereits erwähnt. Bei allen sechs Stellen kann man begründen, warum dort Hände aufgelegt wurden.
Es war immer zur Identifikation. Zum Beispiel die erste Stelle, Apostelgeschichte 6,6, als die Diakone, also die Helfer, die dort gewählt wurden, die Hände aufgelegt bekamen. Die Apostel legten ihnen die Hände auf, das heißt, sie stellten sich sichtbar hinter diese Männer. Die ganze Gemeinde in Jerusalem wusste: Diese sieben haben die volle Unterstützung der Apostel.
Oder eine andere Stelle in Apostelgeschichte 8,17, wo Petrus und Johannes nach Samaria zu Philippus gerufen werden. Philippus hatte dort gewirkt, und viele Menschen waren zum Glauben gekommen. Sie empfingen aber nicht den Heiligen Geist. Warum nicht? Erst Petrus musste kommen und die Hände auflegen. Gott wollte nicht, dass die judenchristliche Bewegung und die christliche Bewegung in Samaria, also die samaritanische Christenheit, auseinanderdriften und zu zwei getrennten Armen der Christenheit werden.
Deshalb mussten die jüdischen Apostel, als Vertreter des Judentums, kommen und ihnen die Hände auflegen. Damit wurde klar: Es gibt nur einen Strom der Christenheit – Judenchristen, Samariterchristen und später auch Heidenchristen wie wir. Es gibt nur ein christliches Evangelium und eine christliche Bewegung.
So hätte es sonst auseinanderbrechen können. Darum diente die Handauflegung der Identifikation. Gleiches sehen wir in Apostelgeschichte 9,17, als Ananias Saulus die Hände auflegt. Damit zeigte er: Ich stehe hinter dir. Du warst ein Mörder, Christenverfolger und Lästerer, aber jetzt bist du angenommen von uns Christen und gehörst zu uns.
Dann gibt es eine Stelle in Apostelgeschichte 13,3, wo Hände aufgelegt werden, wenn Missionare ausgesandt werden. Es ist keine Mussbestimmung, es steht nicht ausdrücklich da, dass es so sein muss. Aber es ist ein gutes Zeichen, wenn die aussendende Gemeinde, also die Ältesten, einem Missionar oder Ehepaar die Hände auflegen und sagen: „Du gehst von unserer Stadt in die Mongolei, und wir stehen hinter dir im Gebet. Wir unterstützen dich mit Gaben und schicken dir Päckchen zu Weihnachten.“ So steht die ganze Gemeinde hinter dem Missionar.
Es gibt also einige Stellen, wo auch heute noch Hände aufgelegt werden könnten. Vielleicht auch zur Erweckung einer von Gott geschenkten Gabe, so wie Paulus es bei Timotheus tat. Dabei möchte ich betonen, dass Timotheus diese Gabe schon hatte; sie war in ihm. Die Gabe wurde nicht durch Handauflegung übertragen.
Paulus legte Timotheus die Hände auf, um sich hinter ihn zu stellen und zu sagen: „Du bist jetzt hier in Ephesus, und ich, der Apostel Paulus, stehe hinter dir.“ Er tat das vor der ganzen Ältestenschaft von Ephesus. Das bedeutete: „Der junge Mann, den ich euch gesandt habe, steht unter meiner Autorität. Seine Weisungen hört.“ Timotheus war ein Gesandter des Apostels.
Diese Zwischenstellung gibt es heute in den Gemeinden so nicht mehr. Deshalb wäre ich sehr zurückhaltend mit der Handauflegung.
Ich möchte noch einen Satz sagen, den ich bisher nicht erwähnt habe: Träger falscher Geister haben oft einen Drang, geradezu eine Manie zur Handauflegung. Vorschnelle Handauflegung ist geistliche Hurerei.
In der charismatischen Bewegung wissen das alle, die sich damit beschäftigt haben. Dort wird leider ständig die Hand aufgelegt. Es geht fast so weit, dass man sagt: „Du hast ein Problem? Komm, ich lege dir mal schnell die Hände auf.“ Andauernd werden Hände aufgelegt, bei manchen Großveranstaltungen sogar in Massen.
Ich weiß von einem Segnungsgottesdienst in Tübingen, bei dem die Teilnehmer – etwa 600 Leute – aufgefordert wurden, ihrem rechten und linken Nebenmann die Hand aufzulegen und dann dem Vorder- und Hintermann. Dort waren Christen und Nichtchristen, Menschen, die in allen möglichen Sünden lebten, vielleicht auch Leute mit okkulten Bindungen.
Ich möchte nicht wissen, was im unsichtbaren Bereich passiert ist, als sich 600 bis 800 Leute gegenseitig die Hände auflegten. Die Schrift wird dadurch nicht entleert. Deshalb sollten wir sehr zurückhaltend sein.
Ich kann es nur so sagen: In der Verantwortung vor dem Herrn möchte ich jeden bitten, sehr zurückhaltend zu sein, wenn es um Handauflegung geht. Das hat nichts damit zu tun, wenn ihr bei euren Ältesten in der Gemeinde Seelsorge habt oder wenn Missionare ausgesandt werden. Oder beim Gebet der Ältesten über Kranke, nach Jakobus 5, obwohl dort nicht ausdrücklich steht, dass Hände aufgelegt werden sollen. Es steht nur, dass die Ältesten über die Kranken beten sollen.
Aber Vorsicht: Wenn der Handauflegende ein Unbekannter ist oder wenn keine Gewissheit besteht, dass der Handauflegende ein gereinigtes Leben vor Gott führt, sollte man vorsichtig sein. Handauflegung setzt ein Vertrauensverhältnis voraus.
Dann möchte ich auch sagen: Vorsicht, wenn Frauen Hände auflegen wollen. Wir haben dazu kein einziges Beispiel in der Bibel. Ich weiß, dass wir aus dem Schweigen der Schrift grundsätzlich keine Lehre bilden dürfen. Aber es ist auch nicht von ungefähr, dass in der ganzen Bibel kein Beispiel zu finden ist, dass Frauen Hände aufgelegt haben.
Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn Frauen heute Hände auflegen. Sonst wäre das an irgendeiner Stelle erwähnt worden, damit es ein Vorbild in dieser Richtung gäbe.
Auf keinen Fall sollte Handauflegung erfolgen, wenn okkulte Bindungen vorliegen. Ich möchte daraus keine Erfahrungstheologie machen, aber ich weiß von einem jungen Prediger in Ostdeutschland, der einer schwer gebundenen Frau die Hände aufgelegt hat. Leider wurde der Mann daraufhin schwer depressiv und hat sich sechs Wochen später das Leben genommen.
Deshalb möchte ich das einfach so stehen lassen: Ich wäre sehr zurückhaltend bei Handauflegung, wenn Menschen wirklich in richtiger Finsternis sind, also okkult gebunden.
Wenn bei Großveranstaltungen die Teilnehmer sich gegenseitig die Hände auflegen sollen, ist auch Vorsicht geboten. Grundsätzlich sollte Handauflegung nur erfolgen, wenn beide Seiten die Handauflegung wollen.
Rückwärtsfallen nach Handauflegung
Vielleicht ergänzend zum Rückwärtsfallen nach Handauflegung: In Pfingst- und charismatischen Kreisen kommt es häufig vor, dass Menschen nach Handauflegung durch bestimmte Gabenträger nach hinten auf den Boden stürzen.
Bei charismatischen Veranstaltungen ist es sogar üblich, dass Auffänger hinter den Betroffenen stehen, für die gebetet wird. Männer oder Frauen stehen bereit, um die Betroffenen aufzufangen. Mit ihnen wird gebetet, manchmal werden sie nur an der Stirn berührt.
Ich habe sogar letztes Jahr in Pensacola, Florida, gesehen, wie eine zarte Frau vor einem kräftigen Mann stand und ihn nur leicht anstupste. Daraufhin fiel er nach hinten um. Er hat sich wahrscheinlich wehgetan, weil ihn niemand auffing. Er stürzte auf den Boden und sogar über eine andere Frau, die dort bereits lag. Diese Frau äußerte sogar Schmerzensbekundungen.
Außerdem habe ich beobachtet, wie Leute gar nicht berührt wurden, sondern man nur mit der Hand vor ihnen fächerte – und diese Personen fielen ebenfalls um. All das ist heute zu sehen, und zwar immer mit einem Rückwärtsfallen.
Wer seine Bibel nur ein wenig kennt, weiß, dass Rückwärtsfallen in der Bibel immer im negativen Zusammenhang vorkommt. Zum Beispiel in 1. Mose 49,17, wo der Segen über Dan ausgesprochen wird: „Dan, der Reiter, wird eine Schlange beißen, und er wird nach hinten stürzen.“ Oder in 1. Samuel 4,18, das bekannte Beispiel von Eli, der unter Gottes Gericht steht, nach hinten vom Stuhl fällt und sich das Genick bricht.
Auch in Jesaja 28,13, wo zum ersten Mal die Zungenrede in der Bibel erwähnt wird, findet sich rückwärtsfallende Rede im Zusammenhang. Ich möchte später darauf zurückkommen, wenn wir über die Zungenrede sprechen.
Menschen, die Gott begegnen, fallen in der Bibel grundsätzlich auf ihr Angesicht. Zum Beispiel in der Offenbarung fällt Johannes auf sein Angesicht sowie andere Personen.
Es gibt zwar die eine Stelle im Garten Gethsemane, wo der Herr Jesus sagt: „Ich bin es“, und alle fallen zu Boden. Aber das ist kein freiwilliges Niederfallen in Anbetung. Sie fallen dort aus Ehrfurcht, weil seine Majestät plötzlich aufleuchtet. Diese Stelle kann man nicht in diesem Zusammenhang heranziehen.
Man kann wirklich sagen: Menschen, die Gott begegnen, fallen, wenn sie fallen, auf ihr Angesicht. Rückwärtsfallen hat in der Bibel eine tiefe Symbolik. Man muss immer prüfen, wo es zum ersten Mal vorkommt.
Weiß jemand, wo jemand in der Bibel zum ersten Mal rückwärts fällt? Noah. Er hat sich betrunken und fällt nach hinten um, liegt nackt in seinem Zelt. Rückwärtsfallen bedeutet in der Bibel „das Aufdecken der Blöße“ und ist ein Zeichen von Gericht. Die Brüder Noahs gehen rückwärts in das Zelt und decken ihn zu. Einer von ihnen, Ham, verspottet ihn.
In diesem Zusammenhang erscheint es sehr seltsam, wenn Menschen nach hinten fallen. Das wird zwar mit allen möglichen Argumenten verteidigt, warum das doch vom Heiligen Geist kommen soll, aber ich wäre sehr skeptisch, wenn Leute nach hinten umfallen.
Überhaupt müsste man sich noch damit beschäftigen, wie es dazu kommt, dass Menschen plötzlich nach hinten umkippen. Ob das der Heilige Geist bewirkt, darüber möchte ich später noch kurz sprechen.
Erwin, zunächst einmal.
Ja, es werden oft Stellen herangezogen wie Johannes 18 im Garten Gethsemane, wo gesagt wird, dass Menschen zurückgewichen sind und rückwärts auf den Boden gefallen sind. Einige sind vor Jesus umgefallen.
Man vergisst jedoch, dass sie dort im Erschrecken vor seiner Heiligkeit und Majestät gefallen sind. Es war auch ein Gericht über sie, das Jesus jedoch zurückhielt, weil er sich freiwillig gefangen nehmen ließ. Er hätte sie in diesem Moment vernichten können, verzichtete aber auf seine Allmacht.
Diese Stelle kann man nicht heranziehen, um zu rechtfertigen, dass Menschen nach hinten fallen. Es ist ein anderer Zusammenhang. Im Deutschen steht dort nur, dass sie „zurückwichen“, ohne genauere Angabe, ob nach hinten, vorne, rechts oder links. Ich habe noch nicht geprüft, wie es im Griechischen genau steht.
Ich weiß nur, dass diese Stelle von einigen verwendet wird, um das Rückwärtsfallen zu rechtfertigen. Doch das ist viel zu dünnes Eis.
Ich hätte noch zwei Punkte vor unserer Pause, wenn das möglich ist.
Kritik an der passiven Haltung bei der Geistestaufe
Ich habe eben die Frage angeschnitten, ob es überhaupt richtig ist, dass Menschen plötzlich umstürzen. Macht das der Heilige Geist, dass er uns plötzlich umwirft, ja auf den Boden wirft? Ist das überhaupt biblisch haltbar?
Damit sind wir beim Dritten: der falschen Praxis der Passivität.
Die Geistestaufe wird nach charismatischem Verständnis erstens durch Handauflegung übertragen und zweitens, wenn sich der Empfänger innerlich passiv verhält. Er muss sich ohne innere Anspannung einfach öffnen und treiben lassen.
Dieses Phänomen der Passivität finden wir erstmals in der fernöstlichen Mystik. Das ist im Hinduismus enthalten, in all den fernöstlichen Lehren, in Transzendentaler Meditation (TM) und ähnlichen Praktiken. Dort findet man die Vorstellung, dass man sich innerlich ohne Anspannung verhalten muss. Mit anderen Worten: Man soll seinen Verstand ausschalten. Die Engländer sagen dazu "to make the mind blank", also das Bewusstsein ausschalten, ganz passiv werden.
Watchmanee sagt zu Recht: Ein passiver Verstand ist ein Einfallstor für Finsternis. Es gibt einfach Gesetzmäßigkeiten. Zum Beispiel funktioniert Hypnose nur bei einem Menschen, der sich ohne Anspannung verhält. Deshalb nehmen Hypnotiseure meistens Frauen. Es tut mir leid, das so sagen zu müssen, aber ich habe es selbst erlebt. Sie suchen sich genau aus, wen sie nehmen.
Wenn ein Hypnotiseur mich oder dich nehmen würde und du dich innerlich stark dagegen sperrst, mit vollem Bewusstsein, könnte er nichts über dich bewirken. Ich habe auch gesehen, wie Hypnotiseure Leute wieder zurückgeschickt haben, mit denen sie nichts anfangen konnten.
Aber ich habe auch erlebt, wie ein zweieinhalb Zentner schwerer Mann ein junges Mädchen hypnotisiert hat. Sie war völlig in Trance. Er ließ sie wie eine Marionette tanzen – im Eisstadion in Liebenzell. Dann legte er sie auf zwei Stühle, mit dem Kopf auf dem einen und den Fersen auf dem anderen, das Gesicht nach oben. Anschließend stellte sich der Mann auf ihren Bauch. Könnt ihr euch das vorstellen? Hypnose!
Das sind Finsternismächte, das sind Kräfte, die es in dieser Welt gibt. Normalerweise würde ein Mensch dabei durchbrechen, die Wirbelsäule wäre gebrochen. Aber dieser Mann hypnotisierte das Mädchen und stellte sich auf sie, ohne dass ein Brett unterlag.
Ja, das gibt es alles: Hypnose, Mediumismus, auch in spiritistischen Zirkeln werden Menschen ausgesucht, die sich völlig passiv machen können. Dann kann ein anderer Geist durch sie wirken.
Leider muss ich auch sagen, dass man dieses Phänomen der Passivität wirklich auch in der Pfingst- und charismatischen Bewegung findet. Zwar nicht auf derselben Ebene wie in der fernöstlichen Mystik, Hypnose oder Mediumismus, aber dieselbe Praxis wird angewendet.
Wenn es zum Beispiel um den Empfang der Geistestaufe geht, wird dem Betreffenden gesagt: Du musst dich innerlich ganz öffnen, bitte schalte alles aus, lass deine Gedanken zur Ruhe kommen, denk an nichts mehr, öffne dich, lass dich fallen. Es wird sehr oft gesagt: Lass dich fallen.
Nur Leute, die das können und machen, machen dann die Erfahrung der sogenannten Geistestaufe und können hinterher in Zungen reden oder was auch immer die Folge ist.
Was müssen wir von der Bibel her dazu sagen? Die Schrift spricht zwar viel von Stille, aber nie von Passivität. Das ist ein großer Unterschied.
Die Bibel fordert uns auf, geistlich aktiv zu sein. Sie sagt: Wacht, ringt, sucht, jagt nach, klopft an. Ja, das sind alles aktive Dinge. Nirgendwo werden wir in der Bibel aufgefordert, uns hinzusetzen, ein Kerzchen anzuzünden und dann in uns hineinzuschauen, um zu hören, welche Stimmen da von innen hochkommen.
Solche Dinge – Passivität – finden wir leider gerade, wenn es um die sogenannte Geistestaufe in der charismatischen Bewegung geht.
Falsche Auslegung von Joel Kapitel 3 und ihre Folgen
Viertens: Die falsche Auslegung von Joel Kapitel 3
Joel Kapitel 3 dürfte vielen von uns bekannt sein. Es ist ein Kapitel, das sich stark mit einer Geistausgießung beschäftigt. Vielleicht sollten wir zuerst die Stelle in Joel Kapitel 3 anschauen, oder auch die Apostelgeschichte. Wir brauchen nicht das ganze Kapitel zu lesen, aber doch einen Teil davon.
In Joel Kapitel 3 richtet sich der Prophet an das Volk Israel, nicht an Menschen im heutigen Gemeindezeitalter. Er sagt: „Und danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Greise werden Träume haben, eure jungen Männer werden Gesichte sehen. Und selbst über die Knechte und die Mägde werde ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen.“
Dann geht es weiter mit Wunderzeichen am Himmel und auf der Erde: Blut, Feuer, Rauchsäulen; die Sonne wird sich verwandeln in Finsternis, der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt. Hier ist im Zusammenhang vom Tag des Herrn die Rede. Der Tag des Herrn ist eindeutig die sieben Jahre Trübsalszeit, von der die Bibel in der Offenbarung des Johannes spricht. Die Trübsalszeit ist der Tag des Herrn.
Bevor das geschehen wird, wird Gott noch einmal den Geist ausgießen. Nach dieser Trübsalszeit kommt das sogenannte tausendjährige Reich, in dem Israel wieder das Bundesvolk Gottes sein wird und im Mittelpunkt steht. Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden.
Nun müssen wir uns kurz damit beschäftigen: Petrus zitiert diese Joel-Stelle in seiner Pfingstpredigt. Damals geschah die erste Erfüllung der Joel-Verheißung, nämlich die Geistausgießung an Pfingsten, die Weissagung und die Errettung vieler Menschen. Diese Erfüllung hat sich am Pfingsten in Jerusalem ereignet.
Aber Joel 3 geht ja noch weiter. Dort ist von Blut, verfinsterter Sonne, Rauch und Ähnlichem die Rede. Das heißt, die zweite Erfüllung dieses Joel-Wortes steht noch aus. Die Frage ist nun, wann diese zweite Erfüllung kommt.
Die Charismatiker berufen sich alle auf die Joel-Stelle zur Rechtfertigung ihrer Visionen, prophetischen Reden und all der Erscheinungen, die es in charismatischen Gemeinden heute gibt. Hauptsächlich wird die Joel-Stelle zitiert. Wir müssen jetzt fragen: Ist die Joel-Weissagung für das Gemeindezeitalter gegeben?
Hat einer der alttestamentlichen Propheten die Gemeinde gesehen, die Gemeinde des Leibes? Keiner. Keiner der alttestamentlichen Propheten wusste etwas von der Gemeinde Jesu Christi oder von dem Geheimnis, dass aus Judenchristen und Heidenchristen ein Leib gebildet wird. Dieses Geheimnis wurde erst dem Apostel Paulus offenbart, nach dem Epheserbrief.
Keiner der alttestamentlichen Propheten hat eine einzige Weissagung über die Gemeinde gemacht. Es gibt ein paar typologische und christologische Hinweise, aber keine Weissagungen von Propheten des Alten Testaments auf die Gemeinde. Wenn mir jemand eine Stelle in der Bibel zeigt, würde ich fast sagen, ich gebe den Inhalt meines Portmonais preis. Aber das brauche ich nicht zu versprechen, denn ihr werdet auch keine Stelle finden.
Joel 3 ist ein Wort an Israel. Das wollen wir erstens festhalten: Es ist nicht an die Gemeinde gerichtet. Heute Morgen haben wir von Haushaltungen gesprochen – der Haushaltung Israels und der Haushaltung der Gemeinde. Keiner der Propheten hatte der Gemeinde etwas zu sagen. Sie wussten nichts von der Gemeinde, sie hatten nur die sogenannte Berggipfelperspektive.
Schade, ich habe eine Folie davon, aber sie ist in einem meiner vielen Ordner verschwunden, und ich konnte so schnell keine neue machen. Aber ihr könnt euch das vorstellen: Ich fahre heute Abend noch nach Beatenberg in der Schweiz, im Berner Oberland, gegenüber von Jungfrau, Eiger und Mönch. Wenn man dort oben steht, zum Beispiel auf dem Eiger, und über die Viertausender im Berner Oberland schaut, sieht man bei schönem Wetter das ganze Tal vor sich. Man sieht den nächsten Gipfel, und dahinter nur noch weitere Gipfel.
Man sieht nicht, dass da große Täler mit Autobahnen, Seen und Städten dazwischen liegen. Man sieht nur am Horizont Gipfel, Gipfel, Gipfel. Man weiß nicht, wie tief die Täler dazwischen sind. Das ist die Berggipfelperspektive.
Die Propheten des Alten Testaments haben alle den Gipfel gesehen: Das erste Kommen Jesu in Bethlehem, die Krippe. Micha sagt: „Und du Bethlehem Ephrath, die du klein bist, aus dir wird er kommen, der in Israel Herr sei.“ Bethlehem haben sie gesehen, die Krippe. Oder heute Morgen haben wir Jesaja 9 gelesen, den Friedefürsten, der kommen wird. Das haben sie gesehen.
Dann sehen sie wieder den herrschenden Christus im tausendjährigen Reich. Jesaja sieht auch den leitenden Christus, aber dann wieder Christus, den Herrscher im tausendjährigen Reich. Aber keiner der Propheten sah, dass zwischen dem ersten Kommen Jesu und dem zweiten Kommen Jesu eine Zwischenzeit von zweitausend Jahren liegen würde – die Gemeindezeit, in der wir jetzt leben.
Keiner hat es gesehen. Ich sage noch einmal: Zeigt mir eine Stelle im Alten Testament – ihr werdet sie nicht finden. Deshalb kann Joel nicht die Gemeindezeit gemeint haben. Keiner der Propheten hat für die Gemeindezeit geweissagt.
Er meint mit der Geistausgießung, dass am Beginn des tausendjährigen Reiches, wenn Israel den erkennt, in den sie gestochen haben, wenn Israel Christus als Messias annimmt, wenn sie den sehen, in den sie gestochen haben, den Mann mit den fünf Wunden, dann wird das ganze Volk Israel, das heißt der Überrest, der das erleben wird, den Geist empfangen.
Dann werden diese Dinge passieren, die Joel hier vorausgesagt hat. Es wird also zu Beginn des siebten Zeitalters, des tausendjährigen Reiches, erfüllt werden – und nicht am Ende des sechsten, in dem wir jetzt leben, im Gemeindezeitalter.
Es kann nicht so sein, weil keiner der Propheten die Gemeinde überhaupt gesehen hat. Das heißt, der Ausdruck „in den letzten Tagen“ bedeutet nicht das Ende der Gemeindezeit. Die zweite Erfüllung der Joel-Weissagung wird nach der Entrückung der Gemeinde geschehen, wenn der Überrest Israels in der großen Trübsal den Herrn Jesus als Messias annimmt.
Zu jener Zeit wird sich auch der bisher noch unerfüllte zweite Teil der Weissagung erfüllen, nämlich Blut, Feuer, Finsternis. Das ist noch nicht erfüllt, wird sich aber dann erfüllen.
Im Neuen Testament spricht man im Blick auf die Endzeit von Verführung, Überhandnehmen des Unglaubens und Abfall, aber in keiner Stelle von einer weltweiten Erweckung.
In Pfingst- und charismatischen Kreisen wird immer mehr die Botschaft verbreitet, dass eine weltweite Erweckung bevorsteht. Seit einiger Zeit gibt es eine Prophetenbewegung. Das sind Propheten, die sich so nennen und die Botschaft verbreiten, dass eine weltweite Erweckung bevorsteht.
Diese soll angeblich in Pensacola, Florida, in einer Gemeinde begonnen haben, in der seit drei Jahren Erweckungsveranstaltungen stattfinden, die ich letztes Jahr besucht habe. Wenn das der Beginn der Welterweckung ist, dann ahne ich einiges, was auf uns zukommen wird.
Zum Beispiel ist einer dieser Propheten Rick Joyner. In seinem Buch „Die Engel, die Ernte und das Ende der Welt“ beschreibt er, was kommen wird, wenn die Welterweckung ausbricht. Ich will es nicht wörtlich zitieren, aber er sagt, dass Kinder die Träger der Erweckung sein werden.
Kinder werden in Altersheime gehen und den Kranken die Hemden auflegen. Die Altersheime werden geschlossen, weil alle Kranken und Gebrechlichen nach Hause gehen und wieder fit werden. So beschreibt er das in seinem Buch.
Diese Botschaften werden verbreitet. Rick Joyner wird demnächst wieder zu einer Konferenz hier sein. Wenn ihr fragt, worauf man sich stützt: Joel 3.
Die Ausgießung wird kommen und steht unmittelbar bevor. Zum Beispiel sagte Dr. Yonggi Cho voraus, dass die weltweite Erweckung in Amerika beginnen wird, in Pensacola. Es ist nämlich die älteste Stadt Amerikas.
Dort sei die Gasausgießung, die dann über New Orleans die Ostküste hinaufgehen und von dort aus über die ganze Welt weitergehen wird.
Das wird inzwischen weltweit verbreitet, hauptsächlich über das Internet und über viele, die dorthin pilgern. Aber ob das die weltweite Erweckung ist, von der da die Rede sein soll, das wage ich zu bezweifeln.
Ich wollte das hier einfach deutlich sagen: Joel Kapitel 3 gibt das nicht her.
Wer sich heute mit Visionen und ähnlichen Dingen auf Joel 3 beruft, hat die Schrift nicht richtig verstanden, weil Joel in ein anderes Zeitalter gesprochen hat.
Wir müssen das richtig auslegen, so wie ich heute Morgen versucht habe zu zeigen: Wir müssen die Heilsgeschichte beachten und können ein Wort, das Israel gegeben ist, nicht einfach so auf die Gemeindezeit übertragen.
Wenn wir das tun, verlassen wir den Boden solider Schriftauslegung. Dann ist natürlich Tor und Tür geöffnet für alles Mögliche.
Schlussfolgerung: Visionen, die sich auf diese Stellen Joel 3 oder Apostelgeschichte 2 berufen, sind mit größter Vorsicht zu genießen. Ebenso Menschen, die sich für ihre Weissagungen auf diese Verse berufen.
Pause
An dieser Stelle möchte ich eine Pause vorschlagen. Wir haben bereits eine ganze Weile konzentriert zugehört und mitgemacht.
Lassen wir es hier für den Moment gut sein. Vielleicht ist jetzt Zeit für eine Tasse Kaffee oder etwas Frisches zu trinken. Vor allem kann es auch gut tun, etwas frische Luft zu schnappen.