Heute hören wir einen Abschnitt aus dem Wort des Herrn Jesus, überliefert durch seinen Apostel Jakobus. Dieser Abschnitt zeigt uns, wie Menschen, die krank oder schwach sind, die nicht mehr können und am Ende ihrer Kräfte sind, auch von Jesus getragen werden sollen. Gleichzeitig erfahren wir, wie wir Helfer dieses tragenden Jesus sein können.
Haben sie auch über sich nach Jakobus 5 gehandelt? So ist mir in den letzten zwei Jahren oft flüsternd und geheimnisvoll gesagt worden: Das muss doch das Wunder sein, dass sie jetzt, nach der schweren Operation und trotz des Befundes, doch wieder auf den Beinen sind. Haben sie über sich nach Jakobus 5 gehandelt?
Sie jedenfalls haben nach Jakobus 5 gehandelt, indem sie die Ältesten der Gemeinde zu sich holten. Herzlichen Dank für die Einladung bei euch, dass ich als Ältester unter euch sein kann.
Es ist auch nicht gemein gewesen, wenn sie nach Jakobus gehandelt haben. Euer Reichtum ist verfallen, eure Kleider sind von Motten zerfressen – auch das war nicht gemein.
Die Bedeutung von Jakobus 5 über das Gebet und die Salbung
Warum sprechen wir bei Jakobus 5 eigentlich immer nur von der Salbung mit Öl? Dabei steht dort doch noch viel mehr. Jakobus 5 beginnt ab Vers 13, und dem wollen wir heute Morgen ein wenig nachgehen.
Manche betrachten die Salbung mit Öl nicht nur als etwas Mysteriöses oder als ein Primborium, sondern als etwas durch und durch Katholisches. In der römisch-katholischen Kirche wird die Salbung mit Öl, oft auch als letzte Ölung bezeichnet, als Sakrament verstanden.
Ich habe eine neue Schrift gefunden, die ich in einem katholischen Hospital las. Die Überschrift lautet: „Im Leben bleiben und die Salbung wird verstanden – die Nähe Gottes feiern“. Wenn man mich fragt, ob über mir auch nach Jakobus 5 gehandelt worden ist, dann muss ich sagen: Nein, man hat mich nicht gesalbt, und doch wurde die Nähe des Herrn Jesus gefeiert. Das ist wohltuend.
Ich erinnere mich noch an eine Lektorentagung. Ich durfte lange verantwortlich sein für die Lektorenpredigten in unserem württembergischen Land. Für die Predigthelferschaft waren es über 700 an der Zahl. Bei dieser Vorbereitungstagung war ein erfahrener Lektor dabei, ein Geschäftsführer einer großen Firma, der noch Monate zuvor nach drei Schlaganfällen schwer gelähmt im Krankenhaus in Albstadt lag. Das Sprachzentrum war ausgefallen.
Nun unterhielten wir uns auf dieser Lektorentagung darüber, wie man richtig Krankenbesuche macht. Es wurde alles aufgetischt, was heute üblich ist: keinen zu großen Blumenstrauß mitbringen, nicht zu lange sitzen bleiben, nicht zu viel reden. Man soll auch den Kranken fragen, wie es ihm geht. Der erzählt nämlich zum fünfzigsten Mal gerne, wie groß der Gallenstein war. Und ich habe sogar den Zettel im Nachttischschublädchen hier, bitte.
Man soll mit dem Kranken nicht zu viel reden, all das wurde gesagt. Auch solle man ihm nicht zu viel Religiöses „um die Ohren hauen“. Ich weiß gar nicht, was eine Vorstellung ist, „um die Ohren hauen“. Da ist der Freund von Ebingen, der konnte sich nicht mehr halten. Mit hochrotem Kopf ist er aufgesprungen und hat gesagt: „Woher habt ihr denn das? Als ich krank lag und mich nicht mehr bemerkbar machen konnte, da sind die Leute am Krankenbett sitzen geblieben und haben gesagt: ‚Es wird schon wieder werden, du hast immer schon gepackt, du hältst doch durch, du hast doch eine stabile Gesundheit.‘ Sie haben mir die Ohren voll getrönt mit Dingen, die ich nicht mehr hören konnte, anstatt dass einer sagte: ‚Jesus ist da, Amen‘ und dann wiedergegangen ist.“
Die Nähe unseres Herrn Jesus bezeugen, feiern, über einem Kranken aussprechen – es gibt nichts Wichtigeres. Im Leben und im Sterben sind sie und bleiben sie sein.
Die Kraft des Gebets und der Glaube in der Krankheit
Als Sie mich gebeten haben, hier diese Bibelarbeiten zu halten, dachte ich zunächst, wir sind die Geschwister, die zu diesen merkwürdigen Themen gekommen sind. Oder vielleicht fragen sie dich, weil du etwas dazu sagen kannst, wie man in schweren Krankheitszeiten selbst empfinden kann.
Wenn Sie einmal Jakobus 5 aufschlagen, das brauchen wir für die Bibelarbeit, finden Sie in Vers 16: „Betet übereinander, damit ihr geheilt werdet.“ Und vorher, im Vers 15, steht: „Das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten.“ Die Begriffe „Heilung“, „Auferwecken“ und „Heilwerden“ gehen weit über das rein Körperliche hinaus.
Mir wurde in Krankheitsmonaten klar, wie sehr wir an diesem kleinen Leben festhalten – von unserer Geburt bis zum Sterben. Elementar existenziell sind wir an diese Erde gekrampft, wir wollen sie nicht loslassen.
Dabei lehrt uns Gottes Wort eine viel weitere Sicht des Lebens: „Deine Augen sahen mich, ehe ich im Mutterleib geschaffen wurde, als noch keiner meiner Tage da war.“ (Psalm 139,16) Gott hat uns schon gesehen, bevor wir geboren wurden. Er möchte uns bis in die Ewigkeit festhalten.
Wichtig ist nur, dass, wenn der Moment des Sterbens kommt – und das wird todsicher, wie wir makaber sagen, bei uns allen eintreffen – wir nicht aus Gottes Plan herausfallen, sondern darin bleiben.
Alle Begleitung von Kranken und Sterbenden hat diesen einen Sinn: Ich möchte dazu beitragen, dass auch in dieser großen Erschütterung ein Festhalten möglich bleibt.
„Lass mich dein Sein und Bleiben, du treuer Gott und Herr!“ Das soll wie eine große Glocke schwingen. Und dazu sollen wir Kranke begleiten – Menschen, die zum Sterben gerufen sind, damit sie die Ewigkeit gewinnen.
„Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ So hat unser Herr Jesus noch am Kreuz im Sterben gebetet (Lukas 23,46).
„Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott, deine Hände befehle ich meinen Geist.“
Die Verbindung zu alttestamentlichen Schriften und der Arzt als Gabe Gottes
Aber jetzt lasst uns doch einmal genau nachsehen, was eigentlich in Jakobus 5 steht. Ich denke, es ist ein gewisser Kommentar zu dem, was im Buch Jesus Sirach geschrieben steht. In den wenigsten Bibeln sind die Apokryphen enthalten, und das ist bedauerlich, weil die Apokryphen zur Zeit unseres Herrn Jesus Christus und der Apostel zur Heiligen Schrift gehörten und gelesen wurden.
Ich möchte Ihnen einfach einen Abschnitt daraus vorlesen, nicht den ganzen Text. Bei Sirach 38 finden wir das große Lob des Arztes und der Arznei, die Gott auch gegeben hat. Ab Vers 9 heißt es dort:
„Mein Kind, wenn du krank bist, so missachte nicht den Arzt und die Arznei, sondern bitte den Herrn, dann wird er dich gesund machen. Lass ab von der Sünde und handle recht, schaffe und reinige dein Herz von aller Missetat. Danach lass den Arzt zu dir, denn der Herr hat ihn geschaffen, und weise ihn nicht von dir, denn du brauchst auch ihn.“
Es kann die Stunde kommen, in der der Kranke allein durch die Hand der Ärzte geholfen werden kann. Denn auch sie werden den Herrn bitten, dass es ihnen gelinge, damit es dem Kranken besser geht, er gesund wird und wieder für sich sorgen kann. Wer jedoch seinem Schöpfer sündigt, der wird dem Arzt in die Hände fallen.
Nach diesem großen Lob des Arztes und der Arznei: Wer Gott nicht fürchtet, der fällt in die Hände des Arztes. Können Sie da einen Vers drauf machen? Seine Logik ist klar.
Herr Thürich, ich möchte auch, wenn Gott den Arzt und die Medizin als Hilfe für mich bereitgestellt hat, in die Hände Gottes fallen. Ich möchte nicht allein auf die Ärzte und die Medizin vertrauen, sondern sie als Hilfen annehmen, die Gott in seiner Gnade gegeben hat.
Der schwäbische Liederdichter Philipp Friedrich Hiller, der so lange in seiner Stimme gelähmt war, dass er nur noch in einem kleinen Hauskreis sprechen konnte – und das zwanzig Jahre lang –, hat gesagt, das Schlimmste für ihn sei die schlimmste Anfechtung gewesen, dass er einen Vikar anstellen musste, der sein Gehalt erhielt. Das war jedoch nicht das Schlimmste, sondern dass er jeden Sonntag eine Predigt von einem Vikar anhören musste.
Er selbst konnte nicht mehr sprechen, und nur durch die Liedstrophen, die er uns geschenkt hat, konnte er Jesus Christus als König bekannt machen. Eine seiner Strophen lautet:
„Dennoch weichet dein Erbarmen auch noch da nicht von uns Armen, da du Arzt und Mittel gibst, weil du uns in Jesus liebst.“
Haben Sie also kein schlechtes Gewissen, wenn Sie Medikamente nehmen dürfen. Danken Sie Gott auch über den Medikamenten und beten Sie darum:
„Herr, ich möchte allein in deiner Hand sein und danke dir, wenn deine gute Hand mir auch ein hilfreiches Medikament gibt.“
Die Gemeinde und das Gebet für Kranke
Aber jetzt sind wir schon bei Jakobus 5, oder endlich. Jakobus 5 beginnt mit den Worten: "Leidet jemand unter euch?" Es richtet sich also an die Gemeinde Jesu, nicht als allgemeine Weisung, wie man sich verhalten soll. Wenn es bei euch so ist, dass jemand im Kacko ist, also in Schwierigkeiten steckt.
Schon das Verb macht deutlich, dass es nicht um die Trübsal geht, die Christen in der Anfechtung sonst erleiden müssen – in der Verfolgung, in der Missachtung, im Ausgeschlossensein. Alle, die gottselig leben wollen, müssen Verfolgung leiden, so heißt es in 2. Timotheus 3. Paulus und Silas machen der Gemeinde, Paulus und Barnabas machen den Gemeinden in Kleinasien klar, dass wir durch viel Trübsal ins Reich Gottes kommen müssen.
Aber Kakopatein ist nun etwas ganz Besonderes. Da geht es einem schlecht, einem schmeckt es nicht mehr, man fühlt sich einfach nicht gut. Schwäbisch gesagt: Da ist nicht mehr viel los. Wer kakopatein erlebt, soll beten. Es geht hier nicht um Fürbitte, sondern um das Allerschwierigste: Wenn der Schmerz unseren Kopf und unseren Körper zermürbt, sollen wir unsere Gedanken noch einmal fassen zu einem Gebetsseufzer.
Es gibt kaum etwas Schwierigeres, als im Leiden, im körperlichen Leiden, die Sinne zu sammeln zu einem Gebetssatz. Wohl denen, die einen Vorrat an Liedstrophen haben, die sie nachbeten können, an Bibelworten, die sie nachbeten können, ohne sie erst formulieren zu müssen. Hier ist das Thema klar formuliert: Es geht nicht in erster Linie um Salbung, sondern ums Gebet.
Das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen. Wir dürfen den falschen Akzent nicht setzen. Öl wird später auch noch erwähnt: Die Ältesten sollen im Namen des Herrn beten und den Kranken mit Öl salben. Das Öl kommt an einigen wenigen Stellen in der Bibel vor. Zum Beispiel in Jesaja 1, wo die Wunden nicht geheilt und mit Öl versorgt sind. Der barmherzige Samariter goss Öl und Wein in die Wunden.
Quer durchs Altertum wurde Öl als Heilmittel verwendet. Doch hier ist offenbar mehr gemeint, wenn es später heißt, dass die Salbung mit Öl im Namen des Herrn geschieht. Neben der Medizin, die wichtig ist, soll die Salbung deutlich machen: Dieser Mensch gehört dem guten Hirten. Von ihm heißt es in Psalm 23: "Er salbt mein Haupt mit Öl."
Das ist nicht bloß ein armer Leidender, ein Hinscheidender, nicht nur einer, bei dem wir aus dem Krankenzimmer gehen und denken, der macht es nicht mehr lange. Ach, es ist schade, man kennt ihn kaum mehr. Nein, es ist ein auserwähltes Priestertum, ein königliches Geschlecht, so wie die Könige und Priester gesalbt wurden. Die Salbung mit Öl soll deutlich machen, dass dieser Mensch auserwählt ist vom Herrn, berufen zu den Stufen vor des Lammes Thron.
Liebe Schwestern und Brüder, wir sollten alle unsere Zurückhaltung gegenüber der Krankensalbung ruhig einmal überdenken. Ob es nicht richtig wäre, sie auch in unseren Gemeinden auszuüben, damit Menschen ein Verlangen danach bekommen. Wir sollen ja niemandem die Salbung aufdrängen. Es ist ein Ruf an die Ältesten der Gemeinde, dass sie mit dem Kranken beten, dass sie einander die Sünden bekennen und ihn im Namen des Herrn salben.
Der Umgang mit Krankheit und die Bedeutung von Mut und Gesang
Aber jetzt sind wir schon weit vorausgeeilt, denn es geht ums Gebet. Wer krank ist, kakopatein, der bete. Ist jemand guten Muts, Eu Thymein, der singe Psalmen. Es gibt also auch noch die Möglichkeit, dass man in der Gemeinde nicht nur sagt: „Ach, mir geht es schlecht.“ Das überlassen wir den Fernsehproduktionen und modernen Romanen, die quer durch erzählen, wie schlecht die Welt ist und wie furchtbar schwierig selbst die herrlichste Liebesgeschichte sein kann, denn danach kommt oft der Absturz.
Nein, freut euch an der schönen Erde! Dazu sind wir auch in Langeoog. Wir stimmen nicht ein Klagelied nach dem anderen an. Und wenn jemand guten Muts ist, dann singe er Psalmen. Ich bin meiner Mutter dankbar, dass sie uns eine Fülle von geistlichen Liedern auswendig lernen ließ. Nach dem Krieg war es einfach: Man bekam einen kleinen Schokoladenriegel für zwölf Strophen von Paul Gerhard. Wenn ich heute meinen Enkeln zwanzig Euro für ein dreistrophiges Lied aussetze, ist das uninteressant. Was sind zwanzig Euro, gell? Es ist ganz schwierig, junge Menschen heute zu animieren, sich einen Schatz anzulegen – auch für schwere und schöne Tage –, damit sie Loblieder singen können, Psalmen.
Singt Psalmen und geistliche Lieder! Wir leben heute in einer Zeit erschreckender religiöser Magersucht, biblischer Magersucht. Und wir sagen zu schnell: „Das ist ein alter Choral, und der wird auch noch mit der Orgel begleitet.“ Wir merken gar nicht, dass darin komprimiertes Bibelwissen steckt. So etwas findet man heute höchstens noch in den Liedern von Peter Strauch, die ihn lieben müssen – wie die Sonne aufgeht in der Macht.
Versehen Sie sich, testen Sie mal moderne Lieder! Nicht nur meine Emotionen, was ich gerade für Stimmungen dem Herrn gegenüber habe – „Ich will dir ewig folgen“, „Ich bin immer da“, „Ich stehe vor deinem Thron“ –, nein! Im schönen Haus der Insel wird eine kühne Formulierung gesagt: Testen Sie mal, ob gesungene Bibel da ist, Psalter!
Ich stehe immer in Gefahr, das Kleinod zu verlieren. Der Feind versucht mich immer dort zu fangen und will mich dir entführen. Herr Jesus, nimm dich meiner an, erhalte mich auf der Lebensbahn! Das ist biblisches Kostbares. Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren. Selbst wenn wir jubilierend sagen: „Ich stehe vor dem Thron deiner Herrlichkeit“, würde Luther als Mönch auch sagen können: Aber dann hat er erkannt, dass mit unserer Macht nichts getan ist, wir sind gar bald verloren.
Und er sagt: „Bei uns ist der Sünden viel“ (Psalm 130), „bei Gott ist viel mehr Gnade.“ Seine Hand zu helfen hat kein Ziel, wie groß auch sei der Schaden. Ich ermutige Sie, das ernst zu nehmen: Psalmen, geistliche Lieder – taucht wieder ein in den Reichtum, in die Ökumene der Christenheit quer durch die Jahrhunderte! Sie hat uns geschenkt, was sie aus der Bibel herausgehört, ja, und noch mehr.
Schwäche und Krankheit als Teil des Lebens
Es geht hier nicht nur um die Salbung, die in Jakobus 5 erwähnt wird, sondern um ein umfassenderes Thema. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Menschen schwach und gebrechlich sind. Wenn jemand unter euch schwach ist und nicht mehr kann, darf das sein? Der Apostel Paulus sagt einmal, wenn wir uns selbst mehr richten würden, gäbe es nicht so viele Kranke und Schwache unter uns.
Dieser Satz regt zum Nachdenken an: Gott mahnt uns auch durch Krankheit. Wenn wir uns selbst richten würden, gäbe es gar nicht so viele Krankheiten. Doch dass Krankheit existiert, gehört zu unserem Leben in dieser Welt dazu. Unser Körper wird schwach, und wir erleben Ausfälle im Gedächtnis. Wenn wir zum Beispiel drei Predigtgottesdienste am Vormittag haben, fehlt uns beim dritten Gottesdienst oft schon die Kraft – etwas, das früher gar kein Problem war.
Der Begriff „Asthena“ beschreibt diese Schwäche. Samuel Keller hat die evangelikale Christenheit, die sich damals noch nicht so nannte, immer wieder gewarnt, nicht nur davon zu reden, wie unser Herr heilt. Paulus, der viele Krankenheilungen erlebt hat, hat schließlich Trophimus krank in Milet zurückgelassen. Er riet Timotheus sogar, wegen seines kranken Magens ein wenig Wein zu trinken und nicht nur Wasser.
Paulus hatte bewusst Lukas als Arzt bei sich. Deshalb sollten wir nicht zu vorschnell und unbedacht über Gesundwerden sprechen, wenn wir für einen Kranken beten.
In den zurückliegenden Krankheitsmonaten war ich unaussprechlich dankbar für viele Fürbitten, die auch für mich, für Christoph Morgner und für viele liebe Brüder und Schwestern gesprochen wurden. Und Fürbitte wirkt.
Aber ich war erschrocken, dass so viele, die mir versicherten: „Ich bete für dich, und Gott kann doch ein Wunder tun. Wir rechnen damit, dass Gott ein Wunder tut“, sobald der schlechte Befund der Pathologie da war, sofort umschalten konnten. Sie sagten dann: „Ich habe gehört, es gibt eine Schlangengiftkur, und es gibt eine Petersilienkur. Wir kennen einen Heilpraktiker, und es gibt einen ganz besonderen Arzt. Es gibt einen Doktor Radtke, der naturheilende Mittel hat und früher mal im CVJM war.“
Man ahnt nicht, was unter unserer evangelikalen Oberfläche alles an „second hand“-Hilfe schlummert. Falls der Herr Jesus doch nicht will, dann haben wir ja immer noch diese Möglichkeiten. Da heißt es nicht mehr: „Ich stehe in der Hand meines Herrn.“
Die Rolle der Gemeinde und das Gebet für Schwache
Also, was soll man tun, wenn jemand asthenisch ist, also schwach? Dann soll er die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen, damit sie für ihn beten, besser gesagt, über ihm beten. Vielleicht ist der Kranke so schwach, dass er selbst kein Gebet mehr formulieren kann. Vielleicht ist er auch so bewegt, dass er mit der Stimme nicht mehr mitkommt.
Wir beten über ihn, auf seine Einladung und auf dringenden Wunsch der Pressbüter. Das Gebet ist wichtig. Man kann um einen Aufschub beten, man kann beten, dass Gott den Ärzten Weisheit gibt. Ebenso kann man dafür beten, dass er den vielen völlig überforderten Pflegenden beisteht und ihnen Kraft gibt. Man kann beten, dass Gott einem ein Trostwort schenkt und dass es vielleicht doch einen Aufschub für einen selbst gibt.
Darf man alles sagen? Ja, so wird euch gegeben.
Schwierig ist es, um eine Deutung zu bitten: Warum ist mir das jetzt widerfahren? Warum ist die Krankheit in mein Leben gekommen? Diese Frage wird nicht beantwortet, denn die Gemengelage ist so, dass der Satan um mich ringt und Jesus um mich ringt. Es ist sehr schwer auszumachen, ob ich jetzt vom Teufel versucht werde, ob das der Feind getan hat, oder ob Jesus mich demütigen will. Ob Jesus mich erfahren lassen will, wie viel er kann.
Aber ich darf auch um eine Deutung bitten. Vielleicht bekomme ich ein Wort, das mir Klarheit gibt, warum ich jetzt in dieser Lage bin.
Das Wichtigste wird aber immer noch sein, dass ich die Gewissheit bekomme, wie es im Heidelberger Katechismus, Frage 1, heißt: Was ist ein einiger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir selbst gehöre, sondern meinem treuen Heiland Jesus Christus. Er hat mich mit seinem heiligen Blut so vollkommmen erkauft, dass ohne seinen Willen nicht einmal ein Haar von meinem Haupt fallen kann.
Wenn Ihnen dann plötzlich in der Chemotherapie jedes Haar ausfällt, auch die Augenbrauen, wenn Sie keine Haare mehr auf die Hand drücken können und sich morgens nicht mehr rasieren müssen, sind Sie plötzlich gar nicht mehr glücklich, oder?
Aber ohne den Willen meines Vaters fällt nicht ein Haar von meinem Haupt. Weil ich ihm gehöre.
Darum sollten Sie darum bitten, dass Sie diese Gewissheit bekommen – im Leben und im Sterben, mit Leib und Seele.
Die Kraft des persönlichen Gebets und der Gemeinschaft
Als einmal eine etwas exaltierte Dame nach Bad Boll zu Pfarrer Johann Christoph Blumhart, dem Seelsorger von Möttlingen und Bad Boll, kam, sah sie, wie Blumhart am Fenster lag und den schönen Tag bestaunte. Sie stürzte ans Fenster und sagte: „Herr Pfarrer Blumhart, beten Sie mit mir!“ Darauf antwortete Blumhart: „Kindlein, du darfst doch selbst beten.“
Es ist wichtig, dass wir Menschen auch ermutigen, selbst zu beten und nicht nur Fürbitte zu leisten. Krankheit kann zudem eine Schule des Betens sein. Für mich war es eine ganz neue Erfahrung, seitdem ich meine Gebete niederschreibe – als einen Brief an meinen lieben Herrn, den erbarmer Jesus Christus. So schweifen meine Gedanken nicht so leicht ab.
Ich war dankbar für viele Menschen, die Jesus in mein Leben geschickt hat, von früher Jugend an. Während meiner Krankheitszeit habe ich darüber geschrieben: „Herr Jesus, vielen Dank für …“ Jetzt bin ich auf Seite sechs meines Notebooks, eng beschrieben mit kleinstem Schriftbild. Ich schreibe all die vielen Menschen auf, damit man es auch mal vor Jesus ausspricht – nicht bloß allgemein „Ich danke dir“, sondern wer dazugehört.
In der Krankheitszeit habe ich auch begonnen, gemeinsam die Würdetitel unseres Gottes aufzuschreiben: der Herr Zebaoth, der Schrecken Israels, Zuversicht und Burg. Dann bei Jesus: der Erbarmer, der Nazarener, der Maschiach, der treue Zeuge. Diese Hoheitstitel unseres Herrn, die ich jetzt oft am Anfang meines Betens verwende, sind auf den Seiten drei und vier eng beschrieben.
Warum sagen wir eigentlich immer nur „Herr, Herr“? Wir sollten doch die herrlichen Hoheitstitel nennen, die in der Schrift stehen und uns so wichtig sein sollten. Doch das Entscheidende ist zu bitten: „Herr, lass mich dein Sein und Bleiben erfahren.“
Ich bete darum, dass die Ältesten kommen, dass wir einander die Sünde bekennen und dass sie salben – aber nur in diese eine Kerbe schlagen. So soll ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir selbst gehören, sondern meinem treuen Herrn Jesus eigen sein.
Sie sollen ihn salben – im Namen des Herrn. Grammatikalisch ist das vielleicht noch nicht ganz richtig ausgedrückt, ob eine Inversion nötig ist oder ob „Salben mit dem Öl im Namen des Herrn“ nicht treffender wäre. Aber das Entscheidende ist: Herr, er gehört nicht den Ärzten, nicht seinen Angehörigen, nicht den Arzneien, nicht dem Krankenhaus, nicht seiner Lebenssehnsucht, sondern er gehört dir.
Salben im Namen des Herrn. Du hast ihn erkauft, Herr Jesus. Was du für ihn getan hast, lass ihn nicht los. Du bist für ihn da.
Die Bedeutung der Sündenvergebung in der Krankensalbung
Und es ist wie ein Nachtrag, dass Jakobus klar macht: Wenn jemand Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden. In Vers 15 heißt es: Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr gesund werdet.
Ich habe ein Wort ausgelassen: Bekennt einander eure Sünden. Der Kranke, der mit seiner Krankheit ohnehin belastet ist, soll jetzt nicht auch noch vor anderen die dunklen Stellen seines Lebens ausbreiten und den Eindruck haben, die sitzen dabei und sagen: „Aha, der Jesus hat also mit ihr so eine Rechnung zu begleichen gehabt, aha.“ Aber trotzdem sagen wir: „Wir gewähren dir im Auftrag Jesu die Vergebung.“ So bekennt einander.
Das müsste doch die größte Hemmung für uns Älteste und Ältestinnen sein, für diejenigen, die feministisch denken. Also müsste es die größte Hemmung sein, dass wir selbst anfangen müssen zu sagen: Herr, was habe ich in der Gemeinde alles verbrochen! Wie habe ich über unseren Vorsteher gescholten? Wie habe ich neulich die modernen Lieder verdammt? Wie habe ich ein kritisches Gesicht gemacht, und zehn andere Mitälteste in der Gemeinde haben sich daran erbaut, wie der Chefbruch kritisch geschaut hat, sind heimgegangen und haben gesagt: „Er war auch nicht ganz einverstanden.“
Alle Sünden, die wir gemacht haben, haben den Geist der Gemeinde mit vergiftet. Das soll besonders ein Gemeindegebet sein, bei dem deutlich wird: Es geht jetzt nicht bloß um Krankheit und warum Krankheit, sondern der Horizont der Gemeinde soll aufgerissen werden. Bekennt einander die Sünden! Nicht der Kranke ist allein der arme Sünder, sondern wir sind alle da als arme Sünder.
Für einen, der mit Jesus leben will, ist es in der Krankheitsnot so, dass man plötzlich von einem Augenblick zum anderen auf die andere Seite gestellt wird – denen gegenüber, die so sicher leben. Wenn der Arzt einmal sagt: „Oh, da ist etwas, was mir nicht gefällt,“ fühlen sie sich mit einem Schlag versetzt auf die Seite derer, die jetzt ganz sicher auf den Tod zugehen.
Und da ist nicht bloß die Lebensgier da, sondern auch das Gewissen ist geweckt. Mein Herr kann mit vollem Recht auf mich verzichten. Es ist eigentlich eine Gnade, dass ich so alt werden durfte, und es ist nur berechtigt, dass er mich auf die Seite stellt. Ich soll keinen Augenblick meinen, er könnte mich noch gebrauchen.
Wenn mich die Sünden der Jugend verklagen, die mein Gewissen mir täglich vorhält, dann kommt es in der Krankheit dazu, dass einem alles bewusst wird. Da muss gar nicht, wie es so heißt, im letzten Augenblick der Film des Lebens abrollen. Da wird manches klar und manches erschreckend.
Und die größte Wohltat ist, dass der Herr mit seinem Sterben auch sagt: Dafür bin ich gestorben. Ich trage dich mit deiner Schuld, mit deiner Sünde. Du bist mir willkommen!
Es war so schön bei einer Pro Christ-Versammlung, wie die fränkische Gräfin sagte: „Heiliger Geist, du bist willkommen.“ Aber es ist deutlich geworden, dass Jesus über Sünder sagt: Jede Seite ihres Lebens wird aufgeblättert mit Schuld und Versäumnis – und doch sagt er: „Du bist mir willkommen!“
Der Sinn der Sündenvergebung ist, dass Jesus sagt: Genau auf das bin ich doch zugegangen, auf Sünder. Dich will ich haben, damit ich im Leben und im Sterben, mit Leib und Seele, nicht mein Eigen bin, sondern das meines treuen Heilands Jesus Christus.
Das Christusverhältnis und die Zugehörigkeit zu Jesus Christus
Es ist merkwürdig, dass im Neuen Testament an den Stellen, an denen vom Gehören die Rede ist, die entsprechende Vokabel eigentlich gar nicht vorkommt. Zum Beispiel in Galater 3, dem letzten Vers: „die dem Herrn angehören“. Oder in Galater 5,24: „die dem Herrn angehören“. Wenn man im Griechischen nachsieht, steht dort lediglich ein Genitiv: „die des Christus sind“.
Otto Schmitz, der große Professor der Bekennenden Kirche und ein Leiter des Johanneums in Wuppertal, hat einst seine Doktorarbeit zum Thema „Das Christusverhältnis des Paulus im Licht seines Genitivgebrauchs“ geschrieben. Dort wird ebenfalls betont: „die des Christus sind“.
In 1. Korinther 3 heißt es: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi“. Wir sollten das nicht mehr so sagen. Der Name „uns erlösen“ ist so schön, dass wir nicht von „Christi“, „Christo“, „Christum“ sprechen sollten. Das konnte Johann Sebastian Bach noch machen, aber wir leben im Jahr 2003, nicht wahr?
Alles ist euer, ihr gehört Christus, und Christus gehört Gott, so wie Christus unauflöslich in jedem Augenblick seinem Vater im Himmel gehörte und in Ewigkeit gehören wird. Genau so – es verschlägt einem fast den Atem – genau so sollen Leute, die sich auf Jesus berufen und seinen Namen bekennen, ihm gehören, dem Herrn Jesus Christus.
Alles ist ihr, ihr gehört Christus, so wie Christus Gott gehört. So soll es bleiben, bis mein Herz bricht. Dazu sollen Gebet, Sündenvergebung, Fürbitte und auch Krankensalbung mit der Handauflegung helfen, einem Menschen zu bezeugen: Du gehörst ihm.
Und dann soll die große Ruhe über einen Kranken kommen: „Ewig, ewig bin ich sein, ewig ihm, meinem Gott, erkaufend.“ Herr, lass uns dazu helfen können. Lass uns selbst in dieser Gewissheit leben. Amen.