Danke, dass wieder so viele gekommen sind. Herzlich willkommen bei uns. Für dich war es das erste Mal, dass du hier bist, als ich bei Hans Peter, dem Leiter auf dem Dauernhof, war. Ich bin schon 16 Jahre alt – das ist schon ganz schön lang.
Ja, Georg, extra für dich. Hegricht, Christine, Servus, Angie – ja genau, es ist schön, auch von mir bist du nie gesessen. Das ist wieder ehrlich. Peter, jawohl, sehr gut. Das ist okay, Johann. Gut.
Und das Thema haben wir ja im Prediger. Ich weiß nicht, ob diejenigen, die im Frühjahr schon da waren, weitergelesen haben. Wir haben im Frühjahr Kapitel 1 bis 6 gemacht. Jetzt im Herbst wollen wir Kapitel 7 bis 12 behandeln.
Wir werden es so machen, dass wir heute Nacht Kapitel 7 besprechen. Nächste Woche werden wir Kapitel 8 und 9 machen. In der dritten Woche dann Kapitel 10, 11 und 12. So wird der Ablauf sein.
Ihr habt Kopien bekommen, eine grobe Übersicht. Ich mache auch mit den Oberherzen mit. Ihr habt das auf einem kleinen Zettel. Wenn ihr einen Stift habt, könnt ihr auch ein bisschen mitschreiben, zum Beispiel am Rand, wenn ihr etwas notieren wollt.
Im Frühjahr hat die Wastauber noch Mappen verteilt. Jetzt weiß ich nicht, ob ihr die Mappen mitgenommen habt. Wir hatten eigentlich gedacht, dass ihr die Zettel einfach in die Mappen hineinlegt.
Wenn ihr keine Mappen habt, und ihr nicht so oft da seid, bringt beim nächsten Mal einfach ein paar mit. Das ist kein Problem.
Übrigens: Wer im Frühjahr nicht da war, kann gern auch die Übersichten vom Frühjahr haben. Ich müsste das nur wissen, dann machen wir Kopien. Ich frage in der zweiten Stunde für das nächste Mal noch einmal nach.
Einführung in die Predigtreihe und heutiges Thema
Gut, dann schlagen wir auf in Prediger Kapitel sieben. Das Thema für die erste Stunde nenne ich „Erneuerung von innen nach außen“. Das wird auch das Thema für den heutigen Abend sein: von innen heraus erneuert werden.
Bekanntermaßen geben wir Menschen relativ viel Geld aus, um unser Äußeres zu verändern. Das fängt schon bei ganz normalen Dingen an. Es ist üblich, dass man sich etwa alle drei Monate die Haarfarbe auffrischt. Künstliche Fingernägel sind ebenfalls beliebt. Oder man lässt sich dezent ein wenig richten, damit man äußerlich besser aussieht, als man tatsächlich ist.
Es gibt aber auch außergewöhnlichere Maßnahmen, die man nicht so oft vornimmt. Dazu zählen zum Beispiel Fettabsaugen, Facelifts oder das Auffüllen von Lippen und Busen. Auch Nasenoperationen sind möglich. Bei den meisten von uns ist das nicht so dramatisch. Dennoch geben wir Millionen aus, um unser Äußeres zu verändern.
Mehr oder weniger sind wir alle daran interessiert, etwas jünger und sportlicher auszusehen, als wir es wirklich sind. Das Problem dabei ist offensichtlich: Diese Veränderungen, die wir außen vornehmen – und das ist ja nicht falsch – sind ab einem gewissen Alter, etwa ab 40, oft einfach Natur pur, die ein bisschen nachgeholfen werden muss. Das Problem ist jedoch, dass die äußerliche Veränderung nie tiefer geht als unter die Haut.
Die äußerliche Veränderung bleibt immer oberflächlich. Aber wir selbst ändern uns dadurch innerlich kein bisschen. Wir bleiben innerlich genau die gleichen. Und so schön unser Äußeres auch werden mag, es hilft uns nicht wirklich. Das wissen wir.
Im Kapitel sieben im Prediger geht es jetzt um eine Veränderung von innen nach außen. Das Buch kostet zwölf Euro, relativ günstig. Man kann das Ganze zusammenfassen mit Prediger Kapitel acht Vers eins. Das ist mehr oder weniger die Zusammenfassung. Die Kapitel-Einteilung ist übrigens nicht inspiriert; die Stimme Gottes spricht nicht darüber. Aber das ist ja egal.
Kapitel acht, Vers eins lautet: „Wer ist wieder weise und wer versteht die Deutung der Dinge? Die Weisheit des Menschen lässt sein Gesicht leuchten, und die Härte seines Gesichts verändert sich.“ Wenn ein Mensch von innen heraus verändert wird, dann leuchtet sein Gesicht. Die Härte seines Gesichts verändert sich.
Das stimmt wirklich. Es ist wunderschön zu beobachten, wie sich das Gesicht eines Menschen verändert, wenn Weisheit und Liebe Einzug halten. Wenn man vorher verbissen war, sieht man nun, wie sich das Gesicht verändert. Die Härte des Gesichts weicht.
Weisheit und innere Veränderung als Quelle äußerer Ausstrahlung
Und jetzt, in Kapitel sieben, gibt er uns Ratschläge und Weisheiten, wie wir attraktive Menschen sein können – schöne Menschen. Dabei gibt er uns vor allem einen inneren Rat: den schönen inneren Menschen.
Als ersten Punkt haben wir hier auch die harten Seiten des Lebens – schätze sie. Ich möchte einmal die ersten Verse aus Prediger Kapitel sieben vorlesen. Wir lesen die Verse 1 bis 5:
"Besser ist ein guter Name als ein gutes Salböl, und der Tag des Todes ist besser als der Tag, an dem jemand geboren wird. Besser ist es, ins Haus der Trauer zu gehen als ins Haus des Gastmahls, denn jenes ist das Ende aller Menschen, und der Lebende nimmt es sich zu Herzen. Besser ist Vertrauern als Lachen, denn bei traurigem Gesicht ist das Herz in rechter Verfassung. Das Herz der Weisen ist im Haus der Trauer, das Herz der Toren aber im Haus der Freude."
Denkt mal darüber nach: Das klingt nicht gerade schön. Vertrauern ist besser als Lachen, ein trauriges Gesicht ist besser als ein fröhliches Herz. Man könnte das humorvoll oder anders ausdrücken. Wichtig ist: Charakter ist wichtiger als ein geliftetes Gesicht.
Doch er wird ziemlich ernst, wenn er sagt, besser ist der Tag des Todes als der Tag der Geburt, besser ist ein trauriges Gesicht als ein lachendes Herz. Besser ist Trauer als eine Feier, eine Party. Besser ist Rüge. Im Vers 5 heißt es: "Besser ist das Schelten des Weisen zu hören als das Singen der Toren." Das bedeutet, besser ist Rüge als ein oberflächliches Kompliment.
Das Wort "besser" kommt hier sechsmal vor. Übrigens, wenn die Bibel sagt, dass das eine besser ist als das andere, heißt das nicht, dass das andere schlecht ist. Die Geburt ist nicht schlecht, eine Party ist nicht schlecht, ein Lachen ist nicht schlecht – im Gegenteil, es ist wunderbar, dass es das gibt.
Aber der Prediger sagt uns: Für die Charakterbildung ist das Zweite wertvoller. Und genau das werden wir jetzt ergründen – warum das so ist.
Die Bedeutung von Leid und Tod für Weisheit und Leben
Indem wir uns mit Leid und Tod auseinandersetzen, lernen wir richtig zu sterben. Daraus folgt: Wenn wir richtig sterben lernen, lernen wir auch richtig zu leben.
Zunächst zu dem Punkt, dass wir richtig sterben lernen. Ich weiß nicht genau, wie es früher bei der Versicherung war – mein Vater hat lange bei einer Versicherung gearbeitet, bei der Albener. Die wollten immer, dass man eine Lebensversicherung abschließt. Das wird oft so dargestellt, als wäre es wichtig, falls man stirbt. Man soll eine Lebensversicherung haben, falls man „was zustellt“, falls man stirbt. Aber im Grunde ist das Unsinn. Es geht nicht darum, ob man stirbt, sondern wann man stirbt. Trotzdem wird es oft so vermittelt, als wäre es nur ein „falls du stirbst“.
Dabei ist die Aussage eigentlich falsch. Man kann jeden Versicherungsvertreter fragen: Wenn du stirbst, wo gehst du danach hin? Es geht nicht um ein „falls“, sondern um ein „wann“. Die Sterberate liegt bei hundert Prozent, wir sterben alle. Trotzdem fällt es uns schwer, uns mit unserem eigenen Tod auseinanderzusetzen.
Auch das Kondolieren bei uns ist interessant. Bei der Totenwache kommt oft mehr zum Ausdruck. Dort wird viel geredet, auch über den Tod, aber selten über den eigenen. Man sagt dann: „Der ist angestorben“, „der ist angestorben“ – vielleicht wird auch gesagt, „bei dem kann es bald auch so sein“. Am Totenbett oder beim Sarg wissen die Leute oft nicht, was sie sagen sollen. Ich selbst auch nicht.
Gerhard Römer hat einmal erzählt, dass die witzigsten Sachen bei Grabreden gesagt werden. Er meinte, es ist egal, was genau gesagt wird. Einmal stand er am Grab von einem Hans und sagte: „Ja Hans, so ist es, wenn es aus ist.“ Das ist nett, aber auch ein bisschen trocken. Oder er sagte einmal: „Liebe Rosa, du bist so gerne auf Ausflüge mitgefahren, aber dieses Geld hättest du schon gar nicht mehr.“ Das klingt seltsam, aber solche Dinge gibt es.
Ein lieber Freund, Stuart Brisco, der auch Pfarrer ist, erzählte, dass bei einer offenen Sarg-Beerdigung gesagt wurde: „Der Leich schaut eigentlich gesund aus.“ Man meinte, er sei regelmäßig joggen gegangen.
Was ich damit sagen will: Im Angesicht des Todes wissen wir oft nicht, was wir sagen sollen. Und bei einer normalen Unterhaltung zuhause über Tod und Sterben wird das Thema oft schnell gewechselt, weil es unangenehm ist.
Die Tatsache bleibt: Du wirst sterben. Es ist gut, wenn wir lernen, darüber zu reden, denn das ist uns hundertprozentig sicher. Bei uns war es wichtig, mit unseren drei Kindern schon früh über den Tod zu sprechen. Sie sind jetzt etwa neun, dreizehn und vierzehn Jahre alt. Schon als sie klein waren, haben wir darüber geredet, dass der Tod jederzeit kommen kann. Wir haben ihnen erklärt, was passiert, wenn zum Beispiel die Mutter stirbt, und wie wir dann weitermachen.
Wir haben das ganz normal besprochen. Die Kinder fragen auch: „Was ist, wenn Eva stirbt? Was machen wir dann?“ Das ist vielleicht nicht das spannendste Thema, aber es ist wichtig. Für uns ist es normal, mit den Kindern über den Tod zu sprechen, weil das das Natürlichste ist, was uns alle betrifft.
In Vers 1 sagt der Prediger: „Besser ein guter Name als ein gutes Salböl und der Tag des Todes als der Tag, an dem du geboren wirst.“ Warum ist der Tag des Todes besser als der Tag der Geburt? Das haben wir schon ein bisschen in Kapitel 6 behandelt. Das Ende des Lebens ist wichtiger als der Anfang. Ob etwas gut oder schlecht ist, entscheidet sich meist erst am Ende.
Darum sagt der Prediger, dass das Ende wichtiger ist als der Anfang. Nicht, weil die Geburt schlecht wäre – sonst würden wir ja gar nicht leiden. Das ist Unsinn. Aber wir sollten unser Ende bedenken.
Im Psalm 90, Vers 12 heißt es: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir weise werden.“ Es ist wichtig, das zu bedenken.
Im 5. Buch Mose, Kapitel 32, Vers 29 steht: „Wenn sie weise wären, so würden sie das verstehen und ihr Ende bedenken.“
Die römischen Lehrer haben ihren Schülern immer beigebracht: „Was immer du tust, tu es mit Fleiß und denk an das Ende.“ Denk an das Ende.
Die Weisheit, das Ende zu bedenken
Ich habe eine Geschichte, die ich ab und zu vorlese. Früher war es üblich, dass vornehme Leute zu ihrem Vergnügen Hofnarren oder Spaßmacher hielten. So hatte einst auch ein Graf einen Narren. Dieser überreichte dem Narren einen Narrenstab mit den Worten: „Behalte ihn so lange, bis dir jemand begegnet, der dich an Torheit noch übertrifft. Dem kannst du den Stab weitergeben.“
Einige Jahre später wurde der Graf schwer krank. Als der Narr hörte, dass der Herr bald sterben müsse, besuchte er ihn und fragte: „Wohin führt dich dein Weg?“
„Weit, weit fort“, erwiderte der Graf.
„Ja, und wann wirst du wiederkommen?“ wollte der Narr wissen.
„In einem Monat?“
„Nein“, gab der Graf kleinlaut zurück.
„In einem Jahr?“
„Nein, auch nicht in einem Jahr.“
„Ja, wann denn? Etwa niemals?“ forschte der Narr weiter.
„Niemals“, bestätigte der Kranke.
„Ja, und was für Vorbereitungen hast du für diese Reise getroffen?“
„Gar keine“, musste der Graf zugeben.
„Du gehst für immer fort und bist ganz unvorbereitet“, wunderte sich der Narr. „Hier, nimm meinen Narrenstab, denn eine solch große Torheit habe ich nie begangen. Und ich glaube, wir müssen vorsichtig sein, keine Narren zu sein.“
Der Prediger sagt: „Sei kein Narr, denk über dein Ende nach.“
Amos 4,12 lesen wir: „Mach dich bereit, deinem Gott zu begegnen.“ Das ist die Vorbereitung. Mach dich bereit, deinem Gott zu begegnen.
Wenn das jemand tut, dann kannst du einmal lesen, dass ein gläubiger Mann am Totenbett gesagt hat: „Ich scheide mit der Freude eines Jungen, der von der Schule nach Hause läuft.“
Mit Freude sterbe ich, weil ich weiß, ich werde meinem Retter begegnen.
Also erstens: Wir müssen über den Tod nachdenken, damit wir recht sterben lernen. Und zweitens: Wir müssen über den Tod nachdenken, um auch recht leben zu lernen.
Ich muss ehrlich sagen, früher war mir das Kondolieren eine Graus. Ich tue es bis heute nicht besonders gern, besonders das Hingehen fällt mir schwer. Vor allem, wenn der Todesfall plötzlich kommt oder unerwartet ist – oder wenn es unser Kind betrifft. Ob es nun bei Bussen war, bei Marina oder bei unserer Schwester von einer Laure vor Jahren oder bei anderen nahestehenden Personen.
Aber eines wird einem bewusst im Haus der Trauer: Man steht vor einem Sarg, betet vielleicht, denkt ein bisschen nach. Wenn der Sarg offen ist, zum Beispiel voriges Jahr bei der Großmutter, dann merke ich: Das ist nicht das Ende einer Existenz, es ist nur das Ende einer Beziehung.
Das Tote, das die Leiche vermittelt, sagt dir: „Ich bin nimmer da.“ Aber die Beziehung ist beendet. Die Leiche ist nur die Hülle, und die Seele ist das, was von der Zeit in die Ewigkeit geht. Aber die Beziehung ist tot.
Übrigens hat Gott zu Adam und Eva gesagt, ganz am Anfang: „An dem Tag, wenn du von der Frucht isst, wirst du des Todes sterben.“ Sie sind nicht gestorben, es lagen keine Leichen unter dem Baum. Aber die Beziehung war gebrochen – das ist der Tod.
Wenn eine Beziehung gebrochen wird, ist es ein Tod. Und die Beziehung zu Gott, wenn die gebrochen ist, dann ist es der ewige Tod.
Darum ist Jesus gekommen und hat gesagt: „Ich lebe, ich habe eine Beziehung zum Vater, und ihr sollt auch leben. Ihr sollt auch wieder eine Beziehung zum Vater haben. Darum bin ich gekommen“, sagt Jesus.
Ich muss auch sagen: Jedes Mal, wenn ich vom Haus der Trauer weggehe, gehe ich zwar nachdenklich, aber eigentlich auch beschenkt. Wenn ich von der Leiche weggehe, weiß ich: Es gibt mehr.
Man hat meistens gute Gespräche beim Kondolieren. So sagt der Prediger hier im Vers 2: Es ist besser, ins Haus der Trauer zu gehen als ins Haus des Gastmahls, denn jenes ist das Ende aller Menschen, und der Lebende nimmt sich zu Herzen.
Das Haus der Trauer, sagt er, ist besser, weil es den Charakter prägt. Andererseits muss ich sagen: Zu wie vielen Bällen und Festivitäten geht man ganz leicht hin, und man geht eigentlich sehr leer nach Hause.
Wie oft war ich bei Bierzeiten oder anderen Anlässen, bei denen man dann halb oder voll betrunken heimgeht – eigentlich leer.
Der Prediger sagt, das ist der Unterschied: Das Haus der Trauer wird dich weise machen, das Haus der Party ist zwar nett, aber es wird dich nicht weise machen. Bierzelte haben mich charakterlich eigentlich noch nie gestärkt.
Außerdem steht im Sprüchebuch Kapitel 14, Vers 13: „Sogar beim Lachen kann das Herz Kummer haben, und zuletzt wird aus Freude Traurigkeit.“ Wie oft lachen wir, sind innerlich aber vielleicht verzweifelt. Man ist halt bei der Gaudi dabei und muss lachen.
Wie viel besser wäre es, wenn man ehrlich weinen könnte in diesen Momenten, anstatt aus der Party gleich nach Hause zu gehen.
Jetzt verstehen wir vielleicht auch besser, was der Prediger morgen im Vers 3 sagt: „Besser Verdruss als Lachen, denn bei traurigem Gesicht ist das Herz in rechter Verfassung.“
Er sagt, das oberflächliche Leben wird dich nicht weise machen. Aber wenn du mit Tod und Leid konfrontiert bist, wird es dich weise machen.
Leid als Quelle von Charakterbildung und Glaubensstärkung
In meinem zweiten Buch habe ich das nicht geschrieben, aber mir gefiel einfach, was mein Großvater, Matthias Reuer, geschrieben hat. Er war 1913, als seine Frau in jungen Jahren starb. Sie hatte damals drei kleine Kinder zu Hause – ich glaube, sie waren vier, sechs und acht Jahre alt oder so ähnlich.
Im Jahr 1914 musste er in den Ersten Weltkrieg ziehen. Mein Großvater war damals schon lebendig, aber ich habe ihn natürlich nie kennengelernt. Er musste in den Krieg ziehen, und die drei Kinder blieben allein zu Hause. Sie wurden dann ein wenig aufgeteilt. Ich weiß nicht mehr genau, wohin – vielleicht ins Giertel, ins Kreimibuch oder an einen anderen Ort. Man sagte ihnen, sie seien nur ein paar Monate getrennt, aber er kam sechs Jahre lang nicht zurück. Er war sechs Jahre in russischer Gefangenschaft und kehrte erst 1920 heim.
Mein Großvater hat ein Buch geschrieben, das wirklich faszinierend ist. Wer Interesse hat, kann es sich gerne ausleihen. Darin hat er auch ein Gedicht verfasst, das ich oft vorlese. Es entstand während seiner Gefangenschaft, in diesen sechs Jahren. Darin heißt es:
Ach, wie dunkel sind die Nächte,
kommt denn kein heller Tag herbei?
Müssen wir wohl ewig bleiben Nächte,
wann endet wohl die Sklaverei?
Wir warten ja bald sechs Jahre,
noch immer gibt es keinen Frieden.
Wann endet die Gefangenschaft,
wann sehe ich meine Lieben?
Mein Vater ist schon lange gestorben,
die Mutter schläft auch in Frieden.
Ja, alle sind sie glücklich dran,
die vor der Trübsalszeit entschieden.
Mein Weib hat die Welt verlassen,
schon in der Hälfte ihrer Jahre.
Ich muss wandern fremde Straßen,
wo mich umgibt so viel Gefahr.
Meine Kinder in der Heimat
pressen mir wohl Tränen aus.
Mutterliebe sie vermissen,
des Vaters Wacht ist nicht zu Haus.
Doch brauch ich nicht zu verzagen,
ich habe einen Gott, der hilft.
Jede Last hilft er mir tragen,
nur er ist meiner Hoffnung Schild.
Seit den frühesten Kindheitstagen
war er mir stets ein treuer Hort.
In den schwersten Schicksalslagen
half er mir durch an jedem Ort.
Wenn das dunkle Tal durchschritten
an meines treuen Führers Hand,
oh, dann seh ich erst im Licht
jenes schöne Heimatland.
Hier bin ich noch im fremden Land,
hab Sehnsucht nach dem Heimatland.
Steht auch die ganze Welt in Brand,
mein Leben ist in Gottes Hand.
Dieses Gedicht wurde für mich zu einem Vorbild. Ein Mensch, der unsägliches Leiden durchgemacht hat, hat Gott gepriesen und ihm gedankt. Sicher ist er durch diese Jahre auch charakterlich gestärkt worden.
Charles Spurgeon, ein englischer Theologe, der schon lange verstorben ist, hat einmal gesagt: „Ich fürchte, dass das Heinkrauf geschrieben war, weil mir das so gut gefällt.“ Ich fürchte, dass all die Gnade, die ich in meinen sorgenfreien, angenehmen und glücklichen Stunden empfangen habe, nur einen Groschen wert ist. Aber das Gute, das ich durch Leiden, Schmerz und Trauer empfangen habe, ist unermesslich.
Was schulde ich nicht dem Hammer und dem Schmiedstock, dem Feuer und den Pfeilen in meinem Leben? Anfechtung und Leid sind die wertvollsten Einrichtungsgegenstände in meinem Haus. Das ist im Prinzip das, was der Prediger in seinen Versen sagt.
Leid zerstört niemals deinen Glauben, höchstens den an einen falschen Glauben. Sich mit Tod und Leben auseinanderzusetzen, ist also wichtig, weil wir dadurch lernen, richtig zu leben.
Ein weiteres Zitat, das mir gefallen hat, lautet: „Ich glaube, es ist nicht so sehr das Sterben, wovor Menschen Angst haben. Etwas anderes, viel Tragischeres als der Tod, flößt uns Furcht ein. Wir haben Angst, niemals wirklich gelebt zu haben, ans Ende unserer Tage zu kommen mit dem unguten Gefühl, das wirkliche Leben verpasst zu haben. Niemals wirklich entdeckt zu haben, was Leben eigentlich bedeutet.“
Albert Schweitzer hat gesagt: „Die Tragödie des Lebens besteht darin, was in einem Menschen stirbt, während er lebt.“ Durch ein oberflächliches Leben stirbt so viel im Menschen.
Dann sagt er noch in Vers 5: „Besser das Schelten des Weisen zu hören, als das Singen der Toren.“ Es ist viel besser, die Ermahnung eines Weisen anzunehmen als die Lobreden eines Narren.
Das ist so wichtig: Wir müssen uns korrigieren lassen. Dabei sind Christen oft schwach. Wir müssen frei sein, Korrektur anzunehmen. Oft ist unser Stolz wie Geld: „Was will der mir schon sagen? Was will der wieder das Beste wissen?“ Doch im Gespräch eine Korrektur anzunehmen, ist sehr wichtig.
Es ist viel besser, sich jetzt zu demütigen und dann erhöht zu werden, als sich jetzt zu erhöhen und am Ende erniedrigt zu werden. Unsere alte Natur mag keine Rechtweisung. Wir wollen Recht haben und uns rechtfertigen. Aber Gott sagt, das ist nicht weise.
Viele Menschen haben Jesus zugehört. Einige haben sich gedemütigt und den Glauben an Jesus angenommen, andere haben ihn verspottet, wieder andere haben ihn gekreuzigt. Es ist wichtig, dass wir uns korrigieren lassen.
Warnungen vor Fallstricken im Leben
Dann ist da die zweite Seite, die ich auf Weiß kopiert habe: Die Fallstricke des Lebens – vermeide sie. Der Prediger nennt uns vier Fallstricke oder Fallen, in die wir hineintappen können, damit wir innerlich schön werden. Er nennt vier Bereiche: Korruption, Ungeduld, Zorn und Nostalgie.
Fangen wir an mit Korruption. Im Vers sieben heißt es: „Unrechter Gewinn macht den Weisen zum Toren, und das Bestechungsgeschenk richtet das Herz zugrunde.“ Das ist so, das ist ein Naturgesetz. Wenn wir uns bestechen lassen – sei es durch Geld oder Vorzüge – dann wird das weise Herz töricht.
Wir neigen dazu, ohne Ausnahme. Wir alle neigen dazu, unsere Position auszunutzen, Momente zu unserem eigenen Vorteil zu nutzen, um das zu bekommen, was wir gern hätten. Wir sind alle anfällig dafür, nicht nur Politiker, nicht nur Wirtschaftler, sondern auch du und ich in unserem alltäglichen Kleinkram. Wir sind so anfällig, korrupt zu werden. Natürlich nennen wir das nicht so, aber wir drehen Dinge zu unserem eigenen Vorteil.
Der Prediger sagt, diese Praxis macht aus weisen Menschen Toren. Schlagen wir dazu Fünfter Mose 16,19 auf. Dort gibt es eine ganz klare Warnung, und zwar in Vers 19: „Du sollst das Recht nicht beugen und sollst die Person nicht ansehen und kein Bestechungsgeschenk nehmen; denn das Bestechungsgeschenk macht die Augen der Weisen blind, und sie verdrehen die Sache der Gerechten.“
Es ist immer so, es ist ein Gesetz. Darum müssen wir uns gegenseitig ermutigen, recht und ehrlich zu handeln – auch im alltäglichen Kleinkram – und uns nicht bestechen zu lassen. Wenn wir nämlich diese Praxis annehmen, wären wir gleichgültig gegenüber dem Wort Gottes und unklug.
Das andere ist, gerade als Christen. Ich habe schon einige Leute getroffen, mit denen ich über Dauernhof und Kirchen gesprochen habe. Sie sagen: „Ja, weißt du, die Christen gehen sonntags in die Kirche und tun so heilig, aber im Prinzip sind sie derzeit das Gleiche wie ich – im negativen Sinn.“ Sie nennen sie „Kirchenspringer“. Aber es ist ja so: Kirchenspringer sind nicht schlechtere Menschen als wir anderen, aber sie sind unattraktiver, sage ich mal.
Das passiert mir auch. Aber das macht nichts. Kirchenspringer sind nicht schlechtere Menschen, aber sie sind so unattraktiv. Wisst ihr, warum? Weil sie so tun, als wären sie besser als wir, dabei sind sie im Prinzip genau das Gleiche.
Darum werden Christen so unglaubwürdig. Wenn ich gleich sage: „Ich tue es so“, dann bin ich wenigstens glaubwürdig – im negativen Sinne. Aber das ist das Unattraktive daran.
Es ist wichtig, dass wir uns ermutigen, dass wir, wie der Prediger sagt, bedenken: „Unrechter Gewinn macht den Weisen zum Toren.“
Geduld als Tugend im Glaubensleben
Das Zweite, was der Prediger anspricht, ist Ungeduld. Im Vers 8 sagt er: „Besser das Ende einer Sache als ihr Anfang, besser langmütig oder geduldig als hochmütig.“ Das Ende ist also besser als der Anfang. Immer steht das Ende im Vordergrund, sagt er, und Geduld ist besser als Ungeduld.
Das ist eine sehr wichtige Botschaft – für dich, für mich und ganz besonders. Ich selbst bin von Natur aus ein extrem ungeduldiger Mensch, das muss ich ehrlich zugeben. Wahrscheinlich ist das eines meiner Hauptprobleme, mit denen ich zu kämpfen habe: meine Ungeduld. Ich möchte etwas tun und schon morgen das Ergebnis sehen. Wenn ich es nicht sehe, werde ich ungeduldig.
Wenn jemand etwas sagt, denke ich oft: „Sag doch, was du willst, tu einfach weiter.“ Aber der andere kann es eben nicht so schnell, und da kommt die Ungeduld auf. Der Herr Jesus lehrt uns, das Ende abzuwarten. Man sollte aber wirklich das Ende abwarten, und das muss ich mir immer wieder vor Augen führen. Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der damit zu kämpfen hat.
Der Herr Jesus hat auch gesagt, wir sollen Geduld lernen, das Ende abwarten und es bedenken. Im Lukas-Evangelium, und ich verweise hier auf Lukas 14, erzählt der Herr Jesus zwei Gleichnisse. Er sagt: „Denkt darüber nach, es ist kostenlos, und man muss das Ende überdenken.“
In Lukas 14,28 sagt Jesus: „Denn wer unter euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht vorher hin und berechnet die Kosten, ob er das Nötige zur Ausführung habe, damit nicht etwa, wenn er den Grund gelegt hat und nicht vollenden kann, alle, die es sehen, anfangen und ihn verspotten und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und konnte nicht vollenden.“
Das heißt, wir sollten uns gut überlegen, was wir tun. Übrigens, ich mache es mir manchmal schwer, wenn ich Jesus Christus annehme. Das ist meistens nicht so leicht. Es ist wichtig, dass wir überdenken: Wenn ich mein Leben Christus gebe, dann kostet es mich mein Leben. Ich muss die Kosten bedenken. Natürlich empfange ich sein Leben, aber das sieht man am Anfang noch nicht. Es kostet etwas, nämlich dein Leben.
Jesus gibt dann noch ein weiteres Beispiel in Vers 31: „Oder welcher König, der auszieht, um sich mit einem anderen König im Krieg einzulassen, setzt sich nicht vorher hin und rät, ob er imstande sei, dem mit Zehntausenden entgegenzutreten, der gegen ihn mit zwanzigtausend anrückt? Wenn er aber nicht, so sendet er, während er noch fern ist, eine Gesandtschaft und bittet um die Friedensbedingungen.“
Und dann sagt Jesus: „So kann nun keiner von euch, der nicht allem entsagt, was er hat, mein Jünger sein.“ Das heißt, Christsein kostet uns das Leben. Natürlich wissen wir, was das Ziel ist, und auf dem Weg zum Ziel brauchen wir Geduld.
Er sagt: Das Ende ist besser als der Anfang, und Geduld ist besser als Ungeduld. Ich sehe auch, dass viele Christen dazu neigen, begeistert etwas anzufangen – sei es ein Bibelkreis, ein Gebetskreis oder etwas anderes. Aber nach einem halben Jahr merken sie, dass es Arbeit ist. Sie denken: „Jetzt muss ich mich vorbereiten, jetzt muss ich auch lesen.“ Dann wird es oft schwierig, wenn man merkt, dass es Anstrengung kostet.
Wir wollen zwar Veränderung, aber keine Verantwortung übernehmen – und das geht nicht. Es gibt keine Veränderung ohne Verantwortung. Ein Spruch sagt: „Ein gutes Ding braucht Weile.“ Ein gutes Ding wollen wir schon, aber die Weile wollen wir nicht.
Wir brauchen heute Marathonläufer, keine Sprinter, hat einmal jemand gesagt. Diesen Spruch finde ich gut. Wer begehrenswert sein will, muss sich auch hingeben. Wir müssen uns wirklich hingeben.
Im Römerbrief Kapitel 5, den ich erst vorgestern wieder entdeckt habe, steht in Vers 3: Der Apostel Paulus sagt: „Wir freuen uns im Leiden.“ Das klingt erst einmal ungewöhnlich. In meiner Übersetzung steht: „Wir freuen uns in der Bedrängnis.“ Und dann sagt er weiter: „Denn wir wissen, dass Leiden Geduld bewirkt.“
Leiden bewirkt Geduld. Wir wissen etwas, deshalb ist Leiden gut, sagt er.
Der chinesische Christ Watchman Nee, den ich sehr schätze, hat viele Bücher geschrieben. Es gibt eine Geschichte von ihm: Eine Frau kam zu ihm und sagte: „Herr Pfarrer, ich bin so ungeduldig. Könnten Sie nicht beten, dass ich mehr Geduld bekomme?“
Watchman Nee antwortete: „Gern.“ Sie setzten sich zusammen, er legte die Hand auf und betete: „Lieber Vater im Himmel, schenke dieser Frau sehr viel Leid, schenke ihr mehr Anfechtung, als sie je hatte, schenke ihr eine schwere Woche.“
Die Frau fragte: „Was betest du da? Ich habe doch gesagt, du sollst um Geduld beten!“
Er antwortete: „Liebe Frau, Sie wollen Geduld lernen. Sie können Geduld nicht anders lernen als durch Anfechtung, Leid und schwere Zeiten.“
Geduld, sagt der Prediger, ist besser als Ungeduld.
Umgang mit Zorn und Ärger
Dann das Dritte, was er sagt: Zorn und Unwille. Im Vers 9 heißt es: „Sei nicht vorschnell in deinem Geist zum Zorn, denn der Zorn ruht im Busen der Toren. Sei nicht vorschnell im Zorn.“
Ich bin kein Burgwesen, ich bin gar kein Waldgänger gewesen. Das ist also auf einmal festgelegt, komischerweise haben meine Geschwister es nicht so leicht gehabt. Aber es ist weit besser geworden.
Es ist egal, ob du in der Kirche oder in der Welt bist: Du wirst von Menschen enttäuscht, und Menschen werden dich fallen lassen, egal ob in der Kirche oder in der Welt. Das ist so. Und manchmal reagiert man dann mit Zorn.
Die Sache ist die: Das wissen wir ja selbst, es ist meistens nicht sehr klug. Denn mein Zornanfall verschlechtert in der Regel nur die ganze Sache. Man wird vielleicht einmal Frust los, aber man hat dann Schmerz und Hass gesehen.
Darum ist eins, was ich ganz praktisch ein bisschen tue: Natürlich ist man oft zornig. Eine Laura ist nicht zornig, sie ist nur aufgeregt. Klingt netter. Frauen sind aufgeregt, die Männer sind zornig.
Aber wenn du das nächste Mal aufgeregt oder zornig bist, dann geh mit deinem Zorn zu Gott. Ich habe mir das wirklich angewendet. Ich gehe als Erstes mit meinem Herrn Jesus spazieren, und er saugt alles auf, was mich belastet.
Ich habe das von David gelernt. Schlagt mal Psalm 55 auf. David war ziemlich fertig, das war er öfter einmal. Und im Psalm 55 Vers 1, dem Chorleiter und so weiter, Psalm 55, da sagt er: „Nimm zu Ohren, o Gott, mein Gebet, verbirg dich nicht vor meinem Flehen. Horche auf mich und antworte mir!“
„Ich irre umher in meiner Klage und muss stöhnen vor der Stimme des Feindes, vor der Bedrückung des Gottlosen. Sie wälzen Unheil auf mich, im Zorn feinden sie mich an. Mein Herz bebte in meinem Inneren.“
Es hat wahrscheinlich auch mit Zorn zu tun, und Angst, Todesschrecken haben mich befallen. Furcht und Zittern kamen über mich, Schauder bedeckten mich. Und ich sprach: „Hätte ich doch Flügel wie die Taube! Ich wollte hinfliegen und ruhen, siehe weit hin in der Wüste. Ich würde nachtigen in der Wüste, ich wollte eilen, dass ich Zuflucht hätte vor dem heftigen Wind, vor dem Sturm.“
So gerne sind es auch ihr Kinder und vier am besten was: abhauen, weg und alles in Ruhe. Genau das hat die Taube gesagt: Ich möchte nur abhauen wie eine Taube.
Und dann sagt er, die, die ihm Angst und Zorn gemacht haben, in Vers 10: „Verwirre her, spalte ihre Zunge, dem Gewalttäter, der Streit. Habe ich in der Stadt gesehen. Tag und Nacht machen sie die Runde um sie auf ihren Mauern, und Unheil und Mühsal in ihrer Mitte. Verderben ist in ihrer Mitte, und Bedrückung und Betrug weichen nicht von ihrem Marktplatz.“
„Denn nicht ein Feind höhnt mich, sonst würde ich es ertragen. Nicht mein Hasser hat groß getan gegen mich, sonst würde ich mich vor ihm verbergen. Sondern du, ein Mensch meines Gleichens, mein Freund und mein Vertrauter, mit dem wir die Süße der Gemeinschaft miteinander erlebten, ins Haus Gottes gingen in festlicher Unruhe.“
Er sagt: Wenn ein Feind etwas Blödes über mich sagt, das wäre mir völlig egal. Aber du, ein Gläubiger, ein Christ, redest so über mich – das halte ich fast nicht aus.
Übrigens seid nie überrascht, dass die tiefsten Verletzungen von Christen kommen. Das ist normal, weil man es von denen nicht erwartet.
Weißt du, wenn heute auch irgendeiner kommt, der von Kirche und Gott und Christus nichts hält, und der kommt da und sagt: „Hans Peter, du bist ja ein Volltrottel, Sektierer, das ist ja alles Blödsinn, was du da tust“, na ja, mit dem kann ich gut leben, ich habe überhaupt kein Problem.
Aber wenn einer, von dem ich glaube, dass er Jesus kennt, der, der daheim ist im Wort, ein Bruder, mit dem ich gemeinsam anbetet, mit dem ich gemeinsam bete – wenn der schlecht über dich redet, tut das besonders weh.
Und so ist David dann. Und weißt du, was David dann gesagt hat über seine Freunde? Vers 16: „Der Tod überrasche sie lebendig, mögen sie in Abfahrt in Scheol! Gott, bring es euch um!“
Er war so frustriert und so zornig, dass er zu Gott gesagt hat: Bring meine Freunde um, ich halte die Nerven nicht aus.
Das steht schon in der Bibel, das habe ich nicht erfunden. Und weißt du was? Ich glaube nicht, dass David das wirklich so wollte. Aber in seinem Zorn, in seiner Angst ist er zu Gott gegangen und hat ihm alles gesagt, wie es ihm ging.
Und weißt du was? Das ist so gut, weil erstens Gott es ertragen kann. Und zweitens kann Gott dir auch helfen, damit umzugehen.
Das Problem ist, wenn du gleich zu den Menschen gehst mit deinem Zorn. Die meisten Menschen können es nicht ertragen, und sie können dir dann auch nicht mehr helfen.
Darum ist es gut, zuerst mit dem Zorn zu Gott zu gehen, bei ihm alles auszusprechen, und dann geht man zu Menschen.
Im Englischen gibt es einen Spruch, der heißt: „When you struggle, do you go to the phone or to the throne?“ Wenn es dir schlecht geht, gehst du zum Thron, das heißt, gehst du zu Gott, oder gehst du zum Telefon?
Wen rufst du zuerst an? Bei wem meldest du dich zuerst? Bei irgendeinem Menschen, Telefon her, ich muss meinen Frust ablassen? Oder gehst du zuerst zu Gott?
Seht ihr, und das ist das, was eigentlich die Botschaft ist: Lass nicht deinen Zorn aus.
Und wenn es darum geht, siehe Epheser Kapitel 4, ein wichtiger Vers: Epheser 4,26-27: „Lasst die Sonne nicht untergehen in eurem Zorn, gebt dem Teufel keinen Raum.“
Gerade für Ehepaare ist das wichtig. Als Ehepaar solltet ihr nicht zornig schlafen gehen, sondern vorher noch gut machen, auch wenn es die Nase überwinden muss.
Und wenn es gegen alles geht, was nur ist, muss man sagen: Herr, hilf mir, ich kann den Hass nicht mehr ertragen oder was weiß ich. Aber ich will die Sonne nicht untergehen lassen in meinem Zorn, ich will etwas dagegen tun.
Dann sagt man: Vergib mir.
So ist das praktische Christenleben. Die Bibel ist wahnsinnig praktisch, und sie hilft uns zu leben in einer Welt, wie sie wirklich ist. Das gefällt mir so.
Warnung vor Nostalgie und Festhalten an der Vergangenheit
Und dann noch das D: Da machen wir eine Pause. Das vierte Thema ist Nostalgie, das Festhalten am Vergangenen.
Letzter Vers 10, bitte: Prediger Kapitel 7, Vers 10: „Sage nicht: Wie kommt es, dass die früheren Tage besser waren als diese? Denn nicht aus Weisheit fragst du danach.“
Er sagt also: Frag nicht, warum früher alles so eine Gaudi war und heute alles so krass ist. Ich rede ja selbst oft von einer guten alten Zeit, auch von früher. „Früher hatten wir so eine Gaudekappe und Fuschke, und heute ist alles nichts mehr. Früher haben wir noch zusammengehalten, und heute macht halt jeder sein eigenes Ding. Früher war es einfach anders.“ Ich muss ehrlich sagen, ich überdeute das ja selbst auch manchmal, oder?
So, Heinz und ich haben uns getroffen, da redet man heute wieder über früher. Das bleibt ja nicht ganz aus. Aber es ist nett, es ist vielleicht romantisch. Nur wenn man es zu viel tut, sagt der Prediger, ist es das Gegenteil von Weisheit. Es ist nicht weise.
Ich bin froh, dass das in der Bibel steht. Ich muss ehrlich sagen, denn oft leiden wir ziemlich in der Vergangenheit. Gerade in unseren Kirchen, diesen Vers müssen wir im Presbyterium bei der Gemeindevertretung oft lesen: Es muss alles so bleiben, wie es schon immer gewesen ist. „Das kriegt ihr so.“ Da steht, wenn einer das sagt, dann ist er nicht sehr weise.
Außerdem sehen wir die Vergangenheit nie realistisch. Wir erinnern uns nur an das Gute, und das Schlechte, was vorgefallen ist, verdrängen wir irgendwie. Ich weiß nicht, wie das geht, aber es ist so. Der Blausbücher hat zu mir immer gesagt: „Die alten Zeiten waren nicht gut. Wir sind jeden Tag mit Hunger schlafen gegangen.“ Das ist ehrlich – es war nicht besser.
Und die Botschaft der Bibel ist: Jesus Christus ist kein Gott der Vergangenheit. Er ist heute genauso lebendig wie vor 50 Jahren, wie vor 100 Jahren. Er wird auch in zehn Jahren immer noch genauso lebendig sein. Und wenn wir Jesus Christus im Himmel treffen, wird er kein Stück lebendiger sein als heute. Christus ändert sich nie, aber die Methodik ändert sich.
Das ist oft interessant. Im Alltag respektiert das jeder. Keiner von uns kommt heute mit einem rostigen Fahrrad zur Arbeit, sondern jeder mit dem Auto. „Ja, früher hat man es doch auch so gemacht, das ist doch immer so gewesen.“ Brieftauben schicken? Das machen wir heute nicht mehr. Wir rufen an, haben elektrisches Licht und benutzen Petroleum.
Aber in der Kirche soll alles so bleiben, wie es vor hundert Jahren war. Kirchenlieder müssen mindestens fünfhundert Jahre alt sein. Die Liturgie soll hundert Jahre alt sein, und die Benkmessen müssen so bleiben, wie sie immer waren.
Darum ziehen viele Menschen den Schluss, dass unser Gott genauso alt ist wie unsere Kirchengebäude. Deshalb sagen die Leute: „Was wollt ihr mit eurer Botschaft? Das ist ja altmodisch, Christ sein.“ Warum? Weil sie die Kirchen anschauen und glauben, das sei Gott. Das ist die Katastrophe.
Übrigens: Die alten Kirchenlieder, wenn man den Text einmal liest, sind zehnmal so gut wie die neuen. Für mich ist die Melodie ein Wahnsinn, aber das ist natürlich Geschmackssache.
Im Hebräer 13, Vers 8 steht: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in alle Ewigkeit.“ Christus ist genauso lebendig, genauso aktuell und genauso wichtig für dich und mich wie vor 100 Jahren für unsere Vorväter.
Darum sagt der Schreiber im Hebräer Kapitel 3: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verstocket eure Herzen nicht.“ Heute, nicht morgen. Heute, wenn du seine Stimme hörst, dann verstocke dein Herz nicht. Er ist ein lebendiger Gott.
Andreas Gryphius, der mit dem „Schließerherz“: „Nein, wieso habe ich das da? Ist wurscht, habe ich falsch geschnitten. Aber gefällt mir: ‚Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen, mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen. Der Augenblick ist mein, und nehme ich den in Acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.‘“
Und er sagt einfach: Lebe in der Gegenwart. Schwelge nicht in der Vergangenheit und sei mit deinen Gedanken nicht schon in der Zukunft. Es gibt zwei Wochentage, um die du dir keine Sorgen machen musst: gestern und morgen.
Gestern kannst du nicht mehr ändern, und morgen gehört nicht dir. Morgen ist Gottes Territorium, denn du weißt nicht, ob es morgen überhaupt gibt. Das Einzige, was dir und mir zur Verfügung steht, ist jetzt, sonst gar nichts.
Und der Mensch, der jetzt neben dir sitzt, ist der einzige Mensch, in den du jetzt investieren kannst. Denn morgen gibt es ihn vielleicht nicht mehr, und gestern kannst du nicht mehr ändern. Schwelge nicht in der Vergangenheit – das ist, was der Prediger sagt.
Gut, dann möchte ich es dabei belassen. Aber bevor wir eine Pause machen, muss ich noch...