Einführung und Kontextualisierung des Evangeliums
Im Lukasevangelium, Kapitel 4, haben wir den Übergang zu einem neuen Abschnitt. Zuvor haben wir uns mit dem Wirken Johannes des Täufers beschäftigt. Seine Predigt und sein Auftrag waren es, zur Buße zu rufen, zu taufen und den Weg Jesu vorzubereiten, um auf den Messias hinzuweisen.
Danach wird Johannes festgenommen. Im Lukasevangelium finden wir auch den Bericht über die Taufe Jesu. Anschließend wird der Stammbaum Jesu erwähnt, der leicht von dem im Matthäusevangelium abweicht. Einige wissen, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass der eine Stammbaum von Maria stammt, also in Maria mündet, während der andere auf Joseph hinweist.
Dann folgt der Bericht von der Versuchung Jesu in Kapitel 4, Vers 1 und folgende. Jesus zieht sich in die Wüste zurück, fastet und betet dort 40 Tage in der Nähe Gottes. Danach kommt der Teufel und versucht, ihn von Gott wegzuführen. Jesus hält dem stand.
Anschließend kehrt Jesus nach Nazareth zurück, seiner Heimatstadt, in der er aufgewachsen ist. Dort ist er als der Sohn des Schreiners, des Tischlers Joseph, bekannt. Diesen Beruf hat er wahrscheinlich selbst ausgeübt.
In Nazareth tritt Jesus schließlich auf. Er geht in die Synagoge, liest aus dem Propheten Jesaja, Kapitel 61, den Hinweis auf den Messias vor und legt ihn aus. Die Leute sind beeindruckt von seiner Predigt. Doch es gibt auch Gegner, die ihn aus der Stadt treiben und sogar töten wollen.
Daraufhin zieht Jesus von Nazareth nach Kapernaum um. An dieser Stelle setzen wir ein. Das heißt, wir sind jetzt bei Lukas 4, Vers 31 bis zum Ende des Kapitels, also Lukas 4,31-44.
Beginn des Wirkens in Kapernaum
Und er ging hinab nach Kapernaum, eine Stadt in Galiläa, und lehrte sie am Sabbat. Sie waren erstaunt über seine Lehre, denn er predigte mit Vollmacht.
In der Synagoge war ein Mensch, der von einem unreinen Geist besessen war. Dieser schrie laut: „Halt! Was willst du von uns, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, um uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes.“
Jesus bedrohte ihn und sprach: „Verstumme und fahre aus von ihm!“ Der böse Geist warf den Mann mitten unter die Leute, fuhr aus und richtete ihm keinen Schaden an.
Alle wurden von Furcht ergriffen. Sie redeten miteinander und sagten: „Was ist das für eine Lehre? Er gebietet mit Vollmacht und Gewalt den unreinen Geistern, und sie fahren aus.“ Die Kunde von ihm verbreitete sich in alle Orte des umliegenden Landes.
Dann verließ er die Synagoge und ging in das Haus des Simon. Simons Schwiegermutter hatte hohes Fieber, und man bat ihn für sie.
Er trat zu ihr, gebot dem Fieber, dass es sie verlasse, und sogleich stand sie auf und diente ihnen.
Als die Sonne untergegangen war, brachten alle ihre Kranken mit verschiedenen Leiden zu ihm. Er legte jedem die Hände auf und heilte sie.
Viele böse Geister fuhren auch aus und schrien: „Du bist der Sohn Gottes!“ Doch er bedrohte sie und ließ sie nicht sprechen, denn sie wussten, dass er der Christus war.
Jesu Predigt und seine Prioritäten
Als es Tag wurde, ging Jesus hinaus an eine einsame Stätte. Das Volk suchte ihn und kam zu ihm. Sie wollten ihn festhalten, damit er nicht von ihnen ginge. Er sprach jedoch zu ihnen: „Ich muss auch in den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes predigen, denn dazu bin ich gesandt.“ Danach predigte er in den Synagogen Judäas.
Der Hintergrund dieser Begebenheit ist folgender: Jesus verlässt Nazareth, den Ort, an dem er aufgewachsen ist. Das wird auch ausführlicher im Matthäus 4,13 beschrieben. Dort heißt es, dass Jesus, nachdem er Nazareth verlassen hatte, seine Wohnung in Kapernaum aufschlug.
Seine Wirksamkeit beginnt also nicht in Nazareth, sondern er zieht um. Es gibt ja das Sprichwort: „Der Prophet gilt nichts in seiner Heimatstadt.“ Das wird hier auch angedeutet, etwas früher in Vers 23. Dort heißt es, dass die großen Dinge, die in Kapernaum geschehen sind, auch in der Vaterstadt geschehen sollten. Doch Jesus sagt: „Kein Prophet gilt etwas in seinem Vaterland“ beziehungsweise in seiner Vaterstadt.
Im Matthäusevangelium wird deutlich beschrieben, dass Jesus umgezogen ist.
Geographische und historische Einordnung Kapernaums
Immer wieder, wenn er von seinen Predigtreisen Pause machte, kam er zurück nach Kapernaum. Nebenbei lesen wir hier auch, dass er und Jesus hinab nach Kapernaum gingen.
Wer sich ein wenig mit der Geographie Israels auskennt, weiß, dass Nazareth im galiläischen Bergland liegt, also etwas erhöht. Hier ist mit „hinab“ nicht nur eine Richtung auf der Landkarte gemeint, sondern tatsächlich eine geographische Abwärtsbewegung. Denn Kapernaum liegt am See Genezareth deutlich tiefer als Nazareth. Deshalb ist diese Beschreibung auch geographisch korrekt: Er geht nach unten, an den See.
Kapernaum wurde später zerstört. Im Matthäusevangelium lesen wir auch die Worte über Kapernaum, dass sie trotz vieler Wunder Jesus nicht als Heiland angenommen haben. Deshalb wurde Kapernaum später zerstört. Heute können wir nicht mehr mit absoluter Sicherheit sagen, wo Kapernaum genau lag. Sehr wahrscheinlich befand es sich am Nordufer des Sees Genezareth.
Wir wissen, dass einige der Jünger, die Jesus berief, aus Kapernaum stammten und dort Fischer waren. Es handelte sich also um einen Hafenort. Alles deutet darauf hin, dass es sich bei Kapernaum um die Ruinenstadt Tel Hum handelt.
Einige würden jetzt vielleicht sagen: „Ich war doch schon mal in Israel und dort in Kapernaum.“ Das ist zwar richtig, aber man ist sich nicht ganz hundertprozentig sicher. Man ist sich ziemlich sicher, aber ganz genau kann man es nicht sagen.
Denn damals, als die Stadt zerstört wurde, gab es nicht – wie heute in Deutschland üblich – große Schilder mit der Aufschrift: „Hier ist Kapernaum, Gemeinde so und so, Stadt so und so.“ Solche Hinweise wurden nicht gefunden. Das wäre hilfreich gewesen, um den genauen Ort zu bestimmen.
Viele Hinweise sprechen jedoch dafür, dass die Ausgrabungsstätte am Nordwestufer des Sees Genezareth tatsächlich das Kapernaum ist, in dem Jesus lebte und das er später verfluchte. Dadurch wurde es zerstört.
Die zentrale Bedeutung der Predigt im Wirken Jesu
Jesus beginnt also mit seiner Tätigkeit, und die Hauptausrichtung seines Wirkens ist die Predigt. Das wird deutlich, denn in Vers 32 heißt es, dass er angefangen hat zu predigen. Die Menschen sind verwundert über seine Lehre, weil er mit Vollmacht lehrt. Bereits in Vers 31 steht, dass er am Sabbat lehrte. Hier ist von Wundern noch nicht die Rede. Die zentrale Aufgabe Jesu ist nicht, alle Menschen gesund zu machen oder alle Dämonen auszutreiben. Das zeigt sich im Lukas-Evangelium ganz klar, ebenso wie in den anderen Evangelien. Die Hauptaufgabe ist die Verkündigung des Evangeliums.
Das sieht man auch am Ende des Kapitels: Jesus predigte in allen Synagogen Judäas. Er sagt, dass er auch in anderen Städten das Evangelium verkünden muss, weil Gott ihn dazu beauftragt hat. Ganz wichtig ist also: Das Zentrum von Jesu Aufgabe ist die Predigt, die Verkündigung des Reiches Gottes. Es ist der mündliche Hinweis auf Gottes Plan, damit die Menschen ihr Herz umkehren können.
Die Wunder sind Begleiterscheinungen. Manchmal treten sie stärker hervor, manchmal werden sie gar nicht erwähnt. Sie sollen nicht im Mittelpunkt stehen. Jesus will nicht wegen seiner Wundertaten verehrt werden, sondern weil die Menschen auf das hören, was er zu sagen hat.
Wir lesen auch, dass er am Sabbat predigte. Später, in Vers 44, erfahren wir, dass Jesus normalerweise in die Synagoge ging, wenn er predigte. Das ist übrigens etwas, was die Jünger nachahmten. Wenn Petrus in eine neue Stadt kam, besonders bei den Missionsreisen des Paulus, suchte er zuerst die Synagoge auf, wo sich die Juden am Sabbat versammelten, und begann dort zu predigen.
Das ist besonders bei Paulus klar, denn dort sind gottesfürchtige Juden, Menschen, die nach Gott suchen und das Alte Testament kennen. Dort kann Paulus am besten anknüpfen. So wird eine Grundlage für die Gemeinde gelegt.
Warum ist das bei Jesus so? Weil er sich zuerst an das Volk Israel wendet. Das Volk Israel sucht religiöse Verkündigung und kommt dafür am Sabbat zusammen. Das „Er lehrte am Sabbat“ ist eine griechische Zeitform, die bedeutet, dass Jesus das regelmäßig tat. Eine genauere Übersetzung wäre: Er pflegte, an den Sabbaten zu lehren.
Übrigens steht das Wort „Sabbat“ hier im Singular, obwohl im Griechischen normalerweise die Mehrzahl verwendet wird. Das ist zwar eine Nebensächlichkeit, zeigt aber, dass hier eine Zusammenfassung von Jesu Wirken über einen längeren Zeitraum vorliegt. Er war also nicht nur einen halben Tag in Kapernaum, sondern länger. Lukas greift hier einen typischen Tag heraus: Jesus ist am Sabbat in der Synagoge, predigt, heilt einen Besessenen, später wird die Schwiegermutter des Petrus geheilt, und am nächsten Morgen zieht er sich in die Einsamkeit zurück, um zu beten. So wird ein typischer Tag beschrieben.
Die Menschen sind verwundert über seine Lehre – nicht, weil er Irrlehren verbreitet, sondern weil er mit Vollmacht spricht. Was bedeutet diese Vollmacht? Wenn man Rechtsgeschäfte abschließen möchte, aber nicht selbst anwesend sein kann, erteilt man einer anderen Person eine Vollmacht. Das ist auch der Begriff, der hier im Griechischen gebraucht wird.
Zuerst bedeutet es also eine juristische Vollmacht: Jesus tritt mit der Autorität Gottes auf. Er spricht nicht seine eigene Meinung, sondern handelt, als ob Gott durch ihn spricht. Er sagt nicht: „Ich habe mir das überlegt und finde das gut“, sondern: „Gott sagt das.“ Das ist eine juristische Vollmacht.
Doch, und das merken wir auch, sind die Menschen noch mehr erstaunt, weil es nicht nur um juristische Vollmacht geht. Jesus hat auch eine geistliche Macht. Sie merken, dass kein Mensch normalerweise so reden kann. Seine Worte treffen ins Herz und überzeugen.
Das unterscheidet ihn von den Rabbinern seiner Zeit. Die Rabbiner beriefen sich auf große Lehrer der Vergangenheit. Im Talmud, der auch auf Deutsch vorliegt, heißt es immer: „Rabbi Soundso sagte dies und das“, „Rabbi Hillel sagte jenes“, und weil diese Lehrer das gesagt haben, gilt es als wahr. So ist die jüdische Theologie aufgebaut.
Die Rabbiner beziehen ihre Vollmacht also darauf, was frühere Rabbiner gesagt haben. Manchmal berufen sie sich auch auf Sprichworte. Das war die typische rabbinische Predigt. Diese Schichten von Kommentaren sind im Talmud festgehalten, der für Juden bis heute ein heiliges Buch ist.
Daran sieht man den Unterschied: Ob jemand sich ständig rechtfertigen muss, andere Lehrer zur Legitimation heranzieht, oder ob jemand einfach so auftritt, wie Jesus es tut. Jesus sagt: „Das war ich, aber ich sage euch.“ Das zeigt ein vollkommen anderes Selbstbewusstsein als bei den jüdischen Lehrern seiner Zeit.
Das ist ein Teil der Vollmacht, die die Menschen spüren. Jesu Rede hat Hand und Fuß. Er tritt selbstbewusst, aber nicht überheblich auf. Seine Botschaft geht ins Herz, und die Menschen merken: „Das betrifft mich, das ist genau meine Situation.“
Manchmal wird auch berichtet, dass Menschen, die von Jesu Worten getroffen sind, das als Zeichen seiner Vollmacht ansehen. Es ist eine intensive Wirkung, die allein von seinen Worten ausgeht – nicht nur von seinen Taten, sondern schon von dem, was er sagt.
Das wird mehrfach erwähnt. Zum Beispiel in Vers 32, in Vers 36 und in Vers 43. Dort heißt es, dass Jesus mit Vollmacht gebietet. Im Lukas-Evangelium taucht dieser Hinweis öfter auf. Dass Jesus mit Vollmacht spricht, ist ein ganz wichtiges Merkmal seines Wirkens.
Die ersten Wunder: Dämonenaustreibung und Heilung
Und nun kommen wir zu zwei Wundern, die Jesus vollbringt. Zum einen wird ein Besessener von seinem unreinen Geist befreit, der ihn quält und in Besitz genommen hat. Zum anderen wird die Schwiegermutter des Petrus geheilt.
Diese beiden Berichte zeigen uns zwei typische Heilungsweisen Jesu, die häufiger vorkommen: Dämonenaustreibungen und Heilungen von Krankheiten. Dämonenaustreibungen treten öfter auf, ebenso wie Heilungen von kranken Menschen. Hier sind also zwei typische Beispiele aus dem, was Jesus getan hat.
Wir lesen später, dass er noch viele weitere Menschen gesund gemacht hat. Der Evangelist Lukas hätte endlos weiterschreiben können, denn es sind unzählige Menschen gesund geworden und Dämonen ausgetrieben worden. Diese beiden Wunder gehören zu den häufigen Taten Jesu: Menschen werden von Dämonen befreit und von Krankheiten geheilt.
Typisch ist auch, dass hier zwei verschiedene Situationen genannt werden. Einmal geschieht die Heilung öffentlich, in der Synagoge. Viele Menschen sind ringsherum und beobachten alles. Das andere Mal findet die Heilung im privaten Bereich statt, sozusagen zuhause, im Wohnzimmer oder Schlafzimmer. Meistens war das der einzige Raum in den jüdischen Häusern, die nicht sehr groß waren. Dort arbeitete man tagsüber, und abends wurden die Decken ausgerollt, um zu schlafen. Es geht also um den Unterschied zwischen Privatraum und öffentlichem Leben.
Ein weiteres besonderes Merkmal ist, dass hier sowohl ein Mann als auch eine Frau geheilt werden. Mann und Frau gelten bei Jesus gleich. Wenn eine Frau krank ist, kommt Jesus auch zu ihr. Heute erscheint das selbstverständlich, da jeder in der Krankenkasse versichert ist und betreut wird. Damals gab es keine Krankenkassen und auch nicht die Gleichberechtigung, die wir heute kennen. Frauen galten im jüdischen wie im heidnischen Umfeld nicht als gleichwertig. Bei Jesus spielt das keine Rolle. Er geht auch zu Frauen hin, was wir hier deutlich sehen.
Wir erkennen also typische Merkmale: Besessenheit, Krankheit, Mann und Frau, öffentliches Heil und privates Heil. Diese zwei Beispiele zeigen das Auftreten Jesu sehr gut.
Der Ablauf einer Dämonenaustreibung folgt oft einem bestimmten Muster, das wir auch hier finden. Zuerst wird die Situation beschrieben. Häufig hören wir einen Ruf des Besessenen. Dieser fällt vor Jesus nieder und sagt: „Du bist der Herr, wir haben Angst vor dir, bitte tu uns nichts!“ Dieses Verhalten ist typisch und zeigt, wie die übernatürlichen Mächte auf Jesus reagieren.
Als nächstes folgt das Wort Jesu, sein vollmächtiges Wort, vor dem die Dämonen fliehen müssen. Daraufhin wird die Wirkung auf den Betroffenen und die Anwesenden beschrieben. Schließlich wird die Tat in der Umgebung bekannt, sodass die Menschen aufmerksam auf das Handeln Jesu werden.
Jesus zeigt sich hier als Herr über Krankheit und Dämonen. Er erhebt umfassenden Anspruch auf Heilung – seelisch, körperlich, geistig und geistlich, also in vielerlei Hinsicht.
Diese Begegnung ist die erste Begegnung Jesu mit einem Besessenen, die uns im Lukasevangelium beschrieben wird. Später folgen weitere. Es ist auch das erste ausführlich berichtete Wunder Jesu im Lukasevangelium, obwohl vorher schon mehrere andere geschehen sein müssen.
Denn bereits in Vers 14 lesen wir: „Und Jesus kam in der Kraft des Heiligen Geistes wieder nach Galiläa, und die Kunde von ihm erscholl durch die umliegenden Orte.“ Dort wird erwähnt, dass große Dinge geschehen sind, was auf Wunder hindeutet.
Ein Hinweis darauf findet sich auch in Vers 23: „Arzt, hilf dir selbst! Denn wie große Dinge haben wir gehört, die in Kapernaum geschehen sind, so tu doch auch in deiner Vaterstadt!“ Das zeigt, dass bereits spektakuläre Ereignisse passiert sind. Allerdings hält Lukas es nicht für wichtig, diese näher zu beschreiben.
Deshalb ist dieses erste ausführlich geschilderte Wunder Jesu dasjenige, in dem er auftritt und Dämonen austreibt und heilt.
Die Realität von Besessenheit damals und heute
Vielleicht sollten wir einen genaueren Blick darauf werfen, wie das Leben der Menschen damals war. Die Vorstellung von Dämonen war damals sehr präsent. Die Menschen hatten Angst vor Dämonen. Man fürchtete sich vor bestimmten Speisen oder davor, nachts nach draußen zu gehen, aus Angst, von einem Dämon überfallen zu werden. Viele trugen Amulette.
In Israel war das nicht ganz so verbreitet, aber in der römischen Umwelt schon mehr. Das wissen wir, weil es archäologische Funde gibt, wie ausgegrabene Texte, Beschwörungstexte gegen Dämonen und Amulette. Die Menschen waren sich bewusst, dass es okkulte Besessenheit gibt, übernatürliche Mächte, die Anspruch auf einen Menschen erheben und ihn gefangen nehmen können.
Auch hier ist das der Fall. Heute würden die meisten Menschen, wenn sie jemanden sehen, der besessen scheint, zuerst an eine psychische Krankheit denken – Schizophrenie, Epilepsie oder Ähnliches. Dann wird die Person vielleicht in eine geschlossene Abteilung eingewiesen und bekommt Psychopharmaka, damit sie sich nicht mehr bewegen kann. So wird heute oft damit umgegangen, und tatsächlich ist das oft so.
Vor einigen Jahren hatten wir eine Psychiatrieschwester hier, die eine Ausbildung gemacht hat und längere Zeit in psychiatrischen Kliniken gearbeitet hat. Sie sagte, es gibt Menschen, denen man auch psychiatrisch nicht helfen kann. Sie hat den Eindruck, dass diese Menschen besessen waren. Das Einzige, was man dann tut, ist sie einzusperren. Was soll man sonst tun? Kein Psychiater würde auf die Idee kommen, es gäbe Besessenheit. Das sei Aberglaube, etwas aus dem Mittelalter, als man noch an Hexen glaubte. Heute gebe es so etwas nicht – so lautet die allgemeine Auffassung.
Diese Meinung wird auch von manchen Christen geteilt. Sie sagen, es sei seltsam, dass damals, als Jesus auf der Erde war, so viele Besessene herumliefen, heute aber keine mehr. Als ob alle ausgestorben wären. Das ist jedoch nicht so. Besessenheit gab es schon im Alten Testament, zu der Zeit, als Jesus auftrat, und es gibt sie auch heute noch.
Ich bin mehreren Menschen begegnet, die offensichtlich besessen waren, und auch mehreren, die von diesem Geist befreit wurden. Ich erinnere mich an einen Fall: Ein Mann, der sich seiner Besessenheit zunächst nicht bewusst war, besuchte unsere Gemeinde und kam in den Hauskreis. Er wollte zum Glauben kommen. Eines Abends kam er nach Hause, war sich nicht sicher, was mit ihm los war. Nächte lang konnte er nicht schlafen, weil immer wieder, wenn er einschlafen wollte, jemand ans Fenster klopfte. Wenn er nach draußen schaute, war niemand da. Man könnte sagen, vielleicht wollte ihm jemand einen Streich spielen.
Doch er wohnte im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses. Es gab keinen Baum, niemand konnte einfach so hochklettern und klopfen. Dann hörte das Klopfen auf, er legte sich wieder hin, und plötzlich krachte es in seiner Wohnung. Es klang, als ob ein Schrank umkippt. Er schaute sich um, doch nichts war umgefallen. Nächte lang konnte er nicht schlafen. Schließlich kam er in die Gemeinde, wir beteten intensiv für ihn, und er kam zum Glauben. Danach hörten diese Phänomene auf.
Allerdings brach eine Krankheit wieder aus, unter der er als Kind gelitten hatte. Seine Eltern hatten ihn damals zu Gesundbetern und Gesundsprechern gebracht. Diese Krankheit kam plötzlich wieder. Ich habe ihn einige Zeit kennengelernt, und das war ein typisches Phänomen von Besessenheit bei ihm.
Ein anderer Fall war eine Frau, die ich vor nicht allzu langer Zeit in Osnabrück traf. Am Ende einer Predigt kam sie zu mir in eine Gemeinde, in der ich eingeladen war, und sagte, sie sei besessen und fragte, ob ich ihr helfen könne. Zunächst war ich vorsichtig, denn wenn Menschen so etwas sagen, sollte man vorsichtig sein. Es gibt auch psychische Erkrankungen, und manche Menschen bilden sich ein, besessen zu sein, obwohl das nicht der Fall ist.
Ich fragte sie, was bei ihr passiere. Sie erzählte, dass eine innere Stimme ihr immer sage, sie solle Gott fluchen, andere töten und Ähnliches. Sie war schon oft in der Psychiatrie, doch niemand konnte ihr helfen, auch Medikamente nicht. Das waren einige Kennzeichen, die auch im Neuen Testament typisch für Besessenheit sind.
Dann fragte ich sie nach ihrer Biografie: Hatte sie sich mit Okkultismus eingelassen? Hatte sie Kontakt mit Geistern gehabt? Sie antwortete, ja, das könne sie sich gut erinnern. Etwa zehn Jahre zuvor war sie tief in okkulten Zirkeln aktiv gewesen und hatte dem Satan ihr Leben überschrieben. Das war ein klarer Hinweis.
Hier stimmen äußere Merkmale überein. Vorher hatte sie keine Anzeichen psychischer Erkrankungen, auch nicht in der Familie. Plötzlich, seit diesem Zeitpunkt, begann das. Diese doppelten Hinweise sind wichtig.
Wenn wir prüfen, ob jemand okkult belastet ist, sollten wir die Führung durch den Heiligen Geist suchen. Manche Christen haben die Gabe der Geisterunterscheidung. Aber wir alle, in denen der Heilige Geist wohnt, spüren ähnlich wie hier bei dem Dämon, dass eine feindliche Macht da ist. Verlasst euch jedoch nicht nur auf dieses Gefühl, denn das kann täuschen. Der Heilige Geist wirkt oft so, dass wir intuitiv wissen, dass etwas nicht stimmt, ohne intellektuell sagen zu können, warum.
Diese drei Dinge – äußere Merkmale, Biografie und Führung durch den Heiligen Geist – sollte man zusammennehmen, um zu prüfen, ob jemand okkult besessen ist oder nicht.
Meine Schwester, die mit ihrem Mann einige Jahre Gemeindegründungsarbeit in Ostdeutschland geleistet hat, erzählte mir von vielen Fällen, in denen Menschen, besonders Jugendliche ohne religiöse Bindung, sich okkulten Mächten aussetzen. Sie brauchen oft zuerst Befreiung von diesen Mächten, bevor sie zu Jesus finden können.
Wenn man sich umschaut, sieht man, dass es Besessenheit auch heute noch gibt. Man sollte nicht materialistischer sein als unsere ungläubigen Mitmenschen und sagen, das gibt es nicht, das sei alles Aberglaube. Heute wissen wir es besser: Es ist nicht so.
Jesus, der Sohn Gottes, wusste wohl, ob jemand eine psychische oder seelische Krankheit hatte oder ob Besessenheit vorlag. Wenn er das nicht gewusst hätte, wie hätte er dann wissen können, wie er den Menschen helfen und retten kann? Wenn Jesus sich hier irrt und wir heute klüger sind und bessere Ärzte haben, dann könnten wir die Bibel auch gleich zuklappen und sagen, dass er auch über Gott und die Sünde nicht Bescheid wusste.
Wir sollten als Christen ernsthaft davon ausgehen, dass es so etwas gibt. Das bedeutet natürlich, dass wir herausgefordert sind, Menschen in solchen Situationen zu helfen. Wenn wir es nicht tun, woher sollen sie dann Hilfe bekommen? Was macht der Arzt? Kann er einem Besessenen mit Medikamenten helfen? Kann er den Dämon austreiben? Hat der Dämon Angst, wenn er eine Pille schluckt? Nein, das funktioniert nicht.
Das geht nur dort, wo die Kraft Gottes wirkt. Dort verschwindet der Dämon – wie wir es genau hier lesen können.
Beschreibung der Besessenheit und der Dämonenreaktion
Die schlimme Situation des Menschen, den wir hier beschrieben haben, zeigt sich gleich in dreifacher Weise. Erstens: Er war besessen. Das hätte eigentlich schon genügt, um die Lage zu verstehen. Man könnte einfach sagen: „Der war besessen“, und alles wäre klar. Doch Lukas will das noch deutlicher vor Augen führen. Deshalb sagt er, der Mann war besessen von einem unreinen Geist.
Normalerweise, wenn wir „besessen“ sagen, ist das schon ausreichend. Aber hier wird es noch einmal besonders betont: ein unreiner Geist. Und dazu wird gesagt: „Und dieser Geist schrie nun laut aus ihm.“ Das war also kein sanfter Geist, der nur leise säuselte, sondern ein deutlich dämonischer Geist. Das zeigt sich schon durch den lauten Schrei. Zum Teil ist darin sicherlich auch die Angst der Dämonen zu spüren, aber vor allem diese Aggressivität, die dahintersteht.
Der Ausdruck „Besessenheit“, den wir im Deutschen verwenden, entspricht zum Teil auch dem griechischen Begriff. Im Deutschen sagen wir ja normalerweise „ich besitze etwas“, zum Beispiel ein Auto. Das bedeutet nicht nur, dass ich darin sitze, sondern auch, dass es mir gehört. Genauso ist es hier gemeint: Besessen sein heißt, dass der Geist Anspruch auf den Menschen hat, nicht nur, dass er sich vorübergehend auf ihn setzt.
Sonst könnte ich ja einfach auf euer Auto sitzen und behaupten, ich besitze es. Tatsächlich besitze ich es dann aber nicht wirklich, denn irgendwann wird man mich vertreiben, weil ich zum Beispiel die Motorhaube beschädige. Juristisch wird zwischen Eigentümer und Besitzer unterschieden: Der Eigentümer ist derjenige, dem etwas gehört, der Besitzer darf es nur gebrauchen. Diese feine Unterscheidung gab es damals jedoch nicht. Besitz bedeutete einfach, dass jemand Anspruch auf etwas hat, dass er darüber bestimmt.
So ist das auch mit Besessenheit gemeint. Der Geist ist nicht einfach nur da und unterhält sich mit dem Menschen, sondern er hat einen Anspruch, lebt mit ihm und bestimmt ihn. Das ist das Wesen der Besessenheit. Übrigens nennt die Bibel auch einen Unterschied: Ein Christ, in dem die Macht Jesu wirkt, kann nicht besessen sein. Das sehen wir auch hier: Sobald Jesus auftaucht, werden die Geister unruhig. Sie können nicht in seiner Gegenwart bleiben. Das ist wie Feuer und Wasser – es passt nicht zusammen.
Wenn der Geist Gottes in einem Menschen lebt, dann kann dieser nicht besessen sein. Allerdings finden wir im Neuen Testament auch, und ich kann das aus Erfahrung bestätigen, dass Dämonen oder Geister Menschen von Gott ein Stück weit trennen können. Sie können das Verhältnis zu Gott trüben. Manche nennen das „Umsessen“ und sagen, der Dämon sei nicht in einem Menschen, sondern um ihn herum. Dort versuchen diese Dämonen, den Menschen in Versuchung zu führen, ihm Angst einzujagen und ihn zu verführen.
Aber sicher ist: Sie können niemals Anspruch auf den Menschen erheben, denn wenn Jesus in ihm lebt, wenn Gott in ihm lebt, wenn der Heilige Geist da ist, dann können Dämonen nicht hineinkommen. Das passt nicht zusammen. Sie können uns aber verführen und versuchen, uns von Gott wegzuziehen. Das ist möglich.
Der Mann ist jetzt also besessen, und das wird uns hier in mehrfacher Hinsicht deutlich vor Augen geführt. Dann spricht dieser Geist und sagt: „Halt, was willst du von uns, Jesus von Nazaret? Du bist gekommen, uns zu vernichten.“
Hier ist das „Halt, was willst du von uns?“ eigentlich eine etwas eingedeutschte Formulierung. Im Griechischen steht da eigentlich: „Was ist zwischen uns und dir?“ Das erinnert vielleicht an die Witwe von Sarepta, die zu Elija sagt: „Was ist zwischen mir und dir? Wir haben nichts miteinander zu tun.“ So ähnlich ist es hier auch. Der Dämon sagt gewissermaßen: „Lass mich in Ruhe!“
Dabei verwendet er den Plural: „Lass uns in Ruhe“ – so steht es auch in der Lutherübersetzung. Später lesen wir die Reden nicht mehr im Plural, sondern im Singular. Das ist ein Pluralis Majestatis, also eine majestätische Mehrzahl, oder es ist ein Sprecher, der für andere Dämonen spricht. Das können wir nicht genau sagen. Später sagt der Geist: „Ich weiß, wer du bist.“ Zuerst also Plural, dann Singular.
Das könnte bedeuten, dass dieser Mensch von mehreren Dämonen besessen ist. Das kennen wir ja vom Gerasener, wo mehrere Dämonen in einem Menschen wohnen. Auch Lukas 11 sagt, dass wenn ein Mensch von einem Dämon befreit wird, aber leer bleibt, sieben andere Dämonen zurückkommen und es schlimmer machen als zuvor. Es ist also möglich, dass hier mehrere Dämonen wohnen.
Eine andere Möglichkeit ist, dass dieser Dämon für die gesamte Dämonenwelt spricht und Jesus sagt: „Was machst du? Du kommst zu früh. Warte noch ein bisschen, wir wollen erst noch ein paar Menschen verderben.“ So könnte er nicht nur für die Dämonen sprechen, die in diesem Menschen wohnen, sondern für die gesamte Dämonenwelt.
Also sagt der Dämon: „Halt, was willst du von uns, Jesus von Nazaret? Du bist gekommen, uns zu vernichten. Ich weiß, wer du bist, der Heilige Gottes.“
Der Dämon scheint den Sieg Jesu von vornherein anzuerkennen. Er kämpft nicht gegen Jesus, er widersteht ihm nicht. Er sagt nicht: „Komm her, ich kämpfe mit dir.“ Das gibt es nicht. Stattdessen hat er nur noch Angst. Angst vor der Vernichtung, Angst vor dem Sieg Jesu, der festzustehen scheint.
Das ruhige Dämonenleben scheint mit dem Auftreten Jesu zu Ende zu sein – und zwar nicht nur hier, sondern universell. Das merken wir an vielen Stellen, wo dämonisch besessene Menschen Jesus begegnen. Es scheint, als ob der Dämon hier winselt und fleht, ja geradezu um Mitleid bittet: „Bitte lass uns in Ruhe.“ So klingt das ungefähr.
Er verschwindet nicht sofort, sondern will noch ein bisschen im Menschen bleiben. Das sehen wir auch an anderen Stellen, wo Jesus Dämonen begegnet. Ein typisches Merkmal ist, dass der Dämon das Kommen Jesu allein schon als Bedrohung ansieht. Er sagt: „Was willst du? Du bist gekommen, uns zu vernichten.“ Allein die Gegenwart Jesu bringt ihn in Unruhe.
Jesus hat ja noch gar nichts gesagt, noch keinen Dämon ausgetrieben, noch nicht einmal mit diesem Dämon gesprochen. Dennoch fühlt sich der Dämon bedroht. Das zeigt, was ich vorhin sagte: Wo die Gegenwart Gottes ist, können Dämonen nicht bleiben. Das sehen wir hier ganz deutlich. Es ist wie Feuer und Wasser oder Licht und Finsternis, wie es die Bibel nennt.
Wir sehen auch, dass Menschen, die dämonisch belastet sind, häufig über hellsichtige Fähigkeiten verfügen. Würden wir das ganze Evangelium durchgehen, fänden wir viele Merkmale, die typisch für Besessenheit sind. Dazu gehören körperliche Äußerungen: Manche Dämonen machen Menschen stumm, werfen sie zu Boden, verursachen Schaum vor dem Mund oder bringen sie dazu, sich selbst zu schlagen oder sogar in Feuer oder Wasser zu stürzen – also selbstzerstörerisches Verhalten.
Ein Dämon will Menschen zerstören. Das zeigt sich auch beim Gerasener, der in Ketten gebunden war. Dämonisch besessene Menschen verfügen oft über unheimliche Kräfte, die man nicht halten kann. Eine Psychiatrieschwester berichtete, dass es Menschen gibt, die so von Dämonen besessen sind, dass drei oder vier erwachsene Männer sie nicht festhalten können. Sie müssen gefesselt und eingesperrt werden.
Übernatürliche Kraftentfaltung ist häufig mit Dämonen verbunden. Auch das Sprechen in einer fremden Stimme ist ein Hinweis darauf, ebenso wie die Fähigkeit, übernatürliche Dinge zu erkennen. Der Geist in diesem Mann weiß sofort, wer Jesus ist. Er nennt ihn beim Namen: „Du bist Jesus.“ Er weiß auch, woher Jesus kommt, nämlich aus Nazaret.
Diese übernatürliche Erkenntnis sehen wir auch an anderen Stellen, zum Beispiel bei der Frau mit dem Wahrsagegeist, die den Jüngern nachläuft und sagt, dass diese von Gott geschickt sind. Sobald die Jünger den Geist austreiben, verliert die Frau ihr Wissen. Das zeigt, dass dämonisch belastete Menschen über Erkenntnisse verfügen können, die wir normalerweise nicht haben. Das bewirkt der Dämon, und das fasziniert manche Menschen, die damit zu tun haben.
Der Dämon nennt Jesus hier auch „der Heilige Gottes“. Das ist ein neuer Titel, mit dem Jesus beschrieben wird. Es gibt viele Titel im Neuen Testament, und das ist einer davon. „Heilig“ bedeutet nach dem Alten Testament „abgesondert“. Jesus ist der für Gott Abgesonderte, der von Gott abgesondert ist.
Das meint hier, dass er von der Dämonenwelt und der gefallenen Schöpfung abgesondert ist. Er ist herausgehoben für einen besonderen Auftrag, den Gott ihm gegeben hat. Im Alten Testament waren Priester, der Tempel und die Geräte im Tempel abgesondert. Auch vom Messias wird gesagt, dass er heilig sein wird, ganz für Gott da.
Wir erinnern uns auch daran, dass Jesus schon in Kapitel 1, Vers 35 als abgesondert bezeichnet wird. Dort sagt der Engel zu Maria: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Das Kind, das geboren wird, wird heilig genannt und Gottes Sohn.“ Hier wird also angekündigt, dass das Kind, Jesus, vollkommen abgesondert und vollkommen fremd von der Welt ist, in der wir sonst leben.
Jesu Umgang mit dem Dämon und die Wirkung seiner Vollmacht
Nun, in Vers 35 sehen wir, dass Jesus sich auf keine große Show einlässt. Er macht kein Theater. Er baut keine große Bühne auf, damit ihn alle gut sehen können. Ebenso benutzt er nicht, wie viele Menschen seiner Zeit, irgendwelche exorzistischen Mittel, um den Dämon zu vertreiben.
Damals gab es viele Magier, Quacksalber und Dämonenaustreiber in Israel und im Orient. Ein Beispiel finden wir in der Apostelgeschichte, wo Simon Magus vorgeführt wird. Die Leute dachten, seine Kräfte kämen von Gott und er könne große Wunder vollbringen. Doch später wird klar: Das war alles nur Show, leerer Schein. Sobald er wirklich dem Geist Gottes begegnet, sagt er, dass er diese Kraft nicht hat. Er will sie von den Jüngern kaufen, was natürlich das Schlechteste ist, was er tun kann. Denn Gottes Macht kann man nicht kaufen.
Die Leute erwarteten also, dass Jesus eine Show abzieht. Damals gab es Menschen, die sich prachtvoll anzogen, mit Silber, Brokat und Ähnlichem. Sie murmelten ein paar Worte und hielten den Besessenen einen Ring unter die Nase. In einiger Entfernung stand ein Wasserbecken. Dann zerrten sie an dem Besessenen und machten Theater. Plötzlich spritzte das Wasser, und sie sagten, der Dämon sei ins Wasser gefahren und verschwunden. Das war natürlich alles nur Theater und Tricks. Aber es sah beeindruckend aus, man konnte damit Geld verdienen, und solche Leute zogen viel umher.
Ehe man es merkte, war der Dämonenaustreiber schon mit seinem Geld verschwunden. So etwas kannten die Leute. Sie gingen damit um und erwarteten vielleicht auch, dass Jesus irgendein Heilkraut habe, das er den Leuten gebe. Aber all das tut Jesus nicht. Wir merken hier: Es ist vollkommen unspektakulär.
Da steht einfach: Jesus bedrohte den Geist und sprach: „Geist, keine Diskussion mehr! Ende, vorbei, geh weg!“ Das war alles. Und das zeigt wieder die Vollmacht Jesu. Er braucht kein Theater. Das ist sicherlich etwas Besonderes bei Jesus. Das können wir nicht in gleicher Weise tun.
Hier gibt es auch kein Widerhören. Der Geist reagiert nicht darauf – oder besser gesagt, er versucht nicht mehr, dagegen anzukämpfen. Stattdessen sagt er: „Na gut, lass mich doch noch hier!“ Wenn Jesus etwas sagt, wenn Gott etwas sagt, dann geschieht es. So ist es auch hier. Gottes Macht ist so groß, dass der Dämon gar nicht anders kann, als in diesem Moment abzuhauen.
Er tut das allerdings auch sehr widerwillig. Er ist verärgert, denn er weiß, dass Dämonen Menschen kaputtmachen. Mit solchen Leuten sollte man nicht diskutieren, auch wenn der Dämon hier Jesus schmeichelt. Er sagt so etwas wie: „Ach, du bist ja der Sohn Gottes, der Heilige, du bist so großartig.“ Man könnte sagen, das ist keine echte Schmeichelei. Wer weiß, vielen von uns würde so etwas schmeicheln, und wir würden es gerne hören: „Du bist so toll, Michael, was du immer sagst und machst, das ist großartig.“
Doch Jesus lässt sich nicht täuschen. Er weiß, wenn das von einem Dämon kommt, will er das nicht hören. Er will damit nichts zu tun haben. Jesus schweigt, bleibt ruhig und lehnt das ab.
Jetzt redet Jesus einfach zu dem Dämon. Ehe dieser dem Mann noch Schaden zufügen kann, muss er abhauen. Wir lesen weiter, dass der Dämon, als Trotzreaktion, den Menschen nimmt und ihn Jesus vor die Füße wirft, also mitten unter die Menge. Aber es wird gleich gesagt, dass der Mann keinen Schaden erlitten hat. Das ist das Ende von Vers 35.
Diese Trotzreaktion zeigt, dass der Dämon dem Mann nicht mehr schaden kann, weil er unter der Macht Jesu steht. Trotzdem versucht er es noch einmal. Der Ärger darüber, dass er den Menschen verlassen muss, zeigt das wahre Gesicht des Dämons. Zwar schmeichelt er Jesus, aber wenn es darum geht, abzuhauen, wird klar: Es geht ihm nicht darum, dem Menschen oder Jesus einen Gefallen zu tun. Eigentlich will er Menschen in Abhängigkeit bringen und sie vernichten.
Die Reaktion der Menschen und die Verbreitung der Kunde Jesu
Nun lesen wir etwas weiter. Die Furcht kam bei vielen Leuten auf. Sie redeten miteinander und sprachen: „Was ist das für ein Wort? Er betet mit Vollmacht über die unreinen Geister.“ So etwas hatten sie noch nicht erlebt. Das war etwas ganz Besonderes.
Hier ist sozusagen ein Nachweis seiner Verkündigung. Manchmal ist es ja so, dass, wenn man den Leuten predigt, sie sagen: „Ich will ein Wunder haben.“ Ich habe schon solche Leute erlebt, die sagen: „Ich glaube ja an Gott, wenn Gott mir selbst erscheint oder wenn ich irgendein Wunder erlebe.“ Meistens ist es allerdings so, dass die Leute selbst, wenn sie Wunder erleben, trotzdem noch nicht glauben.
Das ist genauso wie in Israel. Denkt an die zehn Aussätzigen: Wie viele haben sich aufgrund eines Wunders umgekehrt? Sie waren ja immerhin todkrank. Stellt euch vor: totkrank, im Krankenhaus, kurz vor dem Tod, ausgeschlossen, und plötzlich werdet ihr gereinigt. Wie viele kommen zurück? Fünfzig, sechzig, siebzig, zehn? Ich kann euch garantieren, den meisten Menschen geht es genauso.
Ich erinnere mich an einen alten Mann im Altenheim. Er sagte, er war im Zweiten Weltkrieg Soldat. In den letzten Kriegstagen war er mit so einem Fahrzeug unterwegs. Er war Deutscher, zusammen mit ein paar Soldaten. Dann kamen britische Flieger und schossen auf sie. Das war auf freiem Feld. Er konnte nur unter das Auto kriechen, seine Kameraden taten es ihm gleich.
In dem Moment wusste er: „Hier komme ich nicht mehr heil raus.“ Er betete: „Gott, wenn es Licht gibt, dann lass mich hier heil herauskommen.“ Tatsächlich flogen die Flieger noch ein paar Mal darüber. Seine Kollegen, also die Soldaten, sind alle tot, und er ist der einzige, der lebendig unter dem Auto herkriecht.
Dieser Mann ist zum Glauben gekommen, selbst im Altenheim, fünfzig Jahre später. Vom Glauben war damals noch nichts zu sehen. Da habe ich ihn gefragt: „Was ist denn das?“ Das ist doch ein Wunder Gottes. Es ist häufig so: Ich erlebe Leute, die etwas Großes erleben. Sobald es vorbei ist, kommen sie nach Hause und sagen: „Ah, ich habe Glück gehabt, es ist nochmal gut gegangen.“
So ist es vielfach, und so auch hier. Die Leute hören das, so wie beim Brotkönig auch Jesus, der das Brot verteilt. Fünftausend Leute werden gläubig. Aber was passiert? Bekehrt sich jemand? Bekennt jemand seine Sünden und wird Christ? Nein. Sie wollen die Brotverteilung fortsetzen: „Oh, gib uns noch mehr Brot, wir können noch mehr gebrauchen.“
Da merkt man: Wunder bewirken häufig genau das nicht, dass Menschen zum Glauben kommen, sondern dass sie einfach an den Dingen interessiert sind, die passieren – nicht an Jesus, der sie bewirkt. Sie wollen gesund werden, sie wollen viel Geld haben, sie wollen glücklich sein. Das ist ja auch nicht alles schlecht, aber Jesus merkt, dass das nicht der Kern ist.
Deshalb versucht er auch immer ein bisschen zu unterdrücken, dass so viel über seine Werke geredet wird. Immer wieder sagt er: „Schweig, rede nicht davon, Ruhe.“ Er will, dass die Verkündigung, dass die Leute auf seine Worte hören. Das ist der Hauptgrund dabei.
Nur dann lesen wir, dass der Ruf ihm voraus erscholl. In Vers 37 steht, dass viele Leute davon erfuhren, auch in den umliegenden Ländern, also über Israel hinaus. Sie wurden auf ihn aufmerksam. Später kommen ja auch Leute aus den Nachbarländern, die Jesus hören wollen.
Jesus zieht sich zurück und die Bedeutung der Gemeinschaft mit Gott
Jesus will sich als Nächstes zurückziehen. Wir lesen, dass er sich aus der Synagoge aufmacht – die Heilung fand also in der Synagoge statt – und dann in das Haus des Simon, der Schwiegermutter von Simon, geht.
Im Markus-Evangelium lesen wir im Parallelbericht, dass dort nicht nur Simon war, sondern gleichzeitig auch Jakobus, Andreas und Johannes anwesend waren (Markus 1,29). Sie wohnten zusammen mit Jesus in diesem Haus, in dem auch die Schwiegermutter von Petrus war. Damals hatte nicht jeder sein eigenes Heim.
Nebenbei können wir hier auch sagen, dass sich der Papst mit der Vorstellung, Petrus sei unverheiratet gewesen, etwas irrt. Denn normalerweise hat jeder, der eine Schwiegermutter hat, auch eine Frau. Ohne Frau gibt es keine Schwiegermutter, und folglich kann man auch keine Schwiegermutter heilen. Also können wir sagen: Papst Johannes Paul, du bist zwar schon älter, aber wenn du willst, kannst du auch noch heiraten. Es geht durchaus. Petrus, der erste Papst, hat das auch getan. Das wird uns hier so nebenbei mitgeteilt.
Dann wird Simon hier einfach so nebenbei eingeführt. Es gibt keine eigentliche Vorstellung von ihm. Die Berufung des Simon wird hier nicht erwähnt, sie wird vorausgesetzt. Warum? Das lesen wir nämlich ganz am Anfang des Lukas-Evangeliums. Dort steht in Kapitel 1, Vers 4: „Damit du den sicheren Grund der Lehre erfährst, in der du unterrichtet bist.“ Das heißt, dieses Evangelium richtet sich an Leute, die schon ein bisschen Grundkenntnis über den Glauben haben. Deshalb kennt der Autor Simon vom Namen her schon.
Lukas schreibt das etwa sechzig bis siebzig Jahre nach Christus. Er schreibt an Leute, die schon etwas vom christlichen Glauben gehört haben und auch von Simon. Denn Simon lebt noch, predigt noch und ist ihnen vom Namen her bekannt. Deshalb wird er hier nicht mehr genau vorgestellt.
Deshalb taucht Simon plötzlich auf, ohne vorher erwähnt worden zu sein, und auch seine Schwiegermutter wird genannt. Jesus tritt in den Raum hinzu. Wir müssen uns das anders vorstellen als bei uns.
Anders als bei uns gab es damals keine Betten. Normalerweise legte man sich flach auf die Erde, rollte eine Matte aus und schlief darauf. Jesus steht jetzt neben der Schwiegermutter. Hier zeigt sich wieder seine vollmächtige Stellung. Er fängt nicht an, sie zu trösten oder zu fragen, wie es ihr geht. Gar nicht viel dabei. Stattdessen geht er die Sache fast an der Wurzel an und spricht direkt mit der Krankheit.
Das ist ungewöhnlich. Mit einem Dämon kann man sich das vielleicht noch vorstellen, denn der hat eine Persönlichkeit. Aber habt ihr schon einmal mit Fieber gesprochen? Das wirkt fast so, als ob hier etwas nicht stimmt, als ob man anfängt, mit einem Stuhl zu sprechen.
Man sagt, Abraham Lincoln habe seine Reden vor Bäumen geübt, als er noch Holzfäller war, bevor er Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Aber bei Jesus steckt etwas anderes dahinter.
Ich glaube, das, was dahintersteckt, ist Folgendes: Wenn Gott redet, dann muss sich auch die Materie verändern. Unbelebte Zustände müssen sich verändern, weil Jesu Wort Macht und Energie ist, die ausgeht. Energie ist ein moderner Begriff, aber er passt hier gut.
Jedes Wort, das ich sage, ist Energie. Es sind Schwingungen in der Luft, und das ist Energie. Aber nicht irgendeine Energie, sondern eine, die Information transportiert. Sonst könnte ich auch einfach einen Infrarotstrahler einschalten. Das wäre nicht dasselbe wie sprechen. Sprechen ist Informationsenergie, Energie, die Information übermittelt.
Energie kann auch von lebloser Materie aufgenommen werden. So ist es wie das Schöpfungswort Gottes, das auf die Materie, aufs Nichts trifft und plötzlich etwas entstehen lässt.
Genauso ist es, wenn Jesus zum Sturm spricht. Wie kann man zum Sturm sprechen? Ihr kennt die Geschichte: Jesus sagt zum Sturm, er soll schweigen, und plötzlich ist er ruhig. Wenn Jesus spricht, hört auch die unbelebte Materie auf ihn.
Deshalb sagt Johannes auch, dass Gott, wenn er wollte, aus den Steinen lebendige Kinder zeugen könnte. Oder beim Einzug in Jerusalem sagt Jesus: Wenn die Menschen ruhig bleiben würden und ihn nicht lobten, würden die Steine anfangen zu schreien.
Bei Gott ist das möglich, bei uns nicht. Aber wenn Gottes Macht und Vollmacht auf unbelebte Materie trifft, wie hier auf den Krankheitszustand, dann verändert sich dieser Zustand. Rein theoretisch ist das durchaus physikalisch möglich.
Mit der Energie und Information, die dabei auftritt, können wir uns ein Hilfskonstrukt machen und sagen, so ähnlich könnte es möglich sein.
Zusammenfassung und praktische Anwendung
Nun, an dieser Stelle, obwohl ich noch nicht ganz am Ende bin und wir gerne weitersehen wollen, was da passiert, möchte ich zu einem Einschnitt kommen. Einfach deshalb, weil sonst eure Kinder ungeduldig werden – und einige von euch auch. Dann ruft ihr den Safari Park.
Das, was wir zumindest hier sehen können, ist erstens: Die Predigt ist wichtiger als die Wundertaten. Das sollte uns auch immun machen gegenüber überbordenden charismatischen Bewegungen, bei denen plötzlich die Wunder im Mittelpunkt stehen. Nein, bei Jesus steht die Verkündigung im Mittelpunkt.
Wir sollten auch davon ausgehen, dass Menschen zum Glauben kommen, so wie Jesus die Macht durch das Wort zeigt. Wir sollten sehen, Vollmacht zu bekommen. Vollmacht bedeutet, juristisch eingesetzt zu sein. Das müssen wir auch. Wenn wir niemanden haben, der uns schickt oder bevollmächtigt, dann sind unsere Worte leer. Dann können wir eine tolle Predigt halten – das bringt alles nichts.
Was wir darüber hinaus sehen, ist auch: Es gibt übernatürliche Mächte und Kräfte, es gibt Dämonen. Es gibt auch Menschen, die davon besessen sind – auch heute noch. Und diese Menschen können nur befreit werden, ihnen kann nur geholfen werden, wenn Jesus in seiner Vollmacht dem Gegenüber begegnet.
Also sollten wir uns nicht auf geistliche Kampfführung und all das einlassen, was es sonst noch alles im charismatischen Bereich gibt. Sondern in dem Rahmen, wie das hier genannt ist: Dämonische Belastung kann nur dort beseitigt werden, wo Gott Besitz von einem Menschen ergreift. Das ist das, was wir hier merken.
Lasst euch nicht auf irgendwelche Spielereien mit okkulten Sachen ein. Lasst euch auch nicht auf Diskussionen mit okkulten Mächten ein. Das tut Jesus hier auch nicht – dann könnt ihr nur verlieren. Das ist so wie Eva, die mit der Schlange diskutiert, auch mit dem Teufel, dem obersten der Dämonen – und dann verliert sie. Zack, vorbei. Das geht nicht.
Wenn euch irgendwelche okkulten Sachen begegnen, sei es in den Medien, in Filmen, Computerspielen oder Büchern, die voller Okkultismus sind – das ist heute ja voll in unserer Gesellschaft verbreitet –, dann lasst davon die Finger. Lasst solche Dinge nicht an euch heran.
Wenn du Christ bist, kannst du zwar nicht besessen werden, aber das kann deine Beziehung zu Gott stören. Wenn du nicht Christ bist, kannst du sogar von diesen Dingen so gefangen genommen werden, dass du besessen wirst. Und das heißt erst einmal Trennung von Gott. Das heißt diese niederdrückende, zerstörerische Macht der Dämonen, wie wir sie hier auch sehen.
An dieser Stelle, wie gesagt, machen wir Schluss. Ich möchte gerne noch mit euch beten. Danach könnt ihr gerne nach unten gehen, Butterbrote schmieren, Kinder verabschieden oder euch selbst bereitmachen.