Bei der Weltkirchenkonferenz 1961, die schon lange zurückliegt, wurde zugleich die Integration des Internationalen Missionsrates in den Weltkirchenrat (World Council of Churches) beschlossen.
Damals sagte der bisherige Generalsekretär des Internationalen Missionsrates, der spätere indische Bischof Leslie Newbigin, dass alles davon abhängen werde, ob diese Integration dazu beiträgt, dass die Kirchen missionarischer werden. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt.
Er betonte: Das Leitmotiv für die Gemeinde Jesu aus allen Bekenntnissen muss immer sein: „Don't look on us, look on him“ – schaut nicht auf uns, schaut auf ihn.
Dazu soll uns auch der heutige Bibelabschnitt, der Bericht aus dem Evangelium des Markus, helfen. Nicht wir sind die Seelsorger. Im besten Fall sind wir kleine Helfer des großen Seelsorgers. Wir brauchen einander alle.
Ein noch viel stärkeres Bewusstsein dafür, dass Jesus da ist, uns leitet, trägt, falsche Worte verhindert und die richtigen Worte eingibt, ist notwendig. Wir leben in ihm – das muss unsere Sehnsucht sein. Er ist es, der ohne Ende hebt und trägt, die sich in seinem Dienst üben.
Als die Bayern gegen Lyon verloren haben, hallte aus der Kurve mit den Bayernfans immer wieder der Ruf: „Üben, üben!“ Es gilt für uns: Wir sind noch keine Könner, wenn wir uns in seinem Dienst üben, in seinem Dienst.
Begegnung mit dem leidenden Kind und Jesu Eingreifen
Und sie kamen zu den Jüngern, nämlich die vier, die mit Jesus auf dem Berg der Verklärung gewesen waren. Sie kamen wieder zur übrigen Jüngerschar und sahen eine große Menge um sie herum sowie Schriftgelehrte, die sich mit ihnen stritten.
Sobald die Menge Jesus sah, entsetzten sich alle, liefen herbei und grüßten ihn. Er fragte sie: „Was streitet ihr mit ihnen?“ Einer aus der Menge antwortete: „Meister, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht. Er hat einen sprachlosen Geist. Wenn dieser Geist ihn ergreift, reißt er ihn, er hat Schaum vor dem Mund, knirscht mit den Zähnen und wird starr. Ich habe mit deinen Jüngern gesprochen, dass sie ihn austreiben sollen, aber sie konnten es nicht.“
Jesus antwortete ihnen und sprach: „O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir!“
Hier zeigt sich eine Form des Tragens Jesu, dass er uns ertragen muss. Wohl an die Jünger gerichtet, nennt er sie „ungläubiges Geschlecht“ und fragt, wie lange er sie noch heben, tragen und erretten müsse. Er fordert sie auf: „Bringt ihn doch her zu mir!“
Der Vorwurf ist offensichtlich an die Jünger gerichtet: Was habt ihr denn versucht? Das schafft ihr doch gar nicht! Warum habt ihr nicht zu dem Vater gesagt: „Moment noch, Jesus muss bald wiederkommen, der allein kann helfen“? Warum habt ihr euch überhaupt an diesem Befreiungsdienst versucht? „Bringt ihn her zu mir!“
Sie brachten den Knaben zu Jesus. Sogleich, als der Geist ihn sah, riss er ihn. Er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund – und das ohne ein Wort des Exorzismus. Jesus fragte den Vater: „Wie lange ist das schon so?“ Der Vater antwortete: „Von Kind auf. Er hat ihn oft ins Feuer und ins Wasser geworfen, damit er ihn umbrächte.“
Der Vater bat: „Wenn du etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!“ Jesus sprach zu ihm: „Du sagst: ›Wenn du etwas kannst‹. Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt.“
Sogleich schrie der Vater des Kindes: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“
Als Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: „Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir, fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein!“ Da schrie der Geist, riss ihn heftig und fuhr aus. Der Knabe lag da wie tot, sodass die Menge sagte, er sei tot.
Jesus aber ergriff ihn bei der Hand, richtete ihn auf, und er stand auf.
Als Jesus heimkam, fragten ihn seine Jünger für sich allein: „Warum konnten wir ihn nicht austreiben?“ Jesus antwortete: „Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.“
Jesus als großer Seelsorger zwischen Herrlichkeit und Niederungen
Wir lernen Jesus als den großen Seelsorger kennen, der vom Berg der Verklärung wieder in die Niederungen dieser Welt hinabsteigt. Er war verklärt worden, wie kein Färber auf Erden seine Kleider und seine Gestalt so hell machen konnte. Die Stimme des Vaters sprach dieses klärende Wort: „Das ist mein lieber Sohn.“ Die Ordination des Herrn Jesus zum Leiden lautete: „An ihm habe ich Wohlgefallen, den sollt ihr hören.“
Doch Jesus bleibt nicht in der Herrlichkeit. Er geht zu seinen ohnmächtigen Jüngern. Er sagt ihnen: „Ihr sollt nicht davon reden, bis der Menschensohn auferstanden ist.“ Das, was Jesus nach der Auferstehung getan hat, hat er schon vorher aus der Herrlichkeit des Vaters zu seiner verschreckten Jüngerschar getan. Davon leben wir in unserem Dienst.
Auch wenn wir im Vorbereitungszimmer in der Sakristei sind, können wir beten: „Herr, du siehst meine Ohnmacht, du siehst mein kleines Konzept. Das ist doch nicht dein Wort. Gib mir dein Wort, damit er hinabkommt in unsere Niederungen und es wahrmacht.“ Ich habe es jetzt schon zweimal zitiert: Matthäus 8,17. Jesus heilte viele von Besessenheit und Krankheit, „auf dass erfüllt würde, was geschrieben steht beim Propheten: Er hat unsere Lasten getragen.“ (Jesaja 53)
Dazu ist er gekommen: um unsere Lasten zu tragen. So lernen wir Jesus als den großen Seelsorger kennen. Wie lange ist es her, dass ihm dieses Widerfahren zuteilwurde? Der Vater hat doch schon die ganze Leidensgeschichte erzählt, wie das Kind ins Wasser fällt oder ins Feuer. Wäre jetzt nicht die Diagnose möglich: Es geht um Seelsorge – um einen geplagten Vater?
Jesus macht das wahr, was schon in den Psalmen ausgesagt ist: „Schüttet euer Herz vor ihm aus, liebe Leute!“ Das Beten ist uns so einfach gemacht. Wir dürfen all die Namen nennen, die uns auf dem Herzen liegen, und unser Herz ausschütten mit all dem, was uns bedrängt. Schüttet euer Herz aus!
Jesus fragt danach. Er hat sich doch mit einem Arzt verglichen, der für die Kranken gekommen ist. Und der Arzt fragt jetzt: Wo fehlt es? Wie lange plagt es Sie schon? Wie zieht der Schmerz, der sich herauf bis zum Gier riecht? Fühlt sich das Bein heiß an? Er möchte es hören.
Seelsorge besteht in erster Linie darin, zuhören zu können.
Die Kunst des Zuhörens in der Seelsorge
Lange Zeit war in Württemberg der Leiter des altbiblischen Gemeinschaftsverbands der Pastor Immanuel Grötzinger. Es hat lange gedauert, bis man überhaupt einen Satz aus seinem Mund hörte. Er konnte hervorragend zuhören und still sein, bis jemand anfing, sich zu öffnen.
Zu meinem Seelsorgeauftrag im Dienst der Prälatur Ulm gehörten viele Kontakte mit Abgeordneten, Oberbürgermeistern und Landräten. Damit ich nicht nur Small Talk machte und den Leuten die Zeit stahl, habe ich oft gefragt: „Was bereitet Ihnen schlaflose Nächte?“
Der Landrat von Biebrach sagte: „Haben Sie zwei Stunden Zeit? Mindestens so lange brauchen wir.“ Ich habe keinen dieser wichtigen Persönlichkeiten erlebt, der gesagt hätte: „Ach ja, ich schlage mich so durch.“ Das Herz war übervoll von dem, was diese Menschen, die oft von Medien und Bürgern kritisiert werden, an Verantwortung tragen – und kaum tragen können. Sie haben nur darauf gewartet, dass jemand ihnen zuhört und fragt: „Dürfen wir darüber beten?“ – „Oh ja!“
Sie riefen den Namen des Herrn an, breiteten ihre Sorgen vor ihm aus – nicht vor dem Chef oder einem Buch. Ich war der Mittelsmann. Jesus konnte zuhören, wie lange ist das her, und wie hat sich das ereignet? Die große Anteilnahme des Seelsorgers Jesus war nicht nur ein oberflächliches Spiegeln nach Rogers, das sagt: „Ach so ist das bei ihm“, sondern ein wirkliches, tiefes Interesse.
Jesus, der Seelsorger, der große Erbarmer – das griechische Wort „planchnis theis“ steht in Matthäus 9. Diese ganze Geschichte ist davon geprägt, dass es Jesus bis ins Innerste hinein bewegte. In der Exegese haben wir gelernt, dass sich Jesus vor Mitleid mit den armen Menschen „die Eingeweide umdrehten“ – er erbebte bis ins Innerste.
Jeremia sagt: „So oft ich an dich denke, stürmt mein Herz dir entgegen; ich muss mich deiner erbarmen.“ Wenn auch nur ein Quäntchen dieser Gesinnung unseres Seelsorgers Jesus uns anstecken würde, wenn wir Anteil hätten an seinem riesigen Erbarmen mit den törichten, dummen Menschen!
Bei jeder Entschuldigung, bei jedem Ehebruch ist so viel Dummheit mit dabei. Auch bei jeder Erziehungsschwierigkeit fragt man sich: „Sind das noch Menschen, die überhaupt Verstand haben, wenn sie so mit ihren Kindern umgehen?“ Und dennoch sollten wir uns nicht erregen, sondern erbarmen haben.
Dieses Erbarmen Jesu zeigt sich auch im Umgang mit dem Vater, den er mit Mitgefühl begleitet.
Jesu Umgang mit dem unreinen Geist und die Herausforderungen des Befreiungsdienstes
Jesus als Seelsorger: Als er sah, dass das Volk herzulief, bedrohte er den unreinen Geist. Er nahm den kranken Sohn beiseite, vor dem Volk, besonders. So heißt es in Markus 9.
Bei dem verschlossenen Menschen – danke für den Hinweis gestern, bewegend am Schluss des qualifizierten Vortrags. Bitte jetzt nicht mich anfragen als Befreiungsspezialisten quer durch die Republik. Wir haben schon viele Brüder und Schwestern kaputtgehen sehen, die mit Büchern und Verlautbarungen reden und sich selbst als Befreiungsspezialisten bekanntgegeben haben.
Der Teufel hat sich erwiesen als der Fürst dieser Welt, so hat Jesus von ihm gesprochen: der Starke. Er lässt sich nicht so leicht seine Beute entreißen. Jesus nahm ihn vor dem Volk besonders.
Schwäbisch gesagt: Befreiungsdienst verträgt das Schnaufen nicht. Man kann kaum darüber reden, man kann über manche Seelsorgeprobleme sprechen, aber das Ringen mit dem Fürsten dieser Welt ist ganz schwierig. Das auch nur in einen größeren Kreis hineinzutragen, ist schwierig.
Und dann der Ruf Jesu, das Befehlende als Seelsorger: „Fahre aus, verliebt, und fahre nicht wieder in ihn!“ Es hat mich die ganze Nacht über bewegt, diese Frage, die in unserer Mitte auftaucht: Wenn man doch bekehrt ist, sind wir versetzt aus dem Reich der Finsternis, aus der Obrigkeit der Finsternis in das Reich des lieben Sohnes? Ja, natürlich.
Aber dann gilt doch: Der Satan hat euer Begehr, dass er euch sichten möchte wie den Weizen. „Aber ich bin auch noch da. Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Du wirst vom Satan – Petrus – von allen Seiten versucht werden, durchgerüttelt in diesem Sieb. Du sollst ausgesiebt werden, damit wir bestehen können gegen die listigen Anläufe des Satans“ (Epheser 6). Das ist ein Bekehrter geschrieben.
Ein Bekehrter ist erst in 2. Korinther 2 geschrieben: „Denn uns ist wohl bewusst, was der Satan im Sinn hat. Er möchte doch uns herumkriegen, die wir uns in seinem Dienst üben.“ Aber ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhört – Trostwort des Herrn Jesus.
Paulus nimmt sie auf seine Weise auf: „Seid stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke.“
Die Bedeutung von Jesu Sieg und die Haltung der Seelsorge
Es ist immer die Frage, worauf wir unseren Akzent setzen, was wir betonen. Blumhardt sagt: Jesus ist Sieger. Wir betonen gern: Jesus ist Sieger. Er hat die Mächte der Finsternis entmachtet. Blumhardt hat betont: Jesus ist Sieger, nicht der Pfarrer Blumhardt von Möttling. Jesus ist Sieger.
Er hat sich in seinen Verteidigungs- und Klärungsschriften immer wieder dagegen gewandt, als großer Wundertäter angesehen zu werden. Alle Macht ist bei Jesus, Jesus ist der große Seelsorger.
Doch Jesus ist nicht nur ein Vorbild für rechte Seelsorge bei uns, nicht nur Exemplum, sondern auch Sakramentum. Wir können an ihm teilhaben, wie im Sakrament des Mahls, in Brot und Wein, mit ihm verbunden sein.
Deshalb soll die Art des Herrn Jesus nicht nur auf uns abfärben, sondern wir dürfen Teilhabe an ihm gewinnen. Jesus als der Seelsorger ist Ihnen schon längst bekannt und oft in Predigten ausgelegt worden. Ich wiederhole nur, was mir neu wichtig geworden ist.
Die Frage der Jünger und erste Antworten auf das Scheitern im Befreiungsdienst
Zweitens: Warum konnten wir ihn nicht austreiben? Das war die Frage der Jünger. Der Vater hatte, als Jesus nicht da war, den Sohn zu ihnen gebracht. Warum haben sie es nicht geschafft? Jesus hatte ihnen doch auch die Macht gegeben, Kranke zu heilen und böse Geister auszutreiben.
Was ist der Grund dafür, dass sie es nicht schafften? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Jünger damals, sondern auch uns heute Morgen. Lassen Sie mich einige Antworten geben, die nicht unmittelbar mit dem Text zu tun haben, obwohl wir jetzt bei einer Bibelarbeit sind. Seit gestern Abend beschäftigt mich diese Frage noch stärker: Warum konnten wir ihn nicht austreiben?
Ich möchte an einer anderen Stelle beginnen. Der große jüdische Rabbi Maimonides hat einmal gesagt, es gehöre zu den besonderen Gnaden Gottes, die er älteren Menschen gewährt, dass er ihnen eine besondere Zulage zu ihrem Lebensalter gibt. Sozusagen dürfen sie ihre Hausaufgaben noch einmal machen. Maimonides meint, dass sie ohne die Pflicht der täglichen Aufgaben und ohne die Ablenkungen durch mancherlei Lüste, die sonst in der Lebensmitte auftreten, neue Erkenntnisse gewinnen können.
Ich danke Ihnen, verehrte Geschwister, dass diese Tage auch meiner Frau und mir geholfen haben, neue Erkenntnisse zu gewinnen und manche Fragen vor dem Herrn Jesus weiterzudenken. Die Frage lautet: Wie denkst du, Herr Jesus, über diese Dinge?
So möchte ich sagen: Warum konnten wir oft nicht austreiben? Die Antwort von Blumhart haben wir gehört: Weil wir den Exorzismus verlernt haben.
Die Herausforderungen des Bösen und die Bedeutung des Namens Jesu
Erster Versuch einer Antwort, weil das Böse viel umfassender ist, als wir es uns vorstellen können. Wir haben gestern gehört, dass Pendeln, Gläserrücken, Tischchenrücken Einstiege sein können. Dabei wurde immer bewusst, dass es fast unmöglich ist, einen alten Nazi zu bekehren. Wenn jemand gläubig „Heil Hitler“ gesagt hat, war das eine religiöse Formel. Das Heil liegt in ihm, er hat Jesus abgeschworen, weil das Heil in ihm ist.
Vielleicht haben wir Christen das auch viel zu wenig ernst genommen: Es geht nicht nur darum, dass jemand wieder in die Kirche eintritt, sondern dass ein Lossagegebet von den falschen Götzen nötig ist. Beim Kapitalismus, wenn wir Entschuldigungsmassnahmen in unseren Gemeinden haben, geht es ja nicht bloß darum, dass Leute ihr Geld nicht verwalten können. Vielmehr hängen sie an diesem Mammonsgott und kommen überhaupt nicht los.
Der Geist der Lüge, der Sexualisierung, der Fernsehsucht, das Betäuben durch die Musik – wir sind umgeben von Bereichen, die der Macht des Fürsten dieser Welt in seiner Macht besetzt hat. Da ist schon viel gewonnen, wenn wir am bösen Tag Widerstand leisten und das Feld behalten können, die Stellung halten können, um einzubrechen in dieses Reich der Finsternis. Das ist fast unmöglich, nur unter dem Schutz seines Namens.
Als ich junger Pfarrer war, habe ich das in einem dieser kleinen Büchlein beschrieben: Bei einem Regionalposaunentag im Schwarzwald kommt ein Mensch auf mich zu und sagt: „Ich habe einen Brief für Sie.“ Ich stecke ihn ein. Während der Feierstunde erleidet dieser Mensch einen furchtbaren Herzanfall, wie er ihn noch nie hatte. Der Arzt kommt in die Sakristei, als die Bläser ein Zwischenspiel machen, und sagt: „Nachher haben Sie irgendwie Verbindung mit dämonischen Mächten.“ Ich habe gar nicht mehr an den Brief gedacht.
Es gab eine große Seelsorge. Ich habe später den Menschen, der geplagt war, gefragt: „Wie haben Sie denn mich gekannt? Wir kannten uns doch gar nicht.“ Er hatte auch keinen dunklen Anzug an, durch den man hätte erkennen können, dass ich ein Pastor bin oder Ähnliches. Der Mensch sagte staunend: „Man sieht es einem Menschen auf zehn Meter Entfernung an, ob er an dem Tag schon den Namen angerufen hat.“ Er war ein Mensch, der dem Namen des Herrn Jesus abgeschworen hatte und auch in der ganzen Seelsorge nicht wollte, dass dieser Name ausgesprochen wird. Deshalb verpuffte die Seelsorge.
Da ist mir erst einmal aufgegangen, was wir am Namen des Herrn Jesus haben: Jehoshua, der Helfer, Gott in Person. Man spürt es einem Menschen ab, ob er in dieser Welt, dieser dämonisierten Welt, den Namen des Herrn Jesus angerufen hat.
Die Aufklärung, von der uns gestern berichtet wurde, hat den Glauben an den Teufel als Aberglauben, als Ammenmärchen bezeichnet und das Böse nur noch im Unmoralischen gesehen. Lessing sagte: Das Böse ist das Unmoralische. Dietrich Bonhoeffer hat das klar erkannt. Er sagte, dass die große Maskerade des Bösen alle ethischen Begriffe durcheinandergewirbelt hat. Wir können uns gar nicht mehr darin verstecken, dass alles unmoralisch ist, das Böse, und das Böse ist das Unmoralische.
Sie erleben es heute daran, dass Dinge, die noch vor zehn Jahren unmöglich gewesen wären, heute gesellschaftliche Anerkennung finden. Der Bundeskanzler lobt den Regierenden Bürgermeister von Berlin, weil er sich zu seiner Lebensform bekannt hat. Was für ein Begriff: „Bekennen“ – das heute bekennen. Und wenn er selbst gefragt wird, ob er sagt: „So war mir Gott helfe“, sagt er: „Das ist ein Ding, das in stille Kämmerlein gehört, nicht in die Öffentlichkeit.“
Es geht auch bei der Anerkennung dieser besonderen Lebensformen um Toleranz, um eine Wiedergutmachung für das, was wir an den armen Menschen Böses getan haben seit Jahrhunderten. „Ach, ach so, ja natürlich, Wiedergutmachung ist das, eine große ethische Aufgabe.“ Die Maskerade des Bösen hat alle ethischen Begriffe durcheinandergewirbelt.
In dieser dämonischen Welt ist es gut, geschützt zu sein von Jesus, dem Namen, den wir anrufen dürfen.
Die Kraft des Namens Jesu und die Warnung vor Selbstüberschätzung
In der Apostelgeschichte wird berichtet von den sechs oder sieben Söhnen des Hohenpriesters Kephas, die sich erdreisteten, im Namen des Herrn Jesus Dämonen auszutreiben. Sie taten dies im Namen des Jesus, den Paulus verkündigt. Doch der böse Geist sprang auf sie über, wirbelte sie herum, riss ihnen die Kleider vom Leib und sagte: „Jesus kenne ich wohl, Paulus auch, aber wer seid ihr?“ Im Namen des Herrn Jesus ist Kraft. Doch die entscheidende Frage lautet: Wer sind wir, dass wir den Namen Jesus in den Mund nehmen dürfen?
Warum gelingt es uns nicht, Dämonen auszutreiben? Weil unsere menschliche Schwäche und besonders unsere pastorale Krankheit die Selbstgefälligkeit ist. Verständlich ist es, wie sehr wir uns nach einem Gottesdienst sehnen, der uns an Leib und Seele mitnimmt. Wir hoffen darauf, dass jemand sagt: „Vielen Dank für dieses Wort.“ Stattdessen bekommen wir am Ausgang, wenn wir die Hand reichen, zu hören: „Warum haben Sie Frau Meier nicht besucht? Wissen Sie nicht, dass sie krank ist?“ Und wir könnten aus der Haut fahren, weil uns unser Defizit vorgehalten wird.
„Herr, habe Acht auf mich, töte in mir mächtig die Eigenliebe!“ – das hat Allendorf gedichtet. Nicht Neid, nicht Geiz, sondern vor allem die Eigenliebe. Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst. Wir können den bösen Geist nur so schlecht austreiben, weil es uns nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist. Psalm 115,1 sagt: „Nicht uns, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre!“ Nicht uns!
Selbst bei den Wundern, die wir erlebt haben, wird in gläubigen Kreisen oft gesagt: „Er hat ein Wunder erlebt, und wir haben gebetet.“ Wann wird Jesus die Ehre gegeben? Er hat es getan! „Don't look on us, look on him.“ Das macht es uns so schwer, dabei zu helfen, den bösen Geist auszutreiben.
Zum Schluss kommen wir noch einmal zurück zur Geschichte. Warum konnten wir den bösen Geist nicht austreiben? Weil es den einen braucht, der gegen die geballte Macht Satans allein die Vollmacht hat: Jesus.
Die Geschichte ist geprägt von zwei Missverständnissen. Jesus antwortet auf die Frage, warum diese Art von Dämonen nicht ausfährt: „Durch Beten …“ In der Fußnote sieht man, dass einige Handschriften ursprünglich „durch Beten und Fasten“ haben. Die Exegeten sagen, dass das manchen Abschreibern hereingerutscht ist, weil „Beten und Fasten“ ein bekannter Begriff war. Daniel diente dem Herrn durch Beten und Fasten, die Prophetin Hanna kam vom Tempel mit Beten und Fasten, und in Apostelgeschichte 13 beteten und fasteten die Jünger, als der Heilige Geist sprach.
„Beten und Fasten“ war in der Urgemeinde ein Doppelbegriff, ähnlich wie wir heute von „Heil und Wohl“, „Glaube und Werke“ oder „Wort und Tat“ sprechen. Wir verkündigen das Heil durch Wort und Tat. Manche benutzen solche Doppelbegriffe gedankenlos. So haben manche Ausleger gesagt, dass „Beten und Fasten“ hier wahrscheinlich unsinnig gebraucht ist und Jesus nur vom Beten gesprochen hat. Sie meinen, die Abschreiber hätten das gedankenlos assoziativ eingefügt.
Doch dem ist nicht so. Sie haben verstanden, dass es ein Beten gibt in letzter Dringlichkeit, bei dem Essen und selbst ein Glas Wasser völlig nebensächlich sind, ebenso wie die körperliche Befindlichkeit. Einer meiner Seelsorger, Dr. Helmut Lamparder, langjähriger Vorsitzender des Evangelischen Jungmännerwerks in Württemberg, betete bei unseren Landesarbeitskreissitzungen oft am Schluss: „Gib, dass wir leben in deinem Wort!“ Nach einer Pause habe ich immer besorgt nach links geschaut, ob er einen Kreislaufzusammenbruch hatte oder eingeschlafen sei – er schrieb viele Nachtstunden seine Kommentare. Doch dann tauchte er putzmunter auf, war voll da, und die Tagesordnung wurde durchgezogen.
Das war fastendes Beten und betendes Fasten. In solchen Momenten ist nichts anderes mehr wichtig. Man möchte in ihm leben, sein Sein bleiben, in seiner Gegenwart verharren und verbleiben. Man bittet: „Mach mein Gefühl rein und zart, das Böse zu vertreiben, lass mich in deiner Gegenwart verbleiben.“ Das ist eigentlich das Fasten, so wie ich es verstehe.
Das Wichtige ist das Beten, das Anrufen seines Namens. So hat die Urgemeinde immer wieder das Beten umschrieben: „die seinen Namen anrufen“, „die den Namen des Herrn anrufen“. Das wichtigste Gebet ist doch morgens und abends: „Jesus, mit dir!“ Ohne einen langen Wunschzettel an das Christkind oder Ähnliches: „Jesus, mit dir!“
Wenn Jesus auf die Frage antwortet, warum wir es nicht austreiben konnten – „wir, wir“ –, sagt er eigentlich: Ihr könnt das gar nicht. Aber ihr dürft meinen Namen anrufen. Ich kann es! Bringt ihn zu mir!
Johann Christoph Blumhardt schrieb am Ende seines Lebens, als er einmal gebeten wurde, eine Fotografie von sich zu schicken, diese mit der Unterschrift: „Ich habe sie in meinem Büro hängen. So oft ich den Namen Jesus schreibe, durchdringt mich ein heiliger Schauer voll Inbrunst des Dankes, dieses Jesus mein zu wissen. Was ich an ihm habe, weiß ich jetzt erst recht.“ Er war 82 Jahre alt, und er schrieb: „Jetzt erst recht.“ Jeder Lebenstag, den uns gewährt wird, kann uns voranbringen, dass wir erst recht wissen, was wir an Jesus haben – nicht an mir, dem Wundertäter, sondern an ihm.
Das steckt doch drin: Diese Art fährt nicht aus durch Beten. Ich will euch keinen Trick sagen, wie ihr das machen müsst, ich will euch keine Handreichung geben. Wichtig ist, dass ihr mich anruft – über einem armen, geplagten Menschen.
Interessant ist auch Apostelgeschichte 3, und das zieht sich durch die ganzen Berichte der Apostelgeschichte: „Was seht ihr auf uns, als hätten wir durch unsere Kraft den Kranken gesund gemacht?“ Über den Kranken wurde gesagt: „Wir haben nicht Silber und Gold, aber was wir haben, geben wir dir im Namen des Herrn Jesus.“ Was seht ihr auf uns? Dieser Jesus, den ihr gekreuzigt habt, hat Gott stark gemacht. Er hat ihn jetzt gesund gemacht.
Petrus im Haus des Cornelius: „Was fallt ihr vor mir nieder? Ich bin auch bloß ein sterblicher Mensch.“ In Lystra: „Wir sind sterbliche Menschen wie ihr, aber Jesus ist nicht.“ „Don't look on us, look on him.“ Ruft seinen Namen an.
Das zweite Missverständnis ...
Das zweite Missverständnis: Glaube und die Macht Jesu
Der Kindesvater sagt zu Jesus: „Wenn du überhaupt etwas kannst“ – im Griechischen ist dies sehr zurückhaltend formuliert, fast als Frage, ob Jesus überhaupt Möglichkeiten hat, etwas zu schaffen, ob er etwas kann. Dann bittet er: „Erbarme dich über uns.“
Jesus nimmt diese Frage ganz deutlich auf: „Was sagst du, wenn du etwas kannst?“ Können tut derjenige, der glaubt. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Schon die Wortwahl Jesu nimmt eine Formulierung auf, die in der Urgemeinde und schon im alten Israel bekannt war: Alle Dinge sind Gott möglich.
Dass Sarah einen Sohn bekommt, ist ein Beispiel, das wir in 1. Mose 18 finden. Auch Elisabeth und Maria sind Beispiele dafür, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist. Ebenso gilt das für die Frage, ob reiche Leute in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt selig werden können. Bei Gott ist nichts unmöglich – auch wenn ein Kamel nicht durch ein Nadelöhr kommt, wie an vielen anderen Stellen der Bibel deutlich wird. Das ist ein Glaubensbekenntnis: Bei Gott ist nichts unmöglich. Gott kann alles.
Jesus nimmt dieses Bekenntnis auf und sagt: „Ich, der Glaubende, habe Anteil an diesem ewigen Gott und seinem Können.“ Der Kindesvater hat dies jedoch missverstanden. Er wusste, wie wir es etwa aus Nazareth kennen: Jesus konnte dort nicht eine einzige Tat wegen ihres Unglaubens tun. Wo kein Zutrauen zu Jesus da ist, keine Erwartungshaltung, da kann er auch nichts wirken. Er drängt sein Heilen nicht auf.
Als Jesus dann sagt: „Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt“, bezieht sich der Vater des Kindes auf seinen eigenen Unglauben und sagt so rührend: „Hilf meinem Unglauben, ich möchte doch glauben.“ Er ist fest überzeugt, aber nicht hundertprozentig sicher. So kann man es nur verstehen. Jesus hat nicht schnippisch gesagt, wie es in manchen Healing Ministries geschieht: „Wenn du richtig glaubst, wirst du geheilt!“ oder „If you would believe, you could be healed, come on!“ Nein, Jesus hat gesagt: „Wenn du mich fragst, ob ich etwas kann – natürlich kann ich etwas.“
Es ist ungewöhnlich, dass wir vom Glauben Jesu sprechen. Die Exegeten haben immer, wenn im Neuen Testament von der Pistis Christu die Rede ist – Paulus spricht auch davon – dies als Genitiv objektivus verstanden: Glaube an Jesus. Aber ich bitte euch zu überlegen, ob es nicht ein Genitiv subjektivus ist: der Glaube des Christus.
Jesus sagt am Grab des Lazarus: „Vater, ich weiß, dass du mich allezeit hörst, aber um der Menschen willen gewähr mir, dass Lazarus auferweckt wird.“ Jesus erhebt bei der Speisung der Fünftausend seine Augen und die Brote zum Himmel. Am Kreuz vollbringt er, was schon von Abraham galt: Er hat geglaubt dem, der das Tote lebendig macht und dem, der ruft, was nicht ist, dass es sein soll.
„Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“ So ist Jesus überzeugt – wie Pistis – Christus, der Glaube des Christus ist die elementare, unüberbietbare Verbundenheit, die Jesus mit dem Vater hatte.
„Ich danke dir, Herr Gott des Himmels und der Erde, dass du das den Weisen und Klugen verborgen hast und den Unmündigen offenbart.“ Ja, alle Dinge sind vor dir wohlgefällig gewesen. Das glaubende Reden mit seinem Vater klingt so: „Ach, du lieber Kindesvater, alle Dinge sind doch mir vom Vater übergeben. Wie kannst du fragen: ‚Wenn du überhaupt was kannst?‘“
Ich bin fest überzeugt, dass der Vater hier ein Missverständnis hat. Jesus ist liebevoll fast darüber hinweggegangen und hat klargemacht: Er ist der, der etwas kann.
Ich habe jetzt oft genug Blumhart zitiert im Zusammenhang mit der Frage der Befreiung von dämonischen Geistern. Es ist immer wieder naheliegend, an Blumhart zu erinnern. Obwohl Blumhart immer gesagt hat, das Wichtigste in seinem Dienst seien nicht die Heilungen und Dämonenaustreibungen gewesen, sondern die Erweckung seiner Gemeinde in Möttlingen. Er hat erlebt, dass nach einem halben Jahr wieder Lauheit um sich griff – diese große Nüchternheit des Seelsorgers Blumhart.
Doch der Befreiungskampf bei der Gottliebin Titus war dann entscheidend eingeleitet. Blumhart sagte: „Lieber Heiland, jetzt haben wir lang genug gesehen, was der Teufel kann. Lass uns einmal sehen, was du kannst!“
Diese Frage, die schon in Markus 9 auftaucht, bewegt uns im Dienst, bei jeder Predigtvorbereitung. „Herr Jesus, lass uns sehen, was du kannst!“ Sie bewegt uns in unseren Haushalten und Familien, in denen viele Störungen und Schwierigkeiten sind, wo der Teufel los ist – auch in unserem eigenen Herzen.
Abschließende Gedanken und Gebet um Jesu Hilfe
Ich möchte mit einer Geschichte abschließen. Wir waren von der Kirchenleitung in Württemberg eingeladen, beim Manager von Daimler Chrysler zusammen mit Edzard Reutern. Die Unterbringung war fast so vornehm wie im Haus Bethanien.
Wir waren darauf vorbereitet, ihnen zu zeigen, wie man einen großen Betrieb sozial und menschlich führen kann. Doch die Manager nahmen das lächelnd zur Kenntnis und sagten, sie wollten nichts von uns wissen. Sie glaubten, das schaffen sie schon alleine.
Aber der Teufel war damals nicht nur in Jugoslawien aktiv – es war die Zeit der Jugoslawien-Krise –, sondern auch in unserem Betrieb und hinter unseren Glastüren zu Hause. Sie baten uns, ihnen zu sagen, wie sie Anschluss finden könnten.
In der New-Age-Terminologie drückten sie es so aus: Sie wollten sich mit den Kräften des Universums verbinden. Die Kirchenleitung schwieg dazu.
Dabei sehnen sich mehr Menschen, als wir ahnen, danach, verbunden zu sein mit dem, der stärker ist als die Dämonen. Ein wunderbarer Titel Jesu lautet: „Nach mir kommt der Stärkere“, sagt Johannes der Täufer. Jesus nimmt diesen Titel auf.
In Matthäus 12,29 heißt es: „Ein Starker bewacht sein Haus; wenn aber der Stärkere über ihn kommt, so überwindet er ihn und raubt ihm seine Habe.“
Wir wünschen uns ein völlig neues Zutrauen in die Stärke, in den stärkeren Jesus. Herr, das schenke du uns!
Wir rufen dich an, Jesus, Erbarmer, du von Gott gesandter Heiland, du Tröster, der du so viel Mitleid hast mit den geplagten Menschen. Du willst sie nicht dem Teufel überlassen.
Wir rufen dich an, lass uns deine Helfer sein. Und lass uns noch viel mehr dir zutrauen.