Einführung in die Bedeutung der Stammbäume Jesu
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode sechzehn: Der Stammbaum der Maria.
Ich freue mich, dass ihr noch dabei seid. Stammbäume zu studieren ist nicht jedermanns Sache. Hinter uns liegt der Stammbaum aus Matthäus. Matthäus schreibt an Juden, und für Juden ist es sehr wichtig, dass der Messias die richtigen Vorfahren hat.
Zwei dieser Vorfahren spielen dabei eine besondere Rolle: Abraham und David. Gott verspricht Abraham in 1. Mose 22, Vers 18: „Und in deinem Samen werden sich segnen alle Nationen der Erde.“
Paulus erklärt uns, wen Gott damit meint, in Galater 3, Vers 16: „Dem Abraham aber wurden die Verheißungen zugesagt und seiner Nachkommenschaft. Er spricht nicht ‚und seinen Nachkommen‘, wie bei vielen, sondern ‚wie bei einem‘ und ‚deinem Nachkommen‘, und der ist Christus.“
Der Messias muss also ein Nachkomme Abrahams sein, und er muss ein Nachfahre Davids sein – so wie der Engel Gabriel der Maria in Anlehnung an Psalm 132 und 2. Samuel 7 verkündet.
In Lukas 1, Vers 32 heißt es: „Dieser gemeint ist das Kind, das in ihrem Leib gezeugt werden soll. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden, und der Herr, Gott, wird ihm den Thron seines Vaters, im Sinne von Vorfahren David, geben.“
Für einen Juden des ersten Jahrhunderts war klar: Der Messias muss aus der Nachkommenschaft Davids stammen.
Herausforderungen bei der Herkunft Jesu und die Bedeutung des Stammbaums bei Matthäus
Das ist auch ein Grund dafür, warum Jesus aus Nazareth in Galiläa als möglicher Messias in Jerusalem sehr kontrovers diskutiert wurde. Er passt auf den ersten Blick überhaupt nicht ins Bild.
In Johannes 7,43-47 heißt es: Einige sagten, dieser sei der Christus. Andere aber behaupteten, der Christus komme doch nicht aus Galiläa. Hat nicht die Schrift gesagt, dass der Christus aus der Nachkommenschaft Davids und aus Bethlehem, dem Dorf, wo David war, kommen müsse?
Wegen dieser Frage entstand eine Spaltung in der Volksmenge.
Vielleicht verstehen wir angesichts dieses Interesses an der Herkunft des Messias jetzt besser, warum Matthäus sein Evangelium mit einem Stammbaum beginnt. Dort werden Namen über Namen über Namen aufgezählt. Das ist wichtig, um die Zuhörer von einer Sache zu überzeugen, die für jeden Anwärter auf den Messias-Titel zunächst entscheidend ist: Er muss ein Nachfahre Abrahams sein. Und er muss ein Nachfahre Davids aus dem Stamm Juda sein.
Der zweite Stammbaum Jesu im Lukasevangelium
Kommen wir zum zweiten Stammbaum Jesu im Neuen Testament. Diesen finden wir im Lukasevangelium, Kapitel 3, Verse 23 bis 38.
Jesus selbst war ungefähr dreißig Jahre alt, als er auftrat. Man hielt ihn für den Sohn des Josef, des Eli, des Matat, des Levi, des Melchi, des Jannai, des Josef, des Matitja, des Ammos, des Nahum, des Hesli, des Naggai, des Mahad, des Matithja, des Shimi, des Josef, des Joda, des Johannan, des Reza, des Serubbabel, des Shealtiel, des Neri, des Melchi, des Addi, des Kosam, des Elmadam, des Er, des Joshua, des Elieser, des Yorim, des Matad, des Levi, des Simeon, des Judah, des Joseph, des Jonam, des Eliakim, des Melea, des Mena, des Matatta, des Nathan, des David, des Isaie, des Obed, des Boaz, des Salma, des Nachschon, des Aminadab, des Admin, des Arni, des Hessron, des Peres, des Judah, des Jakob, des Isaak, des Abraham, des Terach, des Nahor, des Serug, des Regu, des Peleg, des Eber, des Schellach, des Kenan, des Arpachschad, des Sem, des Noah, des Lamech, des Metuschelach, des Henoch, des Jered, des Mahalalel, des Kenan, des Enosch, des Seth, des Adam, des Gottes.
Was fällt auf? Erstens: Abraham und David tauchen wieder auf. Das sollte auch so sein.
Zweitens: Es sind viel mehr Namen, weil Lukas, der an eine heidnische Leserschaft schreibt, den Stammbaum Jesu bis zur Schöpfung zurückverfolgt. Am Ende heißt es „des Adam des Gottes“.
Drittens: Der Stammbaum ist ganz anders als der im Matthäusevangelium. Die beiden Stammbäume verlaufen von Abraham bis David parallel, aber danach trennen sie sich.
Unterschiedliche Linien der Stammbäume und deren Erklärung
Der Stammbaum bei Lukas führt über Nathan weiter, während der Stammbaum bei Matthäus über Salomo verläuft. Sowohl Nathan als auch Salomo sind Söhne Davids von derselben Mutter. Wir lesen das in 1. Chronik 3,5: „Und diese, gemeint sind Söhne, wurden David in Jerusalem geboren: Schamua, Schobab, Nathan und Salomo.“
Diese vier stammen von Bat Schua, einer anderen Form für Bat Seba. Somit haben wir vier Söhne von Bat Schua, also derselben Mutter, aber unterschiedliche Söhne. Deshalb gibt es zwei ganz unterschiedliche Stammbäume.
Wie erklären wir diese beiden Stammbäume? Wie kann ein Mensch überhaupt zwei Stammbäume haben? Könnte es sein, dass Lukas seinen Stammbaum erfunden hat? Aber warum sollte man das Thema Stammbaum einfach auslassen, wenn man nicht weiß, wer die Vorfahren Jesu waren? Markus und Johannes machen das doch auch so.
Man erfindet doch nicht einfach einen Stammbaum und schreibt ihn zu einer Zeit auf, in der es noch viele Augenzeugen gibt, die die wahren Zusammenhänge kennen. Man würde damit das Risiko eingehen, die Glaubwürdigkeit des eigenen Evangeliums zu gefährden. Das macht keinen Sinn.
Außerdem müssen Lukas und Matthäus dieselben Quellen verwendet haben. Von Josephus Flavius, einem jüdischen Geschichtsschreiber aus dem ersten Jahrhundert, wissen wir, dass es in Jerusalem im Tempel ein Tempelarchiv gab, in dem man seinen persönlichen Stammbaum recherchieren konnte.
Wenn also Matthäus und Lukas nach Jerusalem gingen, um dort den Stammbaum von Joseph zu ermitteln, dann hätten sie dieselben Informationen bekommen. Deshalb ist es viel wahrscheinlicher, dass die beiden Evangelisten überhaupt nicht vorhatten, denselben Stammbaum zu präsentieren.
Die besondere Perspektive des Lukasevangeliums auf Jesu Abstammung
Schauen wir bei Lukas einmal etwas genauer hin. In Lukas 3,23 heißt es: „Und er selbst, Jesus, war ungefähr dreißig Jahre alt, als er auftrat und war, wie man meinte, ein Sohn des Josef, des Eli.“
Seht ihr den Einschub „wie man meinte“? In den Originaltexten gibt es keine Kommasetzung. Ich möchte das „wie man meinte“ noch etwas näher erläutern. Jesus war, wie man meinte, ein Sohn des Josef. War er aber natürlich nicht. Josef hatte mit seiner Zeugung nichts zu tun.
Die Frage lautet also: Wer ist dann sein nächster männlicher Verwandter? Denn genau darum geht es Lukas. Er will uns den biologischen Stammbaum Jesu präsentieren.
Matthäus hingegen präsentiert uns den rechtlichen Stammbaum, also das, was die Leute über Jesus dachten. Lukas, als Arzt, orientiert sich an den biologischen Fakten. Dabei spielt Josef keine Rolle. Jesus war, wie man meinte, ein Sohn des Josef, in Wirklichkeit aber des Eli.
Noch einmal die Frage: Wer ist der nächste männliche Verwandte des Messias, wenn es nicht sein Vater Josef sein kann? Genau, es ist der Vater von Maria, der Großvater mütterlicherseits.
Was uns Lukas präsentiert, ist also der Stammbaum von Maria. Dabei ist er, wie wir gesehen haben, Traditionalist. Er lässt Frauen im Stammbaum weg. Deshalb auch die merkwürdige Formulierung „wie man meinte, ein Sohn des Josef“.
Die Rolle Marias im Lukasevangelium und die Bedeutung des biologischen Stammbaums
Es macht Sinn, dass uns Lukas den Stammbaum Marias präsentiert. Während Matthäus rund um die Geburt von Jesus stets Josef in den Mittelpunkt stellt, erzählt Lukas die Geburt Jesu aus der Perspektive Marias.
Bei Matthäus lesen wir von den Engelerscheinungen, die Josef im Traum hatte. Bei Lukas hingegen kommt der Engel Gabriel zu Maria. Sie reist zu Elisabeth und bewahrt die Worte der Hirten. Zu ihr spricht auch der alte Simeon. Alles dreht sich bei Lukas um Maria.
Man könnte fast vermuten, dass Lukas noch mit Maria gesprochen hat. Josef, der Vater des Herrn Jesus, scheint früh gestorben zu sein. Wann Maria starb, wissen wir jedoch nicht. Auf jeden Fall spielt Maria im Lukasevangelium zu Beginn der Erzählung eine Hauptrolle. Deshalb ist es sehr sinnvoll, den Stammbaum Jesu als einen biologischen Stammbaum zu betrachten, der sich über den Vater Marias, also über Eli, bis zu dem wahren Vater des Herrn Jesus, Gott selbst, zurückverfolgen lässt.
So wie es Gabriel Maria erklärt hat: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lukas 1,35). Amen.
