Vor 14 Tagen kam ein junger Mann nach dem Gottesdienst zu mir und sagte: „Sie sagen nie, dass man Zweifel hat.“ Da dachte ich, ich muss in der Bibel nachschauen.
Glauben ist ein Ringen, aber wir wollen nicht bei unseren Problemen stehen bleiben. Psalm 27 haben wir heute als Predigttext, er zeigt besiegte Ängste. Psalm 27,5-21 steht im Alten Testament.
In ausgelegten Bibeln heißt es: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen? Wenn die Übeltäter an mich wollen, um mich zu verschlingen, meine Widersacher und Feinde – sollen sie selber straucheln und fallen.“
Vertrauen trotz Bedrohung und Angst
Jetzt folgt ein Vers, der ganz aktuell im Blick auf alle Kriegsängste ist:
„Wenn sich auch ein Heer wider mich lagert, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht. Wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn. Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne: dass ich im Hause des Herrn bleiben könne, mein Leben lang, um die schönen Gottesdienste des Herrn zu schauen und seinen Tempel zu betrachten. Denn er deckt mich zu seiner Zeit, in seiner Hütte zur bösen Zeit. Er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen. Nun erhebt sich mein Haupt über meine Feinde, die um mich her sind. Darum will ich Lob opfern in seinem Zelt, ich will singen und Lob sagen dem Herrn.“
David war kein Camper, sondern die Stiftshütte war ja nur ein Zelt, bevor der Tempel gebaut wurde. Darum spricht er hier vom Zelt. Dieser ganz schlichte Bau – es war nicht einmal ein Bau – war nun ein Provisorium, in dem er loben und danken will.
„Erhöre meine Stimme, wenn ich rufe, sei mir gnädig und erhöre mich. Mein Herz hält dir vor dein Wort. Ihr sollt mein Angesicht suchen, darum suche ich auch, Herr, dein Angesicht. Verbirg dein Angesicht nicht vor mir, verstoße mich nicht im Zorn, deinen Knecht. Denn du bist meine Hilfe, verlass mich nicht und tu deine Hand nicht von mir ab, Gott mein Heil. Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf. Herr, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen. Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde, denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht ohne Scheu. Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.“
Harre des Herrn, sei getrost und unverzagt, und harre des Herrn! Besiege unsere Ängste, Herr, durch dieses Wort. Amen.
Die Herausforderung des öffentlichen Gebets und die Kraft der Psalmen
Liebe Schwestern und Brüder,
es fällt jedem schwer, laut vor anderen zu beten – nicht nur Ihnen. Das Gebet ist das Vertrauteste, Innerste, Persönlichste und Privateste. Wenn wir mit Gott reden und das nun vor anderen tun sollen, laut in einer Gebetsgemeinschaft, ist es verständlich, dass man sich dabei unsicher fühlt.
Ich bin froh, dass die Psalmbeter ihre Scheu und Scham ablegen. Das ist immer gut, auch beim Beten, denn es ist für andere eine Hilfe, wenn man hineinschauen darf und mitgenommen wird in das Beten anderer. Genau das ist auch der Grund, warum die Psalmen einen so direkt ansprechen.
Georgie Wiens erzählte, wie er hier in Stuttgart war. In der ersten Nacht in einem New Yorker Hotel, als er völlig unerwartet aus dem Straflager hinaus in die Freiheit entlassen wurde, lag eine Bibel auf dem Nachttisch. Das hat ihn bewegt. Dann hat er überlegt, welches Buch am meisten abgegriffen ist. Er sagte, auch in den USA sind die Psalmen das liebste Buch, weil sie einen persönlich und direkt ansprechen. Dort wird von Lebensnöten, Ängsten, Zweifeln und Kämpfen gesprochen.
Niemand soll denken, das Leben der Christen sei problemlos. Wenn wir nie Probleme hätten, wären wir gar nie so tief im Glauben geführt worden. In den Psalmen sprechen die Menschen davon, wie sie im Sumpf stecken, wie dieser sie hinunterzieht, wie Wogen über ihnen zusammenschlagen. Sie schildern, wie sie die Kraft der Leidenschaft spüren und sich nicht dagegen wehren können. Sie berichten davon, wie sie sich umzingelt und eingeengt fühlen, wie sie Angst haben – fast wie Platzangst oder ein Würgegriff, der sie hält.
Ich verstehe es nicht, wenn irgendein Mensch sagt, er sei unverstanden. Die Psalmen sprechen von solchen letzten Existenznöten, wie sie Menschen in großen Lebensängsten durchleben. Und gerade dort, in den Psalmen, gibt es immer wieder einen Weg aus der Krise – eine Hoffnung, wie man herauskommt.
Umgang mit Ängsten: Vier häufige Einwände
Angesichts unserer Ängste und Nöte klagen wir oft. In der Predigt möchte ich heute vier Einwände ansprechen, die wir häufig vorbringen. Wir sagen dann: „Du machst es dir mit deinen Glaubenslösungen nicht so einfach.“ Mit diesen Einwänden will ich mich auseinandersetzen.
Die Einwände lauten: „Ich werde damit nicht fertig“, „Ich bin ganz allein“, „Ich bin dem allem schutzlos ausgeliefert“ und „Ich weiß nicht mehr weiter.“
Ausgerechnet dieser Mann, David, der schon in seiner Jugend kühn dem Goliath entgegentrat – unerschrocken –, hat solche Tiefen der Angst durchlitten. In diesem Psalm wird die Angst immer wieder genannt. Es ist eine gerade überwundene Angst, über die er hinwegkam. Diese Angst überfällt ihn, sie fällt ihn an wie ein Hund in der Nacht, der herumspringt und ihn packen will.
Diese Angst kann man nicht einfach abschütteln. Das meint auch David nie. Wir verfallen leicht dem Irrtum, wir könnten diese Angst bewältigen. Doch das ist nicht möglich. Nie kann man sie in eigener Kraft überwinden.
Die Bibel sagt: Im Fleisch, in unserem eigenen Wesen, schaffen wir keinen Sieg über diese Angst. Deshalb möchte ich diese vier Einwände, die wir immer wieder gegen die Angst vorbringen, einmal betrachten.
Der Wunsch, mit allem fertig zu werden
Ich werde damit nicht fertig. Das Fertigwerden ist ja so typisch für unsere heutige Neuzeit. Wir wollen mit allem fertig werden, und unsere Kinder sollen es einmal besser haben. Deshalb meinen wir, wir müssten die Welt so gestalten, dass keine Ängste mehr entstehen können.
Ein angstfreier Raum soll dort sein, wo unsere Kinder aufwachsen und wo wir selbst leben. Wozu haben wir denn moderne Medizin und moderne Technik? Sie sollen doch Ängste abbauen und Probleme beseitigen. Doch immer wieder merkt man: Am Ende sind die Ängste doch da – vielleicht sogar gerade wegen der modernen Errungenschaften unserer Welt.
Die Vorstellung, dass man Ängste wegkriegt, indem man deren Ursachen beseitigt, ist so ein typischer Traum des heutigen Menschen. Das mag hier und da gelingen, aber wir bekommen es nicht wirklich in den Griff. Obwohl die Mediziner viele Krankheiten im Griff haben, haben sie ihre Krankheit dennoch nicht vollständig im Griff – und auch den Tod nicht. All das bleibt bestehen, wie zuvor.
Das ist also eine Täuschung, als ob man damit fertig werden könnte. Vielleicht wird heute auch das Wort von der Weltveränderung viel zu oft gebraucht, als ob wir die Welt wirklich verändern könnten. Ist diese Welt nicht eine Welt, die von Gott gefallen ist, mit ihren großen Nöten?
Was verändern wir denn wirklich? Wäre es nicht das Beste, unsere Kinder darauf vorzubereiten, mit den Ängsten umzugehen, denen sie zwangsläufig begegnen müssen? Anstatt so zu tun, als ob all das beseitigt werden könnte. Denn unser Leben, so heißt es in der Bibel, ist nur ein Hauch, kurz an der Scheibe und dann ist es weg – verdampft.
In welcher Kraft wollen wir den Ängsten gegenübertreten? Gerade angesichts der Weltängste, der Lebensängste und der ganzen Existenzangst, die gar nicht vermeidbar ist, gilt: Der Herr ist mein Licht und mein Heil. Vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meine Lebenskraft. Vor wem sollte mir grauen?
Die Kraft des Glaubens trotz Angst
Vor ein paar Tagen fuhr ich mit dem Auto nach Hause und hörte dabei den Evangeliumsrundfunk. Dort gab es eine Sendung, in der auch der englische Satiriker Malcolm Muggerich zu Wort kam. Seine Worte haben mich beeindruckt. Er sagte, wenn die Menschen heute erkennen würden, dass er den Punch für die satirische Zeitschrift „Der Glaube ist persönlichkeitserweiternd“ herausgegeben hat – ein wunderbares Wort.
Wenn man mit Gott Verbindung aufnimmt, wird man stark, mächtig und groß. Nicht, dass die Angst verschwindet, sondern man verfügt plötzlich über Kräfte aus der Ewigkeit. Das, was vorher für Menschen unmöglich war, wird möglich. „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“ – das ist kein bloßer Spruch. Oft behandeln wir es, als sei es nur eine Rede, die uns irgendwo täuscht. Aber tatsächlich bewirkt der Glaube eine Veränderung im Leben des Menschen. Wer glaubt, wird stark. David sagte: „Der Herr ist mein Licht.“
Seine Welt war nach wie vor zappenduster – das wusste auch David. Man kann diesen Psalm gerne einordnen, am besten als eine Situation auf der Flucht vor Saul. David schaute kurz beim Priester vorbei, musste dann aber wieder fliehen, weil er in direkter Lebensgefahr war. Für ihn war alles wichtig, aber auch unklar und dunkel. Er sagte: „Ich sehe nicht weiter.“ Seine beruflichen Chancen und persönlichen Sorgen waren ungewiss. Wie konnte er da sagen: „Der Herr ist mein Licht“?
Das Licht, das der Herr leuchten lässt, ist das Versprechen, dass er nicht weicht, dass er rückhaltlos zu einem steht, sich bekennt und bis über den Tod hinaus an der Hand führt in seinen Frieden. Das ist Licht genug. „Der Herr ist mein Heil“ – fühlen Sie sich manchmal auch heillos verschaukelt, hin- und hergerissen? Dann meint man, das Leben sei verflucht.
David hätte sagen können: „Wie ist das? Nichts ist mehr sinnvoll in meinem Leben, alles ist nur noch von gemeinen Menschen gemacht.“ Manchmal denken wir, ist das noch neutestamentlich, wenn er so viel von Feinden spricht? David hatte Leute, die ihm auflauerten. Er konnte keine Polizei anrufen, um Schutz zu bekommen, denn die wollten ihn selbst umbringen. Der ganze Regierungsapparat stand gegen ihn.
Das Leben in Polen ist heute noch hundertmal geschützter als das von David damals. „Der Herr ist mein Heil“ – dieses Unsichtbare, das Gott sich für David erklärt hat, im Wort, genügt ihm, um durch politische Wirrnisse hindurch ruhig und gelassen zu bleiben. „Der Herr ist meines Lebens Kraft“ – nicht diese kleinen Stärkungsmittel für die Nerven, sondern die Lebenskraft, die uns seit unserer Geburt gegeben wurde. Bis ins hohe Alter gibt er uns Leben und die Kraft zur Bewältigung.
Da sind große Reserven, die wir ausschöpfen dürfen. Sie machen uns mutig, getrost und zuversichtlich. Für uns Christen steht das Kreuz im Mittelpunkt unseres Denkens – so übergroß ist es. Warum? Weil es um das Bewältigen des Leidens geht, auch in unserem Leben. Unser Leben wäre arm, wenn wir kein Leiden bewältigen müssten, wenn wir nicht durch schwere Existenzängste hindurchgehen.
Der Weg ist gewiesen, denn unser Herr Jesus ging ihn auch – als der Sieger. Nicht ein problemloses oder angstfreies Leben, sondern das Durchgehen durch die Nacht und das Wissen um den Frieden Gottes. „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wovor sollte ich mich fürchten?“
Ja, vor Saul! Doch wer ist Saul? Was ist ein Schwert? Was können sie mir ernsthaft tun, wenn Gott hinter mir steht? Wenn ich meine Hausbesuche mache, sage ich mir das jedes Mal: „Jetzt bist du da, Herr, so stark!“ Da rutscht einem das Herz in die Hose. „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“ – das sollte man sagen, auch wenn man auf der Königstraße unterwegs ist.
„Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wovor sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft! Wovor sollte ich mich grauen? Was kann mir jetzt noch Angst einjagen?“
Und wenn man mir mit List nachstellt, wenn alle Tricks angewendet werden, sagt David: „Dann stolpern sie selbst über die Seile, die sie ausspannen.“ Das gilt bis hinein in Berufsprobleme und Lebensängste. Meine Widersacher und Feinde sollen selbst straucheln und fallen, auch wenn ein Kriegsheer gegen mich lagert und Kanonen abgeschossen werden. Es wird mich nicht treffen – nur dort, wo Gott es zulässt.
Das Gefühl der Schutzlosigkeit überwinden
Zweiter Einwand
Aber ich fühle mich so schutzlos. Das mit dem Fühlen ist für uns heute besonders schlimm. Wir fühlen uns so, wir sagen: „Ich habe das im Glauben, ja“, aber Fühlen – sonst sind das ja immer zwei verschiedene Dinge: das Glauben und das Fühlen. Was kann man denn tun?
Jetzt könnte man ja sagen, dass David hier sagt: „Darum sehne ich mich nach einem Psychiater, darum sehne ich mich nach einem Nervenmittel.“ Nach was sehnen Sie sich, David? Nichts gegen Psychiater, aber er sehnt sich nach dem Gottesdienst. Haben Sie gewusst, dass ein Gottesdienst Ihre Gefühle beruhigt? Dass man mit depressiver Stimmung in den Gottesdienst gehen kann?
Zum Gottesdienst gehört auch, dass man grüßt, miteinander redet, Verbindungen aufnimmt. Da ist die Gegenwart Christi da. Es wundert uns, dass David so das beschreibt, das Äußere dieser so kümmerlichen Stiftshütte. „Ich will den Tempel sehen und die schönen Gottesdienste.“ Was ist denn schön an diesen Gottesdiensten? Ist es die Ästhetik, die vor der Kritik der Welt bestehen kann? Oder ist es nicht dieses überwältigend Schöne, die Begegnung mit dem ewigen Gott und seine Worte, die uns aufrichten und trösten?
Ich weiß, dass viele an Gottesdiensten leiden. Im Oberhessischen hat ein Kirchenbesucher von manchen Gottesdiensten gesagt: „Früher ging ich in die Kirche und hörte von Gottes Wort, und dann ging ich heim und las in der Zeitung, was in der Welt passiert. Heute gehe ich in die Kirche und höre, was in der Welt passiert, und gehe heim und lese Zeitung.“ Lesen, geheime und lesende Bibel, Gottes Wort – da sind die Gottesdienste in ihrem Schönen zerstört, wenn bloß noch das zur Sprache kommt, das Unheimliche, das Leiden, das Schwere.
Wenn ich mir das Wort Gottes mich trösten kann und das Bild Gottes vor mir aufleuchtet – was geschieht denn im Gottesdienst? Was ist denn so schön bei aller künstlerischen Ausgestaltung? Das Schöne ist: So heißt es dann in Vers 5: „Er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes, und er erhöht mich auf einen Felsen.“ Da fühlt er sich ganz hineingenommen in den Frieden Gottes.
Nicht, dass das bloß hier in der Kirche geschieht – das können Sie auch erleben, draußen natürlich, mitten in den Kämpfen dieser Welt. Aber hier im Gottesdienst ist es eben doch ganz anders. Bis hinein in unser Gefühl erfahrbar: so deckt er mich, so behütet er mich, mich, mich! Und dann ging er singend und pfeifend nach Hause. Das hat David gefehlt auf der Flucht.
Man merkt erst, was einem fehlt, wenn man im Urlaub nicht den Anschluss zu einer Gemeinde findet, wo man einmal singen und loben und beten kann in der großen Gemeinschaft der Vielen. Nur im Heiligtum konnte er das bewältigen. Nehmen Sie das auch für Ihre angegriffenen Nerven und Gefühle: Der Gottesdienst hat eine ganz große Heilkraft.
Wir sind hier alle zusammen als Leute, die das gemeinsam haben, dass wir durch mehr Tiefen geführt wurden als all die Leute, die um unsere Kirche herum wohnen.
Einsamkeit und Gottes Nähe
Dritter Einwand: Aber ich bin doch ganz allein.
David klagt hier: „Vater und Mutter verlassen mich.“ Es ist unklar, an welche Episode er sich genau erinnert. Fast alle Bezüge in diesen Psalmen haben einen konkreten Hintergrund. Hat sich vielleicht der Vater und die Mutter, Isai in Bethlehem, von David distanziert? Das könnte sein, und es ist bitter. Wenn die Eltern sagen: „So dumm wie David hätte man es ja auch nicht machen können.“ Und: „Er hat es ja auch so angelegt, und so fromm muss man ja auch nicht wieder sein.“ Dann fühlt man sich ganz allein in seiner Entscheidung für Gott. Vater und Mutter verlassen mich.
Es ist schwer für diejenigen, die ein Ehepaar sind und heute allein im Gottesdienst sein müssen, weil der andere nicht mitgeht oder nicht mitgehen kann. Aber der Herr nimmt mich auf. Das war Davids Erfahrung: „Ich bin ja gar nicht allein und einsam, auch wenn ich keinen Menschen habe.“
In der Angst stehen wir manchmal in Gefahr, uns an Menschen zu binden und zu meinen, das sei die Rettung. Für David war es selbstverständlich, dass die Nähe Gottes sich so schützend um ihn legte, dass seine Persönlichkeit sich wieder so weit erweiterte, dass er stark, mutig und zuversichtlich war. Und das, obwohl sein Vorgänger im Amt, Davids Vorgänger, später Selbstmord beging. Er kannte die Depression, die unheimlichen Ängste und Nöte, die damit verbunden sind.
Darum bringt David seine ganze Not und Angst im Gebet vor Gott. Er sagt: „Du hast gesagt, ihr sollt mein Antlitz suchen. Ich suche dich doch, Gott. Ich komme doch zu dir und sage, was mich bewegt.“ Ab Vers 8 ist das ein ganzes Bittgebet: „Verlass mich nicht!“
Dort spürt man, wie die Angst ihn immer noch berühren kann. Niemand behauptet, dass sie ihre Gefühle einfach abschütteln können, auch Gläubige nicht. Selbst wenn sie Danklieder singen, wissen sie um diese fortwährende Angst. „Und wenn mich Gott doch verlässt? Und wenn Gott mich doch verstoßen würde, so wie Herr Saul verstoßen wurde?“
Nur sie können sich daran halten, dass Gott sich endgültig festgelegt hat. Im Sterben sagte Jesus: „Wer zu mir kommt, den stoße ich nicht hinaus. Ich will bei dir sein.“ Der Herr beugt sich zu den zerbrochenen Herzen, zu den Müden und Verzagten. Sie sind nie unwürdig, wenn sie ihre Schuld bekennen und ihre Fehler eingestehen. Sie können niemals zu tief unten stehen.
Er hat gesagt: „Ihr sollt mein Antlitz suchen.“ Und er will für sie da sein und ihnen seine Nähe geben.
Die Ungewissheit der Zukunft und Gottes Führung
Der vierte Einwand: Ich weiß nicht, wie es weitergeht.
Was ist das denn auch anderes als Angst? Die Frage lautet: Wie geht denn alles weiter? David wusste es überhaupt nicht. Gott lässt uns ja nicht einmal wissen, was morgen kommt. Oft könnten wir das gar nicht bewältigen, wenn wir wüssten, was morgen kommt. Wir können es nur Stück für Stück erleben.
Aber David betet in der Angst, und das macht ihn so siegesgewiss: „Weise mir, Herr, deinen Weg.“ Ich will jetzt bloß auch deine Wege gehen. Ich will keine Entscheidung fällen in meinen so angegriffenen Gefühlen und Nerven. Ich will jetzt besonders darauf achten, in dieser kritischen Situation, dass ich mich genau nach deinen Geboten richte.
Es ist schlimm, wenn Menschen die Gebote Gottes als eine Fessel empfinden. Seien Sie doch froh, dass Sie wissen, wie Gott Sie segnen kann. Er lässt sich gar nichts davon abbringen. Gott will die ganze Schönheit Ihres Lebens, und darum weist er Ihnen seinen Weg.
Ich bin so froh, dass wir auch heute für unseren Gemeindetag in der Mitte dieses Jahres im Neckarstadion die Losung haben: „Jesus Christus, unsere Zuversicht und Stärke in der Zukunftsangst unserer Zeit.“ Man kann die Angst besiegen – nicht indem man sie wegnimmt, sondern indem man hindurchgeht. Im Glauben, das heißt im Vertrauen auf Gott, auf seine Nähe.
Glauben ist so einfach: im Vertrauen auf Gott und seine Nähe hindurchgehen. Er führt Sie nun seinen Weg. Darauf können Sie verlassen. Wird der Weg Gottes anders sein als in seinem Wort gewiesen? Nie. Nie wird der Weg anders sein, den Sie zu gehen haben, als in den Geboten. Gott widerspricht sich selbst nicht.
Bloß wenn Sie sagen: „Ich weiß nichts“, können Sie mal davon ausgehen, dass es nie anders sein kann. Das wäre ja schlimm, wenn Sie Gottes Nähe verlieren, nur um ein paar eigene Wege zu gehen, die Sie gehen wollen.
David hat ja Furchtbares mitgemacht. Wir werden das in den nächsten Sonntagen immer wieder erwähnen müssen: Sein eigener Sohn gründete eine Terroristenbande, Absalom, und dann begann der Bürgerkrieg. So furchtbar kann die Zukunft liegen. Die Bibel verschweigt das nie. Sagen Sie nie: „Ich werde nicht ernst genommen mit meiner Not.“ Es gibt keine Not, die in der Bibel nicht angeführt würde.
Und wie konnte David da hindurchgehen? Er wusste auch nicht wie. Gott schaffte es, dass der kluge Rat Ahithophels verhindert wurde, verworfen wurde. Das ist ja nachher der springende Punkt gewesen. Da hat Gott an einer Stelle, wo ihn kein Mensch ahnen konnte, die Geschicke dennoch so gefügt.
Weil er doch schließlich die große Geschichte macht, da, wo er will, obwohl die Menschen viel Geschichte machen. Wenn Gott will, kann er sie segnen und kann sie so hindurchführen, dass sie nur staunen können.
Angst muss besiegt werden – nicht von Ihnen, aber von dem Herrn, der die Welt schon überwunden hat. Das ist das biblische Wort: nicht Welt verändern, sondern Welt überwinden.
Auch die größte Weltveränderung ist geschehen: dass Jesus Christus in diese Welt kommt und sich von Menschen finden lässt. Und dass mitten in dieser wilden Welt Menschen Frieden haben und aus diesem Frieden Segen stiften können, ihre Angst besiegen und fröhlich ihre Straße ziehen.
Amen!
