Heute Morgen habe ich mich an der Sonne gefreut, an diesem Sommertag, der uns geschenkt ist. Ebenso freue ich mich, dass Sie mit uns diesen Gottesdienst feiern.
Wir wollen hinter all den Schönheiten unserer Welt den lebendigen Gott erkennen. Herr, deine Gnade reicht so weit der Himmel ist, und deine Treue so weit die Wolken gehen.
Gemeinsam wollen wir singen: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ (Lied 371). Wir singen die ersten drei Verse sowie die Verse sieben und acht.
Dank und Bitte um Gottes Gegenwart
Wir wollen beten.
Großer und gütiger Herr, unser Vater im Himmel, wir danken dir an diesem Tag für die Schönheiten der Welt, die du geschaffen hast. Ebenso danken wir dir für unser Leben, das du bis heute erhältst, und für die vielen Güter, die uns laufend zufallen. Sie sind Ausdruck deiner großen Liebe. Diese Dinge sind keine Zufälle, sondern wir nehmen sie aus deiner gütigen Hand.
Wir wollen dich preisen und loben. Deine Macht und Größe erkennen wir auch in den Werken der Schöpfung. Gleichzeitig tut es uns immer wieder leid, dass in unserem eigenen Leben vieles nicht harmonisch ist. Vieles ist notvoll und gequält, und so manches Böse und Dunkle bedrückt uns.
Herr, das wollen wir in dein Licht bringen. Du kannst es mit deiner mächtigen Schöpferhand zurechtbringen und neu ordnen. Gib doch, dass in uns Neues aufwachsen kann.
Wir möchten dich bitten, dass wir heute nicht nur Hörer deines Wortes sind, sondern dass es in die Tiefe unseres Herzens geht und uns von innen her umwandelt und verändert.
Wir wollen jetzt in der Stille dir alles sagen, was uns bedrückt. Wir danken dir, denn du bist freundlich, und deine Güte währt ewig. Amen.
Paulus’ Erkenntnis über Christus als wahres Leben
Im Philipperbrief Kapitel 3, Verse 7 bis 14 erzählt Paulus, wie er früher treu nach den Vorschriften des Gesetzes gelebt hat. Das glauben wir kaum, und doch war es so: Er hat wirklich die Gebote Gottes mit großer Treue befolgt. Später sagt er jedoch, dass dieses Leben nicht das Wahre war. Es ist ja alles noch gar nichts im Vergleich mit dem, was Christus ihm heute gibt.
Ich denke, viele wissen gar nicht, was Christus in ihrem Leben noch wirken will. Sie ahnen es nicht. Wenn heute jemand zum Gottesdienst gekommen ist, möchte ich ihn auf die Spur setzen, dass er ganz anders begierig wird, die Kraft Christi im eigenen Leben zu erfahren.
Vers 7: Was mir früher Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es alles noch für Schaden, verglichen mit der überschwänglichen Erkenntnis Christi, meines Herrn.
Um seines Willen ist mir das alles ein Schaden geworden. Ja, ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde. Dabei will ich nicht meine eigene Gerechtigkeit haben, die aus dem Gesetz kommt, sondern die Gerechtigkeit, die durch den Glauben an Christus kommt – nämlich die Gerechtigkeit, die Gott dem Glauben zurechnet.
Paulus meint damit immer wieder das große Wunder, dass er vor Gott angenommen ist, obwohl er so viele Fehler und Mängel in seinem Leben hat. Dass er ein Eigentum Gottes sein darf. Ihn möchte Paulus erkennen, die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden erfahren. Er möchte seinem Tod gleichgestaltet werden, damit er zur Auferstehung von den Toten gelangt.
Er sagt aber auch, dass er dieses Ziel noch nicht ergriffen hat und noch nicht vollkommen ist. Dennoch jagt er ihm nach, in der Hoffnung, es zu ergreifen, weil er von Christus Jesus ergriffen ist.
Er schließt mit den Worten: Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich es ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten liegt, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist. Ich jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis, der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.
Erinnerung an Johann Albrecht Bengel und sein Vermächtnis
In dieser Woche hat der Ministerpräsident im Neuen Schloss eine Gedenkveranstaltung für Johann Albrecht Bengel gehalten. Im Monat Mai, in dem der dreihundertste Geburtstag von Johann Albrecht Bengel gefeiert wird, sollten wir heute auch das Lied singen, durch das er uns so nahekommt: „Gott lebe, sein Name gibt Leben und Stärke“ (544). Wir singen alle vier Verse.
Es ist originell, dass bei der Liedstrophe ein Sternchen steht. Vielleicht gehört das zu dem Schönen an diesem Lied: Es spricht sehr klar. Meiner Meinung nach braucht es kein Sternchen, denn es ist gut und drastisch ausgedrückt.
„Meine Glaubenslosigkeit ist blöde und doof.“ Das kommt daher, wenn man nicht weiß, dass es den lebendigen Gott gibt. Wenn wir dann anfangen zu zittern und Angst zu haben, liegt das an unserer eigenen Dummheit. Wir vergessen so schnell, was uns Gott in seiner Güte zusagt.
Die Bedeutung des Johannistages und das Wort des Täufers
Nun habe ich heute ein Wort gewählt, das vom Johannistag geprägt ist. Diesen feiern wir ja nicht mehr in der vergangenen Woche. Aber da habe ich im Losungsbüchlein ein Wort gesehen, das im dritten Kapitel des Johannesevangeliums, Vers 30 steht. Ich habe gemerkt, dass ich noch nie darüber gepredigt habe.
Zuerst wollte ich es gar nicht glauben, dass ich in vielen Jahren nie darüber gesprochen habe, obwohl es doch eine ganz wichtige Grundtatsache unseres Lebens sein muss. Dort sagt Johannes, der Täufer von Jesus: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“
Ich bin immer wieder dankbar für Gespräche, die ich mit älteren Menschen führen kann. Da spricht so viel Reife und Lebenserfahrung aus den Worten. Einmal war es eine Dame mit über neunzig Jahren, die gefragt wurde, was eigentlich das Schönste in ihrem Leben gewesen sei. Sie antwortete sofort, ohne lange zu überlegen: „Das Schönste war, als ich jung war.“
Das habe ich nicht erwartet. Ich sagte nun: „Wissen Sie, die jungen Leute bekommen gerade ihre Zeugnisse. Ich weiß nicht, ob das immer schön ist. Da gibt es manchmal auch Tränen, Sorgen und Ängste.“ Aber sie sagt weiter: „Wie ich jung war, da habe ich viele Pläne machen können und so viel von meinem Leben erhofft. Es war eigentlich schön. Mein Leben war voller großer Erwartungen.“
Jetzt können Sie sich schon vorstellen, dass mich das erst recht gelockt hat zu fragen: „Und was kam dann?“
Die Frau antwortete ernst: „Es kam natürlich alles ganz anders, nicht so, wie ich es mir erträumt habe. Es kam sehr schwer. Ich musste tief durch. Die meisten Sehnsüchte und Hoffnungen sind schnell verflogen.“
Aber darum denke sie so gern daran zurück, wie sie ein junges Mädchen war und diese Träume hatte. Ich dachte, vielleicht ist das heute auch so hier bei uns, die wir uns zum Gottesdienst versammeln. Sie sagen auch: „Früher hatte ich große Pläne, große Erwartungen. Da habe ich vom Leben noch viel erhofft. Aber heute kann ich nur die Zähne zusammenbeißen. Heute muss ich durch.“
Dann wird man schließlich verbittert. Vielleicht bäumt man sich noch einmal auf und sagt: „Brich doch aus aus dem Ganzen, was dich einengt, und hol dir nochmals Leben. Irgendwo muss es doch sein.“
Aber dann merkt man, man kann gar nicht weit. Das sind alles Gedanken, die sich doch nie einstellen. Es gibt so viele verbitterte, traurige und enttäuschte Menschen unter uns.
Das Bild von eingesperrten Tieren und Menschen
Hören Sie sich einmal um – es erinnert mich an einen Zoo. Nicht wegen der Menschen, sondern wegen der Gitterstäbe, wie man sie im Zoo findet.
Gehen Sie einmal durch den Zoo und schauen Sie sich diese stolzen Tiere an. Der König der Wüste ist auf sieben oder neun Quadratmeter eingepfercht. Er läuft aufgeregt an seinen Gitterstäben entlang. Das ist jetzt seine Welt, in der er leben muss.
So sind viele Menschen eingesperrt – manche sagen sogar: eingesperrt in der Ehe, eingesperrt im Berufsleben. Sie müssen das vollends durchleben. Überall sehen sie nur Begrenzungen.
Oder denken Sie an einen Adler in seinem Vogelkäfig. Traurig sitzt er auf dem Ast. Vielleicht hüpft er noch ein wenig über den sandigen Boden, aber von Höhenflügen ist nichts mehr zu sehen. Das ist vorbei. Die Flügel sind ihm gründlich gestutzt, er ist gefangen.
Weil das bei vielen Menschen unter uns so ist, bin ich froh, dass uns die Bibel das Angebot des Lebens macht. Und ich höre ganz neu auf die Worte der Bibel: Leben, Leben in Fülle – darum geht es.
Die Herausforderung, Leben in Christus zu erkennen
Ich habe aus diesem kurzen Predigtwort drei Gedanken herausgegriffen, die uns gleichsam hindurchführen sollen.
Es gibt Größeres. Größer als das Eingesperrtsein in die engen Aufgaben meines Lebens ist die enge Begrenzung. Wenn wir Verlangen und Durst nach Leben haben, dann kann einer jetzt vielleicht mit dem Kopf schütteln und sagen: „Das verstehe ich nicht. Leben soll uns ausgerechnet die Bibel geben? Da ist doch nichts von Leben drin.“
Stellen Sie sich vor, wie das auf unsere jungen Konfirmanten wirkt. Die sind doch hellwach, machen die Augen auf und sagen: „Mensch, was soll es denn da für Leben geben? In der Welt gibt es Leben, da ist Lärm, da ist Musik, da sieht man Freude. Wo ist denn da Leben?“ Und in der Tat stellt sich immer wieder die Frage: Wie kann Jesus mit der Dornenkrone Menschen Leben anbieten? Wenn der Sterbende am Kreuz hängt, wo ist denn da das Angebot des Lebens?
Ich verstehe, dass Menschen den Kopf schütteln. Ich verstehe, dass Menschen sich enttäuscht abwenden und sagen: „Ich weiß nicht, wo das Leben sein soll.“ Und ausgerechnet Johannes der Täufer soll Leben bieten können? Der, der so karg in der Wüste lebt und auf alles verzichtet – das ist doch nichts.
Doch Johannes hat etwas, das die meisten von Ihnen noch gar nicht so kennen. Er sagt: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Johannes meint, es ist gar nicht schlimm, dass sein Leben immer kürzer wird, ärmer und schwerer. Gar nicht schlimm. Er hat etwas: Er ist ganz fest mit seinem Blick auf die Sache Jesu ausgerichtet. Er wollte ja nur ein Vorläufer Jesu sein, dafür brennt er.
Und jetzt sagt er: „Ach, das ist doch gar nicht schlimm, wenn mein Leben immer schwieriger wird. Hauptsache, das mit Jesus läuft weiter.“ Damit führt er uns auf die richtige Spur: Dass das mit dem Leben gar nicht so wichtig ist, wie es mir heute geht und was mir alles zufällt an Gütern. Sondern dass mein Leben dort gelebt werden muss, wo ich mit Gott lebe, wo ich aus seiner Fülle lebe.
Die Bedeutung des „Abnehmens“ im Leben
Aber jetzt muss ich noch einmal deutlich erklären, was Johannes eigentlich meint, wenn er sagt: „Ich muss abnehmen.“
Ja, man denkt bei „Abnehmen“ sofort an die Waage im Badezimmer und an überflüssige Pfunde. Aber welche Pfunde meint Johannes? Er meint die Pfunde meines „dicken Ichs“, die überschüssigen Pfunde meines egozentrischen Selbst. Genau das ist es, was unser Leben so schwierig macht.
Wir sind alle stark gefesselt an unsere Empfindsamkeit, an unseren Lebenswillen. Tag für Tag schlagen wir uns mit unseren kleinen Sorgen herum, die uns übermächtig groß erscheinen. Dann kommen wir mit dem Leben nicht mehr zurecht. Weil uns so viel Böses widerfährt, weil wir so viele Lasten tragen müssen, weil wir Unrecht ertragen müssen. Wir sind so gefesselt an unser „dickes Ich“, dass wir kaum fertig werden, diese Last zu tragen.
Johannes sagt ganz freimütig: Nein, mein Ich soll abnehmen. Mein Ich ist gar nicht mehr wichtig. Was ich vom Leben will, was ich mir erträume und ersehne, das soll sterben. Mein ganzes Leben erwarte ich von Jesus her.
Dabei gibt es einen großen Unterschied zwischen Johannes dem Täufer und uns. Johannes stand Jesus noch irgendwie auf Distanz gegenüber. Jesus hat später noch einmal klargemacht, dass jeder von uns Johannes haushoch überlegen ist. Denn wir dürfen ganz anders als er eine enge Verbindung zu Jesus eingehen.
Johannes hat schon darauf hingewiesen, wie es einmal sein wird, wenn Jesus kommt und uns mit seinem Geist erfüllt. Das wird neu sein, wenn Jesus unser Lebensinhalt wird, wenn er die Mitte unseres Lebens ist. Dann kreist unser Leben nicht mehr um kleine Sorgen wie „Was passiert morgen?“ oder „Was empfange ich morgen?“, sondern unser Leben wird hineingestellt in die große Jesus-Geschichte.
Wenn Gott in Jesus in unser Leben tritt, dann ist das anders. Wenn Johannes vom Abnehmen redet, meint er natürlich nicht die lästigen Pfunde, die weg müssen. Er dachte das Bild ganz anders.
Sie kennen den abnehmenden Mond. Dieses Bild gehört dorthin, wo die Sonne morgens in ihrer strahlenden Schönheit aufgeht und der schwache Glanz der Sterne verlischt. So ist es, wenn Jesus in unser Leben tritt und wir erst erkennen, was er uns heute gibt. Dann wird der andere Glanz gar nicht mehr wichtig.
Das war Johannes groß: „Er muss wachsen.“ Jesus soll immer größer werden, immer wichtiger in unserem Leben. „Ich bin nicht wichtig.“ Dieses Wort spricht er als Letztes, bevor er in Haft geht, wo er elend umkommt. Es war ihm wirklich nicht wichtig, was aus seinem Leben wird.
So wie ein 24-Jähriger, der hier oft war, bevor er bei einem Verkehrsunfall zwischen Fellbach und Cannstatt ums Leben kam. In seinen Briefen und Hinterlassenschaften schrieb er kurz vor seinem Tod: „Wenn nur etwas für die Sache Jesu herauskommt.“
Und das ist jetzt so wichtig für alle Menschen, die in einem engen Leben sind, in den Grenzen hinter Gitterstäben. Sie fragen: „Was ist mein Lebenssinn?“ Das ist in der Tat richtig. Was ist ihr Leben? Es läuft dem Tod entgegen. Was haben sie denn? Selbst wenn sie Karriere machen, was haben sie dann?
Wenn nicht Jesus in der Mitte ihres Lebens steht, wenn er nicht der Herr ist, sind sie arm.
„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“
Mutig loslassen und das Leben neu ausrichten
Den zweiten Leitgedanken, den ich Ihnen wichtig machen möchte, heißt mutig loslassen. Sie liegen falsch, wenn Sie meinen, Johannes sei einfach ein Asket gewesen. Asketen sind Menschen, die an einer Art Magersucht leiden, die nur einen bestimmten Fimmel haben. Glauben Sie das bitte nicht. Johannes war ein Mensch, der mit all seinen Fasern seines Leibes sich nach all den Gütern dieser Welt sehnte.
Wir am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts sind ja auch Menschen, die nach Leben hungern und nach Leben verlangen. Unserem Leben fehlt das Blut, unserem Leib, der Sehnsucht hat, der Lustempfindungen kennt und sagt: Lass mich doch mal richtig leben! Ich will doch nicht nur nach Gott fragen, ich will leben.
An diesem Sonnentag darf ich Sie daran erinnern: Die Sonne kommt wieder nach den dunklen Wolken. Dieser Gott, der die schöne Welt geschaffen hat, hat auch Ihnen den Leib so wunderbar geschaffen, mit Empfindungen für das Schöne, das Sie haben. Er will Ihnen das Schöne gar nicht nehmen. Sie können es nur unter ihm richtig empfinden und mit ihm.
Darum muss ich noch einmal fragen: Wie kam Johannes dazu, dass er bereit war, Opfer zu bringen, loszulassen und zu verzichten? Das erleben Sie ja auch. Am anschaulichsten wird es bei alten Menschen, die das einüben müssen, weil die Kraft nicht mehr zurückkommt, das Herz geschädigt bleibt und man seine Tage zählt. Wenn man so vor den Toren der Ewigkeit steht, ist das nicht leicht. Dann muss man loslassen und verzichten.
Den zweiten Teil habe ich überschrieben mit mutig loslassen, abnehmen, loslassen. Nimmer sollen meine Wünsche vorne anstehen. Bei Johannes gab es den Grund, dass er sich selbst nicht mehr so wichtig nahm. Und da liegt das ganze Übel bei uns: Wir nehmen uns alle viel zu wichtig. Nicht nur, wenn wir vor dem Spiegel stehen und ganz angetan sind von unserer Güte, Größe und unseren Gaben.
Was ist eigentlich unser Leben unter fünf Milliarden Menschen? Wahrscheinlich gibt es keinen Menschen auf dieser Welt, der nicht schlecht über sich redet. Haben wir wirklich einen, der Großes von uns denkt? Wir alle haben unsere Schwächen und Mängel. Und wie erst im Lichte Gottes, wo unsere Schuld und unsere Versäumnisse zum Himmel schreien.
Johannes nimmt sich nicht wichtig. Er weiß, ich bin austauschbar und ersetzbar, mein Leben ist gar nicht so groß. Es ist gut, dass uns die Bibel immer wieder diese Nüchternheit bringt. Aber über dem Leben des Johannes steht noch etwas anderes: Gott hat ihn erwählt, schon im Mutterleib, und Gott hat ihn gebraucht.
Johannes wollte nur diesem Ruf Gottes treu sein. Das Einzige, was Ihr Leben wirklich groß macht, sind nicht die Auszeichnungen, die Sie vielleicht in der Schule bekommen haben, und auch nicht eine gute Berufsstelle, sondern wenn Gott etwas aus Ihrem Leben machen will. Das war bei Johannes das Große: Er hat mich gerufen.
Heute darf ich Ihnen sagen, dass es wichtig ist, wenn Jesus etwas aus Ihrem Leben machen will. Das ist groß. Sie brauchen nicht zu denken, dass das ein Leben des Verzichts ist. Wir genießen ja alle so viele Reichtümer, so viel Gutes, dass man es gar nicht zählen kann, so viel Freude jeden Tag.
Aber das Wichtigste muss sein, dass Jesus in unserem Leben wächst, dass er immer größer wird bei uns, dass sein Wort immer bestimmender wird und dass er immer mehr das Sagen hat. Er will Ihnen doch nichts wegnehmen, er will Ihnen erst die Freude vollkommen machen.
Die Herausforderung unserer Zeit und die wahre Selbstbejahung
Ich will sie auf die Spur des Lebens bringen, die uns Johannes zeigt: "Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen." Dorthin führt er uns.
In unserer modernen Zeit ist das wahrscheinlich ein sehr schwieriger Punkt. Denn all die Ratgeber unserer Zeit empfehlen uns, unser Ich viel wichtiger zu nehmen. Sie sagen: "Sag Ja zu dir, nimm dein Leben entschlossen in die Hand, verwirkliche dein Selbst."
Doch wir müssen sagen: Das ist es nicht. Das wäre leer. Am Ende, wenn man es überdenkt, hat es sich nicht gelohnt.
Das Große ist vielmehr, dass Gott Ja zu mir sagt. Das ist meine Selbstbejahung – dass Gott mich lieb hat. Und das weiß ich, weil Jesus für mich starb. Darin finde ich Gewissheit.
Daran will ich mich immer wieder festhalten und mich daran freuen. Das ist meine Ermutigung, an der ich mich aufrichte. Er steht zu mir, und ich darf jeden Tag jetzt mit ihm leben.
Er soll mir immer größer werden. Ich will immer mehr von ihm entdecken. Paulus sagt: Alles andere ist mir unwichtig. Ich will jeden Tag immer mehr von Jesus entdecken.
Die Einladung zum vollständigen Ja zu Jesus
Noch einen dritten Gedanken möchte ich aus diesem Wort herausziehen. Es gibt Größeres als das Erste und das Zweite: mutig loslassen. Das Dritte aber, vor dem viele stehen.
Jetzt spreche ich zu denen unter Ihnen, die heute vielleicht nur ein wenig widerwillig zum Gottesdienst gekommen sind. Sie stehen davor, hören alles, aber haben es nicht wirklich. Sie haben schon oft gehört, dass Sie dazu Ja sagen müssen. Doch dann haben Sie es ganz anders gemacht.
Sie haben es immer nur so verstanden, dass Sie wieder die Last Ihres täglichen Lebens mit dem vielen Kleinkram ablegen. Sie sagen: „Ich will ja gar nicht viel von Jesus. Ich will ja nur, dass er mir ein bisschen mehr Gesundheit gibt. Ich will ja nur, dass er mir ein bisschen hilft.“ Verstehen Sie: Sie wollen nur ein paar kleine Aufpäppelungen von ihm, nicht mehr. Sie wollen ihn gar nicht ganz. Sie wollen nur ein paar Kraftlieferungen, damit Sie wieder weitermachen können.
Letzte Woche hat einer unserer Entwicklungshelfer verzweifelt in der Nacht angerufen: „Es ist alles viel zu schwer, die Aufgabe übersteigt mein Können bei weitem. Ich glaube, ich muss sofort zurückfliegen.“ Und ich habe ihm gesagt: „Dann ist gerade jetzt der richtige Moment. Dann fängt es an, dass wir Jesus vor die Füße legen.“
Diese Verzweiflungsstunden in unserem Leben können so heilsam sein, dass wir endlich einmal anfangen zu sagen: „Jetzt mache ich es nicht mehr auf meinen Namen. Mein ganzes Leben wage ich nur noch im Glauben auf das, was Jesus mir geben will.“
Zeugnis von Gemeindeerfahrungen und Gottes Wirken
Immer, wenn ich im Gemeindehaus in den unteren Saal komme, muss ich daran denken, wie wir vor 15 Jahren dort mit einigen Mitarbeitern der Gemeinde versammelt waren. Wir hatten gerade mit der Jugendarbeit begonnen, und es gab große Schwierigkeiten. Damals waren einige Mitarbeiter noch bei uns, die meinten, man dürfe einem jungen Menschen nicht die Bibel in die Hand geben. Andere sagten, der Pfarrer dürfe überhaupt nichts im Gemeindehaus tun.
Ich begann daraufhin einen Bibelkreis in meiner Wohnung. Die ersten jungen Leute sind uns weggelaufen, und dann kamen neue Krisen. An diesem Abend konnten wir nur noch beten. Seitdem haben wir keine Jugendreferenten mehr in unserer Gemeinde, aber die Jugendarbeit blüht trotzdem. Nicht, weil wir besser sind, sondern weil Gott Wunder tut.
Weil es die Sache Jesu ist, wenn er wächst und wir immer kleiner werden. Da soll jetzt jemand denken, das wäre eben doch unsere Sache. Das ist es nicht. Unser Herr führt uns tagtäglich ins Scheitern, und viele wollen dem dauernd ausweichen.
Ich verstehe, dass unsere Alten in den Heimen sagen: „Ich will nicht mehr weiterleben.“ Aber Jesus will noch größer in ihrem Leben werden. Auch im Krankenlager, im Pflegeheim und bei den jungen Leuten, bei denen diesmal das Klassenziel nicht erreicht wurde, sagt Jesus: „Ich will in deinem Leben etwas tun, nicht du.“
Du brauchst nicht an dich glauben, vertraue mir und leg dein Leben in meine Hand. Wollen sie von Jesus nur ein paar Kleine durchbringen, oder wollen sie ihn ganz? Nur das ist Leben, wo er immer größer wird und alles ist. Amen!
Lied als Ausdruck der Sehnsucht nach Jesus
Gerhard Terstegen hat uns ein Lied geschenkt, in dem all dies zum Ausdruck kommt. Er besingt Jesus als das allgenügsame Wesen, an dem er alles hat, was er braucht.
Habe ich dich nur wesentlich, so gibt es überhaupt nichts mehr, das ihm etwas bedeuten könnte. Er zeigt uns, wie wir erst dort die Fülle finden in all dem, was uns Jesus geben will.
Das Lied ist in 270, Verse 1 bis 4, zu finden.
Schlussgebet und Fürbitte
Nun beten wir, Herr Jesus Christus. Du weißt, wie sehr wir es achten, wie wir immer wieder hängenbleiben – auch in unserem Glaubensleben. Wir stolpern über all die Widrigkeiten, und so vieles ist uns wichtig: Gesundheit, Ehre und Anerkennung. Dabei ist es oft nötig, dass du uns manches aus der Hand nimmst, bis wir das Wesentliche finden: dich, unser Leben ganz neu empfangen aus deiner Hand.
Wir wollen dir danken, dass du jetzt ganz konkret mit jedem von uns weiterredest, auch über all die wunden Punkte unseres Lebens. Wir bitten dich für die, die verzweifelt und mutlos sind in dieser totalen Krise ihres Lebens, dass sie entdecken, wie sehr du sie liebst und wie du sie nicht loslässt.
Wir möchten dich bitten für alle, die vor großen Aufgaben stehen: Gib ihnen deine göttliche Kraft und öffne ihnen die Türen. Wir bitten dich auch für die, die wir aus unserer Mitte ausgesandt haben, und für alle Dienste, in denen wir stehen.
Wir können das nicht allein. Wir können die Kranken nicht aufrichten und nicht ermutigen. Wir können an den Gräbern nicht trösten, wenn du es nicht tust. Herr, wir bitten dich, dass du in der Christenheit überall wieder wirkst durch dein Wort. Lass die Menschen dich groß machen als die Mitte und das Einzige, das von Bedeutung ist: dass man dich hat und dass du in unserem Leben immer größer wirst.
Wir wollen dich jetzt auch bitten für all die, die über die Kassetten mit uns verbunden sind, die krank liegen, angefochten sind und leiden müssen. Schenke ihnen deine Zusage: Du kannst die Hände auf sie legen und sie segnen. Lass sie fröhlich werden in deiner Nähe, sodass all das Äußere unwichtig wird.
Über der Gemeinschaft mit dir lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Organisatorisches und Gemeindemitteilungen
Nehmen Sie bitte noch einmal Platz, ich habe noch einige Dinge mitzuteilen.
Heute Nachmittag findet eine Jubiläumsveranstaltung zum dreihundertsten Geburtstag von Johann Albrecht Bengel statt. Sie findet im Saal der Altpietistischen Gemeinschaft in der Furtbachstraße 16 um 14:30 Uhr statt. Dort werden Prälat Theosorg und Doktor Oswald Seyter, Präsident der Landesgenode, sprechen.
Ebenfalls heute Nachmittag um 14:30 Uhr ist die Joni in der Liederhalle zu Gast. Sie ist die gelähmte Frau, die darüber spricht, wie sie ihre Situation mit Jesus überwunden hat. Um 19:30 Uhr wäre es mir wichtig, wenn Sie hingehen und vielleicht jemanden mitbringen, idealerweise einen Nichtchristen, der durch dieses Wort angesprochen werden kann.
Wegen dieser Veranstaltung fällt die Mannschaft heute Abend bei uns aus.
Am kommenden Dienstag haben wir einen Sommerabend, und zwar bereits um 19:00 Uhr. Der Abend wird von Gemeindegliedern gestaltet. Anschließend gibt es ein kaltes Buffet, zu dem Sie herzlich eingeladen sind. Wenn Sie möchten, können Sie sich am kalten Buffet beteiligen. Meine Frau kann Ihnen gerne einen Tipp geben, aber Sie dürfen auch einfach so kommen. Es wird ein schöner Abend der Gemeinschaft sein. Jetzt beginnen die Sommerferien.
Da immer wieder neue Besucher unter uns sind und nicht jeder im Gottesdienst so freundlich ist, dem Nachbarn, der neu ist, zu erklären, wie bei uns alles abläuft und wie das mit dem Notizenzettel funktioniert, möchte ich das hier noch einmal erläutern.
Sie müssen immer wieder in Ihrer Nähe schauen, ob neue Gäste da sind, und sie entsprechend informieren. Hinten liegt unser grüner Notizenzettel, auf dem vermerkt ist, dass wir während der Schulferien keinen zweiten Gottesdienst haben, sondern nur den Gottesdienst um 9:30 Uhr. Auch findet in dieser Zeit kein Kindergottesdienst statt.
Es gibt zwei Zettel: den grünen Notizenzettel, der aktuell gilt, und einen gelben Zettel im DIN-A5-Format. Auf dem gelben Zettel sind alle anderen Gruppen aufgeführt, die nicht im Notizenzettel stehen, zum Beispiel die vielen Hauskreise, die stattfinden.
Bitte bedienen Sie sich hinten. Dort liegen auch Berichte von unseren Zonsens aus Japan. Außerdem finden Sie Berichte von Hartmut Immig, der Forstarbeiten in Benin durchführt. Ebenfalls liegt ein Brief von Doktor Kilgus aus, einem Arzt, der in Kohistan, Pakistan, arbeitet. Dieses Gebiet war bisher für die Mission unzugänglich. Es ist erstaunlich, welchen Zugang Doktor Kilgus dort gefunden hat. Bitte lesen Sie diese Berichte.
Für unser Ferienwaldheim haben wir wieder einen großen Andrang. Es ist erstaunlich, dass wir ein Ferienwaldheim mitten im Zement in der Dobbelstraße durchführen. Das liegt wohl an der Qualität der Mitarbeiter, die es so anziehen, oder vielleicht an ihrem Leitspruch: „Er muss wachsen.“
Wir haben 120 Kinder angemeldet. Das ist eine Herausforderung, aber hoffentlich wird alles gut verlaufen. Wir wollen auch dafür beten, da die Räume eng sind. Wenn es nicht regnet, ist das kein Problem. Dann können die Kinder in den Wald gehen, ins Schwimmbad und vieles mehr. Wir hoffen auf schönes Wetter, aber es wird auf jeden Fall nett werden.
Ich möchte Sie bitten, in diesen 14 Tagen auch an die Mitarbeiter zu denken, die dieses große Werk leisten. Wir sind auch immer wieder dankbar für die Frauen, die in der Küche arbeiten. Es ist keine leichte Aufgabe, bei Hitze zu kochen. Vielen Dank, dass das bei uns immer so selbstverständlich und lautlos funktioniert.
Manchmal gibt es Leute, die sich fragen, was sie tun sollen. Dann sagen wir ihnen immer: „Sie müssen einfach da sein, wo gearbeitet wird.“ Dort sind Sie immer willkommen. Wir bieten das nicht aktiv an und drängen niemanden, aber man muss sich selbst motivieren.
Nicht, dass wir keine Personalnöte hätten – die gibt es auch –, aber darüber sprechen wir nicht offen. Wer Lust hat, kann sich in Zukunft gerne melden. Es gibt immer wieder Aufgaben.
Das Opfer heute ist für unsere Zonsens in Japan bestimmt. Es handelt sich um zwei Missionare, die sich im Sprachstudium befinden und die wir nach Japan gesandt haben, um Jesus Zeugnis zu geben. Heute ist es oft so, dass eine solche Unterstützung von Menschen nicht attraktiv erscheint. Sicher ist es attraktiver, wenn man ein klar umrissenes Projekt nennen kann. Doch das Entscheidende im Dienst Gottes an der Welt ist die Sendung von Menschen.
Wir sind Ihnen dankbar, dass Sie diese Aufgabe mittragen und dass wir die aus unserer Gemeinde stammende Frau Zonsen mit ihrem Mann, der aus England kommt, in ihrem Missionsdienst in Japan unterstützen und finanzieren können.
Bestattet wurde in der vergangenen Woche Hans Crumland, Handelsvertreter, 80 Jahre alt, aus der Bobserwaldstraße 65. Bei der Beerdigung hörten wir das Wort: „Jesus bedrohte den Wind und das Meer, da ward es ganz still.“
Herr segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
