Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Povileit.
Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zugleich zum theologischen Denken anregen.
Sünde ist heute ein Begriff, mit dem nicht jeder etwas anfangen kann. Die einen verniedlichen den Begriff und sprechen von Kaloriensündern. Für andere sind Sünder Menschen, die krass aus dem gesellschaftlich akzeptierten moralischen Rahmen fallen, wie zum Beispiel Menschen, die Kinder sexuell missbrauchen.
Da der Begriff aus der Bibel stammt, wollen wir uns in diesem Podcast fragen, was die Bibel unter Sünde versteht. Natürlich haben wir nur einen begrenzten zeitlichen Rahmen und können daher nur einige Gedanken ansprechen. Die Lehre von der Sünde, die Hamartologie, könnte man problemlos in zehn oder mehr Podcasts behandeln.
Vielleicht ist es zunächst gut, darüber zu sprechen, worüber wir eigentlich reden, wenn wir von Sünde sprechen. Gibt es eine Definition davon? Ja, die gibt es tatsächlich.
Sünde ist weit mehr, als – wie zu Beginn erwähnt – ein Stück Kuchen zu viel zu essen und dies zu bereuen. Wer so redet, nimmt Sünde nicht ernst und nivelliert sie, macht sie klein. In der Bibel wird Sünde sehr ernst genommen.
Das griechische Wort für Sünde heißt Hamartia. Man könnte das Wort auch mit „Zielverfehlung“ übersetzen. Hamartia beschreibt die Strecke auf einer Zielscheibe zwischen dem gewünschten Zielpunkt und dem Punkt, an dem der Pfeil tatsächlich getroffen hat.
Wenn also der Pfeil sein Ziel verfehlt hat, spricht man von Hamartia, also von Sünde. Ich finde, das trifft die Bedeutung von Sünde sehr gut. Durch Sünde verfehle ich das Ziel, das Gott sich für mein Leben gedacht hat.
Kurz gesagt: Sünde ist Zielverfehlung. Ich liege mit meinem Denken oder meinem Verhalten neben Gottes Absicht.
Wobei dann die Frage wäre: Was ist Gottes Absicht für mein Leben? Eine sehr gute Frage.
Die ersten Seiten der Bibel zeigen mir bereits, was Gottes Absicht ist. Gott hat den Menschen geschaffen, um eine tiefe Beziehung mit ihm zu haben. Wir lesen, dass im Garten Eden diese enge Beziehung zwischen Gott und den Menschen bestand. Gleichzeitig hat Gott den Menschen zu seiner Ehre geschaffen. Wenn Menschen mich sehen, sollen sie eine Ahnung davon bekommen, wie vollkommen und groß Gott ist.
Diese Beziehung zu Gott wurde jedoch durch die Sünde zerstört. Interessant ist, dass in den ersten drei Kapiteln der Bibel das Wort „Sünde“ als Begriff gar nicht genannt wird. Dennoch sehen wir die Tatsache der Sünde. Wie auch in der Überschrift dieses Podcasts steht: Wir Menschen entscheiden uns gegen Gott und sind ihm ungehorsam. Gott hat gesagt, du sollst nicht von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen – und doch tun wir es. Wir tun es, weil wir Satan mehr glauben, der sich der Schlange bemächtigt hat, als Gott.
Ich finde es bemerkenswert, dass das Wort „Sünde“ am Anfang gar nicht vorkommt. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Das heißt, Gott geht hier nicht von einer Definition aus, sondern von der geschichtlichen und kausalen Auswirkung. Durch die Sünde war keine Beziehung mehr möglich, weil der Mensch von Gott weg war.
Wie es am Ende des Buches Jesaja steht: „Eure Sünden haben eine Scheidung gemacht zwischen euch und eurem Gott“ (Jesaja 59).
Warum kann Gott diese Sünder nicht einfach übersehen? Wäre es nicht auch eine Möglichkeit, dass Gott einfach vergibt?
Heutzutage habe ich gerade einen Podcast auf dem Heimweg gehört, in dem gesagt wurde, Versöhnung sei nicht so wichtig. Gott zeige sich solidarisch mit dir, Gott liebe dich sowieso, also einfach „schwamm drüber“, schau nicht genauer hin.
Aber Gott kann mir nicht vergeben, weil er gerecht ist. Mir hilft dabei immer das Bild eines Richters. Ein Richter kann Schuld nicht einfach übersehen. Selbst ein Schiedsrichter kann das nicht, sonst verliert er seine Gerechtigkeit oder seine Autorität.
Wenn Gott Sünde einfach ignorieren würde, dann würde er seine Gerechtigkeit verlieren. Das wäre so, als wenn ein Polizist sich nach Feierabend mit einem Straftäter trifft, um gemeinsam ein Eis zu essen. Das geht nicht, denn dann verliert der Polizist seine Seriosität.
Er ist von seiner Berufung her Polizist und nicht nur bis zum Feierabend. Danach ist es eben nicht egal. Gott ist natürlich kein Polizist, aber er kann sein eigenes Gesetz nicht einfach brechen. Deshalb kann er keine Gemeinschaft mit Straftätern haben.
Du hast jetzt Begriffe aus dem Recht verwendet: Gesetz, Richter, Gerechtigkeit. Das bedeutet auch, dass Sünde böse ist an sich und nicht einfach nur eine Beziehung, die kaputtgegangen ist. Sondern eine Beziehung, die durch etwas Böses zerstört wurde.
Richtig, so muss man es sagen, ja.
Deswegen, ja. Die Bibel beschreibt ziemlich ausführlich, wie die Sünde in die Welt kam. Die Frage ist: Was hat es jetzt mit mir zu tun, dass Adam und Eva gesündigt haben? Es gibt ja den Begriff der Erbsünde. Aber ich muss mich ja sonst auch nicht unbedingt für das interessieren, was mein Großvater gemacht hat. Warum nimmt uns Gott da in die Sippenhaft? Der Tod ist nach der Aussage der Bibel eine Folge der Sünde, und wir sterben alle. Das betrifft auch junge Babys, die teilweise sogar vorgeburtlich sterben. Das heißt, da ist eine gewisse Übertragung vorhanden. Die Frage ist: Warum?
Ich denke, es liegt eher am Wesen der Sünde, dass sie generationsübergreifend eine Wirkung hat. Geschichtlich tragen wir ja auch an der Schuld unserer Eltern mit. Deutschland zum Beispiel hat versucht, die Juden auszurotten. Das ist die Bürde der Schuld, die wir als Deutsche tragen. Wenn ich in Israel bin und in Ausstellungen lese, was als deutsch geschrieben steht, empfinde ich das als Bürde, obwohl ich damit eigentlich gar nichts zu tun habe. Sozusagen habe ich die Schuld meiner Eltern geerbt.
Das Gleiche gilt auch für das geografische Erbe nach dem Zweiten Weltkrieg: Deutschland hat damals seine Ostgebiete verloren, und das ist so. Das ist unser Erbe. Wir können nicht einfach sagen: Na ja, die Gebiete gehören jetzt wieder zu uns – neues Spiel, neues Glück sozusagen. Oder wenn ich es persönlicher mache: Wenn mein Vater ein Alkoholiker war und dadurch finanziellen oder persönlichen Schaden für die Familie entstanden ist, trage ich mit an den Auswirkungen dieser Schuld, auch wenn ich sie nicht verursacht habe.
Wenn Adam und Eva gesündigt haben, betrifft das natürlich auch uns. Sie haben die Gemeinschaft mit Gott verloren, und wir sind in diese verlorene Gemeinschaft hineingeboren worden. Wir haben nicht mehr die Fähigkeit, der Sünde, also dem Ungehorsam gegenüber Gott, „Nein“ zu sagen.
Im Leben ist es so, dass man nicht ins Nichts hineingeboren wird. Man hat bestimmte Voraussetzungen: eine bestimmte Körpergröße, einen bestimmten Gesundheitszustand, eine bestimmte Herkunft, man wird arm oder reich geboren. Dasselbe gilt für die Sünde, wie für alle anderen Dinge auch. Erbsünde bedeutet also, dass ich sie sozusagen geerbt habe.
Es gibt zwei verschiedene Sichtweisen zur Erbsünde. Die einen stützen sich auf Psalm 51,7: „Siehe, ich bin in Schuld geboren, und meine Mutter hat mich in Sünde empfangen.“ Das heißt, ich werde in die falsche Familie hineingeboren – gemeint ist die Menschheitsfamilie. Als Mensch habe ich deshalb von Anfang an keine Beziehung zu Gott. Die Erbsünde ist eine ererbte Schuld, durch die keine Beziehung zu Gott besteht.
Die andere Sichtweise stützt sich auf Römer 5,12: „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen, und durch die Sünde der Tod, und so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil alle gesündigt haben.“ Hier geht es eher um die eigene Verantwortung. Sünde bedeutet hier die Unfähigkeit, der Sünde „Nein“ zu sagen.
Ich persönlich finde die zweite Variante logischer. Dann machen die Stellen im Alten Testament für mich mehr Sinn, wenn es dort heißt, dass das Kind Gutes und Böses unterscheiden kann. Das wird an mehreren Stellen im Alten Testament ausgedrückt. Nach Variante eins müsste das Kind verloren sein, wenn es kurz nach der Geburt stirbt. Nach Variante zwei nicht – erst dann, wenn es sich aktiv für die Sünde entscheidet.
Das sind theologische Gedanken zum Schluss. Zum Glück muss es am Ende nicht von uns beurteilt werden, sondern Gott entscheidet. Sein Urteil wird gerecht sein. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen zur Erbsünde, aber was auf jeden Fall klar ist, ist das, was wir am Anfang gesagt haben: Ich werde in bestimmte Verhältnisse hineingeboren, und in diesen Verhältnissen lebe ich. Ob ich daran schuld bin oder nicht.
Ich würde das auch trennen: Der Tod ist von Anfang an da, und er ist eine Folge der Sünde. Ich denke aber auch, dass kleine Kinder errettet werden können. Da habe ich … Können wir mal eine Podcast-Folge machen? Die ist schon skizziert, aber vielleicht braucht sie noch ein Jahr oder so, keine Ahnung.
Es gibt bestimmte Verse, die in diese Richtung deuten, dass bei kleinen Kindern die Verantwortlichkeit nicht gegeben ist, obwohl sie die Konsequenzen der Sünde tragen müssen, nämlich den Tod. Das ist eine gewisse Spannung, die bei ganz jungen Kindern besteht – bis sie wirklich selbst entscheiden können zwischen Gut und Böse. Diese Stellen gibt es, und deshalb wäre ich eher für Variante zwei.
Das ist bei mir auch ein Stück gewachsen, aber vielleicht können wir dazu mal einen extra Podcast machen. Ich denke, es ist eine Spannung, die ich durchaus aushalten kann. Ich habe kein Problem damit, sie nicht auflösen zu müssen.
Gerade bei theologischen Diskussionen sind solche Spannungen manchmal einfach nicht auflösbar. Das ist meine Überzeugung im Laufe der Jahre. Und man muss sie auch nicht auflösen, weil beides in der Bibel drinsteht. Die einen gehen auf die eine Seite, die anderen auf die andere. Das hat auch seine Berechtigung. Natürlich gilt das nicht für jedes Thema.
Nun gut, das wäre so die Erbsünde.
Die Definition von Sünde umfasst das Verfehlen des Ziels, die fehlende Beziehung zu Gott und das Nicht-Einhalten des Gesetzes, insbesondere des göttlichen Gesetzes, das Gott als Schöpfer natürlich zusteht.
Nun stellt sich die Frage: Ist jede Sünde gleich? Muss man sich beispielsweise mit Adolf Hitler auf ein Level stellen, wenn wir in Deutschland bleiben? Gibt es schwerwiegendere Sünden? Im Katholizismus spricht man zum Beispiel von Todsünden. Wie würde man das beurteilen?
Meines Wissens gibt es keine expliziten Bibelstellen, die klar zwischen schlimmeren und weniger schlimmen Sünden unterscheiden. Paulus sagt jedoch zum Beispiel in 1. Korinther 6, dass jede Sünde, die ein Mensch begeht, außerhalb des Leibes ist, wer aber Unzucht treibt, sündigt gegen den eigenen Leib. Das klingt stark nach einer Abstufung.
Man kann also von einer Unterscheidung sprechen. Auch im 3. Mose finden wir unterschiedliche Sünden, für die teilweise die Todesstrafe gefordert wird, während andere mit milderen Strafen belegt werden. Das setzt voraus, dass Gott Sünde unterschiedlich schwer bewertet. Vielleicht spiegelt sich diese unterschiedliche Schwere auch in der Strafe wider. Ob Adolf Hitler mehr leidet als ein bürgerlicher Sünder, weiß ich nicht – das ist Spekulation.
Ich weiß aber, dass Gott gerecht ist. Deshalb glaube ich, dass meine Sünde mich einholen wird. Es gibt sicherlich Unterschiede, ob jemand ein bürgerliches Leben geführt hat oder ein Schuft war. Diese Unterschiede ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass der Lohn der Sünde der Tod ist – wie du vorhin gesagt hast. Das bedeutet die Trennung von Gott, und das ist unabhängig davon, wie schwer die Sünde wiegt.
Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird deutlich: Ein einziger Ungehorsam gegen Gott schließt mich von der Beziehung zu Gott aus. Adam nahm die Frucht, und die Folge war die Trennung von Gott. Diese Konsequenz gilt auch in meinem Leben: Trennung von Gott.
Deshalb gibt es vielleicht in unseren Augen schlimmere Sünder als andere, aber die Trennung von Gott betrifft alle Sünder. Das ist so, als würde ich im Fußballspiel mit null zu eins oder null zu zehn verlieren. Fakt ist: Ich habe verloren. Der biblische Fakt ist, dass ich für die Beziehung zu Gott verloren bin – egal, ob ich am Tabellenende oder an der Spitze der Sündentabelle stehe.
Paulus hat auch gesagt, dass er der größte aller Sünder ist – das zeigt eine gewisse Abstufung. Außerdem heißt es: Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert. Ob das im Zusammenhang mit Sünde steht, weiß ich nicht mehr genau, aber ich glaube schon.
Letztendlich ist das Wichtigste, ob das Fußballspiel gewonnen wird oder nicht. Es gibt durchaus Hinweise auf unterschiedliche Strafen, aber was die Sünde selbst betrifft, sagt Gott: Das Spiel ist auf jeden Fall verloren.
Das Hauptthema der Bibel ist nicht, wie stark deine Sünde ist, sondern dass du als Sünder zu Gott kommen musst – egal wie schwer oder leicht deine Sünde erscheint. Denn auch bei Gott reicht schon eine Sünde, die wir vielleicht als unbedeutend ansehen, aber er hat andere Maßstäbe.
Grundsätzlich haben wir jetzt einige grundlegende Aspekte zur Sünde besprochen. Vielleicht wollen wir etwas konkreter werden. Kannst du Beispiele für Sünde geben? Warum ist etwas eine Sünde? Heutzutage wird Sünde oft als Fehler, Missverständnis oder Ähnliches betrachtet. Warum nennen wir das dann trotzdem Sünde? Hast du dazu eine Stelle?
Eine für mich sehr wichtige Stelle ist Johannes 16,9. Dort sagt Jesus sinngemäß: „Das ist die Sünde, dass sie nicht an mich glauben.“
Spannend – passt das in unsere Definition? Ja, ich glaube schon. Denn das ist keine böse Tat im herkömmlichen Sinne. Es ist vielmehr die eigentliche Zielverfehlung. Ich lehne ab, an Jesus zu glauben, ihm zu vertrauen, dass er mich retten will und dass nur er die Rettung von den Folgen meiner Sünde ist.
Sünde ist zunächst einmal diese Einstellung: Ich glaube an mich selbst, lasse mir von Gott nicht in mein Leben hineinreden und bin mein eigener Gott. Jesus soll nicht der Herr in meinem Leben sein. Aus dieser Haltung heraus entstehen dann die Früchte, die man landläufig als Sünde bezeichnet: Eifersucht, unmoralisches Leben, Neid, Zorn, Streit. Diese Früchte sind nur die Folge des Baumes, also dieser falschen Einstellung. Und natürlich sind diese Früchte auch Sünde.
Auch wenn manches davon heutzutage gesellschaftsfähig geworden ist, wie du am Anfang gesagt hast, muss ich immer darauf achten, was Gott als Sünde bezeichnet – nicht, was mein Nachbar dafür hält. Denn am Ende meines Lebens werde ich vor Gott stehen, nicht vor meinem Nachbarn.
Es ist auch wahr, dass wenn ich nur die Früchte verändere, aber meine Grundeinstellung bleibt, ich zwar sozial verträglich bin, aber immer noch jemand bin, der nicht erfahren hat, dass Gott mir meine Schuld vergeben hat.
Ich glaube, das ist eines der größten Missverständnisse: Sünde wird oft auf moralische Verfehlungen reduziert. Dabei wird übersehen, dass Sünde eine rebellische Haltung gegenüber Gott ist. Diese Haltung kann ich auch hinter einem moralischen Leben verstecken.
Es gibt viele Nichtchristen, die ein moralisch besseres Leben führen als manche Christen. Aber sie haben Jesus ihr Leben nicht anvertraut. Deshalb liegen sie falsch und werden einmal vor Gott für ihre Sünde geradestehen müssen. Sie werden die ewige Trennung von Gott erleben.
Das ist so, als ob jemand ohne Führerschein besser Auto fährt als jemand mit Führerschein – was auf dem Land durchaus vorkommt. Aber bei einer Kontrolle ist nicht der Fahrstil entscheidend, sondern ob ich einen Führerschein habe oder nicht. Genauso ist es mit der Beziehung zu Jesus.
Mein moralisches Leben ist oft ein Messinstrument für meine Beziehung zu Gott, weil ich dadurch Maßstäbe sichtbar mache, die Gott in seinem Wort wichtig sind. Aber es ist kein untrüglicher Moralausweis.
Ich kann nur das sehen, was vor Augen ist. Gott aber sieht mein Herz an. Und da kann durchaus ein Herz sein, das nicht ihm gehört – auch wenn mein Leben äußerlich danach aussieht.
Noch einmal: Der Vers war Johannes 16,9, falls jemand nachlesen möchte: „Das ist die Sünde, dass sie nicht an mich glauben.“ Ich finde das einen sehr spannenden Vers, weil er unsere Vorstellung von Sünde auf den Kopf stellt.
Mir fällt spontan der junge Mann ein, der zu Jesus kommt und fragt: „Was ist das größte Gebot?“ Jesus fragt zurück, ob er die Gebote gehalten hat. Der junge Mann antwortet, dass er alles gehalten hat. Ich bin überzeugt, dass er das nach seinem Verständnis wirklich getan hat.
Jesus sagt dann nur: „Verkaufe, was du hast.“ Denn der junge Mann war habgierig – und Jesus als allwissender Gott weiß das. Nach außen führte er ein vorbildliches Leben, war wahrscheinlich der ideale Schwiegersohn und half in der Nachbarschaft der Oma.
Doch Gott schaut anders darauf, weil er auf die Urmotivation schaut. Egal, ob sich diese gesellschaftlich anerkannt äußert oder zerstörerisch ist, indem man andere verletzt, stiehlt oder ihnen schadet.
Die Früchte muss man klar von der Wurzel unterscheiden. Genau das ist die Sünde: Dass sie nicht an Jesus glauben. Das geht viel tiefer.
Man darf nicht nur bei den Früchten stehen bleiben und sagen: „Du lebst moralisch so, deshalb bist du ein Sünder.“ Ich kann moralisch sehr hochstehend leben und trotzdem von Gott getrennt sein. Das ist es, was Jesus deutlich machen will.
Jetzt haben wir als Christen den unglaublichen Vorteil, dass Jesus für die Sünde gestorben ist. Wenn ich meine Sünden bereue und zu ihm komme, also zum Glauben an ihn finde, befreit er mich von der Schuld der Sünde. So kann ich jetzt mit ihm leben.
Sünde ist aber auch bei Christen weiterhin ein Thema. Ich wechsle jetzt von den Nicht-Christen zu den Christen: Auch sie kämpfen mit der Sünde. Das stimmt.
Als Christ habe ich gewissermaßen zwei Betriebssysteme in mir. Eines sagt Ja zur Sünde, das andere sagt Nein zur Sünde. Die Frage ist, auf welches Betriebssystem ich zurückgreife.
Die Bibel sagt, dass auch wenn ich zu Jesus gehöre, das Fleisch in mir bleibt. Persönlich gefällt mir der englische Ausdruck besser: „The sinful nature“. Das bedeutet die sündige Natur.
Diese sündige Natur wird in mir bleiben. Aber Jesus ist stärker. Ich kann seine Kraft im Kampf gegen die Sünde in Anspruch nehmen. Zum Beispiel, indem ich bete: „Herr, ich kann Anton nicht freundlich begegnen, ich stecke voll im Neid. Aber ich danke dir, dass du mir jetzt hilfst, auf Anton zuzugehen und ihm zu gratulieren, dass er in diesem Wettbewerb besser war als ich.“
Wenn ich so handle, nehme ich die Kraft Gottes in meinem persönlichen Leben in Anspruch. Dann darf ich sie auch immer wieder erfahren.
In diesem Fall greife ich auf das zweite Betriebssystem zurück, das Gott mir durch seinen Geist gegeben hat.
Gut, theologisch habe ich dazu gerade eine Frage, aber das sprengt jetzt den Rahmen. Das machen wir im Nachgespräch.
Wenn wir Sünde in unserem Leben haben – und das ist ja keine Frage –, dann sind wir zwar Heilige, aber die Sünde ist trotzdem noch da. Diese Wahrheit steht einfach in der Bibel. Auch wenn wir von der Sünde erlöst sind und jetzt eine andere Stellung haben, stellt sich die Frage: Wann muss ich Sünde nur Gott bekennen, und wann muss ich sie auch Menschen bekennen?
Gibt es Situationen, in denen man zum Beispiel einem Ehepartner eher nichts sagen sollte? So in der Art frage ich mal ein bisschen. Ich finde es wichtig, beide Komponenten anzusprechen: Gott und den Menschen. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig.
Mir ist das kürzlich in einer Bibelstelle deutlich geworden: 1. Mose 20. Dort sind beide Komponenten vertreten. Abraham täuscht Abimelech, indem er behauptet, Sarah sei seine Schwester, obwohl sie seine Frau ist. Abimelech steht in der Gefahr, sich zu versündigen, indem er Sarah in seinen Harem aufnimmt. Gott erscheint Abimelech und sagt ihm, dass er ihn davon abgehalten hat, gegen Gott zu sündigen. Es ist sehr spannend, dass Gott hier eingreift.
Abimelech hätte ja gegen Sarah und Abraham gesündigt. Ich habe mich auch an die Frau des Potipar erinnert, die Josef zur Sünde verführen will. Josef ist sich klar darüber, dass er gegen Potipar sündigen würde, wenn er nachgibt. Er sagt, ein Mann habe ihm alles gegeben, aber nicht sie sei seine Frau. Josef sagt auch: „Wie sollte ich solch ein Unrecht tun und gegen Gott sündigen?“
Gerade bei diesen Stellen, auch bei Abimelech, wird mir wieder neu bewusst: Sünde ist immer eine Sünde gegen Gott. Deshalb muss ich Sünde zunächst Gott bekennen und mich bei ihm entschuldigen. Manchmal ist es aber auch wichtig, Sünde Menschen zu bekennen.
Das ist logisch, wenn ich offensichtlich gegen Menschen gesündigt habe, zum Beispiel wenn ich sie verletzt oder bestohlen habe. Mich leitet dabei eher das Prinzip: Der Kreis der Sünde ist der Kreis des Bekennens. Wenn ich also Leute öffentlich denunziert habe, muss ich das auch öffentlich wieder in Ordnung bringen. War es ein Streit unter vier Augen, reicht es, mich auch nur unter vier Augen zu entschuldigen.
Wichtig ist, dass ich immer wieder im Gebet ans Kreuz komme und Jesus meine Schuld bringe, denn jede Sünde ist eben eine Sünde gegen ihn. Dann gibt es einzelne Sünden, bei denen ich einfach auf Personen zugehen und die Sache klären muss.
Was ist mit heimlicher Sünde, von der die andere Person nichts weiß? Vielleicht kann man das später noch kurz ansprechen. Ich glaube, es kommt auf die Sünde an, um was es genau geht. Dieses Bekenntnis ist ja nicht ganz einfach, das liegt uns Menschen nicht so sehr. Das stimmt. Ich muss auch sagen, es fällt mir selbst nicht leicht, Sünde ans Licht zu bringen.
Was ist der Grund? Vielleicht bin ich enttäuscht von mir selbst oder zu stolz, um mich zu demütigen. Sünde zu bekennen hat immer mit Versagen zu tun und erfordert Demut. Was mir hilft, ist, dass Gott immer wieder von Vergebung spricht. Diese kann ich aber nicht in Anspruch nehmen, wenn es keine Dinge gibt, die Gott mir vergeben muss.
Ich bin da auch Lernender und versuche, anderen nichts vorzuspielen, weil es Vergebung gibt. Deshalb darf ich sie auch in Anspruch nehmen. Deswegen kann ich mich mit Sünde beschäftigen. Vergebung soll für mich nicht nur ein theologischer Begriff sein, sondern gelebte Wirklichkeit.
Sünde ist eine Tatsache, und deshalb sollte ich sie nicht verdrängen. Es nützt niemandem, wenn ich Sünde kleinrede oder wegrede. Jesus sagt auch in Johannes 16, dass der Heilige Geist uns von der Sünde überführen wird. Natürlich von der Sünde, dass wir nicht an Jesus glauben, aber der Heilige Geist zeigt uns manchmal auch Dinge in unserem Leben. Dann legt er den Finger oder den Daumen darauf und sagt: „Du, das solltest du in Ordnung bringen.“
Meine Erfahrung ist, dass da kein Diskutieren hilft, sondern nur das Hingehen und es in Ordnung bringen, auch gegenüber Menschen. Das heißt: Die bewussten Sünden sind im Blick, manches ist mir vielleicht gar nicht bewusst gewesen. Ja, das ist genau die Frage: Was ist mit den nicht bewussten Sachen?
Es gibt Menschen, die sind einfach so, oder manchmal ist man selbst in manchen Bereichen blind. Ja, das stimmt. Ich glaube, wenn ich mit Jesus unterwegs bin, dann weiß ich: Gott rechnet mir die Sünde nicht an, weil er sie seinem Sohn angerechnet hat. Das ist ganz grundsätzlich so. Deshalb ist Jesus ja gestorben.
Das sollte man auch noch mal überdenken: Meine Sünde ist so schlimm, dass Jesus für sie sterben musste. So kann ich Sünde auch mal im Licht Gottes sehen. Wenn Sünde mir nicht bewusst ist, kann ich sie eher nicht bekennen. Aber wenn sie mir bewusst wird und der Heilige Geist seinen Finger darauf legt, dann ist es dran, dass ich sie ans Licht bringe.
Denn die Kraft der Sünde liegt in der Dunkelheit. Wenn Sünde ans Licht kommt und vor Jesus bekannt wird, manchmal auch vor Menschen, verliert sie ihre Kraft. Ich habe gerade vor einigen Tagen 3. Mose 4 gelesen. Dort geht es ein ganzes Kapitel lang um unerkannte Sünde. Ich dachte: Ja, Gott steht auch zu dem Prinzip „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“. Er sagt ja, dass du es ans Licht bringen musst, auch wenn du es nicht gewusst hast.
Wenn ich mir bewusst werde, dass etwas Sünde war, dann muss ich sie ans Licht bringen. Manche sagen, man sollte das auch in der Gegenwart eines anderen Menschen tun. Was denkst du, ist das hilfreich oder notwendig?
Ich würde daraus kein Gesetz machen, dass Sünde nicht vergeben wird, wenn ich sie nicht in der Gegenwart eines anderen bekenne. Aber ich entdecke durchaus das Prinzip: „Bekennt einander die Sünden“, sagt zum Beispiel Jakobus. Es kann mir helfen, mit jemand anderem zusammen zu Gott zu kommen.
Ganz praktisch kann ein Mitbeter mir einen guten Rat geben, wie ich die Sünde auch vor Menschen in Ordnung bringen kann. Er kann dann auch nachfragen: „Hast du das denn schon umgesetzt?“ Das erzeugt auf positive Weise einen gewissen Druck. Er ist aber auch Zeuge.
Wenn ich in Zweifel komme oder Fragen habe, kann ich sagen: „Wir haben zusammen gebetet, wie schätzt du das ein? Diese Gedanken und Zweifel, die kommen mir gerade.“ Es kann mir auch helfen, wenn ich Sünde Menschen bekenne, und zwar sehr nachhaltig.
Es ist ja peinlich. Wenn ich dann wieder in so einer Situation bin und versucht bin zu sündigen, hilft es mir, mich an die Situation zu erinnern, als ich die Sünde bekannt habe. Vielleicht auch daran, wie peinlich mir das war. Das hilft mir zu sagen: „Nein, das muss ich nicht noch mal haben.“ Also werde ich von vornherein diesen Weg nicht noch einmal gehen, wie ich es vorher getan habe.
Mir ist auch wichtig: Wenn ich mich nicht schäme zu sündigen, dann sollte ich mich auch nicht schämen, Sünde ans Licht zu bringen. Schließlich habe ich Gottes Versprechen: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt.“
Sünde in der Gegenwart eines anderen Menschen zu bekennen ist nicht zwingend notwendig, damit Gott sie vergibt, aber es kann enorm hilfreich sein. Sünden zu bekennen, die nicht auch andere betreffen, ist klar, denke ich, für den Hörer.
Gehen wir zum Abschluss noch auf einige Spezialbereiche ein, weil manchmal gesagt wird, dass man in bestimmten Bereichen anders vorgehen muss.
Ich denke dabei zunächst an den sexuellen Bereich. Muss man hier anders vorgehen als bei anderen Sünden? Wenn ich sexuelle Sünden Jesus bekenne, darf ich seine Vergebung in Anspruch nehmen. Wichtig finde ich jedoch, dass man, wenn man später eine Beziehung beginnt, offen macht, dass man vorher schon sündige Beziehungen hatte. Ansonsten kann dieses Geheimnis die jetzige Beziehung belasten.
Das gilt besonders, weil in einer Beziehung eine größere Intimität besteht und vergangene sündige Beziehungen zukünftige Partnerschaften beeinflussen können. Das sollte man berücksichtigen. Der jetzige Partner sollte auf jeden Fall davon wissen. Aber das bedeutet nicht, dass sexuelle Sünden eine spezielle Behandlung benötigen. Man sollte auch beim Nächsten genau dasselbe Vorgehen anwenden.
Kommen wir zum Bereich des Okkulten. In manchen Kreisen gibt es spezielle Okkultseelsorge, wenn jemand zum Beispiel Tische gerückt hat, Karten gelegt hat oder mit Medien oder Engeln – beziehungsweise mit Dämonen – kommuniziert hat. Ist das eine spezielle Sünde, die man anders behandeln sollte?
Ich glaube zunächst nicht, dass man okkulte Sünden anders behandeln muss. Ich bringe sie Jesus im Gebet, bitte ihn um Vergebung und muss nicht erst nach weiteren Sünden in meinem Leben fahnden. Dennoch weiß ich aus der Seelsorge, dass solche Sünden sich im Leben eines Christen durchaus auswirken können – das muss ich unterstreichen.
Im Alten Testament werden diese Arten von Sünden als geistlicher Ehebruch bezeichnet. Damit mache ich deutlich, dass ich mein Vertrauen auf die Mächte setze, die hinter diesen okkulten Praktiken stehen. Das ist ein massiver Vertrauensbruch gegenüber Gott, vergleichbar mit Ehebruch. Ich vertraue nicht Gott, sondern diesen Mächten.
Vielleicht liegt darin auch der Grund, warum es zu Folgeerscheinungen kommen kann, wenn jemand in esoterischen Praktiken verwurzelt war. Unter Folgeerscheinungen verstehe ich zum Beispiel echte Erscheinungen, das Gefühl, im Schlaf gewürgt zu werden – das haben mir Leute schon berichtet – oder von Ängsten bestimmt zu sein, die irrational sind, aber das Leben einschränken. Solche Symptome können auch andere Ursachen haben.
Wenn man auf solche Themen stößt, kann man fragen, ob jemand solche esoterischen Dinge praktiziert hat. Diese Dinge darf man auch deutlich benennen und Jesus bekennen – unter dem Aspekt, dass man sich an diese Mächte gehängt, Jesus den Rücken gekehrt und ihm das Vertrauen entzogen hat. Vielleicht hat man Jesus sowieso nicht vertraut, aber ganz besonders diesen Mächten.
Manchmal nehmen diese Anfeindungen ab, wenn man diese Dinge offen mit Jesus bespricht. Dann ist es, als hätten sie ihre Macht verloren. Aber es gibt hier keinen Automatismus und keine Gesetzmäßigkeit nach dem Motto: Wer aus der Esoterik kommt, hat immer solche Phänomene. Das kann sein, muss aber nicht so sein.
Ich finde es sehr wichtig, auch hier – wie bei jeder anderen Sünde – zu betonen: Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade viel mächtiger geworden. Als Christen sollten wir unseren Fokus darauf legen, Gottes Gnade in den Mittelpunkt zu stellen und deutlich zu machen, dass sie stärker ist als jede Sünde, auch als jede okkulte.
Das möchte ich als Schlusspunkt nehmen: Gottes Gnade ist stärker als jede Sünde.
Damit beenden wir auch den Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart und hoffen, dass ihr einen Impuls mitnehmen konntet. Die Sünde ist ernst zu nehmen, aber wir wissen auch, wie gerade gesagt wurde: Gottes Gnade ist größer als die Sünde. Das ist die frohe Botschaft, die wir verkünden.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns doch unter podcast.efa-stuttgart.de. Wir haben die Hörerfragen nämlich so langsam ziemlich gut abgearbeitet, also ihr könnt ruhig welche stellen.
Wir wünschen euch Gottes Segen!