Ja, wenn ein neues Jahr beginnt – und das ist ja in wenigen Tagen so weit –, dann schaut man schon mal auf seine TÜV-Plakette, um zu sehen, ob das Auto dieses Jahr zum TÜV muss.
Und wenn ihr so eine orange Plakette habt, könnt ihr euch freuen: Euer Auto muss tatsächlich zum TÜV. Es wird geprüft. Manchmal fährt man dorthin und bekommt dann so einen Mängelbericht. Darin steht, was repariert werden muss, sonst bekommt man die Prüfplakette nicht. Ist das jemandem von euch schon mal so gegangen? Ja, da sind mehrere Leute, denen es so ergangen ist.
In ganz extremen Fällen wird das Auto sogar gleich stillgelegt. Dann kannst du den Schlüssel gleich dalassen. Aber das ist mir bisher noch nicht passiert.
Auch wenn manche von uns vielleicht genauso gerne zum TÜV fahren wie zum Zahnarzt, sind wir doch dankbar – oder zumindest die meisten von uns – dass es den TÜV gibt. Denn weil es den TÜV gibt, weiß ich, dass die Autos, die mir auf der Straße entgegenkommen, funktionierende Bremsen haben. Und ich weiß, wenn mir nachts jemand entgegenkommt, hat er auch ein funktionierendes Licht.
Das dient letztendlich auch meiner Sicherheit. Deshalb sagt niemand ernsthaft: „Schafft einfach den TÜV ab“, weil es eben die eigene Sicherheit betrifft.
Und so wie es einen TÜV für das Auto gibt, so gibt es auch einen TÜV für den Inhalt meines Glaubens. Da muss ich mich immer wieder fragen: Ist mein Glaubensauto verkehrssicher? Gefährde ich mich damit selbst oder gefährde ich damit auch andere?
Da wir ein eigenes Motto für das nächste Jahr haben – über das ich dann beim ersten Sonntag des neuen Jahres predigen werde –, möchte ich in dieser Predigt auf das Motto eingehen. Auf den Vers, der das allgemeine Jahresmotto ist.
Ihr seht ihn hier auf der Folie hinter mir. Es ist der erste Thessalonicher. Ich habe „Zweiter“ geschrieben – das ist ein Fehler, ja, da fängt es schon mal an.
Die Bedeutung des Prüfens im Glauben
1. Thessalonicher 5,21 sagt: "Prüft aber alles, das Gute haltet fest."
Hier ändert sich der Gedanke noch einmal ganz schnell, quasi "on the fly". Dieser Vers ist also der Glaubenstyp, der in der Jahreslosung 2025 aufgegriffen wird: "Prüft aber alles, das Gute haltet fest."
Der Zusammenhang dieses Verses ist folgender: Es gibt Christen, die in der Gemeinde Weissagungen aussprechen. Das ist der Kontext. Nach 1. Korinther 14,3 reden sie deshalb Gottes Wort zur Erbauung, zur Ermahnung und zur Tröstung.
Was tun sie? Trotzdem sagt Paulus: "Prüft alles und das Gute haltet fest. Von aller Art des Bösen haltet euch fern." So geht der Vers weiter.
Ich kann beim TÜV mit einem super polierten Auto auftauchen, richtig glänzend. Davon darf sich der Prüfer aber nicht täuschen lassen. Es geht nicht darum, ob mein Auto poliert ist, sondern darum, ob es verkehrssicher ist. Das muss er prüfen, nicht, ob es glänzt oder nicht.
Auch mich ermahnt Paulus durch diesen Vers: Lass dich vom äußeren Glanz nicht täuschen. Jemand, der in die Gemeinde kommt und sehr fröhlich ist, beeindruckt mich vielleicht durch sein Naturell. Aber es kann sein, dass sein Glaube gar nicht an Jesus festgemacht ist. Vielleicht genießt er die Gemeinschaft und lebt das auch, aber seine Beziehung ist keine tiefe Beziehung zu Jesus. Möglicherweise erkennt er Jesus gar nicht wirklich.
Wenn Paulus sagt: "Prüft alles", dann setzt er etwas voraus. Er nimmt an, dass es, wie man heute sagt, in der Gemeinde Jesu "Fake News" gibt. Es ist möglich, dass jemand die Bibel in der Hand hat, Bibelverse vorliest oder aus der Bibel predigt und dabei lügt. Das geht. Sonst würde dieser Vers überhaupt keinen Sinn machen.
Als Christ gehört es hoffentlich zu deiner DNA, die Autorität der Bibel anzuerkennen. Wenn jemand das, was er sagt, mit der Autorität der Bibel unterstreicht, sind wir sehr leicht geneigt zu sagen: Das stimmt, weil es steht in der Bibel. Die Frage ist: Steht es wirklich so in der Bibel?
Da fällt mir manchmal gar nicht auf, dass das gar kein biblisches Argument ist, das jemand für seine Behauptung verwendet. Er tut nur so.
Warum das Kreuz unverzichtbar für die Vergebung ist
Ich möchte euch ein Beispiel geben. In diesem Text geht es darum, warum Gott vergibt. Das ist eine sehr entscheidende Frage.
„Warum vergibt Gott?“ Ich zitiere mal aus Movecast, dem Podcast, der etwas bewegen will. So lautet das Motto von Martin Benz. Was ist am Kreuz also geschehen? Das Kreuz ist nicht die Ursache oder der Auslöser für Gottes Vergebung und Versöhnung. Gott braucht das Kreuz nicht, um etwas tun zu können, was er vorher nicht tun konnte. Es musste keiner höheren Gerechtigkeit Genüge getan werden.
Das Kreuz hat nicht Gott zum Handeln befähigt, sondern uns zum Glauben. Es trägt eine ungeheuer wichtige Botschaft für uns. Es ist die Botschaft, dass Gott vergeben möchte und sich versöhnen möchte. Das Kreuz bringt seine Liebe und Beziehungssehnsucht zu den Menschen zum Ausdruck.
Am Kreuz geschieht das Schrecklichste, was je geschehen konnte: Gott selbst wird durch die Sündhaftigkeit, die Feindseligkeit und die Gewalttätigkeit der Menschen hingerichtet. Wir werden durch die Kreuzigung Jesu zu Gottes Mördern. In Jesus wird nicht nur Gott, sondern auch ein Unschuldiger, ein Sündloser, hingerichtet. Das ist das schlimmste aller Verbrechen, die größte aller Sünden.
Am Kreuz zeigt sich die abgrundtiefe Bosheit der Menschen. Damit wird das Kreuz zum Kulminationspunkt menschlicher Abgründigkeit. Darum ist die Botschaft vom Kreuz die deutlichste Botschaft der Versöhnungsabsicht und Vergebungsbereitschaft Gottes, die es je gab.
Im Kreuz wählt Gott das Worst-Case-Szenario, um genau darin seine Bereitschaft zur Versöhnung zu zeigen und sich dann auch tatsächlich mit der Welt zu versöhnen. Wenn Gott die abgrundtiefe Bosheit der Menschen, die am Kreuz sichtbar wird, vergeben und sich versöhnen kann, dann reicht seine Vergebung für die ganze Welt, für dich und für mich.
Das klingt sehr gut, das klingt sehr seelsorgerlich. Die Botschaft ist: Wenn Gott den Mördern seines Sohnes einfach so vergeben kann, dann kann er dir auch vergeben. Dann gibt es Hoffnung für dich. Du schaust diesen Text an und sagst: Ja, das berührt mein Herz.
Täuschung wäre keine Täuschung, wenn sie auf den ersten Blick erkennbar wäre. Das, was hier gesagt und geschrieben wurde, ist die Botschaft: Gott kann dir auch ohne das Kreuz vergeben, weil er Gott ist. Er hat das Kreuz nicht nötig.
Wenn du dann aber in die Bibel hineinschaust, in den Bibeltext, den ihr gleich seht, merkst du, dass das, was so biblisch einfühlsam klingt, ein absolut krasser Widerspruch zu Römer 3,25 ist. Dort steht: Gott hat Jesus vor den Augen aller Welt zum Sühneopfer für unsere Schuld gemacht. Durch sein Blut, das er vergossen hat, ist die Sühne geschehen. Nicht einfach so, sondern durch sein Blut. Und durch den Glauben kommt sie uns zugute.
Damit hat Gott unter Beweis gestellt, dass er gerecht gehandelt hat, als er die bis dahin begangenen Verfehlungen der Menschen ungestraft ließ. Dieser Vers sagt also: Die Sühnung kommt durch das Blut.
Es ist nicht so, dass Gott einfach vergeben kann, weil er Gott ist. Auch wenn Gott Liebe ist, kann er Sünde nicht einfach übersehen. Warum? Weil Gott auch gerecht ist. Ein Richter kann nicht sagen: „Ich habe heute einen guten Tag, deswegen machen wir es heute mal ohne Gesetzbuch, wenn du mir einen Kaffee gibst“ oder so ähnlich.
Gottes Vergebung ist nicht nur Straferlass, sondern basiert auf Strafvollzug. Gott streicht die Sünde nicht durch, als ob sie nie geschehen wäre. Gott bucht sie nur um auf ein anderes Konto. Meine Sünde wird auf das Konto des Herrn Jesus umgebucht. Deshalb ist sie nicht mehr auf meinem Konto. Aber sie ist nicht einfach weg, sie ist nur woanders. Sie ist jemand anderem zur Last geworden.
Deshalb ist die Botschaft der Bibel klar: Ohne Kreuz keine Vergebung.
Wachsamkeit gegenüber falscher Lehre
Und wenn Menschen von Jesus predigen, dann hör genau hin, ob sie den gekreuzigten und auferstandenen Jesus predigen. Oder was für ein Jesus wird dort gepredigt? Verstehen sie Jesus so, wie zum Beispiel Jason Liesendahl? Er hat ein Glaubensbekenntnis formuliert, das schon als Glaubensbekenntnis für Progressive bezeichnet wird.
Er schreibt dort: „Wir glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Seinem Beispiel von radikaler Liebe und Gerechtigkeit möchten wir folgen.“ Das klingt gut. Beim Glaubensbekenntnis ist es immer wichtig, genau zu lesen, was dort steht. Aber es ist ebenso wichtig, darauf zu achten, was dort nicht steht – gerade wenn es sich um ein Glaubensbekenntnis handelt.
In einer Predigt kannst du nicht alles sagen, das ist klar. Aber in einem Glaubensbekenntnis sollten die zentralen Dinge enthalten sein. Wenn du das ganze Glaubensbekenntnis liest, fällt auf, dass bewusst nicht erwähnt wird, was Jesus in Markus 10,45 sagt: „Ich bin gekommen, mein Leben zu geben als Lösegeld für viele.“
Warum? Es ist gut, dem Beispiel radikaler Liebe zu folgen. Doch ich schaffe das sowieso nicht allein, ich brauche seine Kraft. Aber dadurch bekomme ich nicht automatisch Vergebung. Darum geht es Liesendahl auch gar nicht. Er sagt, Jesus ist das Vorbild, dem man nachfolgen soll. Ihm geht es nicht darum, dass Jesus sein Leben als Erlösung für viele gab.
Die Aufforderung des Paulus „Prüft alles“ gilt also immer noch. Denn nicht überall, wo Jesus draufsteht, ist auch wirklich Jesus drin – leider. Sei deshalb nicht naiv. Es gibt vieles, was uns als biblisch verkauft wird, obwohl es das nicht ist. Und glaube nicht, dass du dagegen immun bist. Wir Menschen sind verführbar.
Es ist doch spannend: Bei unserem Essen schauen wir ganz genau hin. Ist das noch haltbar? Das nehme ich nicht mehr. Und da sind diese Hinweise, zum Beispiel wie viel Zucker enthalten ist. In manchen Ländern, etwa in Israel, gibt es sogar Zuckeraufkleber auf Lebensmitteln. Das nehme ich nicht. Pass also auch ganz genau auf, was du geistlich zu dir nimmst.
Die Herausforderung, die Paulus hier stellt, lautet: Schlucke ich alles, was mir aufgetischt wird? Deshalb ist kritisches Prüfen sehr wichtig – auch in der eigenen Gemeinde und auch bei dem, was ich hier vorne sage. Der Verkündiger ist auch nicht immun. Da darf man gerne auf ihn zugehen und sagen: „Du, das habe ich jetzt nicht verstanden.“
Ich werde später noch etwas dazu sagen, wie Kritik rüberkommen soll. Aber von der Sache her ist das auf jeden Fall wichtig.
Gefahr der Überinterpretation und falscher Vorsicht
Ich glaube, dass besonders wir als konservative Gläubige manchmal gefährdet sind, uns in manche Dinge hineinzusteigern. Das passiert, weil es uns wichtig ist, alles richtig zu machen. Dadurch können wir verführt werden.
Ich habe vor längerer Zeit jemanden kennengelernt, der bewusst keinen Führerschein gemacht hat. Das ist natürlich erlaubt, bewusst keinen Führerschein zu machen. Bei ihm war es jedoch spannend, weil er es mit der Bibel begründete. Er sagte nämlich: In der Bibel steht, du sollst nicht töten. Und wenn ich Auto fahre, kann ich unabsichtlich in einem Unfall jemanden töten. Deshalb macht er lieber keinen Führerschein.
Das klingt fromm, aber es ist falsch. Denn bei dieser Bibelstelle geht es gar nicht ums Töten allgemein, sondern ums Morden – also darum, dass jemand mit Vorsatz ermordet wird.
Ich glaube, wir haben verstanden, wie wichtig es ist, alles zu prüfen. So haben es auch die Christen in Berea gemacht. In der Apostelgeschichte 17 lesen wir, dass sie täglich die Schriften untersuchten, um zu prüfen, ob es sich so verhielt.
Damit komme ich zu meinem zweiten großen Punkt in der Predigt: Wie prüfe ich denn? Wir haben jetzt darüber nachgedacht, dass es wichtig ist, zu prüfen. Das ist ein aktuelles Wort, das aus dem 1. Thessalonicherbrief stammt.
Auf der nächsten Folie seht ihr, wie ich prüfe. Ganz oben ist ein Banner, der mich an den TÜV erinnert. Dieser Prüfingenieur hat eine Liste. Auf dieser Liste steht, was der Normalwert ist und auch, welche Toleranzwerte es gibt. Solche Werte gibt es natürlich auch beim Prüfen von Aussagen und Lehren.
Praktische Kriterien für das Prüfen von Glaubensinhalten
Als Christ habe ich auch so eine Liste. Das ist Gottes Wort, mit dem ich hier prüfen kann. Dort steht, was richtig ist und was die Toleranzbereiche sind. Wenn ich die Aussagen und Behauptungen, die mir so begegnen, prüfen möchte, dann brauche ich also die Bibel. Und logischerweise muss ich die Bibel auch kennen.
Deshalb ist es für Christen wichtig, die Bibel zu lesen. Wenn ihr zum Beispiel mit 15 anfangt, die Bibel zu lesen und sie einmal im Jahr durchlest, dann habt ihr mit 17 die Bibel zweimal durchgelesen. Das heißt, ihr habt sie häufiger gelesen als die meisten Durchschnittschristen. Super! Man kann also früh anfangen, um einfach zu wissen: „Hey, ich soll Gottes Wort kennen, denn sonst kann ich nicht prüfen.“
Die Bibel zeigt mir das Glaubensfundament, auf dem ich mein Leben aufbaue. Bei dem Beispiel, das ich eben verwendet habe, heißt es ja, Gott braucht das Kreuz nicht. Ich habe versucht zu zeigen, dass diese Aussage anhand der Bibel nicht stimmt. Diese Aussage ist nicht richtig. Lügen, die diese fundamentale Kategorie betreffen, sind so dramatisch, weil sie mir vermitteln, mit dir ist alles in Ordnung.
Dann stehe ich vor Gott und muss feststellen: Hey, ich habe mich mein Leben lang täuschen lassen. Ich habe vielleicht der Lüge geglaubt, dass, wenn ich mich nur bemühe, ein guter Mensch zu sein, Gott mit mir zufrieden sein muss. Es ist kein Geheimnis, dass viele Menschen, die Jesus nicht kennen, viel besser leben als Leute, die Jesus kennen. Aber das rettet mich nicht. Es bringt mich nicht am Ende des Tages in den Himmel.
Am Ende stehe ich dann draußen, weil ich der Lüge geglaubt habe und weil ich Gottes ausgestreckte Vergebungshand ausgeschlagen habe. Ich dachte, ich brauche Gott nicht. In dieser arroganten Haltung habe ich Gott verpasst. Ich werde dann ewig von Gott getrennt sein. Dabei hätte ich nur im Gebet zu ihm kommen müssen, ihn bitten müssen: „Gott, bitte vergib du mir meine arrogante Haltung und meine konkreten Sünden. Bitte nimm du mich an als den verlorenen Sohn, als deine verlorene Tochter, und mach mich zu deinem Kind.“
Paulus betont hier dieses „Prüfet alles“ auch deshalb, damit ich in fundamentalen Fragen nicht verführt werde, damit ich mein Ziel erreiche. Der Kompass, der mich zu diesem Ziel bringt, ist die Bibel. Jesus sagt einmal in Johannes 8,31-32: „Ihr seid meine Jünger, wenn ihr in meinem Wort bleibt, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“
Aus diesem Bibelvers lerne ich: Ich lese nicht die Bibel, um meinen Bibelleseplan abzuhaken. Das ist zwar gut, wenn ich meinen Bibelleseplan abhake, aber das ist nicht der Grund, warum ich die Bibel lese. Bibellesen ist kein Selbstzweck. Es verfolgt ein viel höheres Ziel.
Denn durch das Bibellesen lerne ich Jesus besser kennen. Ich verstehe mehr, wie er denkt, wie er fühlt, wie Jesus handelt. Deswegen erkenne ich die Wahrheit durch das Lesen der Bibel. Dann kann ich vergleichen, was ich sonst so höre und auf YouTube sehe. Stimmt es überein mit dem, was in der Bibel steht?
Ich lerne durch das Bibellesen immer mehr, Jesus zu folgen und nicht meinem eigenen Herzen zu vertrauen. Damit folge ich ihm auf dem Weg der Wahrheit, auf dem Weg in die Freiheit. Das ist, was Jesus selbst hier sagt. Die Bibel ist der Maßstab, die feste Bezugsgröße.
Auch hier muss ich ehrlich sein: Wenn es keine biblische Begründung für eine Überzeugung oder eine Handlung gibt, dann muss ich das auch sagen. Ich muss nicht versuchen, es irgendwie hinzubiegen, indem ich sage: „Ja, dafür gibt es keine biblische Begründung.“
Für vieles, was wir tun, auch in der Gemeinde, können wir keine biblische Begründung nennen, keinen Bibelvers. Trotzdem ist es nicht schlecht, das zu tun. Zum Beispiel, dass unser Gottesdienst um 10:30 Uhr beginnt – dafür gibt es keinen Bibelvers. Dass hier vorne nur einer steht und predigt und ihr alle zuhört – auch dafür gibt es keinen Bibelvers.
Das ist unsere Prägung, das ist unsere Tradition. Dass uns Stille vor dem Gottesdienst wichtig ist, um uns auf Gott zu konzentrieren – auch das ist unsere Prägung. Dafür gibt es keinen Bibelvers. Es gibt keinen Bibelvers, der sagt, du musst vor dem Gottesdienst still sein. Trotzdem ist es gut, das zu machen.
Manche Bibelverse werden in anderen Gemeinden, in anderen Kontexten, einfach anders verstanden als bei uns. Man sagt dann: „Das sind Bibelverse, über die sich die Christen über die Jahrhunderte schon lebhaft unterhalten haben.“
Zum Beispiel: In manchen Gemeinden wird die Fußwaschung wörtlich genommen, wir machen das nicht. Dann nimmt man den Bruderkuss wörtlich, wir machen das auch nicht. Manche sehen ein tausendjähriges Reich vor der Wiederkunft des Herrn Jesus, wir sehen das anders.
Bei jedem Gottesdienst wird das Vaterunser gebetet – das ist nicht schlecht, machen wir aber nicht. Ich habe jetzt ganz bewusst unterschiedliche Kategorien aufgezählt, um deutlich zu machen: Beim Prüfen muss ich mir auch bewusst machen, um welche Fragen es hier eigentlich geht.
Wenn beim TÜV die Bremse nicht funktioniert, dann ist das ein ganz anderes Thema, als wenn das Standlicht nicht funktioniert. Auch beim Glaubenscheck ist es ein Unterschied, ob hier jemand meint, das Kreuz sei für Gottes Vergebung nicht wichtig, so wie wir es gelesen haben, oder ob ich darüber diskutiere, ob ich Wein oder Traubensaft beim Abendmahl nehme.
Das sind zwei unterschiedliche Gewichtungen. Deshalb muss ich beim Prüfen fragen: Gehört diese Frage eigentlich ins Glaubensfundament? Oder ist sie eher Teil des Rohbaus der Gemeinde, also eher unsere Prägung? Ist das Überzeugung oder eine Ausbaufrage, die man in der Gemeinde durchaus auch verschieden sehen kann und damit gut leben kann?
Wenn Paulus hier sagt: „Prüfet alles“, dann betrifft das natürlich auch alle Kategorien. Er schränkt es hier nicht ein. Nur die Konsequenzen sind sehr unterschiedlich.
Gegen Lügen, die das Fundament betreffen, muss ich aufstehen. Das kann ich nicht stehen lassen. Gegen andere Sichtweisen über den Rohbau muss ich meine Position biblisch belegen und vielleicht auch deutlich machen: Das ist unsere Überzeugung. Wir möchten nicht, dass du deine Überzeugung missionarisch in der Gemeinde verbreitest. Aber natürlich darfst du sie für dich selbst glauben.
Das sind Rohbaufragen. Und dann gibt es Ausbaufragen. Da sollte ich mich bemühen, die Position des Anderen wirklich auch zu verstehen. Aber es hat dann keine Konsequenz für unser Zusammenleben in der Gemeinde.
Die Balance zwischen Kritik und Wertschätzung
Wenn Paulus sagt: „Prüft alles“, dann geht er davon aus, dass es subtile Angriffe gegen Gottes Wort gibt. Ich muss euch sagen, ich finde das nicht nur schlecht, weil es mich herausfordert. Bei manchen Dingen muss ich wirklich genau überlegen: Warum glaube ich eigentlich, was ich glaube?
Das fordert uns als Christen heraus, die Bibel mehr in die Hand zu nehmen, sie zu kennen und nachzuschauen, was die Bibel zu einer bestimmten Frage sagt. Das ist der erste Punkt: Prüft die Bibel.
Der zweite Punkt als Prüfkriterium ist die Frage nach anderen Christen, also der Gemeinde. Gott hat mich in die Gemeinde hineingestellt, damit ich mich frage: Wie beantworten andere Christen diese Frage? Wie sehen sie das?
Dabei können es auch schon verstorbene Christen sein, die vorher aufgeschrieben haben, wie sie über bestimmte Dinge denken. Das sind dann zum Beispiel die Glaubensbekenntnisse, die wir heute haben. In diesen Bekenntnissen ist sehr komprimiert zusammengefasst, was Christen auf ihrem Weg mit Jesus wichtig war.
Davon kann ich sehr viel lernen. Ich kann mich fragen: Was ist dort niedergeschrieben worden? Das ist ein Schatz, der zwar nicht mit der Bibel gleichzusetzen ist, aber den wir als Gemeinde haben und auf den wir zurückgreifen dürfen.
Wenn ich andere Christen frage, wird auch deutlich, was Gott ihnen wichtig gemacht hat. Gerade bei lebenden Christen – es gibt ja nicht nur Tote, sondern viele Lebende – kann ich mich einfach mal umhören und mich mit ihren Gedanken beschäftigen.
Manchmal habe ich konkrete Bibelverse, die ich prüfen kann und mit denen ich mich mit anderen Christen austauschen kann. Aber es gibt auch noch ein drittes Prinzip, ein biblisches Prinzip, eine Art prinzipielle Formel.
Ich habe diese Formel aufgeschrieben. Wenn ich etwas anderes geschrieben hätte, wüsste ich gar nicht, wovon ich rede – das ist fast wie in der Mathematik.
Ein Beispiel: Darf ich einen Gottesdienst festlicher gestalten? Es gibt keinen Bibelvers, der explizit sagt: „Du darfst einen Gottesdienst festlicher gestalten.“
Aber wenn ich ins Alte Testament schaue, wie Gott die Gottesdienste dem Volk Israel vorgeschrieben hat, dann denke ich: Wow, das war ganz schön festlich! Das kann ich durchaus für mich übernehmen.
Oder die Frage: Wie ist das mit dem Besitz? Haben Christen alles gemeinsam, so wie in einem Kibbutz? In Jerusalem hat man das so gemacht, das stimmt. Aber in Ephesus und Philippi nicht.
Wenn du prinzipiell ins Alte Testament schaust, findest du sogar in den Zehn Geboten einen Bibelvers, der sagt: „Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus.“ Das heißt, das gehört ihm – ebenso wie seine Frau, sein Vieh und so weiter.
Gott achtet also sehr wohl das Privateigentum, das sieht man an vielen anderen Stellen im Alten Testament genauso.
Das ist ein sehr wichtiges Prinzip.
Und nun komme ich gleich zu dem vierten Prinzip, das für mich fast das wichtigste ist.
Das Wesen Gottes als Prüfmaßstab
Kleine Geschichte
Im Vorfeld: Ich habe meinen Messenger gewechselt. Dann kam eine Nachricht: „Hallo Papa, ich habe meine Telefonnummer geändert. Könntest du mir bitte eine Nachricht auf die neue Nummer schicken?“ Mir war sofort klar: So schreibt er mich ja nicht an. Und Yael auch nicht, sie nutzt diesen Messenger gar nicht.
Mir war klar, diese Nachricht ist fake, weil ich den vermeintlichen Absender kenne. Genau darum geht es beim vierten Punkt: Es entspricht dem, worum es geht, nämlich darum, das Wesen Gottes zu prüfen. Dabei werde ich merken, dass dieses Verhalten nicht zu Gott passt oder diese Meinung nicht von Gott stammt.
Wir sollten Gott so gut kennen, dass wir bei manchen Dingen instinktiv wissen: Das passt nicht zu Gott. Ich sehe mich zum Beispiel nicht in der Lage, großartig über die Evolutionstheorie zu diskutieren. Das tun viele Christen, und das dürfen sie auch. Manchmal habe ich jedoch den Eindruck, dass sie nur nachplappern, was sie irgendwo schnell gelesen haben. Wenn dann jemand genauer nachfragt, wird schnell deutlich, dass sie in der Materie nicht wirklich drinstecken.
Was ich aber machen kann, ist, theologisch auf die Evolutionstheorie zu schauen. Ich kann verstehen: Aha, in der Evolution geht es darum, dass der Fitteste, der Stärkste gewinnt. Passt das zum Wesen Gottes? Gott ist barmherzig und kümmert sich um die Schwachen. Ist das so? Dann muss ich sagen: Nein, das passt nicht zum Wesen Gottes. So kann ich für mich selbst argumentieren.
Ich finde es ganz wichtig, das Wesen Gottes zu kennen. Gott fordert mich heraus, alles zu prüfen. Wir haben uns angeschaut, wie ich das praktisch machen kann: Nimm die Bibel in die Hand, schau nach Bibelstellen, sprich mit anderen Christen, lies Glaubensbekenntnisse durch, halte Ausschau nach biblischen Prinzipien und überlege, ob es zum Wesen Gottes passt.
Das ist so der erste Teil der offiziellen Jahreslosung.
Das Gute bewahren trotz kritischer Prüfung
Aber damit hört es ja nicht auf. Es gibt einen zweiten Teil, und den sehen wir uns jetzt an. Oh, ihr habt es auch schon geändert, das ist der 1. Thessalonicher, gut.
Das Gute haltet fest. Ich glaube, dass wir dazu neigen, den ersten Teil willig anzunehmen, aber mit dem zweiten haben wir manchmal Schwierigkeiten. Wir leben eher nach dem Motto: Prüft alles und klagt über das Schlechte. Dabei steht hier nicht, dass man das Schlechte hervorheben soll, auch wenn manches schlecht ist – das wird ja gar nicht in Abrede gestellt. Es ist trotzdem wichtig, sich zu fragen: Und was kann ich lernen?
Ich habe hier sogar eine Aufforderung: Nimm das Gute mit in dein Leben. Manchmal habe ich den Eindruck, dass schnell und heftig kritisiert wird – oft auch übertrieben. Da gibt es eine Formulierung, die man objektiv betrachtet missverständlich nennen muss. Deshalb bekommt der andere gleich den Stempel „liberal“ aufgedrückt, und es wird ganz schnell persönlich.
Manchmal macht der andere tatsächlich etwas falsch, aber man sieht gar nicht seine Absicht, man sieht nicht die Liebe, die dahinter steht, sondern man betont nur den Fehler. Und diesen Fehler tritt man dann breit. Dabei übersieht man das Gute. Und hier steht: Das Gute haltet fest.
Ich sage es noch einmal: Hier steht nicht, das Schlechte stellt ins Scheinwerferlicht, auch wenn das vielleicht sehr oft die Praxis ist. Zum Beispiel ist bei der Praxis des hörenden Gebetes sicher manches kritisch zu sehen. Aber was ist das Gute?
Das Gute ist, dass Menschen sich danach ausstrecken, Gottes Reden hier und jetzt im Alltag zu erleben. Davon kann ich lernen. Vielleicht bin ich jemand, der gar nicht damit rechnet, dass Gott auf mein Gebet hier und jetzt antwortet. Vielleicht ist mein Gebet eher eine Einbahnstraße: Ich rede Gott die Ohren voll, sage Amen und schwupps, weg bin ich. Das ist meine Gebetspraxis – Liste zu Ende gebetet.
Ich kenne vielleicht gar nicht das Gebet, in dem ich in einer guten Art und Weise hinhöre. Aber genau diese Haltung, dieses Offensein für Gottes Reden, das ich bei anderen sehe, könnte ich doch trotz berechtigter Kritik als das Gute behalten, das ich mitnehme.
Oder ein anderes Beispiel, um euren Blutdruck mal ein bisschen zu steigern: Natürlich – und das möchte ich betonen – muss man manche Praxis in der charismatischen Bewegung kritisch kommentieren. Aber dass dort Gefühle eine größere Rolle spielen als bei uns, ist nicht nur schlecht.
Wenn ich diesen Vers dort sehe, dann weiß ich: Gott hat uns eine rechte Gehirnhälfte gegeben, um Gefühle wahrzunehmen. Deshalb sollte ich sie benutzen und nicht einfach bei der rechten Gehirnhälfte die Tür zumachen und dauerhaft geschlossen lassen, so dass bei uns nur kognitiv gedacht wird.
Gott selbst zeigt in der Bibel immer wieder Gefühle. Das ist das Gute, das ich behalten möchte.
Noch etwas: Christen kommen manchmal aus diesem kritischen Prüfmodus gar nicht mehr heraus. Man hört Predigten, Aussagen nur noch kritisch und fragt: Was passt dort nicht? Das nennt sich dann Wächterdienst. „Ich bin zum Wächterdienst berufen.“ Ich glaube, was daran schwierig ist, ist, dass man die Dinge sehr schnell auf eine geistliche Ebene zieht.
Um euren Blutdruck noch ein Stück weit zu steigern: Ich glaube, das ist auch ein Stück weit unsere Gemeindekultur, dass wir das, was wir meinen, ganz schnell mit geistlichen Themen in Verbindung bringen. Ganz schnell heißt es dann: So sieht der Heilige Geist das auch. Ja, also ich und der Heilige Geist, wir sehen das so.
Was will ich denn darauf noch antworten? Mit dieser Haltung schafft man es superschnell, Mitarbeitern die Motivation zu nehmen. Gleich heißt es: Das ist falsch.
Wir haben darüber im Leitungskreis gesprochen. Ich sage es mal ganz bewusst: Deshalb bitten wir euch als Leitungskreis, gerade im Blick auf unsere jungen Mitarbeiter, mit der Kritik zu uns Ältesten zu kommen. Denn manche ahnen gar nicht, wie niederschmetternd ihre Kritik bei jungen Mitarbeitern ankommt.
Weil man mit dem Schild vor sich herläuft: Prüft alles. Und man hat vergessen, darauf zu schreiben: Das Gute haltet fest.
Damit sage ich nicht, man darf Dinge nicht kritisieren – das sage ich nicht. Das ist wichtig, das haben wir gelesen, steht ja hier: Prüft alles.
Aber wie lebe ich das „Das Gute haltet fest“?
Ein Bereich, wo man das Gute festhalten kann, ist das Thema Lieder. Hier sind die Einstellungen ganz verschieden. Wenn mir das nächste Mal ein Lied im Gemeindegesang nicht gefällt – und das kommt vor, das erlebt jeder von uns –, dann frag dich doch erst einmal: Was finde ich an dem Lied gut? Was kann ich aus dem Lied lernen? Hast du dich schon mal gefragt: Das Gute haltet fest?
Dann kann ich reflektieren: Was finde ich an diesem Lied kritisch und warum? Ist es meine Prägung, ist es meine Geschichte? Es gibt manches, das triggert mich an manchen Liedern. Ich sage von mir, das triggert mich wirklich, und deswegen finde ich es nicht gut. Aber dich triggert es vielleicht überhaupt nicht, sondern du singst mit großer Freude dieses Lied, oder?
Das mag auch sein. Gibt es geistliche Bedenken? Vielleicht sollte ich manchmal sagen: Das Gemeindelied ist weder gut noch schlecht, aber es ist nicht mein Ding. Punkt.
Kann doch sein. Und wenn es wirklich geistliche Bedenken gibt, dann sollte ich zu den Ältesten damit kommen.
Wir haben ja schon sichergemacht: Das grüne und das blaue Liederbuch können wir verwenden, weil die Leute hier vorne stehen, die brauchen ja irgendeine Basis. Und eigentlich müsste das auch für Glorify gelten. Wir können schlecht ein Jugendliederbuch haben, das man hier nicht singen sollte.
Also, wir kamen gedanklich vom Wächterdienst her. Leider sind wir manchmal, im Blick auf uns selbst, gar nicht so mit dem Wächterdienst beschäftigt, so wachsam.
Was würdest du antworten auf die Frage: Sag mal, wo sind eigentlich deine blinden Flecken? Zähl sie mir mal auf.
Dann würdest du sagen: Wenn ich sie wüsste, wären sie nicht blind. Ja, dann bist du natürlich gut raus aus der Nummer. Aber vielleicht sollte ich das auch in Betracht ziehen: Es gibt durchaus blinde Flecken in meinem Leben.
Deshalb nehme ich beide Teile ernst: Dieses „Prüft alles“ ist wichtig, aber auch das „Das Gute behaltet“.
Und die Steigerung von „Das Gute behaltet“ ist: Bei aller berechtigten Kritik, die da sein muss oder sein kann, rede auch über das Gute. Betone, was ich von anderen lernen kann.
Und ich sage es euch, Geschwister: Diese Spannung bleibt. Auf der einen Seite das Gefährliche zu sehen, das mich von Jesus wegziehen kann und von seinem Wort. Und auf der anderen Seite das Gute zu sehen, das mir in meiner Beziehung zu Jesus helfen kann, wenn ich es besser umsetze, als ich es bei anderen sehe.
Abschlussgebet
Und deshalb möchte ich mit einem Gebet abschließen. Ich habe es mir aufgeschrieben und möchte es nun als Abschluss zu diesem Text beten.
Schenk mir die Einstellung und die Überzeugung, mein Leben immer wieder an deinem Wort zu prüfen. Lass mich mit deiner Kraft mein Denken und Handeln in den Bereichen korrigieren, in denen ich Korrektur brauche. Hilf mir außerdem, andere zu ermutigen, sich von dir verändern zu lassen.
Bewahre mich davor, andere mit meinem kritischen Geist zu verletzen oder niederzureden. Lass mich meine eigene Meinung nicht mit deinem Wort verwechseln. Gib mir die Bereitschaft, von anderen zu lernen, auch wenn ich manches an ihnen falsch finde und nicht übernehmen kann. Dennoch möge ich das Gute sehen und bewahren.
