
Ich hoffe, dass ihr alle in eurem Leben Zeiten hattet, in denen ihr sagen konntet: Das ist richtig schön, Leben kann ja schön sein. Wenn ich euch fragen würde, würde der eine wahrscheinlich sagen: Die Geburt meines ersten Kindes, so ein kleines Baby auf dem Arm zu haben. Vielleicht würde der andere sagen: Ja, der Bezug meiner neuen Wohnung, der Abschluss meines Studiums, meine Hochzeit oder die tolle Urlaubsreise.
Also, ich glaube, es gibt allen Grund, dass wir uns über manche Dinge freuen können und uns daran zurückerinnern. Dabei helfen uns manchmal auch Bilder, die wir gemacht haben, also Fotos, die wir aufgenommen haben.
Genauso ist es, glaube ich, auch in der Natur. Gestern hatten wir ja einen Ausflug nach St. Gallen und waren unter anderem im Botanischen Garten. Ich finde das ganz beeindruckend. Wäre meine Frau dabei gewesen, hätte sie dort noch ein paar Stunden verbringen können, mit all den exotischen Pflanzen, Blüten und all so etwas. Das ist ja irgendwie toll, nicht?
Bei beidem müssen wir aber auch sagen: Das ist nicht die ganze Wahrheit, oder das ist nicht das Ganze im Leben. Denn wenn ich jetzt zu sehr davon schwärmen würde, dass das Leben toll ist und alles schön, dann würden einige hier schon sitzen – oder vielleicht auch schon da – und sagen: Ja, Michael, wenn du wüsstest, in meinem Leben sieht das gar nicht mehr so aus. Da habe ich keine Freude, da habe ich innerlich Angst, Sorgen und Schmerzen.
Wenn wir uns umschauen, sowohl in unserem eigenen Leben als auch in unserem Umfeld oder in der Welt, in der wir leben, dann gibt es immer beides – und es gab auch immer beides. Es gibt Zeiten, in denen wir uns freuen können, und es gibt auch Zeiten, in denen wir traurig sind oder sogar leiden und nicht weiterwissen, wie es weitergeht.
Das, was wir in unserem eigenen Leben erfahren, erleben wir auch auf der größeren politischen Bühne. Dort gibt es manche tolle Sachen: neue wissenschaftliche Entwicklungen, die uns das Leben leichter machen, Friedensschlüsse, von denen wir begeistert sind, weil nach langem Krieg endlich Frieden geschlossen wird.
Aber auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die ihr Heimatland verlassen müssen. Sie fliehen, weil dort Bürgerkrieg oder Hungersnot herrscht. Außerdem gibt es Leute, die sich als ganz besonders wichtig verstehen, andere Länder überfallen, mit Krieg überziehen und allerlei schlimme Dinge tun.
Dazu kommen noch persönliche Leiden: Streit mit dem Ehepartner, Probleme am Arbeitsplatz, Krankheiten, Alter, Einschränkungen und anderes Leid. Dasselbe finden wir übrigens auch in der Natur. Wenn wir die Natur anschauen und nur alles super finden, dann liegt das meistens daran, dass wir nicht wirklich in der Natur leben oder dass wir uns den See nicht genau anschauen.
Wenn wir genauer hinschauen, merken wir: Für den Regenwurm, der gefressen wurde, ist das auch nicht schön. Für die Gazelle, die vom Löwen erlegt wurde, ist es ebenfalls nicht schön. Wenn ihr euch manche Rehe anschaut, die irgendwo in den Wäldern unterwegs sind, und falls ihr mal mit einem Jäger gesprochen habt, wisst ihr vielleicht, dass diese Rehe voller Parasiten sind.
Da sind Flöhe, Läuse, Wanzen und vieles mehr, denn in der freien Natur haben die Rehe keine Ärzte, die sie untersuchen und ihnen helfen. Dort gibt es auch Grausamkeit und Brutalität. Ein Organismus kämpft gegen den anderen. Das ist nicht immer schön, und das alles gehört irgendwie zu der Welt, in der wir leben.
Damit sind wir natürlich nicht immer zufrieden.
Und jetzt stellt sich die Frage, wie wir mit Leid umgehen – insbesondere, wenn wir selbst betroffen sind. Sei es intellektuell, weil wir darüber nachdenken, oder ganz persönlich, weil wir selbst leiden. Vielleicht leiden wir auch mit, wenn wir von Menschen lesen oder hören, die im Leid sind. Zum Beispiel in Büchern oder in YouTube-Videos, in denen Menschen berichten, wie schlecht es ihnen geht.
Die Frage ist also: Wie gehen wir damit um? Und wenn wir Christen sind oder an Gott glauben, wie bringen wir das Ganze mit Gott zusammen?
Zuerst einmal gibt es hier eine ganz wichtige Frage und eine Aussage, die wir an verschiedenen Stellen in der Bibel finden. Für mich als Christ ist die Bibel die Grundlage, an der ich mich orientiere. Sie ist ein Spiegel des Denkens Gottes, in dem Gott Menschen etwas mitgeteilt hat. Das gibt mir immer wieder Orientierung, Trost, Zuversicht und Perspektive. Ich bin überzeugt davon, dass das, was in der Bibel steht, wirklich weiterhilft – mir und auch dir.
Wenn ich in der Bibel lese, finde ich verschiedene Stellen, die Antworten auf die Frage nach dem Leid geben. Ganz grundsätzlich möchte ich hier einen kleinen Abschnitt aus einem Text vorlesen, den ihr wahrscheinlich alle kennt, wenn ihr ab und zu in der Bibel lest. Es ist die Bergpredigt Jesu im Matthäusevangelium, Kapitel 5. Ich lese nur ein paar Auszüge:
Dort heißt es: „Glückselig sind die Trauernden.“ Jetzt würden wir natürlich sagen: Herr Jesus, irrst du dich da nicht? Hier müsste doch stehen: Glückselig sind die Freuenden, die Glücklichen. Aber Jesus hat tatsächlich eine ganz andere Sichtweise – eine asymmetrische, die dem Trend unserer Zeit völlig entgegensteht.
Das ist kein billiger Trost, denn Jesus sagt weiter: „Glückselig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden.“ Wenig später heißt es: „Glückselig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie sollen satt werden.“ Sie sollen also bekommen, wonach sie sich sehnen.
Das ist etwas, was viele Menschen betrifft: Die einen hungern wirklich, die anderen leiden und sind traurig, wieder andere sehnen sich nach Gerechtigkeit, die sie hier auf der Erde oft nicht erfahren.
Wenn wir dann etwas weiterblättern, finden wir in der Offenbarung, wo Gott dem Johannes, dem Jünger Jesu, Dinge mitteilt, einen sehr schönen Text. Die Offenbarung steht fast am Ende der Bibel – in Offenbarung 21, Vers 4. Ich empfinde diesen Vers als eine der schönsten Aussagen der Offenbarung des Johannes, die voller Beschreibungen von Leid ist.
Gott sagt dort, dass am Ende der Zeiten viel Leid herrschen wird, sogar mehr als gewöhnlich. Die Menschen werden nach einer Lösung, nach einem Ausweg suchen. Und dann lesen wir in Offenbarung 21,4: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein. Weder Leid noch Geschrei noch Schmerzen wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.“
Dieser Text geht noch weiter und beschreibt, wie die Welt sein wird, die Gott aufbauen wird, was er uns verheißen hat und was kommen wird.
Ich glaube, bei allem Leid und bei allem Nachdenken darüber ist das eine ganz wichtige Perspektive: Zu wissen, dass das Leid nicht das letzte Wort hat, basierend auf dem, was Gott durch Jesus Christus gesagt hat.
In den Seligpreisungen heißt es: „Selig sind die Leidtragenden, sie werden getröstet werden.“ Und hier verspricht Gott selbst, alle Tränen abzuwischen. Das ist etwas, worauf ein Christ hoffen kann – und auch ein Mensch, der sieht, dass es auf der Erde nie echte Gerechtigkeit gibt.
Wenn du ehrlich bist, musst du sagen: Trotz aller Versprechen von Gerechtigkeit in Politik, Ideologien und Philosophie gab es auf der Erde noch nie wirkliche Gerechtigkeit. Manchmal gibt es ein bisschen mehr, manchmal ein bisschen weniger. Doch meistens fangen gerade diejenigen, die besonders gerecht sein wollen, an, andere zu unterdrücken. Sie halten die anderen für ungerecht, weil diese nicht so denken wie sie selbst.
Ein Beispiel ist der Kommunismus, der Gerechtigkeit schaffen wollte. Am Ende wurden alle, die keine Kommunisten waren, als Feinde der Gesellschaft betrachtet und getötet. Das war dann die „Gerechtigkeit“.
Das zeigt, wie der Mensch leider oft gestrickt ist.
Und hier ist das Versprechen Gottes: Er wird das nicht ewig so laufen lassen, sondern dem ein Ende setzen.
Das ist bei allem Leid wichtig, wenn wir merken, dass wir hier auf der Erde vieles nicht beenden können – und Gott das auch nicht immer übernatürlich tut.
Wir können wissen: Gott hat viele Versprechen gegeben, die er eingehalten hat. Viele sind bereits eingetreten oder wurden prophetisch vorhergesagt. Auch dieses Versprechen wird er halten. Darauf sollten wir hoffen.
Allerdings ist das nicht alles. Was man beim Nachdenken über das Leid manchmal aus dem Blick verliert – ihr kennt das vielleicht auch – ist Folgendes: Wenn wir darüber nachdenken, dass ein Flugzeug abstürzt und viele Menschen dabei ums Leben kommen, fragen wir uns oft: Wie kann Gott das zulassen? Kommt es zu einem Vulkanausbruch, bei dem Menschen sterben, oder geht ein Schiff unter, oder passiert etwas anderes Schlimmes, dann ist schnell die Frage da: Gott, warum lässt du das zu?
Ich glaube, wenn wir ehrlich sind, sollten wir zumindest auch erst einmal diesem Gedanken nachgehen: Wie häufig verhindert Gott eigentlich Leid? Wer fragt, warum Gott einen Flugzeugabsturz zulässt, müsste auch ehrlich sagen: Wie oft verhindert Gott Flugzeugabstürze? Wenn ihr mal in Büchern oder im Internet nachlest, werdet ihr feststellen, dass es etwa zehnmal so viele Beinahe-Abstürze gibt – also Situationen, in denen es knapp gut ausgeht.
Bei diesen zehnmal so vielen Fällen, in denen alles gut geht, wie oft hört ihr in Medien oder eurem Umfeld, dass jemand sagt: Gott sei Dank, Gott hat eingegriffen, er hat uns bewahrt, wir danken ihm? Ich kenne so gut wie niemanden, der das sagt. Stattdessen hört man eher: Ach, wir hatten nochmal Glück, es ist nochmal gut gegangen, gut, dass der Pilot so gut ausgebildet war. Aber wenn es schiefgeht, dann kommt häufig die Frage: Gott, warum hast du denn jetzt nicht eingegriffen?
Da müssen wir natürlich sagen: Das gilt sowohl für solche Ereignisse als auch für unser persönliches Leben. Wenn ich zum Beispiel krank bin – und ich war schon mehrfach schwer krank, auch längere Zeit – dann ist das wirklich nicht angenehm. Ich würde für den Rest meines Lebens darauf verzichten, wenn ich gefragt werde. Aber ich muss sagen: Glücklicherweise bin ich an den meisten Tagen meines Lebens nicht mit Schmerzen aufgewacht. Den Großteil meines Lebens konnte ich satt essen, trocken schlafen und so weiter.
Jetzt kann es ganz schnell anders sein, und da müssen wir immer auch daran denken: Wenn wir Gott Vorwürfe machen, sind wir da wirklich ehrlich Gott gegenüber? Wenn wir ehrlich sind, müssten wir eine lange Liste machen und aufschreiben, was Gott uns alles geschenkt hat, wo er uns Menschen geschenkt hat, die uns bereichert und aufgebaut haben. Manchmal sind wir im Leiden blind dafür und vergessen das. Dann brauchen wir eine Zeit, in der wir uns bewusst daran erinnern, ob das immer so war.
Manche Menschen sind dabei pessimistisch und sagen: Ja, das war schon immer so. Aber wenn wir genau hinschauen, stimmt das gar nicht. Für mich ist ein typisches Beispiel Elija, als er in der Wüste ist und zu Gott sagt: Das Volk Israel hat alle Propheten verfolgt, ich bin der Einzige, der übrig geblieben ist. Das ist so typisch für eine Phase, in der es einem richtig schlecht geht und man sich schlecht fühlt. Am Ende der Geschichte tröstet Gott ihn und sagt: Elija, du irrst dich, siebentausend sind übrig geblieben, die mir treu geblieben sind.
Manchmal sehen wir eine Sache schwärzer, als sie ist. Wir brauchen erst eine Zeit, um den richtigen Blick zu bekommen. Wenn du in einer schwierigen Situation bist oder es dir gut geht, erinnere dich an die guten Tage. Behalte sie in Ehren und nimm sie nicht als selbstverständlich. Sie sind ein Geschenk Gottes an dich. Manchmal erlebst du gute Dinge, für die du gar nichts getan hast – sie sind einfach so gekommen. Das ist kein Zufall, sondern Gott beschenkt dich.
Gott beschenkt nicht nur Christen, sondern auch Menschen, die keine Christen sind, weil sie seine Geschöpfe sind. Das erleben wir auch, als Jesus auftritt: Er macht keinen Glaubenstest, wenn ein Blinder oder Lahmer zu ihm kommt, um geheilt zu werden. Diese Menschen sagen einfach: Bitte hilf mir! Jesus fragt nicht: Glaubst du zur richtigen Kirche? Nein, er hat Mitleid mit ihnen und heilt sie. Übrigens sind diese Menschen oft undankbar. In den seltensten Fällen folgen sie Jesus nach oder verändern ihr Leben religiös. Die meisten sagen: Endlich gesund, super, jetzt genieße ich das Leben. Das macht Jesus traurig.
Jesus geht den Menschen nach, er beschenkt uns mit Talenten, Begabungen, Familie, Freunden, schönem Wetter, Essen, Job und vielem mehr. Wir nehmen all das oft für selbstverständlich und sagen am Ende vielleicht sogar: Das habe ich ja selbst gemacht. Aber was hast du denn für deine Talente gemacht, für deine Musikalität oder Sprachfähigkeit? Das ist etwas, was Gott dir geschenkt hat, etwas, das von außen kommt. Fachleute nennen das Kontingenz – etwas, das nicht von dir selbst ausgeht, sondern von außen kommt.
Wenn wir über Leid nachdenken, dürfen wir das nie vergessen: Gott beschenkt uns auch mit vielen positiven Dingen. Und was ich immer wieder erlebt habe, aber leider nicht garantieren kann, ist, dass Gott auch in Leidsituationen immer wieder eingreift. Ich weiß von manchen Situationen, in denen es mir schlecht ging, ich keine Perspektive hatte oder mir Sorgen machte. Dann komme ich zu Gott und bitte ihn darum. Manchmal sage ich einfach nur: Gott, wer macht sich Sorgen? Ich weiß nicht mehr weiter, was soll ich tun? Manchmal bitte ich auch: Nimm mir die Gedanken weg, weil ich keine Lösung finde, aber die Gedanken mich blockieren.
Manchmal merke ich, dass Gott mir die Gedanken nimmt. Manchmal verändert er eine Situation grundsätzlich. Manchmal greift er sogar ein, und da, wo kein Arzt mehr eine Perspektive sieht, wird ein Mensch gesund, für den ich gebetet habe. Jetzt sagen einige vielleicht: Ja, Michael, ich habe auch schon gebetet, und es ist nicht das eingetreten, was ich mir gewünscht habe. Ja, natürlich passiert das. Das ist gerade ein Hinweis darauf, dass Gott Gott ist.
Manche fragen sich vielleicht: Wieso ist das nicht genau umgekehrt? Wenn ich bete und es nicht passiert, ist das doch ein Zeichen, dass Gott nicht da ist. Nein, das ist falsch! Wäre Gott ein Naturgesetz, dann hättet ihr Recht. Aber der Gott, den die Bibel beschreibt, ist eine Person. Eine Person kann entscheiden: Mache ich das oder mache ich das nicht?
Wenn ich zu dir komme und sage: Gib mir mal tausend Franken, und du gibst sie mir nicht, dann sage ich nicht, dass du nicht existierst. Aber manche kommen zu Gott und sagen: Gott, mach das, was ich wünsche, und wenn du es nicht tust, existierst du nicht. Das funktioniert so nicht. Wenn wir Gott bitten, dürfen wir das natürlich tun. Manchmal gibt Gott uns ja tatsächlich die tausend Franken.
Wie kommt das? Warum macht Gott das? Er ist ja nicht verpflichtet dazu. Hast du einen Vertrag mit Gott, in dem steht: Jeden Tag gesund, jeden Tag satt? Gott hat so etwas nicht unterschrieben. Manche denken, das sei selbstverständlich, das sei Gottes Job. Der Gott der Bibel hat sich nie verpflichtet, alles Leid von uns fernzuhalten. Wenn er es trotzdem tut, ist das ein Zeichen seiner Liebe.
Man könnte sagen: Liebt Gott mich nicht, wenn er nicht immer antwortet? Nein, hier müssen wir sehen: Gott ist eine Person mit Persönlichkeit, und er kann entscheiden. Manchmal verstehen wir seine Motive nicht. Das ist ähnlich wie bei Kindern. Wenn ihr Kinder habt – wie unsere – dann kennt ihr das: Die sagen manchmal: Heute ist so ein schöner Tag, darf ich nicht lieber mit Freunden spielen, anstatt Hausaufgaben zu machen?
Was sagen Eltern da? Sie sagen nicht jedes Mal: Ja, Hausaufgaben sind nicht so wichtig, Spaß ist wichtiger. Nein, manchmal sagen sie: Nein, erst die Hausaufgaben! Manchmal ist der Tag vorbei, bevor die Hausaufgaben fertig sind, und es gibt kein Treffen mit Freunden. Was denken die Kinder? Sie denken nicht: Danke, dass du so vorausschauend bist. Sie denken: Warum bist du so streng? Du nimmst mir den Spaß, ich muss nur leiden und lernen.
Aber im Endeffekt wissen wir alle: Manchmal müssen wir als Eltern unangenehme Entscheidungen treffen, weil die Kinder nicht sehen, wohin der Weg führt, wenn sie ihn weitergehen. Genauso ist es manchmal mit Gott. Gott sieht einen weiteren Weg, den wir nicht sehen können. Wir denken nur: Gott, warum bist du böse? Warum greifst du nicht ein? Wir leiden, wollen Veränderung, brauchen eine größere Perspektive.
Manchmal wünsche ich mir auch, dass Gott die bösen Menschen dieser Welt – und davon gibt es viele – rechtzeitig bremst. Wäre es nicht toll, wenn Hitler einen Herzinfarkt bekommen hätte, bevor er an die Macht kam? Vielleicht wäre der Zweite Weltkrieg erspart geblieben. Manche denken auch: Wenn Putin jetzt plötzlich sterben würde, wäre der Krieg vielleicht vorbei.
Ich würde gar nicht ausschließen, dass Gott das schon oft getan hat. Wer weiß, wie viele Diktatoren uns erspart geblieben sind, weil Gott eingegriffen hat? Wissen tun wir es nicht. Vielleicht gäbe es noch viel mehr böse Leute. Aber wir müssen auch sagen: Gottes Liebe gilt nicht nur dir, sondern allen seinen Geschöpfen.
Das macht es manchmal schwierig. Gott liebt auch einen Hitler, Gott liebt auch einen Putin. Ja, das ist so. Im Alten Testament lesen wir, dass Gott nicht den Tod des Ungerechten will, sondern seine Umkehr. Gott hat oft viel Geduld mit den bösen Menschen dieser Welt. Ich würde sie schneller bestrafen, wenn ich Gott wäre. Ich würde sagen: Jetzt ist Schluss mit der Ungerechtigkeit!
Aber Gott hat Geduld, weil er will, dass sie umkehren. Die Leidenden bleiben nicht vergessen, Gott leidet mit ihnen. Aber wir müssen die Perspektive haben: Gott will auch, dass die Bösen umkehren. Vielleicht sagt hier jemand: Ich war früher auch nicht nett, nicht so schlimm wie Hitler, aber auch nicht gut. Gott hatte Geduld mit dir.
Ein Beispiel ist John Newton – nicht Isaac Newton, der Physiker, sondern John Newton, der „Amazing Grace“ geschrieben hat. Früher war er ein brutaler, rücksichtsloser Sklavenhändler über Jahrzehnte. Er hat Menschen unterdrückt und verkauft. Er schämte sich später für sein Leben. Er sagt, Amazing Grace ist die verrückte Gnade Gottes, die so einen fiesen Kerl wie ihn trotzdem rettet.
Weil Gott Geduld hat, geht er ihm nach, und John Newton erlebt eine totale Umkehr. Später wird er Prediger in England. Das ist Gottes Perspektive, der Leuten nachgeht. Auch bei Jona sehen wir das: Jona will sich nicht um Gott kümmern und hasst seine Feinde, die Assyrer. Trotzdem geht Gott ihm nach, spricht ihn an, und Jona kehrt um und folgt Gott nach – auch wenn er Jesus noch nicht kennt.
Das ist die Liebe Gottes. Aber wir sollten auch bedenken: Jeder Bösewicht, der nicht vor Gott Buße tut und umkehrt, wird einmal vor Gottes Thron stehen. Es wird nicht so sein, dass am Ende die Ungerechten siegen. Die Bibel sagt klar: Am Ende der Zeiten werden alle vor Gott stehen und nach ihren Werken gerichtet. Die, die hier böse waren, werden auch von Gott bestraft.
Es gibt eine letzte Gerechtigkeit. Auf der Erde wird am Ende nicht die Ungerechtigkeit siegen. Das ist vielleicht für den einen oder anderen eine wichtige Perspektive. Gott lässt nicht alles einfach laufen. Manchmal zieht er böse Menschen nach viel Geduld aus dem Verkehr und sagt: Jetzt ist Schluss!
Wir lesen davon, zum Beispiel als die Sünde der Kanaaniter voll war. Gott wartet zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Jahre – und dann ist es genug. Dann setzt er einen Schlusspunkt und greift auf der Erde ein. Bei manchen Ereignissen, auch in meinem Leben oder in der Weltgeschichte, habe ich das Eingreifen Gottes besonders wahrgenommen.
Ein Beispiel ist die deutsche Wiedervereinigung. Ich weiß nicht, ob einige von euch damals gelebt haben. 1989 war das. Jahrzehntelang standen sich zwei feindliche Mächte gegenüber. Die Volksarmee der DDR war bis an die Zähne bewaffnet. Ich habe mit Leuten gesprochen, die sagten: Wir waren in der Kaserne, hatten unsere Waffen, warteten nur auf den Schießbefehl, um auf Demonstranten zu schießen.
Und dann kam der Schießbefehl nicht. Ein Pressesprecher der Regierung sagte etwas, was er gar nicht sagen sollte und wofür er keinen Auftrag hatte: Die Regierung sagt, die Grenzen werden geöffnet. Das war gar nicht beschlossen. Die Menschen waren an der Mauer, die Soldaten wussten nicht, was sie tun sollten, und am Ende öffneten sie die Tore.
Jahrzehntelang gab es Todesstreifen, Leute wurden erschossen und umgebracht. Gibt es eine politische Erklärung dafür? Nein, keine. Hat eine Seite die andere militärisch besiegt? Nein. Da waren große Armeen mit vielen Waffen. Gott hat einfach friedlich das diktatorische, unterdrückerische Regime der DDR beendet, weil er eingegriffen hat.
Es hat 40 Jahre gedauert, bis es so weit war, aber Gott hat eingegriffen, würde ich sagen. Es gibt keine plausible andere Erklärung. Und das war friedlich. In Rumänien gab es dagegen einen halben Bürgerkrieg, man hat den Diktator Ceausescu umgebracht, viele Verletzte. So etwas war in Deutschland nicht der Fall.
Gott greift manchmal in der Geschichte ein, stoppt Regime. Solche Dinge sollten wir im Kopf haben. Gott greift ein. Wir dürfen uns mit allem Leid in der Hoffnung an ihn wenden, dass er uns hört. Dabei wissen wir: Gott wird die Bösen stoppen. Gott wird am Ende ein Friedensreich schaffen, in dem er die Tränen abwischt, die uns durch Leid und Niedergedrücktheit betreffen.
Das ist, glaube ich, eine wichtige Perspektive. Aber nicht nur am Ende der Zeiten, sondern auch hier und jetzt greift Gott ein – nur nicht immer und nicht überall dort, wo ich oder du es wollen.
Und jetzt gibt es neben dieser Ebene auch noch eine intellektuelle Ebene. Vielleicht hast du mit Menschen zu tun gehabt oder hast selbst schon einmal darüber nachgedacht, obwohl du nicht selbst im Leiden warst, aber dir intensiv Gedanken gemacht hast: Wie kann ich das denn jetzt zusammenbringen? Die Bibel spricht von einem liebenden Gott – und ich habe das vorhin auch schon gesagt – und warum lässt er dann das Leid zu? Nicht das Leid, das mir geschieht, sondern das Leid anderer Menschen.
Eine hundertprozentige Antwort darauf finden wir nicht. Fachtheologen und Philosophen haben, wie für alles, auch hierfür ein Fachwort gefunden: Theodizee. Falls euch das irgendwann einmal begegnet, wenn ihr euch fragt, warum Gott das Leiden zulässt, so heißt die Antwort darauf Theodizee.
Manche Atheisten im 19. und 20. Jahrhundert haben dieses Thema gerne als Lieblingsargument benutzt und gesagt: Weil es so viel Leid in der Welt gibt, kann es keinen Gott geben. Diese Argumentation stimmt jedoch nicht, und zwar rein sachlich nicht.
Das Einzige, was wir höchstens sagen müssten, ist: Ein Gott, der allmächtig ist und garantiert, von dir und allen lebenslang alles Leiden fernzuhalten, diesen Gott gibt es nicht. Aber an den Gott glaubt hoffentlich auch kein Christ. Und das ist nicht der Gott, den wir in der Bibel finden.
Der Gott, den wir in der Bibel finden, ist derjenige, der unter bestimmten Umständen und aus bestimmten Gründen Leid zulässt. Wir haben in der Bibel keinen Gott, der allmächtig ist und versprochen hat, jedes Leid von jedem Menschen fernzuhalten.
Jetzt kann man natürlich traurig darüber sein, und das darf man auch. Aber der real existierende Gott ist eben nicht so. Er sagt vielmehr: Unter bestimmten Umständen lasse ich Leid zu. Gegen solch einen Gott spricht das Leiden in der Welt nicht pauschal, sondern nur gegen einen Gott, der verpflichtet ist, jedes Leid zu verhindern.
Diese Verpflichtung gibt es aber nicht. Niemand kann einem Gott eine solche Verpflichtung aufdrücken, und Gott hat von sich auch nicht gesagt, dass er das gerne machen möchte. Von daher sehen wir, dass hier eigentlich keine Spannung besteht.
Nur gegen das Gottesbild eines allmächtigen Gottes, der jedes Leid verhindert, spricht das Leiden der Welt. Wenn wir uns nun rein intellektuell, also nicht aus persönlicher Betroffenheit, sondern weil uns dieses Problem interessiert, mit dem Leiden auseinandersetzen, dann gibt es nicht nur eine Antwort darauf. Wenn wir genügend Zeit hätten, würde ich euch vielleicht zehn Antworten präsentieren.
Manches Leid geschieht wahrscheinlich aus diesem oder jenem Grund. Ich werde exemplarisch ein paar Beispiele nennen, damit deutlich wird, warum Leid hier auf der Erde da ist und wir es intellektuell verstehen können.
Hier geht es nicht darum, wie wir mit unserem eigenen Leid richtig umgehen, sondern mehr darum, dass wir einordnen können, wie der biblische Gott intellektuell in Einklang zu bringen ist mit dem Leiden, das wir in unserer Umgebung erleben.
Es gibt verschiedene Aspekte. Einige hängen einfach damit zusammen, dass wir neu begreifen müssen – falls wir es sonst nicht so ganz präsent haben –, dass Leid oder das, was wir als Leid empfinden, nicht ausschließlich und immer nur negativ ist.
Das klingt jetzt ein bisschen komisch, aber manchmal hat Leid einen positiven Impuls, ist positiv gemeint und bewirkt auch Positives, wenn wir genau hinschauen. Es geht vielleicht gar nicht anders.
Ich nenne mal einige Beispiele dafür, damit wir nicht die Idee im Kopf haben, Leid sei per se in jedem Fall schlecht.
Wenn wir überzeugte Christen sind, ist uns das ja vollkommen klar. Wir haben in der Bibel sogar einen Gott, der freiwillig Leid auf sich nimmt. Dietrich Bonhoeffer weist darauf hin, dass der größte Triumph Gottes in dem besteht, was Menschen eigentlich als die größte Niederlage Gottes begreifen.
Jetzt könnte ich euch fragen, wie ihr als überzeugte Christen eure Vergebung der Sünde erfahren habt. Und dann würdet ihr sagen: Ja, durch Leid. Wir haben Erlösung durch Leid.
Ist Leid also schlecht? Am besten wäre es doch, Gott hätte den Tod Jesu verhindert. Jesus wäre mit achtzig Jahren an einem Herzinfarkt gestorben, hätte uns bis dahin gelehrt. Wenn du überzeugter Christ bist, musst du sagen: Das wäre ein Problem.
Wir glauben doch daran, dass Jesus freiwillig den Tod auf sich genommen hat, gelitten hat, damit wir frei ausgehen und Vergebung von Schuld haben. Leid ist hier also durchaus etwas Positives, es bringt uns die Erlösung – rein theologisch betrachtet.
Losgelöst vom Theologischen: Manche von euch fahren ja Autos, nehme ich an. Bei Autos gibt es heutzutage viele kleine Lämpchen und Displays. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, leuchtet etwas auf.
Zum Beispiel ist mir das beim Fahren passiert: Plötzlich leuchtete die Anzeige für Luftdruckverlust in den Reifen auf. Ich bekam erst einmal einen Schreck und dachte, ich sei über einen Nagel gefahren. Auf der Autobahn hoffte ich, dass der Reifen noch hält, fuhr ab, kontrollierte die Luft – alles in Ordnung. Wahrscheinlich war es ein Fehler in der Elektronik, das kommt vor.
Im Normalfall soll mich das Warnsignal aber davor bewahren, das Auto kaputtzufahren. Wenn ich das nicht merke, kann irgendwann der Reifen platzen oder ich habe eine Panne.
Stellt euch vor, ihr habt zu wenig Öl und das Auto zeigt es an. Dann könnt ihr noch zur Werkstatt fahren und nachfüllen. Wenn so eine Lampe aufleuchtet, steigt mein Puls, ich gerate etwas in Panik, weil ich vielleicht wieder eine Reparatur brauche.
Aber wäre es besser, mein Auto hätte keine Lämpchen? Könnte ich ja machen, die Elektronik abklemmen. Dann merke ich aber nicht, dass mein Auto Probleme hat. Das wäre schlecht, weil ich rechtzeitig auf den Defekt aufmerksam gemacht werden soll, damit es nicht zu einem größeren Motorschaden kommt.
Genauso ist es manchmal bei uns: Manche Formen von Leid benutzt Gott, um uns vor schwererem Schaden zu bewahren.
Nehmen wir Hunger: Hunger ist unangenehm. Die wenigsten Menschen in der Schweiz hungern wirklich, aber in vielen anderen Ländern leiden Menschen darunter. Hunger ist eigentlich von Gott in der Konstruktion des Menschen sinnvoll eingebaut.
Das ist ähnlich wie bei der Anzeige im Auto, die zeigt: Tanken, du musst bald tanken, sonst ist nichts mehr drin. Was passiert, wenn du das ignorierst? Du bleibst irgendwann stehen.
Was passiert, wenn du Hunger dauerhaft ignorierst? Oder nehmen wir Durst, das geht noch radikaler. Stell dir vor, du bist ein richtiger Zocker und spürst keinen Durst. Du zockst fünf Tage durch und am vierten Tag stirbst du.
Ihr wisst ja, dass man ungefähr drei Tage ohne Flüssigkeit auskommt, aber am vierten Tag wird es kritisch.
Wenn du keinen Durst spüren würdest, wäre das gefährlich. In der Altenpflege muss man alte Menschen oft zum Trinken animieren, weil sie keinen Durst mehr empfinden. Wenn sie nicht trinken, dehydrieren sie mit der Zeit.
Wenn das nicht mehr funktioniert, ist das gefährlich. Diese Signale sind eigentlich gut, auch wenn sie unangenehm sind. Sie sagen dir: Du solltest trinken, du solltest essen.
Oder wenn du dir in den Finger schneidest: Du spürst den Schmerz und hörst auf. Stell dir vor, du würdest den Schmerz nicht spüren. Du würdest weiterarbeiten, und plötzlich fällt dir der Finger ab.
Es gibt eine Krankheit, bei der man keine Schmerzen spürt. Menschen mit dieser Krankheit verletzen sich häufig, desinfizieren die Wunden nicht, die Wunden eitern, und sie merken es nicht. Das ist gefährlich und führt oft zum frühen Tod.
Viele körperliche Signale wie Schmerz sind zweifellos Leiden, aber Gott hat sie in den Menschen eingebaut, um zu verhindern, dass wir stärkere Probleme bekommen oder uns noch mehr schaden.
Insofern sollten wir für diese Dinge, auch wenn wir darunter leiden, Gott dankbar sein. Er will größeren Schaden von uns abhalten.
Manchmal tut Gott das in seiner Liebe nicht nur durch Schmerzen, Hunger und so weiter, sondern er greift ein und gibt dir eine schwere Zeit im Leben, weil er will, dass du dich neu besinnst.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Manager einer größeren Firma. Er hatte einen totalen Burnout, konnte anderthalb Jahre gar nicht arbeiten, war nur zu Hause.
Er sagte, das sei die fürchterlichste Zeit seines Lebens gewesen, weil er vorher sehr aktiv war. Er empfand es als schlimm.
Als er den Burnout überwunden hatte – nach anderthalb Jahren –, sagte er, er habe bis heute noch Probleme damit, aber er arbeitet wieder, wenn auch nicht so viel.
Er sagte zu mir: „Herr Michael, im Nachhinein bin ich Gott dankbar für diesen Burnout.“ Er erklärte: „Ich war so in der Mühle drin, hätte ich den Burnout nicht erlebt, hätte ich einfach weitergemacht. In fünf Jahren hätte ich vielleicht einen Herzinfarkt gehabt und wäre tot gewesen.“
Er sagte, Gott habe ihm mit dem Burnout ein Warnsignal gegeben. Jetzt gehe er die Dinge ruhiger an. Er weiß, seine Firma kommt auch mal ohne ihn aus.
Er sagt: „Jetzt ist Schluss, egal wie viel Druck gemacht wird.“ Es war schlimm, aber im Nachhinein erkennt er, dass Gott das gebraucht hat, weil sonst hätte er auf nichts mehr gehört.
Wenn ihm jemand anderes gesagt hätte, er solle weniger arbeiten, hätte er nicht darauf gehört. Auch seine Frau hat es gesagt, aber er hat nicht gehört. Dann hat Gott das geschickt.
Natürlich war es schlimm, aber am Ende erkannte er, dass Gott das individuell gebraucht hat. Das hat kein anderer ihm gesagt, das hat er selbst im Gespräch mit Gott gemerkt.
So gibt es manche Situationen im Leben, in denen Gott uns die Augen öffnet. Plötzlich merken wir: Da ist ein Haltesignal. Mach mal Pause, mach mal Stopp, du musst hier stehenbleiben.
In vielen Gemeinden, die ich kenne, sind Menschen durch so ein Stoppsignal überhaupt erst auf Gott aufmerksam geworden und gläubig geworden.
Ich erinnere mich an einen Mann, so um die 40, den ich in der Gemeinde kennengelernt habe. Er sagte: „Ich bin in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen, habe mich aber nicht mehr um den Glauben gekümmert. Für das Fromme habe ich mich nicht interessiert. Ich war in der Schule gut, habe meine Firma gegründet, die Firma lief richtig gut, ich habe mir ein großes Haus gebaut, geheiratet, Kinder bekommen, alles super. Ich konnte mir jeden Urlaub leisten.“
Dann begann er wegen des Stresses zu trinken, erst ein bisschen, dann mehr, dann war er im Alkoholismus. Zuhause lief es nicht mehr gut, weil seine Frau das nicht wollte. Er hatte falsche Freunde, die Firma lief immer noch gut.
Irgendwann verließ ihn seine Frau, und durch den Alkoholismus lief die Firma nicht mehr gut. Er verlor die Firma, seine Frau, das Haus wurde verkauft.
Als er ganz unten war, erinnerte er sich, was er mal von seinen Eltern über Gott gehört hatte. Er wandte sich an Gott und lernte ihn kennen.
Jahre später sagte er: „Das habe ich gebraucht. Ohne das hätte ich mich nie an Gott orientiert. Ich hätte so weitergemacht, bis zum Ende meines Lebens.“
Das hat sein Leben total verändert. Er hörte mit dem Alkohol auf, ordnete sein Leben neu.
Als ich ihn kennenlernte, betete er gerade darum, dass die Beziehung zu seiner Frau wieder entsteht. Das war noch nicht so weit. Ich weiß nicht, wie es inzwischen ist.
Aber er sieht: „Ich habe das gebraucht, um mein Leben real zu sehen. Das war schmerzhaft, aber ich habe nichts anderes mehr wahrgenommen.“
Manchmal kann es bei Gott eben so sein, dass wir das brauchen.
Es gibt auch andere Dinge, bei denen wir bestimmte positive Eigenschaften nur durch schwierige Phasen lernen können.
Ich frage dich: Liebst du lieber mit ungeduldigen oder mit geduldigen Menschen? Ich persönlich habe lieber geduldige Menschen, vor allem wenn sie geduldig mit mir sind.
Ich glaube, den meisten geht es so. Aber wie wird man geduldig? Manche sind vielleicht etwas geduldiger geboren, andere weniger.
Aber ihr werdet schnell merken: Geduld ist auch eine Sache des Trainings. Am besten trainierst du Geduld, wenn jemand deine Geduld auf die Probe stellt.
Nach meiner bisherigen Erfahrung sage ich jedem: Wenn du geduldiger werden willst, schaff dir viele Kinder an. Kinder haben die faszinierende Fähigkeit, deine Geduld auf die Probe zu stellen.
So hast du ein lebenslanges Trainingsprogramm für mehr Sanftmut, Vergebungsbereitschaft und Geduld. Das sind alles Früchte des Heiligen Geistes.
Deshalb: Freu dich! Das ist vielleicht eine neue Perspektive.
Falls eure Kinder schon groß sind, habt ihr es ein bisschen hinter euch. Wenn eure Kinder noch klein sind, könnt ihr diese tolle Perspektive nutzen und ihnen heute Abend sagen: „Schön, dass du so nervig bist, daran lerne ich so viel.“
Das wäre doch mal was, Sohn!
Klar, aus biblischer Sicht ist es ein Stück weit so: Gott braucht andere Menschen, damit unsere Geduld und Vergebungsbereitschaft auf die Probe gestellt wird. Er will, dass wir charakterlich wachsen.
Er will nicht, dass alles glattläuft, sondern dass wir durch schwierige Phasen lernen.
Ohne das geht es nicht. Geduld fällt nicht einfach vom Himmel. Und wenn sie vom Himmel fallen würde, wüssten wir sie gar nicht zu schätzen.
Wir schätzen Geduld erst, wenn wir wissen, was sie bedeutet und dass sie Überwindung erfordert.
Jesus hat uns das vorgemacht: Wie viel Geduld hatte er, als er mit den störrischen Jüngern umging, die immer wieder quergeschossen haben?
Er hat uns genau gezeigt, wie Sanftmut, Geduld und Vergebungsbereitschaft aussehen.
Ein großer Teil des Leidens hier auf der Erde ist, leider müssen wir das sagen, von uns Menschen selbst verursacht. Wenn man sich in der Schweiz umschaut, sieht man glücklicherweise, dass Naturkatastrophen hier selten sind. Auch Kriege gibt es hier kaum, alles läuft relativ geordnet ab.
Wenn man genauer hinschaut, ist ein großer Teil des Leids, mit dem wir zu tun haben, hausgemacht. Das heißt, ein Mensch fügt einem anderen Leid zu. Statistiken zeigen, dass etwa die Hälfte aller Schüler während ihrer Schulzeit Mobbing erleben. Hat Gott den Mobber beauftragt, den anderen zu ärgern? Wenn ein Mann seine Frau schlägt oder die Frau den Mann, hat Gott das befohlen? Wenn ein Chef seine Angestellten schlecht behandelt, hat Gott gesagt, quäle deine Angestellten? Das größte Leid auf der Erde entsteht dadurch, dass Menschen sich gegenseitig ärgern, angreifen oder überfordern. Die Gerichte sind voll von solchen Fällen. Dort geht es nicht um Gottes Handeln, sondern darum, was Menschen einander antun.
Weltweit ist es ähnlich: Die meisten Flüchtlinge fliehen, weil Menschen anderen Menschen Böses antun. Es gibt Kriege, Bürgerkriege, Auseinandersetzungen oder materielle Vorteile, die zu Leid führen. Selbst viele Naturkatastrophen sind zum Teil durch menschliches Handeln verursacht. Dabei denke ich nicht nur an die Klimaerwärmung. Es gibt Fälle, in denen große Unternehmen Giftstoffe in Becken lagern und aus Kostengründen nicht ausreichend abdichten. Dann sickert das Gift aus, und viele Menschen werden krank oder sterben daran.
Ich war vor ein paar Jahren in Indien, wo man den Luft- und Gewässerschutz nicht sehr ernst nimmt. In den Großstädten, wie zum Beispiel Hyderabad mit etwa sechzehn Millionen Einwohnern – das sind viel mehr Menschen als in der ganzen Schweiz – habe ich eine Gemeinde besucht, die direkt neben einer Fabrik liegt. Die meisten Gemeindemitglieder arbeiten dort. Während meines Aufenthalts kratzte es ständig in meinem Hals. Man sagte mir, die meisten Menschen in der Gemeinde haben Atemprobleme. Woher kommt das? Nicht von Gott, sondern von Menschen, die diese Zustände verursacht haben.
Viel Leid auf der Erde kommt also von Menschen. Da stellt sich die Frage: Warum greift Gott nicht ein? Gott hat sich entschieden, dem Menschen zu sagen, was richtig und was falsch ist. Aber er überlässt es dem Menschen, ob er danach handelt oder nicht. Gott empfiehlt uns, das Richtige zu tun. Wir kennen das aus den Geboten, zum Beispiel: „Du sollst nicht morden.“ Was glaubt ihr, wenn alle Menschen sich daran halten würden? Dann würden wir in einer besseren Welt leben, mit weniger Leid.
Zum Beispiel gäbe es keinen Ukrainekrieg. Wie sollte eine russische Truppe Krieg führen, wenn sie sagt: „Nicht morden!“? Oder wenn das Gebot „Lüge nicht“ befolgt würde, könnten wir viel Leid vermeiden. Auch „Begehre nicht deines Nächsten Hab und Gut“ würde Leid verhindern. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – dann würden wir im Himmel auf Erden leben. Gott gibt uns Prinzipien, die uns eindringlich ans Herz legen und sagt: Handle danach. Aber er zwingt uns nicht dazu. Er schätzt unsere Freiheit und möchte, dass wir aus eigenem Antrieb danach handeln.
Doch Menschen entscheiden sich immer wieder, genau das nicht zu tun – auch wir selbst. Paulus sagt im Römerbrief: „Das Gute, das ich tun will, tue ich nicht.“ So ist es bei vielen Dingen. Die meisten Menschen, die etwas tun, was Gott nicht will, wissen im Herzen eigentlich, was richtig und was falsch ist. Sie verdrängen oder unterdrücken dieses Wissen und handeln aus persönlichem Vorteil oder weil sie meinen, klüger als Gott zu sein.
Daraus entsteht viel Leid auf der Erde. Und daran könnte man etwas ändern. Wir sind persönlich herausgefordert, uns mehr an diese Ordnungen zu halten und Gottes Ordnung zu befolgen, weil wir wissen, dass sie gut für den Menschen sind. Manche sagen: „Ich schätze meine Freiheit, aber könnte Gott nicht verhindern, dass die negativen Folgen dieser Freiheit eintreten?“
Zum Beispiel: Jemand entscheidet sich, dich zu töten. Wäre es nicht gut, wenn das nicht funktionieren würde, weil Gott dich schützt? Das wäre genial. Aber dann stellt sich die Frage: Wer würde sich überhaupt noch entscheiden, einen anderen zu töten, wenn er wüsste, es geht nicht? Oder jemand will eine Bank überfallen, doch der Bankangestellte lacht ihn aus, weil er weiß, dass der Überfall nicht gelingen kann, weil Gott alles Böse verhindert. Dann würde das niemand mehr tun.
Das wäre so, als ob du im Gefängnis sitzt und dir alle Reisen aussuchen kannst, aber nicht aus dem Gefängnis herauskommst. Wie frei wäre deine Entscheidung dann? Wie groß wäre die Motivation, sich dafür zu entscheiden? Wahrscheinlich null.
Deshalb: Wenn Gott Freiheit gibt, dann sagt er auch: „Bitte richte dich nach den Ordnungen, die ich dir gegeben habe. Sie sind gut für dich und für die Menschheit.“ Nur wenn Gott die Freiheit lässt, können wir uns wirklich entscheiden. Alles andere wäre Theater, Zwang. Und das wollen wir doch im Kern gar nicht. Wir wollen freie Menschen sein.
Gott will, dass wir aus eigenen Motiven Liebe zu ihm haben. Liebe ist eine freiwillige Entscheidung, die nicht durch Zwang erzwungen werden kann. Weil Gott möchte, dass wir eine freie Liebesbeziehung zu ihm haben, lässt er leider zumindest eine Zeit lang Leid in unserer Umgebung zu – als traurigen Nebeneffekt dieser Freiheit.
Manches Leid hängt einfach mit unserem irdischen Leben zusammen. Wir leben in einem begrenzten Körper und sind sterblich – seit dem Sündenfall, wie uns die Bibel sagt. Deshalb werden wir älter, und mit dem Alter kommen Krankheiten. Das ist der Verfall, der durch den Sündenfall in diese Welt gekommen ist.
Manchmal gibt es auch Formen von Leiden, die ich persönlich als besonders herausfordernd empfinde. Es gibt Leid, das zur Verherrlichung Gottes dient. Eine solche seltsame Geschichte finden wir in der Bibel bei der Heilung des Blindgeborenen. Dort überlegen die Leute, wer schuld daran ist, dass der Mann blind ist. Übrigens ist das auch ein Punkt, den Gott manchmal hat: Manchmal ist Krankheit eine Strafe, mit der Gott uns zur Ordnung erziehen will. Das ist ein heikles Thema.
An dieser Stelle aber nicht. Da sagt Gott, der Mann ist krank, damit Gott verherrlicht wird. Manchmal will sich Gott also durch Krankheit verherrlichen. Sehr beeindruckend fand ich vor einigen Jahren ein Erlebnis in einer Gemeinde. Während einer Austauschzeit kam eine alte Frau nach vorne und erzählte: „Ich bin so dankbar, ich war jetzt wieder zwei Wochen im Krankenhaus, und Jesus hat mich dorthin gerufen. Dort lag eine andere alte Frau direkt neben mir, die nichts von Jesus wusste. Ich hatte zwei Wochen Zeit, mit ihr darüber zu reden.“
Ich muss sagen, dieses Zeugnis habe ich bis heute in Erinnerung. Das ist eine ganz andere Perspektive. Normalerweise höre ich eher, wie schlimm es war und dass man froh ist, wieder draußen zu sein, oder es wird darum gebetet, schnell wieder gesund zu werden. Diese Perspektive der alten Frau finde ich wirklich herausfordernd: Danke, Gott, dass ich im Krankenhaus bin, weil du dort eine Aufgabe für mich hast.
Manchmal braucht es vielleicht genau das. Manchmal sind Krankheiten Wegweisungen Gottes. Wie gehst du mit Leiden um? Kann Gott sich dadurch in deiner nichtgläubigen Umgebung verherrlichen? Wenn wir als Christen nie krank werden würden, könnten Ungläubige sagen: „Na ja, wenn es mir so gut ginge, wäre ich auch Christ.“ Aber wenn es uns schlecht geht, zeigt sich vielleicht, ob wir als Christen anders damit umgehen. Oder sind wir am Ende genauso wie alle anderen, die Gott nicht kennen – die nur jammern und meckern?
Auch das kann ein Weg sein, auf dem Gott sich verherrlichen will: indem er uns Kraft gibt, mit Leiden umzugehen, oder Mut, nicht aufzugeben, wenn alle anderen aufgeben. Das ist eine weitere Perspektive.
Ihr merkt, da gäbe es noch einiges zu sagen, aber unsere Zeit ist abgelaufen. Deshalb komme ich hier zum Ende. Ich hoffe zumindest, dass es euch zeigt: Beim Leiden geht es nicht nur darum, dass es Leid gibt und wir deshalb Gott verwerfen. Vielmehr hat das Leiden mehrere Aspekte, die wir berücksichtigen sollten. Es gibt eine biblische Perspektive für ein Ende von Leid und auch für einen richtigen Umgang damit.
Ich hoffe, dass dir das hilft – in der Phase, in der du gerade nicht leidest, besser vorbereitet zu sein, wenn eine solche Situation kommt. Oder wenn du durch Medien mit Leid konfrontiert wirst, dass du das nicht nur einseitig einordnest, sondern die Bandbreite der biblischen Sicht auf Leid vor Augen hast.
Ich hoffe, dass du, wenn du selbst ins Leid kommst, diese Perspektiven nicht vergisst. Sondern dass du Kraft und Orientierung bei Gott findest, der selbst schwer gelitten hat, der das Leid einmal beenden will und dir im Leid beistehen möchte. Er gibt Kraft, wenn du offen dafür bist, und greift manchmal sogar übernatürlich ein und beendet das Leid.
Ich hoffe auch, dass du offen bleibst für Menschen in deiner Umgebung, die gerade im Leid sind. Dass du ihnen beistehst und sie ermutigst, wenn sie selbst den Blick verloren haben. Dass du ihnen hilfst, ihr Leid zu lindern und Anteil an ihrem Ergehen nimmst, damit es ihnen besser geht. Und dass du ihnen Orientierung an Gott vermittelst. Das ist eine Perspektive, die wir nicht außer Acht lassen sollten.
Damit das alles gut klappt, bete ich gerne noch mit euch, dass Gott uns daran erinnert, was wichtig ist, und uns die Kraft gibt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich bete, und ihr dürft gerne mitbeten, ja, beten.
Herr Jesus Christus, vielen Dank, dass du das Leid nicht gescheut hast. Nicht, weil du Leid toll findest, sondern aus Liebe zu uns. Danke, dass du ein Gott bist, der weiß, was Leiden bedeutet und der sich in uns hineinversetzen kann. Du bist derjenige, der das Leid einmal überwinden will, der es versprochen hat, der unser Leiden sieht und es lindern sowie Kraft geben will.
Ich möchte dich bitten für all diejenigen, die heute hier sind und mit Leid zu tun haben, direkt oder indirekt. Sei ihnen nahe, tröste sie und gib ihnen Kraft. Schenke ihnen eine neue Perspektive. Ich bitte dich, dass sie die Verbindung zu dir nicht fallen lassen, sondern an dir festhalten. Lass sie spüren, dass du trotzdem da bist. Lass sie auch erfahren, wie du übernatürlich in ihrer Situation eingreifst.
Ich möchte dich bitten für diejenigen, die intellektuelle Probleme mit dem Leid haben. Gib ihnen Antworten, die stimmig sind und weiterhelfen, das einzuordnen – auch wenn manches am Ende offen bleiben muss und wir nicht auf alles eine Antwort haben.
Ich möchte dich bitten für diejenigen, denen es gut geht, dass sie die Leidenden nicht vergessen, sondern sich für sie einsetzen und ihnen Trost spenden. Zeige uns Menschen, wenn es uns gut geht, die Leiden anderer und zeige uns, was wir tun können, um zu erleichtern und zu helfen.
Hilf uns auch, zu sehen, wo du durch Leid Positives in uns bewirken willst, damit wir das nicht verpassen. Lass uns dein Reden durch Leid erkennen, wenn es dran ist, und dass daraus etwas Positives hervorgeht. Amen.
Ich möchte an dieser Stelle noch zwei Dinge sagen: Einerseits könnt ihr gerne nach dem Gottesdienst auf mich zukommen, wenn ihr Fragen habt oder jemanden sucht, mit dem ihr beten wollt. Macht das gerne.
Da vorne habe ich ein paar meiner Bücher hingelegt. Seit meinem letzten Besuch bei euch sind zwei Bücher dazugekommen, die ich in der Zwischenzeit veröffentlicht habe. Eines habe ich am Freitag schon vorgestellt – es behandelt Abtreibung und Sterbehilfe. Außerdem liegt eine Biografie über den bekanntesten Prediger im deutschsprachigen Raum der sechziger und siebziger Jahre aus. Diese Biografie habe ich geschrieben, und ihr könnt sie dort lesen.
Es gibt außerdem die „Helden des Glaubens“ und noch ein paar andere Bücher. Wenn ihr davon etwas mitnehmen möchtet, weil ihr gerne lest oder etwas verschenken wollt, könnt ihr das tun. Nehmt, was ihr braucht oder lesen wollt, und gebt, was ihr geben möchtet. Legt die Bücher einfach dort hin oder woanders, und dann könnt ihr euch bedienen.
Ich habe auch noch ein paar Kärtchen mit einem Hinweis auf meinen Blog und meinen Podcast. Ich mache ungefähr einmal in der Woche einen Podcast und einen Blog, also gesprochen und geschrieben. Wer das möchte, kann sich die Kärtchen ebenfalls mitnehmen.
Und wenn ihr wollt, kommt gerne zu mir. Wir können beten oder miteinander sprechen, gleich am Ende des Gottesdienstes.