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Es gibt unzählige Tests. Aber haben wir gewusst, dass auch der Glaube getestet werden kann? Glaubenstests sind teuflische Wirklichkeit. Am Beispiel des Apostels Petrus wird uns die Testmethode, das Testergebnis und die Testfolgerung erläutert. - Predigt aus der Stiftskirche Stuttgart


[Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme]

Wir wissen, was ein Test ist, liebe Gemeinde. Heute wird ja alles getestet. Wir leben im Zeitalter des Tests. Der Meister testet das Auto. Mit 100 Sachen jagt er es den Berg hinauf, um die Motorleistung zu prüfen. Dann bremst er es voll ab, um seine Spurfestigkeit kennenzulernen. Er schaut unter die Kühlerhaube, klopft an die Blechkarosserie, misst den Verbrauch. Nach dem Durchgang einer ganzen Checkliste gibt er sein Urteil ab: fahrtüchtig oder schrottreif. Der Warentest deckt die Mäng­el auf. Oder der Lehrer testet das Wissen. Völlig unerwartet werden Hefte ausgeteilt. Immer dann, wenn die Hausaufgaben aus­nahmsweise zu kurz gekommen sind, bricht das Unglück herein. Ein paar Vokabeln sind zu übersetzen und einige Konstruktionen zu bestimmen. Nach der Korrektur haben es die Schüler schwarz auf weiß: sehr gut oder mangelhaft. Der Wörtertest macht den Wissensstand bewusst. Oder der Arzt testet das Herz. Mithilfe eines Elektrokardiagramms ist dies möglich. Kabel übertragen die Herztätigkeit auf Papier. Ein dutzend Kniebeugen oder fünf Liegestützen verursachen lange Wellenlinien. Nach der Durchsicht steht die Diagnose fest: gesund oder angeschlagen. Der Gesundheitstest zeigt die Belastbarkeit.

Es gibt noch Intelligenztests, Psychotests, Reaktionstests, unzählige Tests, aber haben wir gewusst, dass es auch einen Glaubenstest gibt? Haben wir gewusst, dass auch der Glaube getestet werden kann? Haben wir gewusst, dass es Glaube ohne Test gar nicht gibt? Sicher macht dies kein Meister, Lehrer oder Arzt. Auch kein Pfarrer, Dekan oder Prälat ist dazu in der Lage. Nicht einmal Gott selber übernimmt diese Prüfung. Glaubenstests gehören in das Ressort dessen, den die Bibel mit Satan bezeichnet. Diesen Bösen nicht zu denken ist undenkbar. Diesen Gegenspieler nicht zu glauben, ist unglaublich. Diesen Durcheinanderwirbler nicht wahrhaben zu wollen, ist töricht. Wohl stoßen wir hier auf Fragen, die niemand zu Ende denken kann, aber die Möglichkeit des Satanischen ist keine Un­möglichkeit. Seit Hiob ahnen wir von jenem dramatischen Kampf, der jenseits von Raum und Zeit um jeden Menschen ausgefochten wird. Jedenfalls erhält dieser Satan die Chance, unseren Glauben auf den Prüfstand zu nehmen. Ihm wird die Gelegenheit gegeben, unseren Glauben auf seine Belastbarkeit zu untersuchen. Er bekommt grünes Licht für den Test unseres Glaubens. Wir tun also gut daran, wenn wir uns auf diese Prüfungen einstellen. Wir sind gut beraten, wenn wir mit diesen Untersuchungen rechnen. Wir denken realistisch, wenn wir diese Belastungen bedenken. Glaubenstests sind teuflische Wirklichkeit. Der heutige Abschnitt aus der Passionsgeschichte des Lukas, nur ein kleiner Ausschnitt aus den Tischgesprächen beim Abendmahl, hilft uns an dieser Stelle weiter. Am Beispiel des Apostels Petrus wird uns die Testmethode, das Testergebnis und die Testfolgerung erläutert. Hören wir deshalb genau hin:

1. Die Testmethode ist die Bedrohung

Petrus wäre ja gerne in jenem festlichen Saal geblieben, wo er im Kreis der Jünger mit Jesus tafelte. Es hat Brot und Wein gegeben, Lieder und Gebete. Die Gemeinschaft untereinander war wie ein stärkendes und tröstendes Band. Aber dann musste er hinaus in die Nacht. Am Ölberg sollte Petrus wachen und beten, während Jesus in Schweiß und Tranen mit seinem Vater rang. Aber dann kam die Müdigkeit und legte ihn aufs Ohr. Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?” fragte der Herr. In Gethsemane sollte Petrus glauben und lieben, während Jesus in Schimpf und Schande ergriffen und gefesselt wurde. Aber dann packte ihn der Zorn und er zog die Klinge. “Steck dein Schwert an seinen Ort”, befahl der Herr. Im Hof des Hohepriesters sollte Petrus warten und hoffen, während Jesus in Spott und Hohn drinnen vor dem Rat stand. Aber dann er­ lag er der Angst und griff zur Notlüge. “Der Hahn wird nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast”, wusste der Herr. Und zu dieser Bedrohung von draußen, kam die Bedrohung von innen: “Ich pack das schon”, sagte sich Petrus,”Ich schaff das. Ich bin stabil. Was wollen schon Schläge, Gefängnis oder Tod? Ein Typ wie ich ist zu allem bereit.” Also innen war Heroismus und draußen Zynismus, innen war Selbstgefälligkeit und draußen Niederträchtigkeit, innen war Heldentum und draußen Heidentum: Bedrohung um und um, auch bei uns. Wohl sind solche Extremsituationen in unseren Breitengraden gegenwärtig die Ausnahme, aber der Glaube ist immer bedroht. Jene dunkle Macht, die im Test unseren Glauben für schrottreif erklären will, ist immer zur Stelle. Die Bedrohungsmethode hat unzählige Spielarten. Niemand kann seinen Glauben am Kaminfeuer pflegen. Keiner kann seinen Glauben im Herrgottswinkel leben. Jeder muss hinaus in die Nacht. Und dann kommt die Müdigkeit, die uns schlapp macht und uns jedes Interesse an Gottes Sache nimmt. Und dann kommt die Ungerechtigkeit, die Schuld an den Pranger stellt und Schuldige frei laufen lässt. Und dann kommt die Gefährlichkeit, die zur Vorsicht mahnt und zum Mundhalten verleitet. Und dann kommt die Krankheit, die einen aushöhlt und herunterstimmt. Und dann kommt die Gemeinheit, die herunterreißt und der Lächerlichkeit preisgibt. Und zu allem kommt noch die Selbstgefälligkeit, die sich alles zutraut und nur auf ihr Stehvermögen baut. Unter dem Bild des schwergeprüften Liederdichters Paul Gerhardt in der Kirche zu Lübben steht in lateinischer Sprache: Theologus in cribo Satanae versatus. Das heißt: Ein Theologe, in Satans Sieb um und um gewendet. Das könnte unter dem Bild des Petrus auch stehen. Und könnte das nicht die Unterschrift Ihres Lebensbildes sein? Ein Beamter, eine Hausfrau, ein Arbeitsloser, eine Witwe, ein Schüler, kurzum ein Mensch, in Satans Sieb um und umgewendet, ein Mensch, in Satans Griff um und um geschüttelt, ein Mensch, in Satans Hand um und um getestet. Dass wir uns keinen Sand in die Augen streuen lassen: die Testmethode ist die Bedrohung.

2. Das Testergebnis ist die Bewahrung

Petrus hätte mit etwas anderem rechnen müssen. Seine Tests bestand er wahrlich nicht mit Bravour. Null Punkte wären für solche Glanzleistungen fällig gewesen. Einfach schlafen und fünfe grad sein lassen ist keine Kunst; die Dinge verträumen kann jeder. Einfach zuhauen wie ein Zorniger und noch Blut vergießen ist das Übliche; Gewalt an­wenden tut jeder. Einfach lügen wie gedruckt und keine Miene verziehen ist das Normale; Notlügen sind an der Tagesordnung. Petrus merkte es selber, als er nach dem Hahnenschrei fortwankte und weinte wie ein Kind: Ich bin durchs Sieb durchgefallen, ich bin vom Glauben abgefallen, ich bin nichts. Aber Jesus sieht den Versager und sagt erstaunlicherweise nicht: Ich habe mich in dir getäuscht. Ich habe dich nun abgeschrieben. Ich habe deinen Namen weggesteckt. Nein, Jesus sagt: Ich habe für dich gebeten. Ich habe für dich am Ölberg gebeten, dass dein Glaube nicht einschlafe. Ich habe für dich in Gethsemane gebeten, dass dein Glaube nicht verkümmere. Ich habe für dich im Hof gebeten, dass dein Glaube nicht verkomme. Ich habe für dich überall gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.

Das ist das Geheimnis eines jeden Glaubens: Der Herr macht’s, der Herr schafft’s, der Herr bewahrt den Glauben seiner Leute, auch dort, wo sie sich nicht bewähren. Er ist nicht nur für solche da, die stark und gewiss auf dem Weg des Glaubens ausschreiten, sondern auch für solche, die schwach und zitternd immer wieder am Boden sind. Es ist die Art des Glaubens, dass er auf ein Externum, auf etwas außerhalb schaut. Es ist die Weise des Glaubens, dass er mit einem Alienum, einem ganz anderen rechnet. Es ist gerade der Witz des Glaubens, dass er selbstvergessen auf Christus hofft. Paulus erklärt es im Galaterbrief so: “So glaube denn nicht mehr ich, sondern Christus glaubt in mir.” (2,20). Mag sein, dass einer krank liegt, frisch operiert, geschwächt an Leib und Seele. Zu einem Gebet ist er nicht mehr fähig. Der Text will ihn daran erinnern, dass der Herr unsichtbar an seinem Bett und vor Gottes Thron steht: Lass ihm die Kraft nicht ausgehen. Mag sein, dass einer einsam ist ohne Kontakt, eingesperrt wie in einem Käfig. Vom Beten verspricht er sich schon lange nichts mehr. Der Text will ihm sagen und ihn daran erinnern, dass der Herr unsichtbar in seinem Ge­fängnis und vor Gottes Thron steht: Lass ihm die Hoffnung nicht ausgehen. Mag sein, dass einer verzweifelt ist, angefochten, attackiert von der Übermacht des Bösen. Zum Gebet kann er sich nicht aufraffen. Der Text will ihn daran erinnern, dass der Herr unsichtbar in seinem Raum und vor Gottes Thron steht: Lass ihm die Zuversicht nicht ausgehen. Es gibt keinen Platz, wo er nicht stehen will und beten: Lass ihm den Glauben nicht ausgehen. Es wäre doch um unseren Glauben schon längst geschehen, wenn nicht dieser Christus fürbittend für uns einstehe und uns mit seinen Gebeten halte wie an einem Seil. Er will niemand durchs Sieb lassen. Keinen will er loslassen. Für jeden gilt sein hohepriesterliches Gebet: “Vater, erhalte sie in deinem Namen. Ich bitte nicht, dass du sie von der Welt nehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen.” Geschüttelt, aber geliebt, gerüttelt, aber umschlossen, durchgefallen, aber aufgehalten. Das Testergebnis ist die Bewahrung. Daraus das Dritte:

3. Die Testfolgerung ist die Beauftragung

Petrus müsste sich nicht wundern, wenn er nach alledem aus dem unmittelbaren Dienst entfernt wird. Beim Militär werden Deserteure verurteilt. Bei der Partei werden unsichere Kantonisten gefeuert. Im Betrieb erhalten eigenmächtige Leute ihre Entlassungspapiere: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Aber Petrus wird weder zurückgesetzt noch abgesetzt, sondern eingesetzt zu neuem Dienst: Stärke deine Brüder! So sehen wir diesen Apostel am Pfingstmorgen, wie er vor einer Riesenmenge von Juden und Heiden, Kretern und Arabern, Medern und Elamitern predigt und ihnen die großen Taten Gottes vor Augen malt. Wir sehen ihn an der Schönen Tür des Tempels, wie er sich über einen Lahmen herunterbeugt und ihm die Gesundheit zurückgibt. Wir sehen ihn in Antiochien, wie er den Griechen begegnete und ihnen das Evangelium von Jesus nahebringt. Wir sehen ihn in der Apostelversammlung, wie er zwischen den streitenden Parteien vermittelt und den Frieden herstellt.

Das ist Gottes Nulllösung, dass er mit Nullen die Probleme löst. Er schreibt seine Eins davor und macht wichtige Wertstücke daraus. Wegen Schwachheit können wir uns nicht aus seinem Dienst stehl­en. Wegen Verzagtheit können wir uns nicht aus dem Staub machen. Wegen Schuld können wir uns nicht verdrücken. Keiner ist abqualifiziert, sondern jeder neu ordiniert zu diesem Dienst: Stärke deine Brüder. Wer schwach ist, kann stärken. Wer Hilfe erfuhr, kann helfen. Wer den Hahnenschrei als Rettersignal hörte, kann Signale zur Rettung von Brüdern und Schwestern setzen. Gerettet sein gibt Rettersinn. Dieser Satz ist nicht veraltet. Er gehört in das Stammbuch eines jeden Christen. Schon unseren Vätern war klar: Die Testfolgerung ist die Beauftragung.

Liebe Freunde, uns mag vor manchen Tests grauen, weil die Gefahr des Scheiterns nie ganz auszuschließen ist. Den teuflischen Glaubenstest jedoch können wir bestehen, weil es von der Bedrohung über die Bewahrung zur Beauftragung geht - mit Jesus, nur mit Jesus.

Amen