Einführung in die Offenbarung und die Gemeinde von Ephesus
Da fangen wir an mit dem Entschreiben der Offenbarung, Offenbarung 2,1-7, ganz am Ende des Neuen Testaments, Offenbarung 2,1-7. Schon das zweite Wort ist schwierig zu verstehen. Johannes will natürlich nicht an Engel Briefe schreiben, das geht ja nicht. So hoch wir die Apostel schätzen, aber mit Engeln korrespondieren sie nicht.
Es handelt sich vielmehr um den Vorsteher der Gemeinde. Das bedeutet, dieses Wort Engel hier bezeichnet den Vorsteher der Gemeinde in Ephesus. „Schreibe dem Engel der Gemeinde in Ephesus“, so heißt es. Dies sagt der, der die sieben Sterne in seiner Rechten hält. Die sieben Sterne sind ein Bild für die sieben Gemeinden im damaligen Kleinasien, der mitten unter den sieben goldenen Leuchtern einhergeht.
Ich kenne deine Werke und deine Mühsal und deine Geduld und weiß, dass du die Bösen nicht ertragen kannst. Du hast sie geprüft, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner erkannt. Du hast Geduld und hast um meines Namens willen Schweres ertragen und bist nicht müde geworden.
Aber ich habe gegen dich, dass du die erste Liebe verlässt. Bedenke, wovon du gefallen bist, kehre um und tue die ersten Werke. Sonst werde ich zu dir kommen und deinen Leuchter von seiner Stelle wegstoßen, wenn du nicht umkehrst.
Aber das spricht für dich, dass du die Werke der Nikolaiten hasst, die ich auch hasse. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist in den Gemeinden sagt. Das war damals so eine Sektengruppe, die in der Gemeinde allerhand Wirbel verursacht hat, diese Nikolaiten.
Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist. Herr, hilf uns, dass wir überwinden und Anteil haben am Baum des Lebens. Amen.
Die Herausforderung der heutigen Zeit und das Bild der Kirche
Wir leben heute in einer unheimlich gottlosen Zeit. Das muss ich Ihnen nicht sagen. Sie spüren es ja täglich auf Schritt und Tritt. Die Menschen belegen alles, was sie nur an Gott erinnert, mit Spott und Verachtung. Sie treten die Gebote Gottes mit Füßen, machen sich über das Wort Gottes lustig. Wenn sie einen solchen Sonntag, den Ruhetag des Herrn, noch achten und ehren, dann nur, weil er ihnen etwas Ruhe bringt – aber nicht, weil dieser Tag Gott gehört.
Was bedeutet das in unserem Volk noch, wo ja die allermeisten immer noch auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft sind? In dieser Lage tut es mir immer sehr leid, dass unsere Gemeinden, unsere Kirche, ein so schlechtes Bild abgibt. Wahrscheinlich haben Sie sich auch schon oft tüchtig geärgert.
Kritik an der Kirche oder Schimpfen auf die Kirche lockt ja noch den müdesten Hund hinterm Ofen hervor. Da macht jeder mit. Und da könnte jetzt jeder tolle Sachen erzählen, was er erlebt hat – mit den Pfarren, mit den Kirchen im Besonderen – und was ihm nicht gefällt. Er könnte Vorwürfe machen, aus großer Enttäuschung heraus und auch aus Verbitterung.
Aber ich möchte Sie bitten, nicht dem Hochmut zu verfallen. Es kann ja passieren, dass man sich absetzt und sagt: „Jetzt halte ich für mich meinen eigenen Gottesdienst, jetzt bleibe ich daheim.“ Da würden Sie unsagbar viel verlieren.
Die Realität der Urgemeinde und die Treue Jesu
Und ich muss Ihnen heute Morgen zuerst einmal ein Geheimnis verraten: Das, was in der Offenbarung steht, ist wirklich so.
In den Sinnsschreiben werden wir darauf gestoßen, dass schon die Urchristen, die erste Gemeinde, voller Fehler und Mängel war. Wer hat eigentlich erfunden, dass sie fehlerlos gewesen sei? Lesen Sie doch die Apostelgeschichte! Dort sind ja die grauenhaftesten Dinge passiert.
Die Gemeinde Gottes war zu unserem großen Bedauern immer eine sehr anstößige Gemeinschaft. Das ist sie ja auch, weil wir dazugehören – Sie und ich. Wo dürfte ich Sie nicht mit einbeziehen?
Aber Jesus hat sich in seiner unbegreiflichen Treue zu solchen Gemeinden bekannt. Er hat mit solchen anfechtbaren Gemeinden gearbeitet, sie gesegnet und immer wieder Erweckung und Erneuerung geschenkt.
Letztendlich haben wir das Blatt mit den Worten Luthers zu seinem 500. Geburtstag. Wenn wir nicht ständig darauf gestoßen würden, wüssten wir kaum, dass es doch nahezu in jedem Jahrhundert ganz ähnlich war.
Gott hat seine Gemeinde nicht abgeschrieben. Das verstehen wir Menschen: Wir haben sie immer abgeschrieben, die Frommen haben sie immer abgeschrieben, aber Gott nicht.
Darum sind die Eingangsverse mir so wichtig: Er hält die sieben Sterne, und das Bild für die Gemeinde sind Sterne, die darum leuchten, weil die Sonne sie anstrahlt.
Das geschieht nach wie vor, dass Jesus in seiner Kirche – auch in unserer evangelischen Kirche – sein Evangelium in diese dunkle Welt hinein leuchten lässt.
Und da gibt es Menschen, die sehen, dass diese Sterne leuchten, und sie haben dadurch eine Orientierung durch die Nacht der Welt.
Symbolik der Leuchter und die Bedeutung für die Gemeinden
Oder das andere Bild von den goldenen Leuchtern: Wissen Sie eigentlich, was das für die Juden damals bedeutete, wenn sie im Tempel den siebenarmigen Leuchter sahen? Heute kennen wir das noch aus der Erinnerung. Für Israel war der siebenarmige Leuchter ein wichtiges Symbol. In den Häusern wurde er hin und her angezündet. Der Leuchter war ein Zeichen der Gegenwart Gottes und stand im Heiligtum des Tempels.
Es wird gesagt, dass diese Gemeinden, die wir in den nächsten Sonntagen noch sehr genau kennenlernen werden, träge Gemeinden, vertrottelte Gemeinden, müde Gemeinden und untreue Gemeinden sind. Der Herr behält sie dennoch als seine Leuchter in dieser Welt.
Dass Gott seine Geschichte in dieser Welt macht, hängt nicht von uns ab, sondern von ihm. Das ist seine Sache. Er ist der Herr und der König und führt sein Werk auch in unserem Jahrhundert fort.
Deshalb will ich meiner evangelischen Kirche treu bleiben. Ich bin ungemein gesegnet worden von meinem Herrn und Heiland Jesus Christus in dieser Kirche. Und er will diese Gemeinde erwecken und erneuern, auch heute, damit das Licht wieder hineinstrahlen kann.
Die Bedeutung der Hausgemeinde und persönliche Gemeinschaft
Aber das gilt jetzt nicht nur für unseren Gottesdienst und nicht nur für unsere organisierten Gemeinden. Ich hoffe, dass Sie entdeckt haben, was Hausgemeinde bedeutet.
Könnte es der Grund sein, dass Ihre Ehe durch eine Krise geht, wenn Sie keine Hausgemeinde mehr bilden? Was ist es, wenn wir unsere Nachbarn erschrecken, weil wir morgen schon um fünf vor sieben nur noch einen Choral in unserer Wohnung spielen? Das lasse ich mir nicht nehmen: dass wir uns zum Gebet versammeln und Gottes Wort lesen, dass der Leuchter angezündet wird, bevor die Kinder in den Sturm der Schule hinausgehen, in das Jagen des Alltags.
Ihr Hausbibelkreis, wo Sie sich versammeln, die Gemeinschaftsstunde, der Jugendkreis, in dem sich junge Menschen um das Wort Gottes treffen – damit sie dieses Geheimnis entdecken, der die sieben Sterne in seiner Rechten hält und mitten unter den sieben goldenen Leuchtern einhergeht.
Schaffen Sie doch Jesus Raum, damit er auch unter der Woche unter Ihnen einhergehen kann!
Die Gemeinde von Ephesus: Entstehung und Bilanz
Aber nun wollen wir diese Gemeinde einmal genau anschauen: die Gemeinde von Ephesus. Sie kann eine eindrucksvolle Bilanz vorweisen, und darüber möchte ich zuerst sprechen.
Sie wissen, wie diese Gemeinde entstand. Paulus hat dort in Ephesus zuerst gepredigt. Es kam zur Sammlung einer Gemeinde, die, ohne dass man es erwartet hätte, in kurzer Zeit das Stadtbild prägte. Der Handel mit den Amuletten lief nicht mehr, auch die Artemistempel, in denen solche Amulette verkauft wurden, verloren an Bedeutung. Diese Tempel waren Orte wilder Kultgegenstände und schrecklicher Orgien.
Paulus hat diese Gemeinde gegründet, und wir wissen sehr viel von ihr, weil ja der Epheserbrief an die Gemeinde in Ephesus geschrieben wurde. Ich habe extra noch einmal nachgeschlagen, denn es kommt dort ein paar Mal vor, dass in der Offenbarung Jesus ihr Werk rühmt. Er lobt, dass sie zum Dienst bereit sind.
Wir Evangelischen sind nicht gegen Werke, wie manche immer wieder vermuten. Wir wollen große Werke wirken, hoffentlich, aber nicht aus eigener Kraft, sondern in der Kraft Gottes, der Kraft des Heiligen Geistes. Und genau das wird an ihnen gelobt: Sie haben sich dem Dienst hingegeben, sie waren bereit zu dienen.
„Mit den Werken kann ich mir nicht den Himmel erkaufen“ – das war für die Epheser klar. Sie waren froh, dass sie mit ihrem Leben etwas Sinnvolles tun durften. Darum dienten sie mit ihren Werken und Taten. Ganz konkret steht im Epheserbrief, wie die Familien anders aussehen und wie die Ehe neu wird, wenn man Jesus gehört hat.
Das ist schon eine lobenswerte Gemeinde dort in Ephesus – wenn das alles stimmt: eine tätige Gemeinde in der Liebe, in der Hingabe, in der Opferbereitschaft und im Diensteinsatz. Was soll man da noch sagen können?
Kirchenzucht und der Kampf gegen falsche Lehren
Und dann hat diese Gemeinde Kirchenzucht geübt. Dabei blutet uns das Herz, weil wir heute oft nicht mehr den Mut dazu haben. Manchmal geht das mit ganz schweren Erschütterungen einher, wenn eine Gemeinde, ein Kirchengemeinderat oder ein Mitarbeiterkreis versucht, wieder Richtlinien aufzustellen.
Die Gemeinde von Ephesus hatte solche Richtlinien. Paulus erinnerte sie beim Abschied in Milet daran, dass die größte Gefahr von innen kommt, aus der Gemeinde selbst. Von dort kommen die vertragsleeren, gräulichen Wölfe, die aufstehen und die Herde nicht verschonen, sondern zerreißen.
Von Anfang an haben sie sich all das ausgeschieden, was nicht dem Geist Jesu entsprach. Das waren Kämpfe. Schon die erste Gemeinde musste sich bitter damit auseinandersetzen. Es ist merkwürdig, dass heute oft bestritten wird, dass dies in unserer Zeit noch akut sei. Ich bin da anderer Meinung. Ich vermute, dass wir uns ernsthaft damit auseinandersetzen müssen, um zu erkennen, was dem Willen Jesu entspricht und was nicht.
Darum haben sie den Kirchenkampf vermieden, weil sie den Unglauben und alles, was die Ehre Jesu zerstören konnte, in der Kirche gar nicht erst zugelassen haben. Sie durchschauten den ganzen Schwindel der falschen Propheten. Das muss man mit ertragen, wenn man Christ wird. Für junge Christen ist das nicht leicht: Sie können die Bösen nicht ertragen, die das Wort Gottes verfälschen und die Gebote Gottes umdrehen und manipulieren.
Die Gemeinde von Ephesus hat um Jesu Willen Schweres ertragen: "Um meines Namens willen hast du viel gelitten." Ja, damals, als der Sturm losging, der Goldschmiede Zunft und so ein Paulusschiach um sein Leben kam. Damals mussten sie viel aushalten, auch in den nächsten Jahren.
Paulus gab ihnen im Epheserbrief den Rat, stark zu sein und die Waffenrüstung Gottes anzuziehen. Christen müssen immer kampfbereit sein. Nicht um ihre eigene Ehre streiten, sondern um die Verteidigung des Evangeliums. Damit das Licht des Evangeliums richtig klar in die Welt hinein leuchten kann.
Sie gingen durch schwere Leidenszeiten und haben sich bewährt. Eine tolle Bilanz, die die Leute von Ephesus vorlegen können.
Die Kritik an der Gemeinde: Verlust der ersten Liebe
Aber jetzt sagt Jesus: Etwas stimmt nicht. Wenn man sich mit der Gemeinde von Ephesus vergleicht, schämt man sich und denkt: Ja, aber so gut sind wir nicht wie die.
Bei der Kritik, die der erhöhte Herr nun anbringt, wird deutlich, dass es sich nicht nur um eine Randkritik handelt. Das, was er meint und anprangert, stellt im Grunde alles in Frage. Er sagt: „Etwas habe ich gegen dich.“ Ein kleines Etwas, das wäre ja nicht schlimm, denn niemand ist vollkommen. Aber dieses Etwas, das er jetzt zeigt, betrifft die Grundeinstellung, die fehlt. Er sagt: „Ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässt.“
In unserer Zeit muss man heute wieder überhaupt sagen, was eigentlich Liebe ist. Wissen Sie das? Liebe ist nicht nur eine Partnerschaft, damit man nicht allein vor dem Fernseher sitzen muss. Viele Leute heiraten heute nur, weil sie das Einsamsein nicht mehr ertragen können. Oder ein Mann sagt: „Ich brauche jemanden, der nach meinen Anzügen schaut, ich kann das nicht mehr allein schaffen.“ Und nach einer gewissen Zeit wird man sich wirklich überdrüssig.
Liebe ist das, wenn ein Mensch zum ersten Mal erkennt: Da ist ein anderer, den ich gar nicht wert bin. Wenn Sie es billiger haben, lassen Sie den Finger davon – das ist keine Liebe. Wenn Sie sagen: Der andere bindet sich an mich, das bin ich nicht wert, das ist zu groß, das verstehe ich nicht. Ich habe ja so viele Probleme mit mir.
Wenn man bewegt ist von dem, was der andere schenkt – jetzt wissen Sie, warum es später in der Ehe nicht mehr läuft. Wenn Sie das nachher mit der Peitsche machen wollen und mit Ihrer donnernden Spiesestimme auf dem Kasernenhof, dann kriegen Sie nichts mehr hin. Sie können nichts mehr erziehen.
In der Ehe erzieht man sich nicht. In der Ehe nimmt man auch nichts voneinander ab, was nicht aus Liebe kommt. Liebe ist das Geschenk, das Staunen, das mir der andere gibt.
Und wenn das in einer Gemeinde verloren geht, wenn man nicht täglich bewegt ist von dem, was Jesus uns tut, wenn man manchmal nicht mehr weiterweiß vor lauter Staunen und Rührung über diese ungeheure Liebe, dass Jesus uns bedient, dass er uns heute Morgen nachgeht und uns lieb hat – wenn das in einer Gemeinde vergessen wird, liebe Schwestern und Brüder, dann ist das Ganze, das wir als tolle Bilanz vorweisen können, umsonst, leer und unbrauchbar.
Die Bedeutung der Liebe für das Engagement in der Gemeinde
Und jetzt bekomme ich Angst um das viele, was wir im Namen Jesu angepackt haben. Aber ist es wirklich aus Liebe geschehen? Ich habe das vielen von Ihnen schon gesagt: Niemand muss bei uns an irgendeiner Stelle mitmachen.
Jedem Chorsänger wollte ich sagen: Heute darf er gehen. Kein Mensch würde ihn fragen, warum, wenn er es nicht aus Liebe zu Jesus tut.
Und wenn Sie in diesen Tagen unseren Gemeindebrief in die Häuser tragen, habe ich niemanden gebeten, es zu tun, wenn Sie es nicht aus Liebe zu Jesus tun. Jesus hat Ihr Leben überschüttet, und nicht um der Kirche willen. Sondern damit andere Menschen auch etwas von Jesus mitbekommen und dass dieser Schein in ihr Leben hineinleuchtet.
Die Wirkung von Buße und die Herausforderung der Sünde
Im Mittelalter gab es einen bemerkenswerten Bußprediger namens Abraham a Santa Clara. Wenn man heute seine Predigten liest, erkennt man, dass es kaum etwas Vergleichbares gab. Er geißelte die Sünden seiner Zeit auf eine geradezu gigantische Weise. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund. Seine Sprache war so derb, dass man sie hier kaum zitieren kann.
Doch genau so ist es oft, wenn man die Sünden angreift: Es entsteht eine regelrechte Mordsgaudi. Schiller hat Abraham a Santa Clara in seinem Werk „Wallensteins Lager“ ein Denkmal gesetzt – in der sogenannten Kapuzinerpredigt. Und alle amüsieren sich köstlich darüber. Doch das hat noch nie jemanden zur Buße bewegt.
Das möchte ich allen sagen, die gegen die Sünden der Welt ankämpfen: Wenn wir gegen die Sünde ankämpfen, dann endet es oft wie bei Abraham a Santa Clara. Die Welt lacht sich halb tot, und die Botschaft dringt nicht ins Gewissen ein.
Man kann Sünde nur erkennen, wenn man versteht, was Sünde wirklich ist. Sünde ist die versäumte Liebe gegenüber Jesus. Deshalb spreche ich so gern von Jesus und nicht von den Sünden. Erst so wird bewusst, was man versäumt hat und was man falsch gemacht hat.
Das führt oft dazu, dass wir Jesus zurückweisen. Das betrifft auch Menschen, die sagen: „Mir kommt es jetzt gar nicht so sehr auf den Glauben an. Ich will erst einmal tätig sein.“ Sie verstehen nicht, wie sehr Jesus ihnen nachgeht und sie heute Morgen neu mit seiner Kraft ausrüsten will. Er möchte unser Leben heiligen und in seinen Dienst nehmen.
Die Gefahr des christlichen Trotts und die Notwendigkeit der Erneuerung
Wo muss Erneuerung einsetzen? Ich habe meine Predigt heute überschrieben mit „Im christlichen Trott“.
Das mit dem Trott ist so: Man geht eine Zeit lang, und je müder man auf der Wegstrecke wird, desto mehr läuft man mit weicheren Knien. Wenn wir uns heute umschauen, können wir das überall sehen, besonders in christlichen Kreisen. Dort herrscht eine Müdigkeit, wie auf einer Wanderung gegen Abend, wenn man sagt: „Kommen wir nicht bald ans Ziel?“
Diese Müdigkeit zeigt sich auch in den Gemeinschaftsstunden. Kaum noch Brüder sind da, die das Wort auslegen. In den Bibelkreisen stellt man immer wieder die alten Problemfragen, und alles wird müde. Der Leiter muss seine Liebe notgedrungen einsetzen, um die Leute mit Appellen dabeizuhalten, damit sie bei der Stange bleiben.
Da hilft nur die erste Liebe wieder. Ich wollte Ihnen das jetzt so zeigen: Wie Jesus vor Ihnen steht und alles andere von Ihnen nicht will – die vielen Dinge, die Sie sich vorgenommen haben. Er will Sie einfach einmal in den Arm nehmen, so wie Liebende sich aneinander freuen.
In der Bibel steht, dass der Vater des verlorenen Sohnes den Sohn in den Arm nimmt und ihm spüren lässt, dass der Vater nichts mehr dazwischen sein lässt. So dürfen Sie sich freuen, dass Er da ist. Das ist so schön.
Wir haben das mit einer Frau gar nicht abgesprochen, mit den Liedern, die der Chor heute singt, und plötzlich passt jedes Wort in unseren Gottesdienst. „Ich bin gewiss, dass nichts mich scheiden kann von ihm“ – das treibt mir dann die Tränen aus den Augen vor Bewegung.
Und das gibt mir Mut, in der neuen Woche für ihn zu stehen. Erneuerung der Kirche tut not.
Die Forderung zur Umkehr und die Hoffnung auf neue Begeisterung
Da schreien heute alle: Aber welche Erneuerung? Es wird viel geplant und organisiert. Doch es gilt nur eines: Tue Buße, kehre um, drehe dich hundertachtzig Grad zurück zu Jesus und zur ersten Liebe.
Je mehr Mitchristen das auch einfordern, desto mehr fängst du an, nur noch von Jesus zu reden. Genau darum geht es: Jetzt hast du es endlich kapiert, worum es wirklich geht – um die erste Liebe wie damals!
Zur Buße gehört, dass man es eingesteht, ausspricht und sagt: Anders kann nichts wirken, und anders kommt nichts heraus als allein so. Ich war falsch gelegen mit meiner bisherigen Aktivität, und wir haben manches falsch gemacht.
Ach, ich wünsche es mir so sehr, dass heute wieder junge Christen in unsere kirchlichen Jugendwerke hineingehen, wo so viel Trott herrscht. Dort dreht man tausend Dinge, löst die ganzen Weltprobleme, ersetzt sogar die Verhandlungen von Genf und bringt sie zu Ende, was andere gar nicht schaffen.
Und dass da einer hineinkommt, der erfüllt ist von der ersten Liebe – ihr jungen Christen, die ihr gerade zum Glauben gekommen seid –, dass ihr in eurem Dienst in den Gemeinden erzählt, wie ursprünglich neu eure Freude an Jesus ist, so wie es ein Bräutigam erzählt: Ich habe einen Schatz, an dem ich mich freue, mein Schatz, mein Schatz, das ist es!
Ich denke an einen Jugendreferenten, der seit Jahren nichts anderes getan hat, als in den Problemen der Welt seine sehr bedeutende Meinung zur Geltung zu bringen. Er wusste genau, wie es geht. Dann kam ein Junge, ein Praktikant, der sagte: Ich mache nicht mit bei der Tanzparty, die ihr habt, ich lade zu einer Bibelstunde ein.
Da ist plötzlich beim Jugendreferenten wiedergekommen, wie es einst war mit seiner ersten Liebe zu Jesus. Verschüttetes ist wieder aufgebrochen. Tun Sie diesen Dienst in den Kirchen, überall! Das können nur Leute tun, die die ersten Erfahrungen mit Jesus gemacht haben und ursprünglich davon reden, dass wir herauskommen aus diesem Trott, aus der Gewohnheit und der Tradition.
Wir müssen wieder anfangen, dieses neue Leben zu empfinden. Es ist typisch, dass sich Traditionsgemeinden oft gegen Neuaufbrüche wehren. So ist die Heilsarmee entstanden, weil verschiedene englische Kirchen, auch die Methodistenkirche, die Freude an Jesus, die diese Neubekehrten aus der Gosse hatten, gar nicht fassen konnten.
Für diese erstarrten Christen war das nichts. Hoffentlich haben wir noch ein Gefühl dafür, was hier sein muss: keine hochgeistigen Predigten in unserer Kirche, sondern die Erfahrung, die Menschen machen, und die Freude an ihm – die erste Liebe zu ihm, wo man sich gegenseitig ermuntert und reizt und das sagt.
Die Warnung vor dem Umstossen des Leuchters und die Ermutigung zur Treue
Und dann noch das Letzte: Gott kann auch den Leuchter umstoßen. Gehen Sie heute einmal durch die Türkei und suchen Sie nach den Resten dieser Gemeinden. Sie sind schon seit Jahrhunderten ausgelöscht. Sonst komme ich und stoße einen Leuchter um.
Was ist das nur bei uns? Eine merkwürdige, falsche Sicherheit. Wer hier umstößt, ist nicht irgendein Antichrist. Jesus stößt den Leuchter seiner Gemeinde um. Ich habe Furcht, dass Gott uns diesen Leuchter umstoßen kann, und dann ist es vorbei mit der Leuchtkraft.
Jetzt kann man kaum mehr atmen, als den Atem anzuhalten und zu sagen: Herr, ist das vielleicht jetzt bei uns schon die deutsche Geschichte? 500 Jahre Luther – ist das dein Beitrag zum Lutherjubiläum? Nein, der Leuchter ist noch nicht umgestoßen, weil heute sein Wort uns verkündigt wird.
Und wir reden ja über uns, und ich darf umkehren, neu ihn aufnehmen. Erneuerung tut not. Erneuerung an einer Stelle: nicht neues Wissen, nicht neue Lehre, nicht neue Appelle sind nötig, nicht neue Organisationen, nicht neues Papier ist nötig. Eine neue Beziehung zu Jesus, auch bei denen, die ihm schon jahrelang nachfolgen.
Damit das Licht des Evangeliums in die Nacht der uns umgebenden Welt hinausleuchten kann. Der Herr ist noch nicht geschieden von uns, und er will uns erneuern. Er hat Großes vor mit Ihnen, und Sie dürfen ihn aufnehmen und sich neu an ihm freuen. Er sucht Sie. Amen.
