Vorbeischaut, heute haben wir uns knapp zwei Stunden mit der Furcht Gottes beschäftigt. Beim letzten Mal ging es um die Gnade. Die Frage war: Ist Gott gnädig, oder muss man Gott auch fürchten? Wie passt das zusammen? Wenn Gott gnädig ist, warum sollte man ihn dann fürchten?
Generell hört man in der Kirche und in Predigten sehr viel über die Liebe Gottes und auch über die Gnade. Das ist aus gutem Grund so, denn Gott ist die Liebe. Deshalb ist es gut, über die Liebe zu sprechen. Gnade ist ein herausragendes Merkmal der Christentum. Darum ist es ebenfalls wichtig, darüber zu reden.
Nun stellt sich die Frage: Wie ist es mit der Furcht Gottes? Muss man Gott fürchten, wenn er doch gnädig ist? Das scheint ein Widerspruch zu sein.
Im Psalm 33,18 heißt es: „Siehe, das Auge des Herrn ruht auf denen, die Gott fürchten, die auf seine Gnade harren.“ Interessant ist, dass der Psalmist hier im gleichen Atemzug sagt, dass diejenigen, die Gott fürchten, zugleich auf seine Gnade warten. Für den Psalmisten sind das ein und dasselbe. Für uns erscheint das eher widersprüchlich. Das ist sehr bemerkenswert.
Ganz am Anfang sei nur ein Satz erwähnt: Ein Missverständnis ist, dass wir glauben, Gottes Furcht habe mit Angst zu tun. Angst ist jedoch etwas anderes als Furcht. Dazu können wir später noch sprechen.
Im alltäglichen Sprachgebrauch hört man das ab und zu noch. Früher wurde das viel häufiger gesagt. Zum Beispiel: „Das ist ein gottesfürchtiger Mensch.“ Damit ist aber nicht gemeint, dass sich der Mensch vor Gott fürchtet. Vielmehr bedeutet es, dass der Mensch Gott vertraut.
Wenn man sagt, jemand sei ein gottesfürchtiger Mensch, meint man damit, dass diese Person Gott vertraut. Das ist die Bedeutung, die dahintersteht.
Ich habe das Thema jetzt so aufgeteilt, dass es auch in engeren Unterlagen nachzulesen ist, in denen man mitschreiben kann. Wenn Sie diese Unterlagen nutzen, ist das hilfreich.
Gründe für die Gottesfurcht
Verheißungen als Motivation
Warum sollen wir Gott fürchten? Das ist der erste Punkt. Warum soll man Gott überhaupt fürchten? Ich habe dazu drei Unterüberschriften.
Der erste Grund, warum wir Gott fürchten sollen, ist, dass die Furcht Gottes immer mit Verheißungen verbunden ist, mit Versprechen. Im Psalm 111, Vers 10 steht zum Beispiel: „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.“ Wenn du Weisheit willst, dann fürchte Gott.
Im Psalm 103, Vers 13 lesen wir: „Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.“ Wenn du möchtest, dass Gott sich über dich erbarmt, dann fürchte Gott.
Im Sprüche 10 heißt es: Willst du ein langes Leben haben, fürchte Gott. In Sprüche 14, Vers 26 steht: Möchtest du deine Kinder unter dem Schutz Gottes sehen? Dann fürchte Gott. Und in Sprüche 14, Vers 27 heißt es: Möchtest du die Quelle des Lebens kennen? Dann fürchte Gott.
Das bedeutet: Der erste Grund, warum wir Gott fürchten sollen, ist, dass die Furcht Gottes immer eine Verheißung, ein Versprechen Gottes enthält. Das ist der erste Grund.
Vorbilder aus der Bibel
Der zweite Grund, warum wir Gott fürchten sollen, ist, dass unsere biblischen Vorfahren Gott gefürchtet haben.
Als Mose vor dem brennenden Dornbusch stand – eine bekannte Geschichte, die ihr gerne selbst in der Bibel nachschlagen könnt, zum Beispiel in 2. Mose 3 – fürchtete er sich, Gott anzuschauen. In der Gegenwart Gottes war stets eine gewisse Furcht spürbar, wenn Menschen ihm begegneten.
Der Prophet Jesaja hatte eine Vision, die wir im Jesaja 6 nachlesen können. Dort sagt er: „Wehe mir, ich bin verloren, ich habe Gott gesehen.“ Auch er fürchtete sich vor Gott.
Im Alten Testament lesen wir von Daniel, beispielsweise in der Geschichte von Daniel in der Löwengrube. Als Gott zu ihm sprach, zitterte Daniel vor Furcht.
Als Jesus zum ersten Mal zu Petrus kam – Petrus war Fischer – sagte dieser zu Jesus: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch.“ Er zeigte damit eine gewisse Furcht, weil er sich seiner Sündhaftigkeit bewusst war.
Jesus trieb oft Dämonen aus und heilte Kranke. Dabei lesen wir ebenfalls in der Bibel, dass die Menschen sich vor ihm fürchteten, weil sie seine Macht erkannten.
Am Berg der Verklärung, wo Petrus und zwei weitere Jünger Jesus verklärt sahen, ertönte die Stimme Gottes vom Himmel: „Dies ist mein geliebter Sohn, auf ihn hört.“ Die Jünger fielen daraufhin zu Boden und fürchteten sich sehr.
Auch die ersten Christen in der ersten Christengemeinde wandelten in der Furcht des Herrn.
Zusammenfassend ist der zweite Grund, warum wir Gott fürchten sollen, dass unsere biblischen Vorfahren Gott gefürchtet haben.
Gottes Gebot zur Furcht
Der dritte Grund, warum wir Gott fürchten sollen, ist, dass es ein klares Gebot von Gott ist. Es ist ein Gebot an dich und an mich, ihn zu fürchten.
Ein wunderschöner Vers dazu stammt aus dem Buch Prediger. Erinnern Sie sich? Vor ein paar Jahren wurde er einmal in einer Predigt erwähnt. Das Buch Prediger im Alten Testament endet mit einem wichtigen Vers: Prediger 12,13. Dort heißt es: „Das Endergebnis des Ganzen, lasst uns hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote; das soll jeder Mensch tun.“
Diese Aussage fasst das gesamte Buch Prediger zusammen: Fürchte Gott.
Auch im Neuen Testament finden wir diesen Auftrag. Im 1. Petrus 2,17 steht: „Fürchtet Gott!“ Und in der Offenbarung, Kapitel 14, Verse 6 und 7, wird gesagt: „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre.“
Dies ist ein Gebot, das Gott uns gegeben hat.
Die Bedeutung der Gottesfurcht im Leben
Es ist mir wichtig zu verstehen, dass, wenn ein Gebot von Gott an uns Menschen gegeben wurde, wir es beachten müssen. Andernfalls schaden wir uns selbst.
Ich möchte Ihnen erklären, was ich damit meine. In unserem Universum gibt es bestimmte Gesetzmäßigkeiten, die immer funktionieren. Zum Beispiel mathematische Gesetze: Zwei und zwei sind immer vier. Da können Sie rütteln, was Sie wollen, zwei und zwei bleiben immer vier. Sie können versuchen, es anders zu rechnen und sagen, zwei und zwei sind sechs. Doch dann haben Sie sich verrechnet, es stimmt nicht. Sie können fleißig hinschreiben, „zwei und zwei ist sieben“, aber das ändert nichts daran. Es bleibt vier. Das ist eine mathematische Gesetzmäßigkeit.
Es gibt auch physikalische Gesetze, die immer gelten, wie zum Beispiel das Gesetz der Schwerkraft. Wenn ich einen Kugelschreiber loslasse, fällt er immer nach unten. Das ist so. Die Schwerkraft ist eine physikalische Kraft, die immer wirkt. Ignoriert man sie, hat man ein Problem.
Hier ein Beispiel, das ich gelesen habe, das zeigt, wie gefährlich es sein kann, physikalische Gesetze zu ignorieren. Es handelt sich um einen Unfallbericht eines Maurers in Australien. Ob Australien wirklich der Ort war, weiß ich nicht genau, aber ich habe den Bericht gelesen. Die Gebietskrankenkasse verlangte von ihm einen Unfallbericht, da er sich verletzt hatte. Darin beschreibt er den Unfallhergang so:
„Sehr geehrte Damen und Herren, wie bereits unter § 3 beschrieben, ist die Unfallursache auf unzureichende Planung zurückzuführen. In Sektion 4 des Unfallberichts möchte ich Ihnen nun die von Ihnen geforderten Informationen über den Unfallhergang geben.
Ich bin Maurer von Beruf. Am Unfalltag arbeitete ich alleine im sechsten Stock eines Gebäudes. Nach Beendigung der Arbeit blieben mir einige Ziegel übrig, die, wie wir später feststellten, etwas mehr als 150 Kilogramm wogen.
Anstatt sie die Treppen hinunterzutragen, entschied ich mich, sie mit einem Seilzug auf einer Palette hinunterzulassen. Nachdem ich das Seil auf Erdgeschosshöhe fixiert hatte, lud ich die Ziegel auf die Palette, die am anderen Seilende in der Höhe des sechsten Stocks befestigt war.
Danach löste ich das Seil im Erdgeschoss und hielt das Ende des anderen Seils mit meinen Händen fest, damit die Ziegel nicht zu schnell herunterkamen.
In Sektion 7 des Unfallberichts sehen Sie, dass ich 65 Kilogramm wiege. Als mich das Seil dann plötzlich nach oben riss, war ich so schockiert, dass ich vergaß, das Seil loszulassen. Ich muss nicht erwähnen, dass ich nun mit hoher Geschwindigkeit an der Mauer des Gebäudes nach oben raste.
Etwa in der Höhe des dritten Stocks traf ich auf die Ziegelpalette, die nun mit gleicher Geschwindigkeit nach unten fuhr. Dieses Aufeinandertreffen erklärt die Schädelfraktur und das gebrochene Schlüsselbein, wie in Sektion 2 des Unfallberichts beschrieben.
Nach diesem Zusammenstoß, der mich nur kurz verlangsamte, ging es wieder mit hoher Geschwindigkeit in Richtung sechsten Stock. Meine Finger waren inzwischen am Seil verkrampft. Im sechsten Stock angekommen, war ich wieder bei Bewusstsein und hielt das Seil fest, obwohl ich Schmerzen verspürte.
Etwa zur gleichen Zeit schlug die Ziegelpalette auf Erdgeschosshöhe auf dem Boden auf, und die Ziegel durchbrachen den Palettenboden. Da nun das Gewicht der Ziegel nicht mehr vorhanden war, wog die Aufhängung am anderen Seilende nur noch etwa zehn Kilogramm. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich 65 Kilogramm wiege.
Wie Sie sich vorstellen können, ging es nun mit hoher Geschwindigkeit wieder nach unten. Etwa in der Höhe des dritten Stocks traf ich auf die Palettenaufhängung, die aus Gusseisen gefertigt war. Das erklärt die beiden zertrümmerten Fersen, den Blasenriss und die herausgerissenen Zähne.
Dieser Zusammenstoß war auch das Ende meiner Glückssträhne. Mit meinen Händen immer noch am Seil fuhr ich mit hoher Geschwindigkeit weiter nach unten und landete auf dem Ziegelhaufen. Das erklärt die zwei gebrochenen Wirbel.
Es tut mir leid, Ihnen berichten zu müssen, dass ich, auf den Ziegeln liegend, mein Bewusstsein verlor und das Seil losließ. So sah ich nur noch kurz, wie die Palettenaufhängung aus Gusseisen mit hoher Geschwindigkeit von oben auf mich zukam. Das erklärt die zwei zertrümmerten Oberschenkel.
Ich hoffe, Ihnen damit eine ausreichende Erklärung des Unfallhergangs und der damit verbundenen Verletzungen gegeben zu haben.
Mit herzlichen Grüßen
Mike Bash, Maurer“
Das ist ja ganz witzig, aber eines muss uns bewusst sein: Physikalische Gesetze funktionieren immer. Das ist so.
Die Frage ist nun: Gibt es auch moralische Gesetze in unserem Universum, die immer gelten? Denn wenn es moralische Gesetze gibt, die immer funktionieren, und wir sie missachten, dann geht es uns genauso wie dem Maurer.
Die Bibel sagt dazu im Römerbrief Kapitel 2, Vers 14: „Denn wenn die Nationen, das heißt die Heiden, die kein Gesetz haben, von Natur aus dem Gesetz entsprechend handeln, so sind diese, die kein Gesetz haben, sich selbst Gesetz. Sie beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihr Herz geschrieben ist, indem ihr Gewissen ihnen Zeugnis gibt und ihre Gedanken sich anklagen oder entschuldigen.“
Das bedeutet, Paulus schreibt, dass jeder Mensch, ob er die Bibel kennt oder nicht, innerlich bestimmte moralische Werte kennt und sich ihrer bewusst ist.
Das Problem in unserer heutigen aufgeklärten westlichen Welt ist, dass wir es gewagt haben, moralische Gesetze zu ignorieren oder wegzuerklären. Wir sprechen nicht mehr von moralischen Gesetzen, sondern nur noch von moralischen Werten. Wir reden nicht mehr von Tugenden, sondern nur noch von Idealen.
Das Problem ist, wenn wir das weiterhin tun, fügen wir uns früher oder später selbst Schaden zu. Denn wenn der Maurer entscheidet, die Schwerkraft gibt es nicht mehr, weil sie ihm nicht passt, wird ihm das nicht viel helfen. Er wird sich verletzen.
Und wenn wir moralische Werte einfach ignorieren, werden wir uns früher oder später ebenfalls verletzen. Das ist wichtig zu erkennen.
Folgen des Mangels an Gottesfurcht in der Gesellschaft
Was geschieht, wenn wir keine Gottesfurcht mehr haben? Was dann passiert, kann man jeden Tag in unserer Gesellschaft beobachten. Moralische Werte zerbröckeln immer mehr.
Es ist interessant: Heute ist es zum Beispiel leichter, ein ungeborenes Kind zu töten, als einen Baum zu fällen. Ich erinnere mich, als wir vor dem Bad einen Baum hatten. Da standen wir davor, und es war schon halb verwelkt. Aber ich durfte ihn nicht einfach umschneiden. Der Bürgermeister kam, der Naturschützer war auch da, und es wurde gefragt, ob ich den Baum umschneiden darf.
Wenn du jedoch ein ungeborenes Kind abtreiben willst, brauchst du überhaupt niemanden zu fragen. Die Werte haben sich verschoben.
Dass Politiker heute ihre Position missbrauchen, wird nicht nur befürchtet, sondern als normal angenommen.
Das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ – wenn man ehrlich ist, wenn du zum Beispiel deine Steuern ehrlich bezahlst, dann bist du ein fester Trottel, wenn du dich daran hältst. Dieses Gebot steht zwar in der Bibel und ist ein moralischer Wert, doch es wird oft ignoriert.
Das Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ wird ebenfalls missachtet. Kinder haben heute oft wenig Respekt vor Autorität, auch vor den Alten. Sie lachen darüber, weil es ihnen nicht mehr beigebracht wird.
Wenn du sagst, dass du deine Jungfräulichkeit für den Partner deines Lebens aufbewahrst, wirst du heute ausgelacht. Früher war es eine Schande, ein lediges Kind zu haben, heute ist es normal.
Ich möchte damit nur zeigen, wohin unsere moralischen Werte abdriften.
Das Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus und Gut“ ist ebenfalls ein Gebot. Weißt du, was wir heute in der Werbung hören? „Geiz ist geil“, zum Beispiel. Das ist eine komplette Werteverschiebung im Vergleich zu dem, was die Bibel uns sagt, was gesund und richtig ist, und dem, was unsere Gesellschaft heute für richtig hält.
Christen haben es oft nicht leicht, weil sie zwischen zwei sich oft entgegengesetzten Wertesystemen stehen. Zum einen kennen sie die Gültigkeit der Gebote Gottes. Zum anderen sind sie jeden Tag mit den Werten der Gesellschaft konfrontiert.
Das ist der Konflikt, in dem Christen oft stehen. Das muss uns bewusst sein.
Der Grund, warum unsere moralischen Werte abbröckeln, liegt klar auf der Hand. Die Antwort ist ganz einfach: Wir haben keine Furcht mehr vor Gott. Wir fürchten Gott nicht mehr. Darum ist es eigentlich egal, was man tut.
Darum möchte ich mit einem Psalmwort beginnen. David hat gesagt: „Kommt, ihr Söhne der Selah, hört mir zu! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren.“
Der normale, gottlose Mensch hat keine Furcht vor Gott. Der natürliche Mensch hat keine Furcht vor Gott. Deshalb sagt David: „Die Furcht des Herrn will ich euch lehren.“
Darum haben wir auch gedacht, es ist gut, wenn wir uns einmal Zeit nehmen, über die Furcht Gottes nachzudenken.
Die zwei Seiten der Gottesfurcht
Dann auf Seite zwei die nächste Frage: Wenn man die Furcht Gottes betrachtet, stellt man fest, dass sie sowohl eine sehr ernsthafte als auch eine sehr tröstliche Seite hat.
Ich möchte über beide Seiten sprechen. Zuerst zur ernsthaften Seite der Gottesfurcht.
Die ernsthafte Seite der Gottesfurcht
Ich habe, glaube ich, zwei Punkte dazu. Erstens: Warum ist die Gottesfurcht ernsthaft?
Weil Gott nicht nur Retter, sondern auch Richter ist. In unserem Glaubensbekenntnis, das wir alle bekennen – ob katholisch, evangelisch oder freikirchlich, ganz gleich, welcher Konfession man angehört – bekennen wir an jedem Sonntag in unserer Kirche den Glauben. Darin heißt es unter anderem: „Er sitzt zur Rechten Gottes, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Jesus Christus wird kommen, um die Lebenden und die Toten zu richten. Das bekennt jeder Christ, jeden Sonntag.
Sowohl das Alte als auch das Neue Testament unterscheiden ganz klar zwischen Menschen, die gerichtet werden, und Menschen, die nicht ins Gericht kommen. Warum? Weil es Menschen gibt, die ewige Gemeinschaft mit Gott haben, und Menschen, die von Gott getrennt sind.
In Matthäus 25 möchte ich nur ein paar Verse vorlesen. Es ist wichtig, diese Bibelpassagen nicht auszulassen, sondern genauso zu lesen wie die tröstlichen. Matthäus 25, Vers 34: Da spricht Jesus und sagt: „Dann wird der König zu denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, Gesegnete meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an.“
Im Vers 41 sagt Jesus auch zu denen zur Linken: „Geht von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.“ Und im Vers 46 heißt es: „Und diese werden hingehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber in das ewige Leben.“
Das heißt, es gibt einen Unterschied. Die Bibel macht einen Unterschied zwischen Himmel und Hölle, zwischen Geretteten und Nicht-Geretteten.
Im Hebräerbrief Kapitel 9, Vers 27 steht: „Es ist dem Menschen gegeben, einmal zu sterben, danach aber das Gericht.“ Keine Reinkarnation, sondern einmal zu sterben, danach das Gericht.
Die Bibel ist auch hier ganz klar. Heute hört man wenig Predigten über die Furcht Gottes, über den Zorn Gottes oder das Gericht Gottes. Kürzlich habe ich gelesen, dass in früheren Generationen die Menschen Angst vor der Hölle und dem Gericht hatten. Heute haben Pfarrer und Prediger Angst, über Hölle und Gericht zu reden. Und das stimmt.
Ein Theologe hat einmal richtig gesagt: „Wer nicht an Satan und sein dämonisches Wirken glaubt, der kann das Treiben dieser Welt nie verstehen. Wer daran nicht glaubt, ist kein Realist.“
Ich erinnere mich, dass ich letztes Jahr in Deutschland an einer Bibelschule unterrichtet habe. Dort waren auch einige Afrikaner dabei – ich weiß nicht mehr genau, ob sie aus Ghana oder dem Sudan kamen. Einer von ihnen kam zu mir und sagte, dass er es nicht versteht. Er ist schon drei Monate in Europa, und niemand hier redet über das Gericht Gottes oder über die Hölle. Bei ihnen zu Hause werde das normal gepredigt, so wie alles andere aus der Bibel. Dann sagte er: „Es ist wahrscheinlich deshalb, weil ihr keine Furcht mehr vor Gott habt.“ Er denkt, das sei vielleicht ein Unrecht.
Es gibt natürlich gute Gründe, warum heute kaum noch über Hölle und Gericht gepredigt wird. Früher hat man mit der Predigt über Gericht, Hölle und Feuer den Menschen vor allem Angst gemacht. Das ist klar. Es ist viel Missbrauch geschehen, besonders im Mittelalter, als Hexenverbrennungen an der Tagesordnung waren. Die Pfarrer, Priester und Prediger hatten damals enorme Macht. Damit wurden Menschen kontrolliert, dominiert, ausgenutzt und manipuliert. Sie haben viel Unheil angerichtet.
Darum sagt man heute in der aufgeklärten Zeit verständlicherweise: „Davon halten wir uns fern.“ Das kann ich gut verstehen.
Es ist jedoch schade, wenn gar nicht mehr darüber gepredigt wird, weil die Menschen dann keine Ahnung mehr haben, worum es eigentlich geht. Wenn ich Christen frage, was die Furcht vor Gott ist, wissen die wenigsten eine Antwort. Nicht, weil sie es nicht wissen wollen, sondern weil es nicht mehr gelehrt wird. Es wird nicht mehr gepredigt. Darum wissen die meisten Christen nichts damit anzufangen. Das ist eigentlich die Schwierigkeit.
Der zweite Punkt zur ernsthaften Seite der Gottesfurcht ist die Ehrfurcht vor Gottes Zorn und Gerechtigkeit.
Man muss beide Seiten betrachten. Wenn Gott all die Ungerechtigkeiten, die in dieser Welt geschehen – und das sind furchtbare Ungerechtigkeiten – nicht bestrafen würde, dann wäre er kein liebender Gott. Er wäre ein lächerlicher Gott, ja, gar kein Gott. Wenn dauernd jemand ausgenutzt und misshandelt wird und Gott es völlig egal ist, dann ist das kein Gott, sondern eine lachhafte Figur.
Gott wird Ungerechtigkeit bestrafen, und die Bibel ist auch hier ganz klar. Ich bin froh, dass es so ist, sonst wäre er nämlich kein Gott.
Im Psalm 7, Vers 12 lesen wir: „Gott ist ein strafender Gott jeden Tag.“ Gott ist zornig über Sünde und Ungerechtigkeit. Er kann Sünde nicht ertragen.
Im Ezechiel, ich möchte Ihnen das vorlesen, ist das keine angenehme Passage, aber ich möchte Sie ermutigen, auch solche Bibelstellen zu lesen. Im Ezechiel Kapitel 7 geht es um das Gericht. Dort heißt es: „Und das Wort des Herrn geschah so zu mir: Du Menschensohn, sage: So spricht der Herr zum Land Israel: Ein Ende kommt, es kommt das Ende über die vier Enden des Landes. Jetzt kommt das Ende über dich, und ich lasse meinen Zorn gegen dich los, und ich richte dich nach deinen Wegen, und alle deine Gräuel bringe ich über dich. Ich werde deinetwegen nicht betrübt sein, werde kein Mitleid haben, sondern deine Wege will ich über dich bringen, und deine Gräuel sollen sich in deiner Mitte auswirken. Und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin, so spricht der Herr: Unheil über Unheil, es kommt, ein Ende kommt, es kommt das Ende, es erwacht gegen dich, siehe, es kommt. Ich werde deinetwegen nicht betrübt sein, nach deinen Wegen werde ich es über dich bringen, und deine Gräuel sollen sich in deiner Mitte auswirken, und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin, der schlägt. Der Herr, der schlägt.“
Es gibt im Alten Testament viele Namen für Gott. Ein Name ist zum Beispiel Jehova Jireh, der Herr, der uns versorgt. Ein anderer Name ist Jehova Shalom, der Herr ist mein Friede. Einer meiner Lieblingsnamen ist Jehova Roi, der Herr ist mein Hirte. Aber Gott ist auch Jehova Makké, der Herr, der schlägt.
Gott ist zornig über Sünde, weil die Sünde alles zerstört, was er wunderschön erschaffen hat.
Ich möchte es Ihnen so erklären: Wenn Sie zum Beispiel Kinder haben – angenommen, Sie haben eine Tochter, die jetzt 16 Jahre alt ist, eine hübsche Tochter – und diese wird von einem Drogendealer mitgenommen, der dafür sorgt, dass sie selbst Drogen nimmt, in die Prostitution gerät und ihr Leben völlig verpfuscht wird. Wenn Ihnen das nichts ausmacht, dann würde ich mich fragen, ob Sie Ihr Kind überhaupt lieben.
Wenn Sie Ihr Kind lieben, dann werden Sie zornig sein über diesen Drogenhändler, der Ihre Tochter missbraucht und ihr Leben zerstört hat.
Sehen Sie, Gottes Zorn ist ein gerechter Zorn, weil er uns liebt. Wenn Gott nicht zornig wäre, hätte er keine Liebe. Es ist ihm nicht egal, weil die Sünde zerstört. Gott ist ein liebender Gott, und darum ist er zornig.
Und wissen Sie, das ist der Schlüssel zum Evangelium, das ist das Gewaltige: Gott ist Jehova Makké, der Herr, der schlägt. Aber das Gewaltige ist: Gott schlägt nicht dich oder mich, sondern Gott hat seinen Sohn geschlagen, Jesus Christus, am Kreuz. Und darin liegt das Evangelium.
Ich lese Ihnen dazu aus Jesaja Kapitel 53 vor. Dort ist es wunderschön beschrieben. In Vers 4 und 5 heißt es: „Jedoch, das ist jetzt Christus: Unsere Leiden hat er getragen, unsere Schmerzen hat er auf sich genommen. Wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch er war durchbohrt um unserer Vergehen willen, zerschlagen um unserer Sünde willen. Die Sünde lag auf ihm zu unserem Frieden, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“
Gott schlägt nicht uns, sondern Gott hat Jesus Christus geschlagen. Und das ist das Gewaltige am Evangelium. Jeder, der diese Gnade annimmt, ist sicher in der Gegenwart Gottes. Darum muss man keine Angst mehr haben. Gott wird dich nicht schlagen, weil er Jesus bereits geschlagen hat.
Darum so ein schöner Vers im Ersten Johannesbrief, Kapitel 4, Vers 18: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht hat es mit Strafe zu tun. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.“
Das heißt, wenn jemand Christus kennt, der die Liebe ist, braucht er sich nicht mehr zu fürchten. Furcht ist nicht in der Liebe. Die werden nicht mehr geschlagen, weil Christus an meiner Stelle gestorben ist.
Wenn man aber Gottes Angebot ablehnt und sagt: „Nein, Christus, ich brauche dich nicht, ich komme schon selber zurecht“, dann besteht die Gefahr, dass der Zorn Gottes uns trifft.
Auch hier ist die Bibel klar. Es gibt sogar einen ganz direkten Vers im Hebräerbrief 10, Vers 31: „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“
Das heißt, wenn man das Gnadenangebot mit Füßen tritt, weiß Gott nicht, was er tun soll. – Nein, er weiß sehr wohl, was er tun soll. Es geht darum, dass wir das Gnadenangebot Jesu annehmen.
Mir gefällt das Zitat eines Theologen: „Die große Schuld der Menschen sind nicht die Sünden, die sie begehen. Die Versuchung ist groß und ihre Kraft ist gering. Die große Schuld des Menschen ist, dass er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und sie nicht tut.“
Nicht die Sünde ist das Problem, das Problem ist, dass wir uns nicht an Jesus wenden.
Das ist die ernste Seite der Gottesfurcht.
Die tröstliche Seite der Gottesfurcht
Und jetzt möchte ich noch auf die tröstliche Seite der Gottesfurcht eingehen – die tröstliche Seite der Gottesfurcht. Die Überschrift dazu lautet: „Gott fürchten heißt Gott lieben.“
Ich weiß nicht, wie viele von euch die Geschichten von C. S. Lewis, die Narnia-Geschichten, kennen. Kennt das jemand von euch? Ich kann mir nur selten vorstellen, wer sie gelesen hat. Doch einige, zum Beispiel Hannelore, meine Frau, die hat alle gelesen. Es gibt, glaube ich, sechs Bücher oder so. Und das sind eigentlich super Bücher, übrigens auch für Kinder, so ab zwölf Jahren. Wunderbare Geschichten, weil Lewis märchenhaft das Evangelium erzählt. Er erzählt märchenhaft das, was in der Bibel steht. Darum sind das so schöne Geschichten.
Sie sind ja auch in den letzten Jahren verfilmt worden. In einem Band, der „Der silberne Sessel“ heißt, ist der Löwe – Aslan heißt er – und der Löwe steht für Jesus Christus. Dann gibt es ein kleines Mädchen, ein Kind, das heißt Jill. In diesem Buch wird die zärtliche Beziehung beschrieben, die der Löwe und das Mädchen Jill haben. Aber bevor sie ihn lieben lernt, lernt sie ihn auch fürchten.
Hier habe ich das aufgeschrieben, weil es mir so gut gefallen hat. Ich lese jetzt einfach von dort:
„‚Hast du Durst?‘ fragt der Löwe.
‚Ich bin schon fast verdurstet,‘ antwortet Jill.
‚Dann trink,‘ sagt der Löwe.
‚Darf ich? Kann ich denn wirklich?‘
‚Würde es dir etwas ausmachen, wenn du weggehst, während ich trinke?‘ fragt Jill ängstlich.
Der Löwe antwortet auf diese Frage mit einem kurzen Blick und einem tiefen Knurren. Als Jill seine regungslose, riesige Gestalt betrachtet, begreift sie, dass sie genauso gut den Berg hätte bitten können, zur Seite zu rücken, um ihr Platz zu machen. Zugleich bringt das durstige Mädchen das verlockende Plätschern des klaren Flusses fast um den Verstand.
‚Würdest du mir versprechen, dass du mir nichts tust, wenn ich komme?‘ fragt Jill.
‚Ich verspreche nie etwas,‘ sagt der Löwe.
Jills Durst ist so groß, dass sie, ohne es zu bemerken, inzwischen einen Schritt nähergekommen ist.
‚Frisst du kleine Mädchen?‘ fragt Jill.
‚Ich verschlinge Mädchen, Jungen, Männer, Könige, Kaiser, Städte und Reiche,‘ sagt der Löwe, und es klingt nicht so, als sei es Prahlerei oder als täte es ihm leid oder als sei er verärgert. Er sagt es einfach.
‚Ich traue mich nicht zu kommen und zu trinken,‘ sagt Jill.
‚Dann verdurstest du,‘ entgegnete der Löwe.
‚Meine Güte,‘ seufzt Jill und kommt noch einen Schritt näher, ‚dann muss ich wahrscheinlich gehen und einen anderen Fluss suchen.‘
‚Es gibt keinen anderen Fluss,‘ sagt da der Löwe.“
In der Geschichte trinkt sie dann, und danach sagt Aslan, der Löwe: „Kommt her zu mir“, so wie Jesus gesagt hat: „Kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch Ruhe geben.“ Das Mädchen geht dann zum Löwen, und es entsteht eine zärtliche Liebesbeziehung. Aber Jill hat gelernt, den Löwen Aslan zu vertrauen, zu lieben und zu fürchten.
Dieses Beispiel hat mich extrem ermutigt. Das habe ich erst in den letzten Jahren aus der Bibel gelernt: Wahre Gottesfurcht treibt dich nie von Gott weg, sondern immer zu Gott hin.
Einer meiner Lieblingsverse ist Psalm 31, Vers 20. Das ist mir so deutlich geworden bei diesem Psalm. Ich hätte den gar nicht gefunden, aber ein alter evangelischer Pfarrer, Gerhard Hegel, der ist jetzt schon 80, hat mir das geschrieben und gesagt, da müsse ich mal genau hinschauen.
In Psalm 31,20 steht: „Wie groß ist deine Güte, die du bereithältst denen, die dich fürchten, die du denen erweist, die sich bei dir bergen.“ Was mir da so gefallen hat, ist, dass dort steht: „jene, die sich vor dir fürchten, die sich bei dir bergen.“ Ein Mensch, der sich vor Gott fürchtet, birgt sich bei Gott, er versteckt sich bei Gott. Das heißt: Wahre Gottesfurcht treibt dich nicht weg von Gott, sondern zieht dich hin zu Gott. Das findest du immer wieder in den Psalmen.
In Apostelgeschichte 9,31 steht: „Die Furcht des Herrn und der Trost des Heiligen Geistes.“ Wer Gott fürchtet, der wird getröstet. Das ist kein Entweder-oder, sondern das eine und das andere.
Ich glaube, der Unterschied liegt auch in der Sprache. Im Deutschen haben wir ja zwei Wörter: Angst und Furcht. Angst hat man vor etwas Furchtbarem, und man läuft davon weg. Furcht, Gottesfurcht, hat man vor jemand Wunderbarem, und man rennt zu ihm hin. Das ist der Unterschied zwischen falscher und wahrer Gottesfurcht.
Vor ein paar Jahren, als ich anfing, das vorzubereiten, da war Eva die Kleinste, ungefähr acht Jahre alt. Jetzt ist sie zwölf. Ich habe damals aufgeschrieben: Eigentlich probiere ich das jetzt bei ihr. Ich bin zu ihr gefahren und habe gesagt: „Eva, hast du mich eigentlich gern?“ Dann hat sie gesagt: „Ja, ich glaube, ich weiß es sicher, Papa, ich hab dich gern.“ Dann habe ich gefragt: „Aber fürchtest du mich eigentlich auch ein bisschen?“ Da hat sie ein wenig nachgedacht und gesagt: „Ja, ein bisschen schon.“ Ich habe gefragt: „Wieso?“ Sie sagte: „Ja, wenn ich schlimm bin.“
Und wisst ihr, was man da denkt? Das ist genau so: Es ist eine Liebe, aber es ist auch eine gewisse Furcht. Bei mir ist wahrscheinlich auch eine Angst dabei, ein Stück, weil in meinem Fall bin ich ja nicht Gott. Ich reagiere oft aus Frust oder aus Zorn. Da ist sicher auch eine falsche Furcht, eine Angst dabei, aber sicher auch eine wahre Furcht.
Vor Gott ist es genau so: Die, die Gott fürchten, die lieben ihn. Und das ist kein Widerspruch, sondern es gehört beides zusammen.
Am schönsten kommt dies zum Vorschein in dem Lied „Amazing Grace“ – „How sweet the sound that saved a wretch like me“. Auf Deutsch heißt das „Wunderbare Gnade“. Ich weiß genau, dass es John Newton geschrieben hat. Er war Kapitän eines Sklavenschiffs. Im Jahr 1748, als er schon lange Kapitän war, geriet er in eine schwere Seenot. Durch diese Seenot kam er zum Glauben an Jesus Christus. Dann schrieb er „Amazing Grace, how sweet the sound that saved a wretch like me“ – die Gnade Gottes, die einen Schuft wie mich gerettet hat, der jahrzehntelang Sklaven gehandelt hat.
In der zweiten Strophe heißt es: „It was grace that taught my heart to fear, and grace my fears relieved.“ Das heißt auf Deutsch: „Es war die Gnade, die meinem Herzen Furcht lehrte, und Gnade löste meine Ängste.“ Die Gnade bewirkt beides: Sie lehrt uns Furcht, und sie nimmt uns die Angst. Dies ist die wunderbare Gnade Gottes.
Also: Gnade lehrt uns, Gott recht zu fürchten, und Gnade lehrt uns, keine Angst vor Gott zu haben, sondern Zuflucht bei ihm zu suchen. Und dies ist die tröstliche Seite der Furcht Gottes.