Sommerbibelschule 2025
Der erste Korintherbrief, Kapitel 1 bis 6.
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer. Ich darf euch drei Wochen lang die Predigten der Sommerbibelschule 2025 präsentieren.
Einführung in die Konflikte der Gemeinde Korinth
Ihr wisst ja, wir sind jetzt schon ein paar Tage unterwegs im ersten Korintherbrief. Wenn ihr euer Teilnehmerheft am Anfang ein wenig durchgeblättert habt, habt ihr darin unter anderem diese Grafik entdeckt. Sie gibt einen Überblick darüber, wie der erste Korintherbrief aufgebaut ist.
Dort ist schön dargestellt, dass es in der Gemeinde in Korinth fünf große Konflikte oder Probleme gibt. Paulus geht diese fünf Konflikte an. Das Besondere daran ist, dass er zu jedem Konflikt eine Antwort gibt, die aus dem Evangelium kommt.
Jedes Mal beschreibt oder bespricht er diesen Konflikt im Brief und lenkt den Blick der Korinther darauf, wie sie ihn aus dem Evangelium heraus betrachten sollen und können. Genau das ist es, was wir heute auch machen werden – mit dem Konflikt, der uns schon die letzten Tage beschäftigt hat: die Spaltungen in Korinth.
Ihr habt es mitbekommen: „Mich hat Apollos getauft“, „Mich hat Paulus gecoacht“, „Ich war bei Petrus zum Mittagessen“ – und so ging es vielleicht in der Gemeinde hin und her. Man hat sich auch darüber gestritten, wer mehr Einfluss hat oder wer was zu sagen hat.
Genau darauf geht Paulus in seinem Brief ein.
Die Wurzel der Spaltungen im Ego
Das Interessante ist, dass Paulus uns in diesem Text beschreibt, was die Wurzel hinter den Problemen in Korinth ist. Er zeigt auf, was hinter all den Spaltungen steckt und wo diese Streitigkeiten angepackt werden müssen.
Diese Wurzel liegt, wie wir gleich sehen werden, in jedem Einzelnen von uns – nämlich in unserem Ego, in unserem eigenen Denken. Am Ende des Textes sagt Paulus den Korinthern: Damit ihr euch nicht gegenseitig aufbläht.
Es sind also Menschen, die sich aufplustern wollen, die sagen: „Hier komme ich!“ Sie haben ein übertriebenes Ego. Am Ende sagt Paulus, dass genau dieses Ego, das sie ständig füttern und mit dem sie denken, sie seien die Besten und Coolsten, dafür sorgt, dass sie sich nur streiten.
Was Paulus ihnen nun predigt – und so heißt auch meine Predigt heute – ist der Frieden des Evangeliums. Es geht darum, wie Frieden durch das Evangelium in diese Gemeinde kommt – ein Frieden, der in mir beginnt.
Ich habe heute drei Punkte:
- Der Selbstbetrug meines Egos
- Mein Reichtum in Christus
- Der Frieden meiner neuen Identität
Wir steigen ein in den ersten Punkt: Der Selbstbetrug meines Egos. Dazu lesen wir den Text aus dem 1. Korinther 3,18-20.
Der Selbstbetrug des Egos
Paulus schreibt also: Niemand betrüge sich selbst. Wenn jemand unter euch meint, weise zu sein in dieser Welt, so werde er töricht, damit er weise wird. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott, denn es steht geschrieben: „Der die Weisen fängt mit ihrer List“ und wieder: „Der Herr kennt die Überlegungen der Weisen, dass sie nichtig sind.“
Paulus beginnt mit der Aufforderung: Betrüge dich nicht selbst. Ein Freund von mir hat vor Kurzem ein Auto gekauft. Er hat das Auto nur von außen betrachtet und fand es irgendwie schick und gut. Er ist aber kein Kfz-Mechaniker. Er hat das Auto gekauft und darauf vertraut, dass der Verkäufer es wirklich gut meint. Nach ein paar Wochen ist der Motor abgeraucht.
Er musste sogar vor Gericht, und es wurde geklärt, dass der Verkäufer das Auto im Wissen um den Defekt verkauft hatte. So ist es manchmal: Dinge sehen von außen super toll aus, aber innen sind sie eigentlich total faul und kaputt.
Genauso ist es bei uns, bei unserem Ego. Unser Ego bläht sich auf, möchte gut aussehen, aber eigentlich ist es innen kaputt. Genau darum geht es jetzt.
Paulus sagt: Wer weise sein will nach der Weisheit der Welt – was ist Weisheit der Welt? Ich habe versucht, das mal kurz zu definieren. Weisheit der Welt bedeutet: Ich will nach den Maßstäben der mich umgebenden Gesellschaft als geachtet, klug und wichtig gelten.
Gesellschaftliche Maßstäbe und das Ego
Nach den Maßstäben der mich umgebenden Gesellschaft als geachtet, klug und wichtig zu gelten – genau das war es, was die Korinther versucht haben. Wir haben gestern von Jürgen gehört, wie dieses Prinzip, sich über den eigenen Leiter zu definieren, ein Prinzip ihrer Gesellschaft war.
Das findet man übrigens auch heute noch in Schamkulturen. Der Leiter ist Teil meiner Identität; es ist ein Prinzip aus ihrer Gesellschaft. Sie dachten, wenn sie nach den Maßstäben der umgebenden Gesellschaft geachtet, klug und wichtig sind, dann schaffen sie es, dann haben sie es geschafft. Dahinter steht eigentlich ihr Ego.
Ihr Ego – man könnte es auch so sagen, Jürgen hat es euch gestern gesagt – wir sind fleischlich. Das bedeutet: Auch wenn du Christ bist, hast du immer noch deinen Körper. Und dein Körper hat in sich – das gehört zu deinem Körper, zu deiner Leiblichkeit – eine Kraft, die Paulus das Fleisch nennt. Diese Kraft rebelliert immer wieder gegen Gottes Herrschaft, und du wirst sie nicht los, bis zu dem Tag, an dem du einen neuen Leib bekommst.
Das ist dein Ego, das ist dein Fleisch, das ist in dir. Dieses Ego möchte immer wieder versuchen, unabhängig von Gott zu leben.
Hast du heute schon mal verachtende Gedanken gegenüber jemand anderem gehabt? Zum Beispiel: „Ich kann viel besser Bibel vorlesen als der oder die.“ Oder: „Ich kenne die Bibelstellen viel besser.“ Oder: „Meine Kinder benehmen sich viel besser.“ Oder: „Bei uns in der Familie läuft es nicht so wie bei denen.“ Hast du solche Gedanken gehabt? Dann begrüße dein Ego.
Oder hast du heute vielleicht deinen eigenen Vorteil irgendwo gesucht und dir gedacht, dass du vielleicht mit wenig Anstrengung durch die SOPs kommst, indem du dir einfach Quoten einer anderen Gruppe schenken lässt? Nein, Quatsch – dann begrüße herzlich dein Ego.
Oder vielleicht warst du heute zornig gegenüber jemandem, weil du nicht die Anerkennung und das Lob bekommen hast, das dir doch eigentlich zustehen würde. Das ist dein Ego.
Oder vielleicht bist du jemand, der sich immer wieder weigert, Verantwortung für seine Lebensentscheidungen zu übernehmen und das immer wieder auf seine Geschichten schiebt und sagt: „Ich bin aber ein Opfer.“ Auch das ist dein Ego.
Oder vielleicht bist du jemand, der heute durch eine Kritik zu Tode betrübt war, weil du gedacht hast: „Jetzt ist meine ganze Selbstvernehmung dahin.“ Begrüße dein Ego.
Oder du bist jemand, der die ganze Zeit darauf achtet, dass auf deinen Social-Media-Accounts auch alle nur gucken und das toll finden, was du machst. Das ist dein Ego.
Die Illusion des unabhängigen Lebens
Dein Ego ist diese Kraft, die sagt: Ich will nach den Maßstäben der mich umgebenden Gesellschaft leben und als geachtet, klug und wichtig gelten.
Was das Ego ausmacht, ist, dass es immer unabhängig von Gott leben will. Ich habe euch eine Definition mitgebracht, die ich euch einfach vorlesen möchte. Sie stammt von Søren Kierkegaard, der Folgendes über unser Ego gesagt hat:
Er sagte, es sei der normale Zustand des menschlichen Herzens, zu versuchen, seine Identität auf etwas anderem als Gott aufzubauen. Geistlicher Stolz ist die Illusion, dass wir fähig sind, unser eigenes Leben zu führen, unser eigenes Selbstwertgefühl zu erreichen und eine Bestimmung zu finden, die groß genug ist, um uns ohne Gott einen Sinn im Leben zu geben.
Ich lese es noch einmal: Der normale Zustand des menschlichen Herzens ist es, zu versuchen, seine Identität auf etwas anderem als Gott aufzubauen. Geistlicher Stolz ist die Illusion, dass wir fähig sind, unser eigenes Leben zu führen, unser eigenes Selbstwertgefühl zu erreichen und eine Bestimmung zu finden, die groß genug ist, um uns ohne Gott im Leben einen Sinn zu geben.
Das ist dein Ego in dir drin. Es ist eine Kraft, die immer wieder versucht, dir selbst eine Identität zu schaffen. Paulus sagt es so genial zu den Korinthern. Er sagt zu ihnen am Ende des Textes: Ihr müsst aufpassen, dass ihr euch nicht aufbläht.
Die Dynamik des Aufblähens und die Grenzen des Egos
Ich habe euch das mal mitgebracht. So funktioniert dein Ego: Du pustest da immer etwas rein. Irgendetwas, von dem du hoffst, dass andere dich besser finden, dass sie dich mehr anerkennen, dass du mehr Bedeutung bekommst, vielleicht auch mehr Einfluss. Irgendetwas, bei dem du am Ende des Tages denkst: „Boah, ich bin schon jemand. Ich bin schon richtig cool, und es wäre auch richtig, dass die anderen auf mich hören.“
Das ist dein Ego – so funktioniert es.
Das Problem ist nur, dass diese Strategie des Egos nicht dein ganzes Leben lang funktioniert. Du kannst dich überlegen fühlen gegenüber Menschen, bei denen du den Eindruck hast: „Ich bin irgendwie besser als die.“ Wenn du der beste Spieler auf dem Feld bist, findest du dich cool. Wenn du diejenige bist, die am besten singen kann in der Gruppe, oder du der klügste Kopf in deiner Gruppe bist, dann ist das einfach, oder?
Aber was ist in dem Moment, in dem jemand kommt, der es besser kann? Jemand, der begabter ist als du, der es besser hinkriegt, dessen Kinder sich noch besser benehmen, der einen höheren Bildungsabschluss hat, ein besserer Fußballer ist, besser aussieht oder einfach jünger und begabter ist? Keine Ahnung, was dann mit deinem Ego passiert.
Dann kommt dein Ego ganz schön ins Schwanken, weil es sich auf einmal denkt: „Was soll ich denn jetzt machen?“
Und weißt du, was dann meistens passiert? Das ist die normale Reaktion darauf, wenn man etwas immer mehr aufbläht. Du kannst dein Ego aufblähen, aber irgendwann kommt der Moment, an dem es das mit diesem Versuch war. Dann funktioniert es nicht mehr, dein Ego weiter aufzublähen. Du merkst auf einmal, dass deine Strategie an ihr Ende kommt.
Die zerstörerische Kraft falscher Anbetung
Ich habe euch noch ein zweites Zitat mitgebracht. Es stammt von David Foster Wallace, einem nichtchristlichen Schriftsteller, der es im Jahr 2006 verfasst hat. Er sagte Folgendes über uns:
Wir alle beten etwas an, wir können uns nur das Objekt frei auswählen. So ziemlich alles, was man anbeten kann, wird uns bei lebendigem Leibe auffressen. Wenn ihr Geld und materielle Güter anbetet, wenn ihr daraus euren Lebenssinn zieht, dann werdet ihr nie genug davon haben können.
Wenn ihr euren Körper, eure Schönheit oder eure sexuelle Attraktivität anbetet, dann werdet ihr euch immer hässlich fühlen. Und wenn mit der Zeit das Alter seine Spuren hinterlässt, dann sterbt ihr tausend Tode, bis euch die Trauer darüber einholt.
Wenn ihr Macht anbetet, dann werdet ihr euch schwach und ängstlich fühlen. Ihr werdet noch mehr Macht über andere haben müssen, um eure eigene Angst zu betäuben.
Wenn ihr Intellekt anbetet und als kluge Menschen gelten möchtet, dann werdet ihr euch als Idioten und Hochstapler fühlen, die jederzeit auffliegen können.
Aber das wirklich Schlimme an diesen Formen der Anbetung ist, dass sie unbewusst ablaufen. Es sind die persönlichen Standardeinstellungen, die in jedem von uns von vornherein eingestellt sind.
David Foster Wallace bringt es auf den Punkt: Dein Ego betrügt dich. Es versucht, dir eine Identität aufzubauen – über deine eigene Leistung, über das, was du selbst kannst, über das, was du selbst hinbekommst, darüber, wie dich andere anerkennen, über deine Beliebtheit. Wer versucht, sich so eine Identität aufzubauen, wird scheitern.
Und genau das ist es, was übrigens auch der Text sagt. Dort steht: „Der die Weisen fängt in ihrer List, der Herr kennt die Überlegungen der Weisen und weiß, dass sie nichtig sind.“ Gott weiß, wie nichtig dieses Denken ist.
Und weißt du was? Es wird ein Tag kommen, da wirst du vor Gott stehen, und dann wirst du selbst merken, wie dumm das war.
Persönliche Erfahrungen mit dem Ego
Das ist das, was du heute früh gelesen hast: Wenn dein Leben durchs Feuer geht und Gott dich prüft, sagt er: „Schön, du kommst durch, du hast auf das richtige Fundament gebaut, der Rest ist doch Mist.“ Aber Gott ist gnädig und gibt uns auch in diesem Leben solche Chancen.
Ich möchte euch etwas aus meinem eigenen Leben erzählen. Viele Jahre habe ich versucht, mir selbst eine Identität aufzubauen. Ich wollte ein liebenswerter Mensch sein, den andere bloß nicht ablehnen. Mein Wunsch war, dass Menschen mich mögen. Meine größte Angst war, dass irgendjemand mich ablehnen könnte und dann vielleicht ganz viele Leute sagen würden: „Der Anton, der ist so doof.“
Wisst ihr, was das in mir ausgelöst hat? Ich habe mich immer minderwertig gefühlt. Es war, als wäre ich es eigentlich gar nicht wert. Ich habe mich ständig mit anderen verglichen und danach gehascht, dass andere mir sagen, ich sei wertvoll. Das hat in mir eine richtige Angst ausgelöst.
Diese Angst führte zu dummen Entscheidungen. Manchmal habe ich Gespräche nicht geführt, die ich hätte führen sollen, weil ich wusste: Wenn ich sage, was ich wirklich sagen muss, könnte der andere mich ablehnen. Gleichzeitig wurde ich stolz, wenn etwas gut geklappt hat. Wenn ich das Gefühl hatte, andere bestätigen mich, wurde ich stolz und dachte: „Du bist schon gut.“ So schwankte mein Selbstwertgefühl ständig hin und her.
Und wisst ihr, was das Schöne daran ist? Genau das kennst du auch.
Das war’s für heute. Noch mehr Vorträge zum ersten Korintherbrief findest du auf Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.