Ich hatte drei Wochen Zeit im Urlaub, immer wieder über diesen Abschnitt zu meditieren. Dabei war ich verzagt. Warum? Weil das, was hier gepredigt wird, nur einen Sinn hat: Wenn ich Ihnen das Wort Gottes selbst ins Herz pflanzen kann. Alle anderen Gedanken haben keine Tragkraft. Ich will ja, dass das Wort Gottes Sie lieb macht.
In unserem Abschnitt sind 14 Befehle. Es gibt doch so eine Wette, sechs aus 49 oder so ähnlich. Das ist noch leichter. Aber wenn man auswählen kann, habe ich mir gedacht: Ich ziehe drei Befehle heraus. So habe ich es dann schließlich doch probiert und wollte Ihnen keine so fordernde Predigt halten.
Jetzt lese ich mal den Abschnitt 1. Thessalonicher 5,14-24, Seite 245 im Neuen Testament. Das ist jetzt so geschickt, wenn wir die gleichen Bibeln ausgelegt haben. Nur wenn Sie Ihre eigene mitbringen, müssen Sie sich noch orientieren.
Ermahnungen für das christliche Miteinander
Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen und seid geduldig gegen jedermann.
Es wäre schon ein erfüllender Abschnitt. Seht zu, dass keiner dem anderen Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach – untereinander und gegen jedermann.
Besonders schön sind jetzt die nächsten Befehle: Seid allezeit fröhlich, also ohne Ausnahme, allezeit uneingeschränkt. Betet ohne Unterlass. Seid dankbar, wenn es euch gut geht – nein, seid dankbar in allen Dingen.
Denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. Erneut: Das gibt es ganz selten in der Schrift, dass so klar drinsteht, was Gott durch Christus an uns schaffen will – dass wir dankbare, fröhliche, betende Menschen sind.
Denn den Geist dämpft nicht, prophetische Rede verachtet nicht, prüft aber alles und behaltet das Gute. Meidet das Böse in jeder Gestalt.
Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.
Treu ist er, der euch ruft, und er wird es auch tun.
Persönliche Eindrücke und die Bedeutung des Wachstums im Glauben
Ja, vielleicht haben Sie jetzt auch schöne Urlaubserinnerungen und Urlaubseindrücke. Was mir von den schönen Urlaubseindrücken bleibt, werden Sie nicht glauben: Selbst bei mir, der ich oft ein hartes Herz habe, habe ich endlich die Gelegenheit gehabt, meinen vierzehnten Enkel zu besuchen, der vor einigen Wochen geboren wurde.
Da sie im Ausland leben, das heißt in der Schweiz, ist das immer ein weiter Weg, und man sieht sich nicht so oft. Deshalb habe ich den Urlaub genutzt, um den kleinen Enkel im Arm zu halten. Und das ist wirklich süß: die Fingerchen, die Füßchen, die Äuglein, die Öhrchen, das Näschen und sofort das Mündchen – man kann das gar nicht genug bewundern. Das hätte ich als junger Mann nie geglaubt, dass ich das mal so toll finden würde. Für euch junge Leute: Das kommt alles noch.
Jetzt stellen Sie sich mal vor, ich sehe den Enkel nicht so oft, weil die Entfernung etwas weit ist. Vielleicht komme ich in vier Monaten wieder in die Schweiz, oder sie kommen zu uns. Jetzt ist das nur eine Phantasie, nicht echt, sondern mein Horrorbild: Ich nehme den Enkel wieder auf den Arm, und er ist überhaupt nicht gewachsen. Er ist noch wie damals. Die Finger sind genauso süß, ebenso die Füßchen, die Öhrchen, das Näschen und das Mündchen – aber er ist nicht gewachsen.
Wissen Sie, ich würde einen Schreck bekommen, einen heillosen Schreck, obwohl es genau dasselbe Bild wie vorher ist. Ich würde sagen, das ist eine Missgeburt. Erlauben Sie mir, das so hart zu sagen. Es ist doch unsere Natur zu wachsen, das ist doch klar. Da muss man doch zunehmen, das ist doch ganz selbstverständlich. Es kann doch nicht einfach so bleiben. Man muss wachsen, ganz selbstverständlich.
Nur bei Christen gibt es dauernd solche Missgeburten. Wissen Sie, das ist die Not der Christen – glücklicherweise nicht bei meinen Enkeln, sondern bei uns Christen, bei uns allen. Ich weiß auch nicht, warum diese große Selbstzufriedenheit über unseren Gemeinden liegt. „Ich habe doch alles, ich habe doch alles getan, bei mir ist alles in Ordnung, ich muss nichts mehr tun.“ Man lehnt sich befriedigt zurück: „Ich bin doch Christ geworden.“
Interessanterweise findet man diese Trägheit am allermeisten bei Menschen, die es sonst ganz genau nehmen, auch mit einem entschiedenen Christentum. Die sagen: „Ich habe mich doch vor vier Jahren auf einer Freizeit für Christus entschieden, ist doch okay, alles okay.“ Und dann lehnen sie sich zurück: „Ich bin doch gut.“
Ja, aber was ist mit dem Wachstum? Was ist Wachstum? „Ich habe doch Christus ergriffen, ich bin doch Christ, ist doch alles gut.“
Die Bedeutung des Wachstums über die anfängliche Entscheidung hinaus
Woher kommt das? Vielleicht liegt es daran, dass wir heute manchmal zu einseitig das Evangelistische betonen. Sie wissen, wie mein Herz dafür brennt in unserer gottlosen Zeit, in der jede Gotteslästerung ungebremst voranschreitet und so viele Menschen im Glauben irre werden.
Es ist sehr wichtig, den Menschen zu helfen, aus dem Zweifel herauszukommen und Christus anzunehmen. Das ist entscheidend. Ich bin froh, dass Billy Graham immer gesagt hat: Das ist der erste Schritt. Das sind zehn Prozent. Danach kommen neunzig Prozent. Ob man das wirklich in Prozenten ausdrücken kann, weiß ich nicht. Aber wenn ich einmal den Weg gegangen bin und Christus erkannt habe, wie viel mehr muss ich dann noch darum ringen, ihn immer tiefer zu erkennen.
Diese Dynamik, von der wir zuvor gesprochen haben – dieser Drang nach mehr, nach Wachstum – müsste eigentlich über jeder unserer Versammlungen, über jedem Hausbibelkreis und jeder Mitarbeitergruppe stehen. Immer wieder sollte die Frage gestellt werden: Wie können wir es schaffen, tiefer einzudringen und mehr vom Geheimnis Christi zu erkennen?
Wenn wir uns mit dem Apostel Paulus vergleichen wollen, dann ist er uns haushoch überlegen. Was für ein Stratege des Reiches Gottes war er! Was für Gedanken konnte er fassen! Wir sind ja armselige, weiße Knaben dagegen.
Und wie sagt er selbst: Nicht, dass ich es schon ergriffen habe, ich jage ihm aber nach. Ich will es doch ergreifen, ich will immer mehr erkennen und immer mehr von Christus haben.
Die Gefahr falscher Leistungsorientierung und der wahre Wille Gottes
Ich habe in meinem Urlaub ein Buch gelesen, das ich vorher nicht kannte. Es stammt von dem bekannten Oswald Chambers und trägt den Titel „Woher kommt meine Hilfe?“. Neben seinem weit verbreiteten Andachtsbuch gibt es also noch dieses Werk.
Dort habe ich einen Abschnitt gelesen, der mich sehr angesprochen hat. Ich möchte Ihnen einfach erzählen, wie er auf mich gewirkt hat.
Chambers berichtet, dass er während seiner Zeit als Soldatenseelsorger im Ersten Weltkrieg in Ägypten und Palästina, wo er 1917 auch gestorben ist, viele Christen beobachtet hat. Er sagt, viele von ihnen machen sich einen enormen Stress wegen einer ganz besonderen Leistung, die sie für Gott vollbringen wollen. An dieser riesigen Aufgabe zerbrechen sie fast und sind hinterher furchtbar enttäuscht.
Chambers fragt: War das nicht bloß dein frommer Wahn? War das nicht bloß deine übersteigerte Religion? Hast du das wirklich von Gott gehört?
Viele sagen: Ja doch, ich will für Gott etwas Großes tun, etwas ganz Besonderes. Chambers meint jedoch, das sei nur ihr Ehrgeiz gewesen und nicht von Gott. Oder hat dir Gott das wirklich befohlen?, fragt er weiter.
Dieser Abschnitt hat mich sehr beeindruckt, weil ich denke, dass es vielen von uns ähnlich geht. Wir setzen uns manchmal unter falschen Druck.
Deshalb interessiert mich zuerst die Frage: Was will Gott eigentlich von uns? Was will er wirklich? Und wie weiß ich das?
Die ganz einfache Antwort lautet: Aus seinem Wort.
Wo finde ich Gottes Wort? In der Bibel. Und was sagt die Bibel? Sie sagt uns, was Gottes Wille ist.
Das ist eine Befreiung, denn Gott fordert gar nicht große Taten von uns, sondern die ganz alltäglichen Dinge unseres Lebens.
Dort kann ich Gott erfassen, dort kann ich das Leben spüren. Dort wird das Wachstum meines Glaubens sichtbar. Dort zeigt sich auf dem Prüfstand, ob ich wirklich mit meinem Herrn lebe.
Erstes Kennzeichen des Glaubenswachstums: Weg vom Ich, hin zum Anderen
Darum mein erster Punkt aus unserem Abschnitt: Was ist das erste Kennzeichen des Wachstums des Glaubens? Dreh dich doch nicht dauernd um dich selbst, dreh dich nicht dauernd um dich selbst.
Wissen Sie, mir geht es ja jetzt selbst so, wenn nach schönen Urlaubstagen wieder der Ernst des Lebens beginnt. Dreh dich nicht um dich selbst. Ich muss jetzt meinen Kopf zusammenhaben, und da stehen einige wichtige Dinge drauf: Nächste Woche ist Getränk voll, und da ist dies und das zu tun und so weiter. Wir sind ja so erfüllt von unseren Aufgaben. Dreh dich nicht um dich selbst.
Paulus sagt: Ich ermahne euch, wache Christen. Geistlich reife Christen erkennt man daran, dass sie sich trotz aller Arbeitsfülle nicht mehr um sich selbst drehen, sondern um den, der neben ihnen sitzt. Wie sind sie heute Morgen hergekommen? Haben sie noch Kapazität, noch Tragkraft? Da sagen sie: Ich möchte mal vom anderen einige Lasten mittragen.
Sie kennen doch die urchristliche Gemeinde. Wir waren eine Gemeinde, die uns durch ihr herzliches, liebendes Gemeindeleben ganz besonders anzieht. Und was war das Kennzeichen dieses Gemeindelebens? Ein reifes christliches Leben, nicht ich-bezogen, wo einer für den anderen stand.
Deshalb gefällt mir, dass Apostel Paulus in diesem Brief an die Thessalonicher das als erste Mahnung mitgibt: Kümmer dich doch, kümmere dich doch um andere! Ich will auch für die sagen, die heute Morgen mit ganz vielen Nöten hergekommen sind: Wissen Sie, dass da ein ganz großer Segen drinliegt? Aus dem Dienen kommt viel Freude, und Gott beschenkt uns am meisten, wo wir uns für andere verströmen.
Gib dich doch für andere hin! Und das ist da erwähnt, was wir tun sollen. Da sind zuerst die Kleinmütigen genannt, das sind Leute, die einfach Angst haben. Und sie wissen, wie das mit der Angst ist. Die muss man bei der Hand nehmen und vielleicht begleiten in einer schwierigen Krankenzeit und abends nochmal anrufen – kleinmütig.
Dann die Schwachen: Die sind labil, vielleicht auch seelisch labil. Nehmt euch derer an, seid geduldig gegen jedermann, seid nicht hartherzig. Das bezieht sich ganz besonders auf die Gemeinde. Es ist ein ganz wunderbares Feld, wo man miteinander helfen kann.
Eine Gemeinde ist ja ein interessantes Lazarett, so eine Station, wo viele zu kurz Gekommene und Verzweifelte Zuflucht finden. Und wunderbar: Einer darf dem anderen helfen. Das ergibt sich einfach so aus den persönlichen Begegnungen heraus. Ich wünsche Ihnen auch, dass Sie es heute wieder erleben: In der wunderbaren Gemeinschaft, wie das ist, darf ich einen anderen tragen. Ich darf sagen: Ich denke an dich und ich bete für dich. Du darfst mir deine Not erzählen, und ich will da sein. Du darfst das mir sagen.
Da steht auch ein Wort vom Ermahnen drin. Das fällt uns manchmal schwer, weil niemand eine Ermahnung hören will. Es ist manchmal nötig in der Gemeinschaft. Dann müssen Sie es auch durchhalten, auch Ihren eigenen Kindern gegenüber, auch wenn sie ein halbes Jahr gegen sie Terror machen. Sie müssen sagen: Das ist nicht recht. Tun Sie es dennoch mit Liebe und mit Geduld, steht ja hier!
Aber wir müssen doch der Unordnung wehren. Wir wollen selber auch Kritik annehmen. Wenn uns andere zurechtweisen müssen, haben sie überhaupt jemanden, der sich bei ihnen erlauben darf, sie zu kritisieren?
Gemeinschaft als Zuflucht in Lebensstürmen
In diesen Sommertagen passierte auf dem Bodensee etwas Besonderes: Nach einem Feuerwerk bei Konstanz kam nachts ein großer Sturm auf. Es wurde sehr dringend, denn die Boote mussten schnell den Hafen von Konstanz anlaufen, damit sie nicht von den hohen Wellen umgeworfen werden.
Ein Boot verfehlte jedoch den Hafen. Die Insassen wurden schwer verletzt, und einer von ihnen ertrank. So furchtbar kann ein Sturm sein. Dieses Ereignis wurde für mich zum Bild dafür, wie es im Leben sein kann.
Ich hätte meinen Glauben nie leben können, auch nicht in den zurückliegenden Lebensjahren, wenn ich nicht immer wieder wunderbare Gemeinschaft gefunden hätte. Das war in einem Bibelkreis, in einem Mitarbeiterkreis oder in einem Brüderkreis.
Die Gemeinschaft einer großen Gemeinde ist wie ein Hafen. Dort findet man Zuflucht in den Stürmen des Lebens. Wenn die Wellen über einem zusammenschlagen, kann man sagen: Ich habe einen Hafen. Ich habe die Gemeinschaft von Menschen, die für mich beten, für mich sorgen, mich liebhaben und mich tragen.
Das ist wunderbar. Man schließt sich dieser Gemeinschaft an und dreht sich nicht mehr nur um sich selbst. Das ist das erste Zeichen eines geistlich wachsenden Christen, eines Menschen, der Fortschritte macht.
Zweites Kennzeichen des Glaubenswachstums: Freude statt Trauer und Verzagtheit
Was ist das zweite Wachstumszeichen? Schluss mit Trauer und Verzagtsein.
Manchmal hat man den Eindruck, als wären Trauer, Klagen und Jammern fast ein frommes Kennzeichen. In christlichen Kreisen hört man oft Sätze wie: „Ach ja, ich habe es so schwer, alles ist so schlimm und traurig, und die Welt ist so böse, und die Sünde beherrscht mein Leben.“ Man kann so klagen, und das klingt wahnsinnig fromm – wirklich wahnsinnig fromm.
Doch hier steht das Gegenteil: Wir sollten fröhlich sein. Wie kann man fröhlich sein, wenn man morgens aufwacht? Ich denke, das geht fast allen so. Schon beim Aufwachen zieht sich das Herz zusammen, weil man die Schwierigkeiten vor Augen hat. Manche haben sogar Angst, wenn sie die Post öffnen. Es gibt ja ganz, ganz schwere Nöte.
Ich trage viele Sorgen mit mir, und sie drücken mein Herz. Es ist ungemein schwer, was heute an Leid von Menschen getragen wird, welches furchtbare Unrecht geschieht und was Menschen aushalten müssen, ohne sich wehren zu können. Es gibt so furchtbare Not in unseren zerbrechenden Familien, dort, wo Wirtschaftsunternehmen untergehen, wo Menschen sagen: „Mir geschieht so bitteres Unrecht.“ Wie soll ich da fröhlich sein können?
Wissen Sie, woher die Freude kommt? Sie kommt nie aus der Betrachtung meiner natürlichen Augen, nicht aus dem, was ich hier sehe. Für Christen ist die Freude eine Frucht des Heiligen Geistes.
Wie kommt das? Weil sie am Morgen Christus vor Augen haben. „Na ja, den habe ich aber gar nicht vor Augen“, sagen manche. Dann müssen sie die Bibel zur Hand nehmen. Ich kann mich beim Beten in meiner persönlichen Stille nicht konzentrieren, wenn ich auf die Knie gehe. Ich weiß nicht, welches Mittel sie brauchen, wo sie sich konzentrieren können – auf die Zwiesprache mit Gott, wo sie hören.
Wenn Sie ohne Bibellesen in den Tag gehen, werden Sie Christus nicht vor Augen haben, dann wird Ihnen auch keine Freude zuteil. Dann werden nur Menschen Sie im Griff haben, Sie ängstigen und jagen. Sie müssen Christus vor Augen haben.
Ich habe mich in diesem Urlaub mit Paul Gerhard beschäftigt und gelesen, ob überhaupt einer von uns 44 Jahre seines Lebens warten muss, bis er die erste Anstellung bekommt. 44 Jahre ohne Berufsanstellung. Und vorher ist ihm noch der ganze elterliche Besitz – seine Scheune und sein Wohnhaus in Gräfenhainichen – von den Schweden angezündet worden. Er hat durch Terrorangriffe alles verloren.
Warum sollte ich mich da grämen? Ich habe doch Christus noch. Wer will mir ihn nehmen? Wer will mir den Himmel rauben? Ohne Anstellung hat er alle Lieder gedichtet – vor seiner ersten Anstellung. Selbst das Lied „Befiehl du deine Wege“ ist nicht, wie man so gern erzählt, seiner Frau zu lieben gedichtet worden. Das sind alles schöne Märchen. Er hat es gedichtet, bevor er geheiratet hat.
Er konnte ja gar nicht heiraten, bevor er bald fünfzig war, weil kein Geld da war. Aber das Lied hat er gedichtet: „Lass tun und walten, er ist ein weiser Fürst.“ Sehen Sie, so glaubenslos sind wir geworden, wir haben Christus nicht mehr vor Augen.
Das Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“ sagt immer wieder: Die Sonne, die mir lacht, ist mein Herr Jesus Christ. Das, was mich singend macht, ist das, was im Himmel ist. Und er hat doch vom Christenkreuz gewusst. Er hat gesagt: Das Christenkreuz hat seine Maße und muss endlich stillstehen. Wenn der Winter ausgeschnäut ist, tritt der schöne Sommer ein. So wird auch nach der Pein, wer es erwarten kann, erfreut.
Alles hat seine Zeit, Gottes Liebe aber ist in Ewigkeit. Sie brauchen den Blick des Glaubens. Schwermut ist zu einem großen Teil auch unsere Natur, des Leibes – dass ich das mal sage. Ich weiß um alle schweren Krankheitssymptome und will hier keine medizinischen Diagnosen geben. Aber man braucht immer wieder einen Ruck und einen Stoß, damit man sich sagt: Ich will auf Christus sehen, ich will auf Christus schauen. Seid allezeit fröhlich, weil ihr in Christus geborgen seid.
Dietrich Bonhoeffer hat in der Einzelhaft Pfingsten gefeiert. Es wurde ihm schwer ohne Gemeinschaft. Und dann schrieb er: „Du bist ein Geist der Freude, der Heilige Geist, ein Geist der Freude. Du bist ein Geist, der lehrt, wie man recht beten soll.“ Der Heilige Geist ist der große Mutmacher.
Ich kann Ihnen auf Ihre großen menschlichen Rätsel oft leider keine Antwort geben. Ich gestehe es Ihnen freimütig. Aber ich sage, dass Christus sie in seiner Hand hat und dass keine Not größer ist als die Macht Jesu Christi, der Sie liebt und in Ihrem Leben alles zum Besten wenden will.
Blicken Sie auf ihn und vertrauen Sie sich ihm ganz fröhlich an.
Umgang mit dem Heiligen Geist und geistliche Unterscheidung
Und in diesem Zusammenhang steht: Dämpft den Heiligen Geist nicht.
Ich möchte dieses Thema jetzt nicht erschöpfend behandeln. Es ist sicher so, dass manche zu viel mit dem Feuerlöscher herumrennen, also zu viel dämpfen beim Heiligen Geist und alles, was da entflammt, löschen wollen.
Aber das Wunderbare ist der Heilige Geist. Nach den Beschreibungen des Paulus zeigt sich die Frucht des Heiligen Geistes in Freude und anderen Gaben. Im Lied von Paul Gerhardt und an vielen anderen Stellen wird beschrieben, wie der Heilige Geist im Leben wirkt und seine Kraft entfaltet. Er entzündet uns das Feuer des Glaubens und schenkt uns den Blick auf Christus. Davon kann man nie genug haben: das Feuer des Heiligen Geistes.
Wir haben ja auch schon Situationen erlebt, in denen plötzlich im Gottesdienst jemand aufstand und sich auf den Heiligen Geist berief. Dabei war es jedoch ein kleinkarierter Geist, der uns hier auf sein Kommando hören lassen wollte. Das ist nicht der Heilige Geist. Es gibt heute manches Überspannte. Deshalb sagt Paulus: Prüft alles und das Gute behaltet (1. Thessalonicher 5,21).
Ich wünsche mir, dass in Ihrem Leben der Geist Gottes so wirken kann und so feurig brennt, dass der Glaubensblick auch noch da ist, wenn Sie sterben. Dass Sie nicht sagen: „Ich will am liebsten unbewusst sterben.“ Das ist heute so ein frommer Trost. So hat Philipp Spitta gedichtet: „Dass ich fröhlich sie hinübergehe.“
Die Freude soll auch noch in den letzten Atemzügen Ihres Lebens da sein – die Freude an Jesus, der Sie trägt, der Sie hält, der Ihr Herr ist und der Sie liebt. Diese Freude will ich haben.
Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen (1. Thessalonicher 5,16-18). Wenn Sie diesen Blick haben, dann können Sie nur staunen und danken für die Wunder des Herrn, der Sie überschüttet mit Gutem.
Also, das war mein zweiter Punkt des Wachstums im Glauben. Wir haben gesagt: Nicht mehr Trauer, Schluss mit Trauer und Verzagtheit, keine Schwermutsgedanken mehr. Lasst sie vom Glaubensblick überwunden sein.
Drittes Kennzeichen des Glaubenswachstums: Geheiligte Sehnsüchte und innere Reinigung
Jetzt komme ich zu den geheiligten Sehnsüchten. Ich möchte das nicht weiter ausführen, sondern nur kurz andeuten.
In uns schlummert eine gewaltige Kraft. Gerade heute, wo viel darüber gesprochen wird, was in Menschen vorgeht, die schreckliche Verbrechen an Kindern begehen, wird deutlich, wie schlimm Kinderpornografie ist. Pornografie insgesamt ist ebenfalls schlimm. Die Gedanken der Begierde sind furchtbar. Das wissen wir doch aus unserem Herzen. Doch in den Diskussionen spricht kaum jemand darüber, wie wir unsere Sinne, die oft unheimliche Züge annehmen, beherrschen können. Dabei geht es nicht nur um Sex, sondern auch um Hochmut, Geiz, Neid und Hassgedanken, die in uns wohnen. Diese Gedanken können uns völlig beherrschen. Die Geldliebe und all die anderen schlechten Dinge, die unser Herz bestimmen, sitzen tief in uns.
Jetzt muss sich das Wachstum des Glaubens zeigen. Auch wenn ich mich für Christus entschieden habe, soll sich das darin ausdrücken, dass Herz und Sinne geheiligt werden. Was bedeutet Heiligung? Ein Heiliger ist ein Tempel. Dabei denken wir nicht nur an äußere Tempel oder Gebäude, sondern daran, dass unser Leib und unser Leben eine Wohnung des ewigen Gottes werden. Christus soll in unseren Herzen wohnen – dort, wo vorher trübe, hässliche und schmutzige Gedanken lagen.
Mir fällt auf, wie oft Paul Gerhardt von den Sinnen gesprochen hat – von Herz und Sinnen. Er wusste, dass es tief in uns geschehen muss: Wie schaffe ich es, mein Herz und meine Sinne zu reinigen und zu heiligen? Das ist wunderbar und ein Geheimnis Jesu. Er hat Macht selbst über die finstersten Gedanken. Ich habe Menschen kennengelernt, die innerlich ganz verdreht waren, und die hat Christus gereinigt und geheiligt.
Ich brauche diese Reinigung und Heiligung täglich. Ich darf nicht mit dem Feuer spielen, sonst geht alles wieder schief. Christus soll mich innerlich heiligen, bis in die Tiefe meiner Gedanken hinein. In der Gegenwart Gottes stelle ich mich ihm zur Verfügung. Ich brauche geheiligte Sehnsüchte. Das ist etwas Schönes: Mein Leib hat eine Begehrlichkeit, und ich möchte sie nur auf gute Dinge richten.
So wie wir es bei Ter Stegen gesehen haben, der alles in der Gottesfülle findet – dort, wo mein Leben herkommt. Er bleibt nicht an den äußeren Geschöpfen hängen, sondern an der Lebensmitte, an der Quelle des Lebens, Jesus Christus.
Wenn wir wachsen, wollen wir in die Tiefe wachsen. Oft wird nur vom zahlenmäßigen Wachstum geredet, doch das ist Unsinn. Es geht als Christ immer darum, in die Tiefe und in die Wahrheit zu wachsen. Wir wollen immer mehr mit Christus zusammenwachsen, immer enger mit ihm verbunden sein und unser Leben immer tiefer mit ihm führen, damit er uns bestimmen kann.
Unser ganzer Alltag wird dabei mit einbezogen. Das ist schön an den Worten, die Paulus gebraucht: „Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch!“ Nach vielen Jahren Familienleben blättert oft das Furnier ab. Das ist nur außen aufgeklebt. Meist ist es Kirschbaumholz oder ähnliches. Dahinter kommt das Schwarzwald-Tannenholz zum Vorschein, das furniert wurde. Beim vielen Christsein ist das ähnlich: Man kratzt an der Oberfläche, und der alte Mensch kommt wieder hervor.
Deshalb muss Gottes Friede uns durch und durch heiligen, damit unser Geist ganz heil wird und Herz und Sinne in der Tiefe unseres Lebens geheiligt sind – unversehrt und untadelig, bis Christus kommt.
Das ist unser Ziel und unser Blick. Ich sehne mich und freue mich auf das Kommen Jesu. Dann will ich ihm entgegengehen, bereit sein und mich freuen. In meinem Leben soll nichts mehr sein, was der Wiederkunft Jesu entgegensteht oder vor ihm verborgen werden muss.
Beim Predigen sehe ich oft die Orgel mit ihren Metall- und Holzpfeifen. Wenn Frau Rieker die Luft einlässt, beginnen sie mit herrlichen Tönen zu klingen. Wie wunderbar ist es, wenn in unserem Leben auch unser Leib zur Entfaltung kommt! Der Leib ist nicht nur ein Käfig – das ist Unsinn. Der Leib ist ein Gottesinstrument, ein heiliges Instrument.
Ich habe zur Ehre Gottes meine Seele und mein Herz. Ich darf mich an meinem Gemüt freuen und dem Herrn danken, dass er all das gebraucht, um daraus ein Loblied zu machen – einen herrlichen Choral der Freude und des Dankes.
Treu ist der, der euch ruft – der Herr, der euch gerufen hat. Er wird es auch tun. Vor uns liegen großartige Entdeckungen.
