Von persönlichen Schwächen und guten Vorsätzen
Kein Mohrenkopf, keine Kekse mehr! Und sieben Minuten später bieten sie essend und mampfend den besten Werbespot fürs Balzen.
Oh, ich verstehe die beiden, sie haben mir aus dem Herzen gesprochen! Im vergangenen Jahr warf ich einen immer breiteren Schatten, und komischerweise wurden alle Hemden zu eng. Der Stoff spannte oder was, und die Hosen legten sich wie Leggings um den Leib.
Ich sagte zu meiner Frau Jutta: „Fünf Kilo Fleischkäse müssen weg!“ Zur Bekräftigung meines Vorsatzes verschenkte ich meinen geliebten Schwarzwälder Speck an meinen Sohn.
Dann folgten sechs Wochen Reis. Ich kann Ihnen sagen, sechs Wochen Reis! Wissen Sie, was das heißt? Zum Frühstück statt Brötchen und Himbeermarmelade: Reis. Zum Mittagessen statt Gulasch und Spätzle: Reis. Zum Kaffee statt Kuchen: Reis. Zum Abendessen statt Camembert und Lyoner: Reis. Zum Nachtsnack statt Bier und Nüsse: Reis.
Reis! Mir wuchs der Reis bis zur Nase und den Ohren heraus. Statt Tränen weinte ich Reiskörner.
In der sechsten Reiswoche ist es passiert: Meine Frau war nicht zu Hause. Ich dachte immer an den hungrigen Löwen in der Wilhelma, der dort in seinem Käfig auf und ab marschierte. So marschierte ich auch durch die Wohnung.
Ich durchsuchte alle Zimmer, ich filzte alle Schubladen. Das Ergebnis: Drei Milka, zwei Schachteln Montcherie und eine Tüte Haribo. Und nichts, nichts ist übrig geblieben.
Die Herausforderung christlicher Treue
Das habe ich schon, aber vollbringen das Gute. Christen sind nicht einmal ihren eigenen Vorsätzen treu. Deshalb sagte Paulus: „Ich elender Mensch!“ Wenn sie Christen sind, sind sie nicht besser.
Christen sind nicht besser, aber sie haben es besser. Das ist der Punkt! Diese treulosen Tomaten haben einen treuen Herrn, einen guten Herrn und einen lieben Herrn. Deshalb erlauben Sie mir, am letzten Abend nicht weiter von diesen treulosen Tomaten zu sprechen, so wie ich einer bin, sondern von diesem treuen Herrn, von diesem guten Herrn und von diesem lieben Herrn zu reden.
Nur, das ist die Frage: Ist denn dieser Gott treu? Ist dieser Gott wirklich gut? Ist dieser Gott lieb? Wie lieb ist denn der liebe Gott? In der Bibel heißt es einmal: „Seht, welch eine Liebe!“ Es ist nicht einfach ein Aufruf, an die Liebe zu denken, so wie ein Schriftsteller es formulieren würde.
Mir fiel nicht Günter Grass ein, der Autor von „Die Blechtrommel“, der heute den Literaturnobelpreis erhalten hat. Ich habe seine Leistung bisher nicht so hoch gewürdigt. Mir fiel etwas anderes ein: „Sansibar oder der letzte Grund“. Dort berichtet er von einem Fischer, von einem brütligen Fischer namens Knudsen, der im Dritten Reich einem Juden geholfen hat, nach Schweden zu fliehen.
Als er gefragt wurde, warum er dieses todgefährliche Unternehmen überhaupt unternommen habe, antwortete er ruhig: „Weil ich kein toter Fisch sein will, weil es schon stinklangweilig wird in meinen Wegen, weil ich mir die Lust zum Dienen nicht nehmen lasse.“ Kein schlechtes Wort.
Die wahre Bedeutung von Liebe
Denkt an die Liebe, die Lust zum Dienen – aber so steht es hier nicht. Es steht hier auch nicht: träumt von der Liebe. Mir ist meine eigene Vergangenheit eingefallen.
Je älter man wird, desto mehr redet man ja von ganz früher. Ich träumte bis dreißig von meinem Studium, vom Auslandsaufenthalt, von meinem Job in Stuttgart. Dann bekam ich eine schöne Pfarrstelle, ein schönes Pfarrhaus und eine schöne Pfarrkirche. Aber ich hatte keine schöne Pfarrfrau.
Ich konnte doch keine Anzeige in die Kirchenzeitung setzen: „Schöne Pfarrfrau gesucht.“ Ich konnte doch am Sonntagmorgen nicht in den Abkündigungen sagen: „Wer Pfarrfrau werden will, melde sich morgen im Pfarrbüro zwischen acht und neun.“ Ich konnte auch keinen Zettel ans Pfarramt hängen: „Putzfrau gesucht.“ Nein.
Schließlich fragte ich meine Schwester. Sie hat doch so einen großen Freundinnenkreis, ob vielleicht eine darunter sei für mich. Und sie sagte: „Ach, ich glaube schon, dass eine den Mut hat, dich zu nehmen.“ Dann gab sie mir einen Namen: Jutta.
Die habe ich zweimal eingeladen, erst ins Café, dann zum Spaziergang. Beim dritten Mal, nach einem Konzert, habe ich sie direkt gefragt: „Jutta, willst du meine Frau werden?“ Sie war wie vom Schlag getroffen. Nach einigen Sekunden sagte sie: „Konrad, wenn es unbedingt sein muss.“ Ja, es musste ja sein.
Nach wenigen Monaten haben wir geheiratet. Wir sind glücklich geworden und sind es bis heute.
Ich rate den jungen Leuten nicht genau diese Methode. Nur eines weiß ich: Man kann ein Auto probefahren, um zu sehen, ob es den Ansprüchen genügt oder nicht. Man kann in einem Swimmingpool probebaden, um zu fühlen, ob das Wasser heiß oder kalt ist. Ich kann in einem Restaurant probeessen, um zu prüfen, ob das Dinner für meinen hundertsten Geburtstag geschmackvoll ist.
Aber ich kann eine Frau nicht probeheiraten, um zu testen, ob sie eine treulose Tomate ist. Eine Frau ist Geschenk, ist Gabe aus Gottes Hand. Matthias Claudius hatte wohl Recht, als er nach 25 Ehejahren seiner Frau schrieb: „Ich war wohl klug, dass ich dich verhand.“ Doch ich warne: Nicht Gott hatte ich mir gegeben, so segnet keine andere Hand.
Die Aufforderung zum genauen Hinsehen
Träumt von der Liebe – nein, so steht es hier nicht. Auch nicht singt von der Liebe. Mir ist ein Liedermacher eingefallen. Als nostalgischen Typen denke ich an Franz Schubert, weil ich bei Gruppen wie Bab oder Pur – oder ich weiß nicht, wie die heißt – einfach umkippe.
Ich würde Ihnen dieses Lied gern vorsingen, aber ich kann keine Tränen sehen. Denken Sie deshalb an Peter Schreyer, wie er schreit: „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein, ich grübe es gern in jeden Kieselstein, ich möchte Sehnen jedes frische Beet mit Kressesamen.“
„Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben“, singt von der Liebe. Aber so steht es hier nicht. Hier steht: Seht, schaut, guckt, macht die Augen auf.
Deshalb, an diesem Abend, auch wenn Sie jetzt müde sind, machen Sie noch einmal die Augen auf. Ich will Ihnen als treulose Tomate diesen treuen Herrn zeigen.
Zweifel an der Treue Gottes und die Realität der Ablehnung
Schauen wir hin – aber was sehen wir da? Ich möchte es Ihnen so sagen: In der ehemaligen DDR ist eines Tages eine Briefmarke erschienen. Darauf war der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht abgebildet, einer der meistgehassten Männer.
Kaum war die Briefmarke draußen, kamen Beschwerden. Diese Briefmarke klebt nicht, diese Briefmarke hält nicht, diese Briefmarke fällt herunter. Eine Sonderkommission wurde eingesetzt. Nach einigen Beratungen kam sie zu dem klaren Ergebnis: Sie hält nicht. Warum? Die Leute spucken vorne drauf.
Nun ist bei uns vor zwei Jahren auch eine Briefmarke erschienen, und zwar von Gerhard Terstegen, dem Bandweber von Mülheim, der das Lied „Gott ist die Liebe“ geschrieben hat. Auf der Briefmarke stand: „Ich bete an die Macht der Liebe, Gott ist die Liebe“. Ich frage mich, ob diese Briefmarke hält, ob sie klebt oder auch herunterfällt. Die Leute spucken doch auf die Liebe Gottes!
Gleich nach dem Krieg hat Wolfgang Borchert geschrien: „Du bist doch ein Märchen, lieber Gott, du kommst mit unseren langen Listen von Tränen nicht mehr mit.“ Borchert spuckte auf die Liebe Gottes.
Dann kam Bert Brecht. In seinem Stück „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ sagte er: Wer unten sagt, dass es einen Gott gibt, den soll man mit dem Kopf auf das Pflaster schlagen, bis er verendet ist. Es helfen nur Menschen, wo Menschen sind, und es hilft kein Gott, wo kein Gott ist. Brecht spuckte auf die Liebe Gottes.
Paul Celan, der junge Denker und Dichter, beging Freitod. Nach seinem Tod wurde seine Leiche in der Seine in Paris gefunden. In seiner Tasche fand man einen verwaschenen Zettel, auf dem stand: „Niemand knetet uns wieder aus Erde und Leben, gelobt seist du niemand.“ Paul Celan spuckte auf die Liebe Gottes.
Und jetzt? Ich denke an jene Frau in Pristina: Ihr Mann wurde erschossen, sie selbst vergewaltigt, ihr Haus abgebrannt und sie vertrieben. Bis zum heutigen Tag ist sie nicht zurückgekehrt. Ob sie nicht auf die Liebe Gottes spuckt?
Ich denke heute Abend auch an die vielen Japaner unweit von Tokio, nach dem schweren Atomunfall heute Nachmittag. Noch weiß niemand, wie viele es sind. Auch Christen dort haben jetzt Angst. Wo werden sie diesen lieben Gott suchen?
Ich denke an die Menschen in Taipeh oder auch in der Türkei. Sie spucken doch auf die Liebe Gottes. Und wie viele sind es heute Abend hier, nach all dem, was sie erlebt haben, nach all dem, was sie durchgemacht haben, mit allem, woran sie leiden? Wie viele sind es, die auf die Liebe spucken, wenn sie auch so denken?
Die wahre Natur der Liebe Gottes
Dann sehen Sie mit mir trotzdem noch einmal auf diesen liebenden Gott. Wissen Sie, es ist erstens eine echte Liebe und keine falsche. Es geht nämlich darum, ein Missverständnis abzuwehren.
Wir meinen oft, Liebe müsse sich in der Erfüllung von Wünschen zeigen. Wer meine Wünsche erfüllt, liebt mich. Und wer meine Wünsche nicht erfüllt, der ist eine treulose Tomate. Liebe Freunde, Kinder vor Weihnachten sind ein großartiges Beispiel dafür. Sie wünschen sich ja das Blaue vom Himmel: Computer, Inline-Skater und Fahrräder. Die Wunschlisten von Kindern vor Weihnachten entsprechen ungefähr den Inventarlisten eines mittleren Spielwarengeschäfts.
Und weil der Vater lieb ist, werden diese Wünsche auch erfüllt. Denn Liebe zeigt sich in der Erfüllung von Wünschen, oder nicht? Eines Tages wünschten sich meine Kinder etwas ganz Besonderes. Alle sieben standen zusammen und sagten: „Wir brauchen gar nichts, aber das wollen wir gemeinsam.“ Sie dachten, der Vater ist so lieb – ich bin ja auch lieb, nicht wahr? So lieb, der wird es erfüllen.
Wissen Sie, was sie sich gewünscht haben? Sie wünschten sich ein quicklebendiges, ausgewachsenes, heufressendes Pony – und das mitten in der City, bei der Stiftskirche, im Pfarramt in Stuttgart. Das ist doch zum Vieren! Was sollte ich tun? Ich wusste schon, es würde so kommen, wie es dann auch gekommen ist. Ich hatte Angst vor diesem Heiligen Abend.
Und wie immer sagen wir: „Ihr Kinderlein kommet.“ Dann ging die Tür auf, und unter dem Weihnachtsbaum stand kein ausgewachsenes Pony, sondern nur ein ausgestopftes Steiftier mit Knopf im Ohr. Teuer war es, teuer. Aber die Augen der Kinder waren traurig, und es war eine einzige Enttäuschung. Der Vater war nicht lieb – so genau schreiben wir unsere Wünsche für Gott.
Die Arbeitsstelle darf ich nicht verlieren, das Examen muss gut gehen, der Freund darf mich nicht verlassen, der Krebs darf keine Metastasen streuen – tausend Wünsche! Wenn diese Wünsche nicht erfüllt werden, wenn ich meine Stelle verliere, wenn die Metastasen weiterfressen, wenn ich durchs Examen falle, wenn alles nicht so läuft, wie ich wollte, dann werden Fäuste gegen den Himmel geballt. Dann wird mit Prometheus geschrien: „Ich kenne nichts Ärmeres unter der Sonne als euch Götter!“ Denn dieser Gott ist nicht lieb.
Aber wissen Sie: Gott ist doch kein Weihnachtsmann, und Gott ist auch kein Osterhase. Er ist nicht deshalb angetreten, um all unsere Wünsche zu erfüllen. Liebe zeigt sich überhaupt nie in der Erfüllung von Wünschen, sondern immer nur am Grad ihrer Opferfähigkeit. Nur wer opfert, der liebt auch. Nur wer hergibt, der liebt auch. Nur wer wirklich schenkt, der liebt auch. Und Gott war hochgradig opferfähig.
Er schickte nicht nur ein paar Blumen zu Weihnachten, er schickte nicht nur eine Karte, ein Fax oder eine E-Mail, sondern er schickte seinen Sohn, seinen einzigen Sohn.
Das Opfer Gottes als Zeichen der Liebe
Wissen Sie, was das bedeutet? Ich vergesse nicht jenen Mann in der Kämmerstraße in Stuttgart.
Ich muss kurz erzählen: Als ich ihn zum ersten Mal besuchte, zu seinem achtzigsten Geburtstag, stand ich vor seiner Haustür. Ich zog noch einmal meine Krawatte gerade, nahm den schönen Strauß in den Arm und läutete. Doch es kam niemand heraus.
Dann hörte ich schwere Schritte zur Tür. Sie ging nur einen Spalt weit auf, und ich hörte eine Stimme, die rief: „Man braucht nichts.“
Ich sagte: „Aber vielleicht einen Blumenstrauß?“ Doch das war erst recht nicht gewollt. Dann fiel die Tür ins Schloss.
Ich rief durch die Tür hindurch: „Entschuldigung, ich bin der Pfarrer und möchte ihm zum achtzigsten Geburtstag gratulieren.“
Doch er lief weg und sagte vor sich hin: „Was sich die Landstreicher alles einfallen lassen.“
Trotzdem habe ich es geschafft, ihn zu besuchen. Immer wieder war ich bei ihm. Sein Gedächtnis war nicht mehr das Beste.
Jedes Mal, am Schluss des Besuches, zeigte er auf ein Bild, das hinter ihm hing. Es war ein junger Mann, vielleicht achtzehn Jahre alt, in Soldatenuniform.
Er sagte immer stereotyp: „Herr Pfarrer, kennen Sie den?“ Dann sagte er nichts weiter, sondern fügte hinzu: „Wissen Sie, das ist mein Sohn. Der ist in Stalingrad geblieben.“
Dann sagte er noch: „Es war mein einziger.“
Man kann einem Vater oder einer Mutter keinen größeren Schmerz zufügen, als den einzigen Sohn zu verlieren.
Gott hatte nur einen einzigen Sohn. Er hatte keinen zweiten und keinen dritten. Und diesen gab er, und gab ihn auf diese Erde.
Kein Krieg hat ihn gezwungen, er gab ihn freiwillig.
Und dann lag er in der Krippe. Sehen Sie dieses Wunder, wie tief sich der Höchste hier beugt. Sehen Sie die Liebe, die endlich als Liebe sich zeigt. Sehen Sie dieses Kind.
Aber er gab ihn nicht nur in die Krippe, er gab ihn auch ans Kreuz.
Krippe und Kreuz sind aus demselben Holz geschnitzt.
Er hatte ein ganzes Jahr, um das Kind in der Krippe zu sein und den Mann am Kreuz.
Und dort hängt er. Dort hängt er. Schauen Sie, gucken Sie, machen Sie die Augen auf: Zwischen Himmel und Erde dort hängt er.
Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.
Und wenn Sie fragen: Wo ist denn die Liebe in dieser Welt? Schauen Sie auf dieses Kreuz.
Wenn Sie fragen: Wo ist denn die Liebe in unserer Stadt? Schauen Sie auf dieses Kreuz.
Und wenn Sie fragen: Wo ist denn die Liebe in meinem Leben, in meinem Leben? Schauen Sie auf dieses Kreuz.
Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.
Liebe Freunde, nur wer opfert, der liebt auch. Nur wer hergibt, der liebt auch.
Die Kraft der Liebe in schwierigen Lebensumständen
Das hat selbst Noah begriffen, ein Papua in Neuguinea. Vor einiger Zeit bin ich ihm begegnet. Die Liebensweller Mission schickte mich zu den Missionaren, um bei ihnen zu dienen. Anschließend begleiteten sie mich nach Limes in Westneubritannien, hoch in die Berge. Dort leben die Menschen noch im Steinzeitalter.
Als wir ankamen, strömten sie zusammen – unglaublich und unvergesslich. Dieser Mann, Noah, sagte mir Schwester Helen Held von der DMG: „Das ist Noah.“ Und er strahlte. Er fiel nicht besonders durch seine Kleidung auf, denn er trug kaum etwas. Auch seine Größe war unauffällig, denn sie sind alle nur etwa 1,60 Meter groß. Doch er fiel durch sein Strahlen auf – und dabei war er krank. Er litt an einer Lungenerkrankung.
Als er geboren wurde, wurde er aus Geisterglauben in Rauch gehängt. Das zerstörte seine halbe Lunge. Mit elf Jahren musste er eine Flüssigkeit trinken, die sein Gebiss zerstörte. Vor einigen Jahren führte er den Brauch seines Erauchstammes durch: Wenn ein Mann stirbt, muss auch seine Frau mitbeerdigt werden. Um dieses Problem zu lösen, ist es die Aufgabe des ältesten Sohnes, am Sterbetag des Vaters die Mutter zu töten.
Noah musste das tun. Er legte die Liane um den Hals seiner Mutter und sagte: „Drüben liegt sie.“ Dabei sagte er zu mir: „Ich bin Muttermörder, ich bin Muttermörder. Aber Gottes Liebe hat mir vergeben.“ Wissen Sie, ob man in Europa noch von Gottes Liebe weiß? Wissen Sie das noch?
Dann nahm er mich in seine Hütte. Wissen Sie, eine Hütte, in die wir kaum einen Hund unterbringen würden. Die ärmste Hütte. Seine Frau war dort, der kranke Sohn und in der Mitte eine Feuerstelle. Auf dieser Feuerstelle lagen drei Kartoffeln – gebratene Süßkartoffeln, die Tagesration dieser Familie.
Noah griff hinein und nahm eine heiße Kartoffel. Ich wollte sie nicht annehmen, aber die Missionarin sagte: „Nimm sie.“ Dann drückte er mir die heiße Kartoffel in die Hand. Ich hielt sie, und obwohl sie brannte, spürte ich seine heiße Liebe – das Drittel der Tagesration.
Nur wer schenkt, nur wer opfert, nur wer hergibt, der liebt auch. Das ist die echte Liebe. Wer nur Liebe verlangt und nur Liebe vom anderen will, der ist die treulose Tomate, die treuloseste Tomate überhaupt – die weite Liebe. Gilt sie denn mir? Gilt sie denn Ihnen?
Es könnte ja sein, dass ich gar nicht gemeint bin. Vielleicht waren damals irgendwelche ersten Christengemeinden in Kleinasien, später vielleicht die byzantinischen Christen oder die westlichen Christen gemeint. Es könnte doch sein, dass mein Name überhaupt nicht auf dieser Verteilerliste steht.
Gottes Liebe gilt jedem Einzelnen
Wer sagt denn, dass das alles auch mir gilt, mir Treulosen?
Im Johannesevangelium steht: So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, auf dass alle das ewige Leben haben. Heinrich Schütz hat in seiner Motette dies herrlich unterstrichen: auf dass alle, alle, alle, die Ja zu ihm sagen, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
Das ist eine Postwurfsendung an alle Haushaltungen. Alle sind gemeint: die Einsamen und die Triebsamen, die Geliebten und die Ungeliebten.
Augustinus hat gesagt, Gott liebt jeden Einzelnen unter uns so, als ob es außer ihm niemanden gäbe, dem er seine Liebe schenken könnte.
Sie auf dem letzten Stuhl und Sie in der dritten Reihe, die Sie meinen, Sie hätten niemanden, der Sie versteht, niemanden, der Sie liebt: Gott liebt Sie so, als ob es außer Ihnen niemanden gäbe, dem er seine Liebe schenken könnte.
Waren Sie auch so.
Persönliche Erfahrungen mit Gottes Liebe
Im ersten Winter nach dem Krieg, bei uns in der französischen Besatzungszone in Oberndorf am Neckar, waren wir unendlich hungrig. Die Mutter wusste nicht, wie sie uns sechs Kinder ernähren sollte. Morgens gab es Kartoffeln, ohne Fett in der Pfanne gebraten. Ich rieche es heute noch. Und auch davon war nicht genug da. Jedes Mal, wenn die Mutter das auftischte, weinte sie.
Dann kamen die amerikanischen Pakete – unvergessliche Liebesgaben amerikanischer Christen. Auch ein Paket kam in unser Haus. Wir fielen darüber her wie Wölfe, rissen es auf. Die drei großen K: Kaffee, Kakao und Kaugummi. Wir wussten damals gar nicht, was Kaugummi ist. Wir dachten, das sei zum Fahrradfliegen. Aber inzwischen haben wir es ja gelernt.
Außerdem war noch etwas dabei: Oben drauf lag ein Neues Testament in deutscher Sprache, gedruckt während des Krieges für die Feinde. Dieses kleine Testament hatte auf der ersten Seite eine Widmung. Dort stand Johannes 3,16: „So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, auf dass …“ und dann waren Punkte gesetzt. Darunter stand: „An dieser Stelle soll man seinen Namen eintragen.“
Ich, als der Bescheidenste von sechs Kindern, riss mir dieses Testament unter den Nagel und schrieb dort mit Bleistift in Blockschrift dick „Konrad“. Dann las ich: „So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, auf dass Konrad Eisler, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat.“
Einladung zur persönlichen Annahme der Liebe Gottes
Ich möchte Sie heute Abend ganz persönlich einladen, an dieser Stelle zum ersten Mal oder auch wieder – es könnte ja sein, dass der Name verblasst ist – Ihre Namen einzutragen. Dann lesen Sie es noch einmal, und anschließend buchstabieren Sie es. So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit ich und du und du nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
Und noch etwas: Denken Sie an jene Person, die Ihnen auf den Geist geht, an die treuloseste Tomate in Ihrer Umgebung. Schreiben Sie auch deren Namen ein und lesen Sie es noch einmal: Dass keiner verloren gehe, sondern das ewige Leben habe – das ist die weite Liebe unseres Herrn.
Diese Liebe ist eben heiß. Manche sagen: „Ach, Liebe macht doch nur verrückt, Liebe verdreht den Kopf, und Liebe macht nur neugierig.“ In der Tat ist das so. Liebe macht verrückt, aber nur so verrückt, dass nämlich der Schwerpunkt meines Lebens aus mir herausgerückt wird. Ich bekomme einen neuen Mittelpunkt, nämlich diesen Herrn, und ich darf im Magnetfeld seiner Liebe leben.
Sicher macht diese Liebe neugierig, und ich will immer mehr wissen von diesem Herrn, der damals geboren wurde, der durch diese Lande zog und der einmal wiederkommen wird. Doch wer ihn sieht, der kann nur eines sagen: Liebe, dir ergebe ich mich.
Die letzte Entscheidung: gerettet oder verloren
Sie kennen die Titanic. Dieses unsinkbare Schiff ist gesunken, und viele Passagiere wurden in den Tod gerissen. Am nächsten Tag, nach dem Untergang, war in Liverpool etwas Besonderes zu beobachten.
Dort befand sich die Reederei White Star Company. Vor dem Büro standen links und rechts zwei große Tafeln. Auf der einen Tafel stand „to be saved“, bekannt als „gerettet“, und darunter waren Namen aufgelistet. Auf der anderen Tafel stand „known to be lost“, bekannt als „verloren“, und darunter ebenfalls Namen.
Viele Menschen standen davor und suchten nach den Namen ihrer Angehörigen – ob sie gerettet oder verloren waren.
Auf dem Schiff gab es drei Klassen: erste Klasse, zweite Klasse und dritte Klasse. Am Ende gab es nur noch zwei Klassen: gerettet oder verloren.
Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft, unterteilt in viele Klassen und Rassen. Doch am Ende gibt es nur zwei Tafeln, nur zwei Klassen, nur eine Alternative: entweder gerettet oder verloren.
Ihr Name steht auf der Haustürglocke, das ist gut, denn so können Freunde Sie finden. Ihr Name steht im Telefonbuch, das ist gut, denn man kann Sie anrufen. Ihr Name steht auf dem Ausweis, das ist gut, denn so kann man Sie identifizieren.
Aber Ihr Name muss doch auf dieser Tafel stehen. Ihr Name muss auf der richtigen Tafel stehen, so wie damals die Menschen auf die richtige Seite kamen. Nicht, weil sie gute Schwimmer waren, nicht, weil sie sich über Wasser halten konnten oder das Ufer erkämpft hatten. Nein, nichts von alledem. Einfach deshalb, weil es einen Retter gab, der kam und sie herausgerettet hat.
Liebe Freunde, ich stelle mir jemanden vor, der im Wasser kämpft. Die Schwimmweste schützt nur wenig, es wird immer kälter, und die Todesstarre kommt. Plötzlich erscheint ein Boot. Ein Retter schaut über die Reling und streckt ihm beide Hände entgegen.
Glauben Sie, dass der im Wasser Hängende gesagt hat: „Danke, ich brauche das nicht“? Glauben Sie, er hätte gesagt: „Ich schaffe es allein“? Nein. Jeder streckt dem Retter seine Hände entgegen und ruft: „Herr, Retter, rette mich!“
Wir schwimmen alle im Meer von Schuld und Tod. Jeder von uns, ob jung oder alt, spürt letztlich den nahenden Tod, früher oder später.
Und jetzt kommt einer, ein Retter. Er kommt nach Pforzheim, er kommt in dieses Zelt. Er streckt seine Hände entgegen.
Wollen Sie ablehnen? Wollen Sie nicht annehmen und sagen: „Herr, reiß mich heraus, mich, den treulosen Tomaten, rette mich!“?
Einladung zur Entscheidung und Gebet
Vielleicht tun Sie es heute Abend so: Ich werde Sie gleich alle bitten, sofern Sie können, aufzustehen. Danach werde ich diejenigen bitten, die heute Abend diesen Ruf gehört haben und nicht verloren gehen wollen, nach vorne zu kommen.
Es gibt Menschen, die diesen Wunsch haben – nicht verloren gehen zu wollen. Einige Seelsorgehelfer werden ebenfalls nach vorne kommen, um Ihnen die Hand zu reichen. Diese Hand, die sich Ihnen entgegenstreckt, ist eine Hilfe und ein Angebot.
Man muss „Ja“ sagen. Man kann es auch mehrmals sagen, aber ganz wichtig ist das erste Mal. Deshalb wäre es schön, wenn wir nun einige Zeit der Stille haben könnten.
Wir beten, während wir stehen, und beten auch für diejenigen, die den Mut haben, heute Abend nach vorne zu kommen und zu sagen: „Dir will ich gehören, in Zeit und Ewigkeit.“
Wissen Sie, wenn ein Mensch hier zum Glauben kommt, dann ist im Himmel Weihnachten. Lassen Sie heute Abend im Himmel Weihnachten werden!