Einführung in die Geschichte der Witwe und ihrer Gabe
Heute, am Sonntag Okuli, haben wir nach der Ordnung unserer Kirche den Predigttext aus Markus 12,41-44 mit dem Titel „Schärflein der Witwe“ gelesen.
Diese allerkleinsten Münzen, die heute zu Tausenden ausgegraben werden, nennt man Lepta. Es handelt sich dabei um Bruchteile eines roten Pfennigs, vergleichbar mit Nickel, also das allerkleinste Münzstück.
Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber, also im Tempel, und beobachtete, wie das Volk Geld in den Gotteskasten einlegte. Viele Reiche legten dabei viel ein. Dann kam eine arme Witwe und legte zwei Schärflein hinein. Das entspricht zusammen etwa einem Pfennig. Richtig übersetzt waren es halbe Pfennige oder noch kleinere Bruchteile.
Jesus rief daraufhin seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: „Wahrlich!“ – nicht etwa, dass Jesus das aus Versehen gesagt hätte. Er betonte dies mit einem Ausrufezeichen, das auf Griechisch „Amen“ heißt und immer bei wichtigen Offenbarungsworten verwendet wird. Er sagte: „Ich sage euch, diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle anderen, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss gegeben. Diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.“
Unsere jungen Leute sind heute ganz verrückt nach Rekorden. Das kommt daher, dass jeder ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen werden möchte. Dabei kann man ja fast alles probieren. Auch für manche Vereine ist es ein Sport, wer mehr Würstchen in einer Stunde isst oder wer länger unter der Dusche stehen kann – sieben Tage und sechs Nächte – oder wer länger auf einem Fuß stehen kann. Es gibt die verrücktesten Rekorde, um die man heute streitet: Wer ist der Beste? Wer macht das am tollsten? Wer macht sich einen Namen?
Jesus hat uns mit dieser Frau ein anderes Beispiel gegeben. Er sagt: Diese Frau hat den absoluten Rekord. Dabei ist sie gar nicht so verrückt oder spleenig. Jesus sagt, dass niemand sie mehr übertrumpfen kann. Sie steht ganz, ganz, ganz weit oben.
Die Bedeutung der namenlosen Witwe als Vorbild
Damals haben viele Menschen in den Gotteskasten eingelegt. Unter ihnen waren viele Glaubende. Jesus sagt jedoch, dass die Frau mehr getan hat.
Es waren viele gute Menschen dabei, viele mit großen Gaben. Doch Jesus betont: Die Frau hat mehr getan. Sie hält den absoluten Rekord. An ihr sollt ihr euch messen. So ist das richtig zu verstehen. Darum geht es heute in diesem Gottesdienst.
Wir wissen nicht einmal, wie diese Frau hieß. Sie hatte sicherlich einen Namen – vielleicht Sibylle oder Magdalena – doch wir kennen ihn nicht. Eine namenlose Frau wird uns hier als Vorbild gegeben.
Wir können auch annehmen, dass sie regelmäßig auf Sozialhilfe angewiesen war. Sie war eine Frau, die von der Liebe anderer Menschen abhängig war. Trotzdem sagt Jesus: Sie ist unsere Rekordhalterin, unser Vorbild. An ihr sollt ihr euch messen.
Er zeigt uns damit den Weg zu einem erfüllten Leben.
Gottes anderes Rechnen: Der erste Punkt
Und was wir über all dem lernen: Gott rechnet anders. Das ist das Thema meiner Predigt – Gott rechnet anders, anders als wir rechnen. Mit unseren Rechenmaschinen und Computern – Gott rechnet anders!
Mein erster Punkt ist der, wo Jesus den Finger darauf legt. Ich stoße mich an der Geschichte immer wieder, und das möchte ich Ihnen auch nicht verschweigen. Mir gefällt die ganze Geschichte nicht, wenn man beim Opfergeben zuschaut. Ich weiß nicht, wie Sie dazu stehen.
Ich kann Ihnen versprechen: Wenn Sie Opfer geben, guckt gar niemand zu. Sonst merkt gar niemand, ob Sie etwas reinlegen oder nicht. Ich habe mir zur Regel gemacht, dass es keine offenen Opferbüchsen gibt. Ich glaube, in den letzten 22 Jahren hat es in der Hofarkgemeinde keinen Opferteller gegeben, weil ich das für geschmacklos und unanständig halte.
Sie müssen sich nur mal vorstellen, Sie sind der Erste, der zur Tür raus muss, und da steht jemand mit so einem offenen Körbchen. Da gebe ich grundsätzlich nichts, weil ich das unanständig finde. Wenn man Menschen mit weltlichen Mitteln nötig zur Gabe macht – und ich weiß, dass manche, die das Opfer kassieren, sogar auf diesen Effekt abzielen – dann ist das geistlich nicht in Ordnung. Das müssen wir auch mal sagen in dieser Geschichte.
Jeder Druck, der mit einer Gabe verbunden ist, ist nicht gut. Er kommt nicht von Gott, sondern von den Menschen. Machen Sie sich von Menschengesetzen frei: Sie müssen nie etwas reinwerfen. Niemand beobachtet Sie, uns hat niemand zu beobachten. Jesus darf das, weil er uns kennt, weil Jesus uns prüft, weil er uns eh sieht und weiß, was in unserem Herzen ist, und er weiß, was wir tun.
Jetzt stelle ich mir einmal vor, wie das dort oben am Tempel zuging. Da waren ja die kirchlichen Finanzleute, die Oberamtsräte und die Inspektoren, die das unternahmen, vielleicht noch unterstützt durch irgendwelche Fachleute des Finanzwesens. Dann haben sie das kassiert, und sie lachten fröhlich und sagten: „Jetzt gibt es wieder was, jetzt sind wir wieder besser dran mit unserem Etat.“
Am Ende, als sie die Nickelmünzen, die letzten Roten, zusammenzählten, lächelten sie ein bisschen mitleidig und dachten: „Das lohnt sich eigentlich nicht zum Verbuchen, die Stellen hinterm Komma.“
Nehmen Sie das denen übel? Würden Sie es denn anders machen? Wenn Sie eine Verantwortung in einem Missionswerk haben oder im Kirchengemeinderat sitzen, müssen Sie doch sagen: Auf die Stelle hinterm Komma kommt es nicht an, sondern es macht die große Summe aus.
Und genau an dieser Stelle sagt Jesus: Nein, es war umgekehrt. Man unterschiebt dieser Geschichte oft etwas anderes. Wir lesen so gerne in die Bibel unsere Gedanken hinein. Prüfen Sie sich selbst und lesen Sie dieses Wort für sich noch einmal durch.
Da wird so oft gemacht, als ob Jesus hier ein Wort gegen die Reichen sagt. In allen Begriffen des Neuen Testaments sind wir alle reich – alle. Auch die, die wenig haben, sind reich im Vergleich zur Armut, die Jesus gekannt hat.
Ich finde bei Jesus hier in dieser Geschichte keinen Vorwurf an die Reichen. Es heißt, viele Reiche legen viel ein, und das ist doch schön. Aber Jesus hat einen Punkt, auf den er den Finger legt: Diese Witwe hat mehr eingelegt als die anderen.
Sagen wir, das stimmt objektiv nicht, es war genau ein Pfennig. Nein, ein Pfennig ist nicht so viel wie tausend Mark. Und Jesus sagt: Nein, umgekehrt! Ein Pfennig kann mehr sein als tausend Mark. Damit stellt er das ganze Rechnungswesen des Reiches Gottes auf den Kopf. Und so steht es tatsächlich hier.
Warum kann denn ein Pfennig wirklich mehr sein als tausend Mark? Das ist ja so unsinnig. Wir können doch rechnen. Seitdem Adam Riese uns darin gelehrt hat, wissen wir, wie das geht. Wir wissen, was mit Zahlen möglich ist und was man kaufen kann.
Jesus sagt: In Dingen des Reiches Gottes kommt es auf die Liebe und auf die Hingabe an. Diese Frau hat ihre Gabe in einer ganz besonderen Liebe und Zuwendung gegeben. Sie hat sich selbst eingebracht, sie hat sich ganz dahintergestellt.
Solch eine Gabe wird von Gott gesegnet. Und wenn Gott segnet, dann ist das mehr als alles, was Menschen tun.
Die radikale Hingabe der Witwe als Lebensmodell
Die Frau hätte sich ja auch verkriechen können. Darf ich meine Fantasie kurz ausschweifen lassen? Wie ist es denn sonst bei Witwen? Sie sitzen zu Hause und weinen, und sie haben auch Grund dazu.
Dann hätten sie sagen können: „Ach, ich kann ja nichts tun, ich habe ja nichts.“ Oder sie hätten gesagt: „Mein Geldbeutel ist leer, es ist nichts mehr drin.“ Oder wie wir manchmal sagen: „Oh, wenn ich mal viel Geld hätte, dann würde ich auch viel tun.“ Doch das sind alles dumme Sprüche.
Oder sie hätte sagen können: „Wenn ich noch mal jung wäre, wenn ich noch mal achtzehn wäre, dann würde ich in die Mission gehen.“ Wissen Sie, wir haben alle so viele Sprüche auf Lager.
Sie macht keine Sprüche. Sie gibt, sie handelt, sie liebt, und was sie hat, verströmt sie in ihrer Liebe. Und das ist mehr – objektiv mehr – als alles Große, was hier gerechnet wird und was wir sagen, denken und meinen.
Das gibt sie her und stellt es in den Dienst. Gott bestätigt das und sagt darauf: Davon lebt die Königsherrschaft Gottes in dieser Welt – von solchen Leuten, die nicht fragen, was das ist, sondern die einfach handeln und einfach wirken.
Die häufige Fehlinterpretation der Geschichte und der zweite Punkt
Wir sehen, dass Kleine oft nicht richtig wahrgenommen werden. Kleine Dinge werden häufig übersehen oder nicht richtig erkannt.
Nun möchte ich noch einmal eine Kritik anbringen. Ich meine, diese Geschichte ist in den Kirchen oft missbraucht worden. Sie wird normalerweise als Aufruf zum Geben genutzt. Dann heißt es zum Beispiel: „Schau mal, die Frau hat alles, was sie hatte, eingelegt. Also musst du mindestens die Hälfte von deinem Besitz opfern.“ Doch das steht so nicht im Text.
Im ganzen Evangelium gibt es keine Aufforderung, dass man alles, was man hat, Gott geben soll. Das Thema taucht noch einmal beim reichen Jüngling auf, aber auch dort geht es genau um das Gleiche. Jesus nennt einen Punkt, der uns oft zu schaffen macht. Er sagt: „Wenn du gut sein willst, dann musst du...“ Es gibt jedoch nie eine klare Aufforderung, wie viel wir geben sollen.
Sicher liegt auf dem Leben der Frau eine große Segenslinie, wenn sie den Zehnten gibt. Aber selbst die Aufforderung, den Zehnten zu geben, gibt es als Gesetz im Neuen Testament nicht. Zehn Prozent seines Einkommens zu geben, ist gut so, aber wir sollten jetzt nicht über die Menge des Opfers sprechen, sondern darüber, wie wir Gott dienen.
Es geht gar nicht so sehr ums Geld. Das Geld wird plötzlich unwichtig. Wichtig ist, wie diese Frau Gott dient. Sie bringt sich vollkommen ein, ist total gefordert. Sie ist eine radikale Frau, die nicht rechnet, sondern sich in der Liebe verströmt.
Jetzt passen Sie mal auf. Zwei Verse weiter, in Kapitel 13, lesen Sie es nach. Dort schließen die nächsten Verse direkt an. Die Jünger sagen: „Herr Jesus, schau mal den Tempelbau an, ein tolles Bauwerk.“ Das war damals der herodianische Tempel. Jesus antwortet: „Nicht ein Stein wird auf dem anderen bleiben.“
Wir können die Welt anschauen, wie wir wollen – mit ihrer Größe und Macht, mit Weltreichen wie der Sowjetunion oder den Vereinigten Staaten von Amerika. Jesus sagt, dass all das vergeht. Die Technik vergeht, die Kunst vergeht, der Wohlstand und der Reichtum vergehen. Am Ende bleiben Hunger und teure Zeit.
Diese Endzeitrede im Markus 13 nimmt uns alle Illusionen. Immer wieder meinen wir, das, was wir sehen und was uns so wichtig ist, sei bedeutsam. Jesus sagt aber: Das, was euch immer wieder so beschäftigt, ist gar nicht bleibend. Es ist auch nicht groß.
Groß ist eine Witwe, eine namenlose Frau, die sich für Gott total hingibt.
Die falsche Verwendung der Geschichte als Opferaufruf
Ich finde es sehr bedenklich, dass aus dieser Geschichte eine Art Bettelgeschichte für Opfer gemacht wurde. Gott feilscht niemals um unsere Gaben, und es geht nie darum, dass man uns Geld für Zwecke des Reiches Gottes abknöpft. Vielmehr geht es Gott um unsere Hingabe und unseren Einsatz.
Dabei steht nicht das Geld im Vordergrund, sondern unsere Zeit, unsere Kraft und unsere Lebensziele. Die zentrale Frage lautet: Wem dienen wir eigentlich?
Noch ein kleiner Hinweis: Wo steht diese Geschichte? Sie findet sich vor Markus 13, aber auch am Anfang der Leidensgeschichte Jesu. Die Geschichte von der Schärfland-Witwe hat viel mehr mit dem Kreuzesweg Jesu zu tun.
Predigen wir jetzt auch in den Fastenwochen darüber? Diese namenlose Witwe, die wenig gilt und kaum Einfluss hat, erinnert an Jesus von Nazareth. Die anderen wollten nichts von ihm wissen. Man hat ihn für nichts geachtet.
Und was tut Jesus? Er bringt sein ganzes Ich ein und liefert sich Gott aus. Er gibt sich hin bis zum Tod. Deshalb hat ihn Gott erhöht und ihm einen Namen gegeben.
Lernen wir daraus: Bei Gott zählt nicht die Macht der Welt, nicht das, was wir sehen oder anfassen können. Entscheidend ist, was Gott bestätigt und segnet, was in seinem Namen begonnen wurde – auch wenn die Welt darüber spottet und lacht.
Wenn die Buchhalter im Tempel sagen: „Ach, das ist doch egal, darüber redet doch niemand mehr“, dann zeigt das, dass auch in der Geschichte des Reiches Gottes die großen Dinge oft still und unbemerkt geschehen.
Die Zeitgenossen haben es oft gar nicht gemerkt. Erst 150 Jahre später erkannte man, dass etwas Großes passiert war. Es blieb den Augen der Zeit verborgen, weil es in der Spur Jesu geschehen ist – das Kleine, das Verborgene.
Oft können wir es mit unserem kritisch prüfenden Blick gar nicht erkennen. Für uns ist es häufig weder erkennbar noch sichtbar.
Die Lebensberufung und die Hingabe im Alltag
Mir hat in diesen Tagen einer unserer Jugendmitarbeiter sehr geholfen. Er sagte, bei unseren jungen Leuten sei das oft eine fixe Idee: Sie wollen immer genau wissen, wo Gott ihre Lebensberufung hat. Dazu grübeln sie sich jahrelang den Kopf. Soll ich jetzt in die dritte Welt gehen? Soll ich Computer studieren? Soll ich heiraten oder ehelos bleiben?
Das ist doch falsch. Ich kann doch nur sagen: Tu, was dir vor die Hand kommt. Prüfe, was dir nahe liegt, und dann tue es mit ganzer Hingabe. Wichtig ist, wie du es tust – ob verheiratet oder ledig, ob als Doktor oder in einer Handwerkerlehre, ob nach Afrika oder nach Cannstatt. Tu es ganz, wie die Witwe. Bring dich ganz ein und tue es für Gott.
Auch hier gilt: Jeden Beruf, den du ausübst, tue ihn nicht für dich. Denn das hat Jesus immer wieder gesagt: Was wir ohne ihn wollen, das zerrinnt uns zwischen den Fingern. Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden an seiner Seele nimmt?
Wir meinen oft, Leben sei das, was wir uns erobern, was wir uns erkämpfen. Wenn ich mal so weit bin und mir Geld zusammengespart habe, wenn ich mir etwas gebaut habe, wenn ich etwas errungen habe, wenn ich mich selbst verwirklichen kann. Jesus sagt: Nein, das ist nicht Leben. Er spricht dem, was wir Leben nennen, den Wert ab und sagt: Das ist gar nicht Leben, das lohnt sich nicht.
Erst wenn das Leben durch das Sterben hindurchgeht – wenn ich mein Ich, meine Selbstsucht, meine Eigenmächtigkeit und mein Wunschdenken gekreuzigt habe und sage: Ich lebe nicht mehr für mich, sondern was ich bin, das lebe ich für ihn, für Christus – erst dann ist das Leben wirklich Leben.
Auf der Todesanzeige von Wilhelm Busch stand das Wort: „In Jesus habe ich hier das beste Leben, in Jesus.“
Verstehen Sie: Egal, ob Sie nach Afrika gehen, ob Sie hier bleiben, ob Sie heiraten oder ledig bleiben – grübeln Sie sich nicht den Kopf. Es gibt Menschen, die nach 20 Jahren sagen: Das war der größte Fehler meines Lebens, dass ich mich so entschieden habe.
Leben Sie ganz für Gott, damit Gott Sie segnen kann, wie diese Witwe. Geben Sie sich hingebungsvoll in Liebe und mit Freude und sagen Sie: Was ich in diesem Leben lebe, das lebe ich nicht für mich, sondern zur Ehre Gottes.
Die Erfahrung von Missionsmitarbeitern und die Kraft der Treue
Missionsmitarbeiter draußen hören ja mithilfe von Kassetten zu. Jeder von ihnen muss die schmerzliche Erfahrung machen, dass wahrscheinlich jeder, obwohl wir alle so waren, in seinen Hintergedanken immer so herausgeht: nach Afrika als der große Schulmeister oder nach Asien mit dem Gedanken, wenn ich komme, dann werden alle Nöte der Welt gelindert und alle Probleme gelöst.
Doch dann merken sie, dass die schlichte Hingabe der Witwe von Gott gesegnet wird. Dort, wo Treue im Kleinen gelebt wird, wächst etwas. Und daraus entsteht etwas zur Ehre Gottes. So ist es durch die Jahrhunderte hindurchgegangen.
Wie es dann dort heißt: In Jesus habe ich hier das beste Leben. Was gibt es denn noch Besseres als das Beste? Hiller sagt in dieser Verszeile: In Jesus habe ich hier das beste Leben, und sterbe ich, würde ich mir ein besseres geben, noch ein besseres. Aber für uns gibt es gar keine Alternative mehr als das.
Neuerlich haben wir im Mitarbeiterkreis gefragt: Was ist denn eigentlich mit unserem Hugo und Isolde Honegger in Nairobi? Die sind ja schon über siebzig, wann kommen die denn zurück? Dann sagte einer: Ach, sein Sohn hat neuerlich gesagt, die kriegen wir gar nicht mehr zurück. Sie sagen, ihr Leben sei so weit und groß geworden im Ruhestand, wo man mit angeschlagener Gesundheit dem Herrn dient.
Und das ist keine Aufforderung, dass Sie nach Afrika gehen sollen, sondern dass Sie erleben, dass Gott bei Ihnen genauso schenkt und Sie sich überreich beschenkt – nicht nur im finanziellen Bereich, sondern in allen Dingen, die Sie für ihn tun.
Die Kraft der kleinen Hingabe und die offene Tür Gottes
Mein letzter Punkt: Das schafft jetzt ungeahnte Möglichkeiten.
Sie sind doch alle überarbeitet, oder nicht? Alle am Ende ihrer Kraft, urlaubsreif, sagen wir, „jetzt kann ich nicht mehr“. Sehen Sie, deshalb legt Ihnen Jesus nicht noch einmal eine Last auf, auch nicht in Fragen Ihrer Spenden. Stattdessen sagt er, wie es im Sendschreiben der Offenbarung 3 heißt: „Du hast eine kleine Kraft.“ Wir können oft gar nicht mehr viel. Aber er sagt weiter: „Ich habe vor dir eine offene Tür gegeben.“ Ist das nicht schön?
Eine Witwe wird uns zum Vorbild gegeben. Ich muss gar nicht etwas Großes werden. Wissen Sie, das ist das Unglück im Reich Gottes, dass viele meinen, sie müssten zuerst einen Namen haben, eine Karriere machen. Ich kenne so viele Leute, die in dicken Büchern erzählen, wie man Gemeinde bauen muss, was man alles zuerst tun muss. Dabei geht es gar nicht mehr um Treue im Kleinen, um nichts anderes als das. Und glauben Sie mir: Alle großen Bücher werden so sein, dass man in ein paar Jahren darüber lacht, weil sie im Laufe der Zeit vergangen sind. Was bleibt, ist die Treue und die Hingabe in der Liebe zu unserem Gott.
Wenn Sie wissen wollen, was die Größe einer Gemeinde ausmacht, dann ist es immer nur der Dienst von vielen. Sie alle, die Sie unter Ihren Nachbarn und bei den Kranken Ihren Dienst für Gott leben – das segnet Gott. Ihre Hingabe, Ihre Worte. Und da möchte man sich packen und sagen: „Ich mache doch gar nicht viel.“ Wir meinen immer, es käme noch etwas anderes. Aber es kommt nichts anderes mehr, gar nichts anderes mehr.
Jetzt stehen wir vor der Woche mit den Evangelisationsvorträgen von ProChrist. Ich habe gelesen, dass es medienspektakelmäßig das größte Ereignis wäre – nicht gerade seit Kain und Abel, aber seit der Olympiade. Dass es in so vielen Ländern und in 16 Zeitzonen übertragen wird, das ist beeindruckend. Aber da bekomme ich schon eine Gänsehaut: Ob da nicht irgendwo ein Techniker am entscheidenden Moment irgendeinen Kondensator oder Perforator falsch herum polt und dann plötzlich nichts aus der Bildröhre kommt oder so. Das ist ja bei der Technik heute mit den Satelliten auch noch drin. Vor diesen Dingen habe ich am meisten Angst.
Mich fasziniert nicht die Technik, sondern was mich fasziniert bei ProChrist, sind viele, viele treue Leute, die unaufhörlich beten und von Tür zu Tür gegangen sind, um einzuladen. Wenn Gott segnet, dann segnet er um dieser Leute willen, so wie bei der Witwe.
Und da, wo Sie sagen: „Jetzt muss meine Tochter mit.“ Wenn es Frucht gibt, dann nur wegen ihrer Treue, wegen der Hingabe, wegen der Liebe, die man für Gott wagt. Das ist nicht das Medienspektakel. Verstehen Sie: Nicht das Medienspektakel zählt, sondern dass wir immer wieder richtig den Blick haben, worauf es ankommt.
Kritische Anmerkungen zum Opfer im Tempel und Ermutigung zur Prüfung der Gaben
Jetzt kann ich mir doch noch eine Bemerkung nicht verkneifen, denn sie gehört zu dieser Geschichte.
Ich habe ein paar Spitzen eingebaut, die Sie hier gemerkt haben, zum Opfern, zum Spenden und so weiter. Diese Frau hat für den Tempel in Jerusalem geopfert. Das war für mich immer ein Ärgernis. Wie kann man für so einen kaputten Laden wie den Tempel in Jerusalem nur Opfer geben? Wir müssen doch zugeben, dass Jesus ihn später selbst eine Räuberhöhle genannt hat. Das war ja nur wenige Wochen später.
Von einer Räuberhöhle werde ich nichts opfern. Manche sagen, das sei gar nicht wichtig, Hauptsache man gibt Geld. Aber ich möchte meine fünf Sinne – oder fünf Sinne hat der Mensch, glaube ich – benutzen und überlegen, wo ich meine Gaben hingebe. Deshalb hat mir Gott Verstand gegeben. Prüfen Sie bitte, wo Sie Ihr Geld hingeben.
Es soll nicht heißen, dass Sie sich darauf berufen, denn in der Tat waren auch die Hohenpriester damals zwielichtige Gestalten, denen man Kaiphas und Hannas schlecht vertrauen konnte. Ich glaube, die Geschichte würde wirklich missdeutet, wenn wir so etwas herauslesen sollten.
Sie tun wohl daran, ihre Spendenaufrufe zu lesen und zu fragen: Wem vertraue ich das hier an? Wo investiere ich meine Gaben? Wo will ich helfen? Trotzdem bleibt die Tatsache, dass Jesus eine Frau preist, die in einem wirklich kaputten Betrieb, der kurz vor dem Untergang unter dem Gericht Gottes stand, ihre Gaben einbringt. Und trotzdem sagt er, das ist nicht umsonst.
Ist das nicht wunderbar? Dass das eine Verheißung hat und von Gott Bestätigung bekommt, hat mir unheimlich viel Mut gemacht. Nicht weil wir uns mit Werken den Himmel verdienen könnten, sondern weil die Gnade Jesu, die er für uns erworben hat – wir fehlbaren, sündigen Menschen, die so unbedeutend und namenlos sind wie die Witwe –, seinen Segen bekommen und unter seiner Gnade stehen.
Darum hat es einen Wert, wenn die Mutter sagt: Ich erziehe meine Kinder. Und der andere sagt: In meinem aussichtslosen Beruf mache ich weiter. Und der nächste sagt: Ich fange morgen wieder an und lade meinen Jugendkreis ein. Die Frau schaut zu ihrem Mann rüber und sagt: Den Hauskreis geben wir nicht auf. Und der andere sagt: Ich mache ab morgen Kinderstunden, weil ich weiß, es liegt ein Segen darauf, auch wenn ich nichts sehe. Es ist nicht umsonst.
Sei ganz sein. Oder lass es sein. Amen.