
Herzlich willkommen zu unserem Wortreich-Podcast. Ich bin Jojo, und ich bin Markus. Gemeinsam sprechen wir über christliche Themen, die uns beide bewegen und hoffentlich auch dich interessieren.
Viel Freude bei der heutigen Folge!
Ich glaube, es war angestoßen von Corrie ten Boom, als wir uns mal darüber unterhalten haben, Markus, dass wir uns auch über das Thema Vergebung ausgetauscht haben. Wie sieht eigentlich Vergebung aus, und welchen Stellenwert hat sie für uns als Christen?
Vergebung ist ja nicht einfach nur eine Sache, die Jesus gesagt hat. Es ist etwas, das unseren Glauben zentral ausmacht. Gott hat uns vergeben, und es gibt auch die Ebene zum Nächsten, nämlich einander zu vergeben.
Das ist ziemlich spannend. Wir haben uns gedacht: Hä, wir machen mal Folgen darüber, weil es so ein wichtiges Thema für Jesus war – dieses Einander-Vergeben. Es ist etwas, das sich in den neutestamentlichen Briefen total entfaltet. Dort wird deutlich, dass wir in der Gemeinschaft auch einander vergeben müssen.
Wie das aussieht und was dabei mitkommt, wie Vergebung ganz praktisch funktioniert, ist sehr interessant. Ich glaube, es gibt viele Irrtümer darüber, wie Vergebung sein soll. Deshalb ist es ein spannendes Thema, in das wir mal hineingehen wollen.
Heute, bevor wir in die Details einsteigen, wollen wir einfach mit einem Gleichnis beginnen, in dem Jesus über Vergebung gesprochen hat.
Ja, wir haben uns das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht ausgesucht. Wenn ihr es nachschlagen wollt, findet ihr es in Matthäus 18, ab Vers 21 bis Vers 35.
Wir fanden es beide spannend, dass der Anlass für dieses Gleichnis bei Jesus die Vergebung untereinander, also unter Brüdern, war. Das ist genau der Knackpunkt, der im Leben von Christen immer wieder auftaucht. Ebenso wichtig sind die Folgen, die Unvergebenheit mit sich bringt.
Manchmal ist es wirklich krass, wenn man sieht, welche langjährigen Folgen Unvergebenheit haben kann. In dieser Folge sprechen wir genau darüber: Unvergebenheit.
Ich finde es auch biblisch spannend, an welcher Stelle dieses Gleichnis steht. Wer unseren Podcast hört, weiß, dass wir das Matthäus-Evangelium mögen und es interessant finden, wie es an vielen Stellen aufgebaut ist. Wir befinden uns hier in Kapitel 18, das oft als Gemeinderegel bezeichnet wird. Es ist eine der großen Reden, die Jesus im Matthäus-Evangelium hält.
In diesem Kapitel geht es viel um Dinge, die in der Gemeinde passieren. Wenn man sich die Überschriften anschaut, sieht man Themen wie „Der Größte im Reich der Himmel“ oder „Warnung vor Verführung zur Sünde“. Zum Beispiel: Wer einem dieser Kleinsten Anstoß zur Sünde gibt. Dabei geht es immer um die Schafe, um die Herde und die Menschen, die zu Jesus gehören.
Ähnlich ist es auch beim Gleichnis vom verlorenen Schaf: Wenn jemand aus der Herde herausgeht, holt Jesus ihn wieder zurück. Es geht um Zurechtweisung und Gebet in der Gemeinde.
Genau hier kommt der Punkt, an dem es um Vergebung geht – mit dem Fokus auf das Miteinander untereinander.
Das sind also die Rahmenbedingungen für dieses Gleichnis: Dinge, die Jesus für seine Gemeinde besonders wichtig waren.
Es geht hier wieder um das Reich der Himmel. Wir hatten schon ein Gleichnis dazu, etwa mit dem Schatz im Acker oder dem Senfkorn. Diese Vergleiche zeigen, dass, wenn wir zu Jesus gehören, wir uns bewusst machen müssen: Das Reich Gottes oder das Reich der Himmel ist überall dort, wo seine Herrschaft gilt.
Das betrifft auch die Gemeinde und die Beziehung zwischen Menschen. Wo zwei oder drei zusammen sind, die den gleichen Herrn haben, spielt das eine Rolle.
So tauchen wir jetzt mal in das Gleichnis ein und lesen es.
Ja, gehen wir mal rein. Willst du es in deiner Übersetzung lesen? Ja, ich könnte es gerne machen.
Dann kam Petrus zu Jesus und fragte: „Herr, wie oft darf mein Bruder gegen mich sündigen, und ich muss ihm vergeben?“
Siebenmal? – Nein, antwortete Jesus, nicht siebenmal, sondern siebenmal siebzigmal.
Deshalb ist es mit dem Reich, das der Himmel regiert, wie mit einem König, der von seinen Dienern Rechenschaft verlangte. Gleich am Anfang brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldete. Da er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit seiner Frau, den Kindern und seinem ganzen Besitz zu verkaufen, um die Schuld zu begleichen.
Der Mann warf sich vor ihm nieder und bat ihn auf Knien: „Herr, hab Geduld mit mir, ich will ja alles bezahlen.“
Da bekam der Herr Mitleid, er gab ihn frei und erließ ihm auch noch die ganze Schuld.
Doch kaum war der Diener zur Tür hinaus, traf er einen anderen Diener, der ihm hundert Denare schuldete. Er packte ihn an der Kehle, würgte ihn und sagte: „Bezahle jetzt endlich deine Schulden!“
Da warf sich der Mann vor ihm nieder und bat ihn: „Hab Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen.“
Er aber wollte nicht, sondern ließ ihn auf der Stelle ins Gefängnis werfen, bis er ihm die Schulden bezahlt hätte.
Als die anderen Diener das sahen, waren sie entsetzt. Sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles.
Da ließ sein Herr ihn rufen und sagte zu ihm: „Was bist du für ein böser Mensch! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest du nicht auch mit diesem anderen Diener Erbarmen haben müssen, so wie ich es mit dir gehabt habe?“
Der König war so zornig, dass er ihn dem Volk der Knechte übergab, bis er alle seine Schulden zurückgezahlt haben würde.
So wird auch mein Vater im Himmel jeden von euch behandeln, der seinen Bruder nicht von Herzen vergibt.
Harte Worte! Ja, harte Worte! Das finde ich auch krass an den Gleichnissen, die Jesus bringt – sie sind immer heftig. Es gibt einfach immer irgendeinen Wendepunkt, an dem man denkt: Wow, okay, ja.
Dieses Gleichnis ist ein gutes Beispiel. Wenn wir es lesen, denken wir zuerst: Ja, oha, voll böse. Genau. Dann lesen wir den letzten Teil, in dem steht, dass er ihn den Folterknechten übergeben wird. Da erschaudert man. Jesus meint das wirklich ultra ernst. Das ist, glaube ich, etwas, was man schon am Anfang sagen kann – allein bei der Wortwahl. Jesus ist das richtig ernst für uns Christen. Es ist nicht einfach nur eine Sache von vielen, sondern diese Sache ist ihm ganz, ganz wichtig.
Ich denke auch, der Anlass ist wichtig. Petrus fragt Jesus: Was ist mit meinem Bruder? Für mich sind das zwei Bereiche, in denen gerade Unvergebenheit häufig vorkommt oder Probleme entstehen.
Das eine ist tatsächlich der leibliche Bruder, also die Familie. Wenn wir das ausweiten, weil Petrus ja über den Bruder fragt. Das andere sind die Geschwister untereinander, also die Gemeinde.
Es sind eigentlich die zwei Beziehungsgeflechte, in denen die meisten Probleme auftreten. Weil man sich hier nahe ist – die Familie, die Ursprungsfamilie, in der man groß geworden ist. Vielleicht Vater, Mutter, Geschwister oder wer sonst noch dazugehört. Und das andere ist die Gemeinde.
Wenn ich Leute treffe, die von Verletzungen berichten, von sehr schwierigen Beziehungen, vielleicht von Unvergebenheit oder einfach von Bitterkeit, oder Menschen, die damit hadern, dann kannst du fast sagen: Es ist entweder etwas in der Gemeinde vorgefallen oder etwas in der Ursprungsfamilie.
Das sind einfach diese zwei Gruppen. Und irgendwie, glaube ich, spricht dieses Gleichnis beide an. Petrus fragt: Wie ist es mit meinem Bruder? Gleichzeitig sehen wir den Kontext, den du angesprochen hast – es geht um die Gemeinde.
Ja, sehr gut, wow.
Ja, mit Ersteren kann ich nicht so viel anfangen, ich bin ja ein verzetteltes Einzelkind. Und du wirst auch Eltern. Ja gut, mit denen hat man mal gestritten, ja, das gab es durchaus auch. Grüße gehen raus an meine Mom.
Aber genau, gerade auch in der Gemeinde. Wie schade, dass der Ort, an dem Jesus sich wünscht, dass wir zusammenkommen, Gemeinschaft miteinander haben und einander lieben sollen – wo er sagt, daran werden die Leute erkennen, dass ihr zu mir gehört – gerade dort, wo wir uns natürlich am nächsten sind, sind die Verletzungen auch am tiefsten.
Das ist erst mal so, aber es ist auch mega schade im Gemeindekontext, wenn genau hier plötzlich Reibereien entstehen. Und die darf es in der Gemeinde geben, ja, aber sie müssen auch geklärt werden. Also wenn es Reibereien gibt und man weiß, „Oh, die Person kann mit der nicht“, dann fragt man sich: Haben wir nicht einen ganz klaren Auftrag, dass hier die Dinge wirklich geklärt werden? Merkt ihr nicht, wie wichtig das Jesus ist, dass Streitigkeiten angesprochen und soweit wie möglich beseitigt werden?
Dann fand ich ganz, ganz wichtig – das ist ein Zusammenhang, der mir erst aufgefallen ist, als ich mich ein bisschen mehr mit dem Thema Vergebung auseinandergesetzt habe – dass Bitterkeit einfach die Folge von fehlender Vergebung ist. Als ich das mal gecheckt habe und bei Menschen geschaut habe, die ich als sehr verbittert empfand, merkt man wirklich: Ja, stimmt, die tragen teilweise über Jahre oder Jahrzehnte hinweg irgendwelche Päckchen aus der Vergangenheit mit sich herum und haben sie nie abgegeben.
Man denkt ja oft, wenn es so lange her ist, sei es irgendwie verdrängt oder komme nicht mehr hoch. Aber krass ist: Diese Erinnerungen kommen immer wieder hoch, permanent. Das ist ein eigenes großes Thema, wie das dann aussieht. Aber ich glaube, diese Menschen leiden selbst am stärksten darunter. Sie werden letztlich zu ihren eigenen Folterknechten, weil die Vergebung nicht da ist – weder gegenüber der Person, die ihnen vielleicht etwas angetan hat, noch gegenüber sich selbst.
Ja, dazu müssen wir, glaube ich, nochmal mehr reden.
Vielleicht könnte man das auch mal thematisieren. Es würde mich interessieren, wie es den Zuschauern und Zuhörern eines typischen Podcasts zum Thema Vergebung geht.
Wir haben auch eine Frage für unsere Zuhörer vorbereitet. Sie lautet: Warst du schon einmal in der Situation, dass du einer Person nicht vergeben wolltest? Also, hast du schon einmal so stark verletzt worden, dass du richtig damit zu kämpfen hattest?
Du kannst die Frage gerne beantworten.
Vielleicht steigen wir einfach mal mit einem Gleichnis ein. Ich glaube, wir gehen dafür wieder zurück.
Genau, also wenn man das Stück für Stück betrachtet: Du hast ja schon wunderbar gesagt, dass Petrus fragt, wie oft er seinem Bruder vergeben soll. Nicht nur einer Person, sondern seinem Bruder.
Er nennt schon eine großzügige Zahl: sieben Mal. Sieben Mal wäre in den Augen der Welt schon oft. Stell dir die gleiche Sache vor – da denkt man sich schon beim zweiten Mal, eigentlich schon beim ersten Mal, dass man durchgefallen ist. Vielleicht ist man noch gnädig einmal, aber dann reicht es auch.
Petrus ist also schon sehr großzügig mit sieben Mal. Und Jesus sagt dann: Nein, nicht sieben Mal, sondern sieben Mal siebzig Mal – also richtig, richtig oft. Das heißt aber nicht, dass wir das mathematisch ausrechnen sollen: vierhundertneunzig Mal. Wer zählt denn bis vierhundertneunzig?
Genau, jedes Mal machst du einen Strich: vierhundert, vierhundertachtzig, ich muss noch zehn Mal. Markus hat schon wieder gegen mich gesündigt, okay, zwei, drei – wo stehe ich bei dir gerade? Die Liste zeige ich dir nach dem Podcast.
Insofern: Es ist einfach mega oft. Wir sollen immer wieder kommen, vergeben, kommen, vergeben.
Man könnte jetzt denken, dass das eigentlich total dumm ist – so ein bisschen wie sich schlagen lassen oder demütig sein sollen. Das sind so Anklänge daran, Dinge, die einfach schwach erscheinen oder komisch.
Ganz krass finde ich aber, wenn man genauer hinschaut, wie das Szenario gestrickt ist. Da geht es ja gar nicht um eine Lappalie, die häufig passiert, wie zum Beispiel, dass du unfreundlich zu mir warst oder etwas vergessen hast.
Sondern es geht tatsächlich um eine Riesensache, eine Riesensünde, eine Riesenschuld. Also du hast das vielleicht ein bisschen. Kannst du dann was zu diesen Beträgen sagen, die da so genannt werden?
Genau, wir hören hier von zehn Talenten. Ein König kann durchaus so eine hohe Summe besitzen – also zehn Talente – und ein Knecht hat nicht so viel. Wir haben hier zwei Währungen: Talent und Denare. Denare kann man sich leichter merken, denn das ist ein Tageslohn.
Ich finde es immer schwierig, alte Epochen in heutige Werte zu übertragen. Wie viel Euro wären das heute? Aber ein Tageslohn hilft uns schon weiter. Wie viel verdiene ich so am Tag bei acht Stunden Arbeit? Sagen wir mal zwölf Euro Mindestlohn. Dann wären das ungefähr 96 Euro. So kann man rechnen.
Mit hundert Denaren kann man gut rechnen und sagen: hundert Denare entsprechen hundert mal hundert Euro. Hier haben wir Talente, und Talente sind extrem hohe Währungen. Solche Summen hat der einfache Mann nicht. Wir haben das gerade noch mal kurz nachgeschaut: Ein Talent war sechstausend Denare wert. Das entspricht dem Lohn eines Tagelöhners für zwanzig Jahre. Ein Talent ist also unfassbar viel.
Wenn wir jetzt nochmal rechnen: Sechstausend mal hundert, das sind sechshunderttausend. Sechshunderttausend Euro wären es dann. Und jetzt mal hundert oder mal zehntausend, denn ein Talent ist sechshunderttausend Euro wert. Wir machen hier viel Mathe, aber wenn wir es heute umrechnen, sind wir im mehrstelligen Millionenbereich.
Das ist eine riesige Schuld, bei der man sich fragt: Wie hast du das eigentlich geschafft? Ich wollte mich gerade fragen, wie diese Schuld entstanden ist. Der Diener schuldet dem König diese Summe mit einem Wort. Er muss es irgendwie ausgegeben haben. Hat er es verprasst? Oder hat er sich immer weiter verschuldet? Er hat es ja wirklich rausgehauen.
Das ist krass und zeigt auch die Güte Gottes. Ich hätte auch gedacht, dass es noch mehr sein müsste. Es geht hier ja über den normalen Lebensalltag hinaus. Es geht nicht darum, was jemand tatsächlich verschulden kann, wie zum Beispiel Kredite über zehntausend Euro. Diese Summen sind so hoch, dass kein Mensch sie zu Lebzeiten abbezahlen kann. Es ist eine nicht mehr abbezahlbare Schuld.
Es ist auch keine Summe, die er erwirtschaften kann. Aus irgendwelchen Gründen schuldet er sie dem König. Vielleicht ist die Schuld vererbt, oder etwas Ähnliches. Die Schulden seiner Vorfahren schuldet er dem König, und er müsste sie eigentlich zurückzahlen, kann es aber nicht.
Aber was für ein König ist das? Er gewährt ihm die Schuld. So gütig, gnädig und großzügig ist er. So sind wir, oder? Wie viel hat Gott uns gegeben? Er hat uns viel mehr gegeben als diesen Millionenbetrag, den wir so beeindruckend finden. Er hat uns das Leben geschenkt, Jahre, in denen wir hier auf Erden sein können. Er spricht uns Wert zu, schenkt uns die Natur, jeden Atemzug und darüber hinaus eine Herrlichkeit.
Gott ist gütig, auch gegenüber solchen Menschen. Man könnte jetzt sagen, der König in diesem Gleichnis ist auf jeden Fall Gott. Das ist ja immer die Frage bei der Auslegung von Gleichnissen: Wer ist gemeint? Du hast gerade seine Güte angesprochen. Aber wir sollten keinen Punkt überspringen.
Denn am Anfang heißt es: "Und weil er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit seiner Frau, seinen Kindern und seinem ganzen Besitz zu verkaufen, um die Schuld zu begleichen" (Matthäus 18,25). Dann wirft sich dieser Knecht vor ihm nieder und bittet ihn auf Knien: "Hab Geduld mit mir, hab Erbarmen, ich will alles bezahlen."
Man sieht hier, dass der König wohl nicht viel davon gehabt hätte, wenn er den Knecht als Sklaven gehalten hätte. Der Diener ist ihm ja sowieso schon untertan. Aber der König will ihm klarmachen, wie schlimm diese Schuld ist. Sie ist so groß, dass er eigentlich alles hätte hergeben müssen, sogar seine Familie versklaven.
Diese Schuld wiegt so schwer. Und dann fällt es mir leichter, die Übertragung zu verstehen: Es geht um unsere Sünde. Wie schwer wiegt diese Schuld? Sie kostet dich letztlich alles. Sie bringt dich wirklich zu Boden. Und sie betrifft automatisch immer deine Familie und alles, was du hast. Sie sind nicht frei davon.
Deine Schuld hat enorme Auswirkungen auf dich und deine Familie. Und Gott vergibt sie. Dabei müssen wir natürlich aufpassen. Du hast Recht, wir dürfen nicht eins zu eins sagen, Gott ist hier der Herr, der andere für die Schuld eines Mannes büßen lässt. Das tut Gott nicht.
Wir müssen immer schauen, was der Vergleichsmoment ist, welche Schönheiten wir in diesem Gleichnis finden, die im gesamtbiblischen Kontext übereinstimmen. Der König versklavt natürlich nicht deine Frau und deine Kinder für deine Sünde. Aber er macht ihm erst einmal deutlich, wie schwerwiegend die Schuld ist.
Er will ihm ja vergeben, aber er zeigt ihm, wie schlimm die Schuld ist. Das finde ich sehr biblisch, denn es ist wichtig, dass wir begreifen, wie schlimm es um unsere Schuld steht – etwas, das heute oft zu kurz kommt.
Die Schuld hat Auswirkungen auf die Familie. Das sieht man auch in der Realität, wenn Leute mit Schulden kämpfen. Nehmen wir jemanden, der alkoholabhängig ist. Wenn der eine Familie hat, wirkt sich das klar auf die Familie aus. Alle haben damit zu kämpfen.
Schuld betrifft immer auch das Verhältnis untereinander. Und Gott vergibt diese Schuld.
Wie geht es jetzt weiter? Genau, der Mann macht etwas Krasses. Ja, der Knecht kniet nieder, huldigt, also er betet an, und sagt: „Herr, habe Geduld mit mir, so will ich dir alles bezahlen.“
Ich frage mich jetzt: Wie will er das denn machen? Es ist ja eigentlich ein Witz. „Herr, hab Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen.“ Der König weiß genau, dass das nicht funktionieren kann. Trotzdem wirft sich der Mann diesmal vor ihm nieder.
Genau das ist der Moment, in dem er einsieht: „Okay, ja, ich will etwas dafür tun.“ Er bittet, er fleht um Gnade. Diese Gnade gewährt der König ihm. Das ist ein schönes Wort. In Vers 27 heißt es: „Da erbarmte sich der Herr über diesen Knecht, gab ihn frei und erließ ihm die Schuld.“
Dieses Erbarmen hatten wir auch schon in einem anderen Gleichnis. Es weist immer auf Gott hin. Gott ist derjenige, der sich erbarmt, der gnädig ist, der barmherzig ist. Und das ist jetzt heftig. Eben noch wollte dieser König Gericht üben und die Konsequenzen der Verschuldung klar machen. Doch jetzt wirft sich der Mann nieder und bittet nur um Geduld. Er sagt sozusagen: „Herr, vergib mir, ich will das wieder gutmachen, es tut mir leid.“
Und der König sagt einfach: „Okay, ich erlasse dir alle Schuld.“ Du musst keinen Cent mehr bezahlen, keinen Tag mehr abbezahlen. Er senkt die Forderung nicht herab, damit es bezahlbar wird. Ein Talent entspricht sechstausend Denaren, das wären zwanzig Jahre Abzahlung.
Das heißt: Auf der einen Seite haben wir diese unendlich große Schuld, die nicht abbezahlt werden kann. Übertragen auf uns bedeutet das, dass wir Gott ungeheuer viel schuldig sind, unendlich viel. Wir könnten es gar nicht durch unsere Taten wieder gutmachen.
Auf der anderen Seite ist Gott so gerecht und so gnädig, dass er uns alles vergibt, wenn wir uns vor ihm niederwerfen und uns unter ihn beugen. Dann bekommen wir alles vergeben, vollkommen. Es bleibt kein Cent, keine Sache, die wir noch beitragen müssten. Alles ist bezahlt.
Mir fällt dazu auch wieder die ganz bekannte Stelle aus dem 1. Johannesbrief ein: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“
Das ist einer der wichtigsten Verse überhaupt. Voll schön! So ist Gott.
Ihr sagt ja auch: Das Reich der Himmel gleicht... Hier können wir festhalten: So gleicht das Reich der Himmel, wenn wir Gott anbeten und ihn huldigen. Und zwar nicht als ein bloßer Akt des Tuns, sondern von ganzem Herzen. Gott geht es ums Herz. Und dann erlässt Gott die Schuld.
Nun kommt der zweite Fall. Es geht wirklich Schlag auf Schlag: Der erste Schuldner wird entlassen, und kaum ist der Diener zur Tür hinaus, trifft er einen anderen Diener, der ihm hundert Denare schuldete. Auch hier handelt es sich um eine große Summe – hundert Tage, etwa zehntausend Euro. Aber immerhin ist es bezahlbar, machbar. Hundert Tagelöhne, also hundert Tage Arbeit, sind eine überschaubare Summe.
Diese Geldstrafen werden ja auch in Tagessätzen berechnet. Das bedeutet, wenn jemand zu Tagessätzen verurteilt wird, hängt die Höhe der Strafe davon ab, wie viel er verdient. Wenn ich zum Beispiel hundert Euro verdiene und eine Geldstrafe von hundert Tagessätzen bekomme, muss ich täglich zehn Euro bezahlen. Das hatten wir auch schon mal: Ein bekannter Sportler wie Franck Ribéry oder Boateng wurde verurteilt und bekam etwa 40 Tagessätze aufgebrummt. Das sind dann mal hundert Euro pro Tag oder so, was durchaus machbar ist.
Unser Rechtssystem ist so gestaltet, dass es nicht einfach sagt: Du musst 40 Mal 100 Euro zahlen. Das könnte jemand aus der Portokasse bezahlen, während ein anderer dafür fast ein halbes Jahr arbeiten müsste. Stattdessen wird die Strafe an das Einkommen angepasst. Das ist eigentlich gerecht und überschaubar.
Noch einmal kurz zu den Talenten zurück: Wir haben sie eben in Euro umgerechnet, um ein Gefühl für die Summe zu bekommen. Aber eigentlich ist die zeitliche Bedeutung viel spannender. Zehn Talente entsprechen etwa 20 Jahren Arbeit. Das bedeutet, zweihunderttausend Jahre – eine Summe, die unmöglich abzubezahlen ist. Das schaffst du nicht, nicht ansatzweise.
Im Gegensatz dazu stehen die hundert Tage, die durchaus machbar sind. Wenn jemand die Strafe nicht bezahlen konnte, kam er damals in den Schuldturm – eine Art Gefängnis, in dem man die Zeit absitzen musste. Das gab es noch im Mittelalter.
Der zweite Diener geht also hin, trifft den anderen Schuldner, greift ihn, würgt ihn und fordert: „Bezahle mir, was du mir schuldest.“ Hier merkt man, dass seine Handlungsweise ganz anders ist. Die Schuld des anderen ist viel geringer, und trotzdem reagiert er mit großer Härte. Das ist richtig Ärger, eine klare Handlung.
Wie dieser Knecht damit umgeht, ist krass. Ich kann mir kaum vorstellen, wie getrieben er sein muss. Er muss überhaupt nicht begriffen haben, was ihm gerade erlassen wurde. Ich wäre in seiner Situation wohl aus dem Raum geschwebt, hätte es tagelang nicht fassen können. Wahrscheinlich hätte ich die ganze Welt umarmt und wäre einfach nur glücklich gewesen.
Doch dieser Typ scheint so krass drauf zu sein, dass er sofort, nachdem er rauskommt und den Schuldner sieht, auf die Idee kommt, ihn zu würgen und in den Schuldturm zu schicken. Er hat offenbar nicht ansatzweise verstanden, was ihm vergeben wurde. Im Text steht wirklich: „Als er hinausging…“ – da war null Dankbarkeit dabei.
Das muss man einordnen: Vielleicht sah es von außen so aus, als hätte er wirklich Buße getan. Auch für den König schien es so, als würde er die Vergebung annehmen. Aber im Herzen ist nichts passiert. Es ist, als hätte er das alles gespielt oder es sei eine Taktik gewesen. Vielleicht dachte er: So komme ich aus der Sache raus, also werfe ich mich vor ihm hin und betehle.
Sein Herz muss ganz hart gewesen sein. Er kam raus und dachte nur: Wie kann ich das Beste aus meiner Situation machen? Um nicht zu sagen, dass Gott die wahre Buße im Herzen sieht – auch hier haben wir wieder einen klaren Punkt: Gott sieht ins Herz. Das war ein Gleichnis.
Und was macht der, der genauso handelt? Der mit dem Knecht, der sogar dieselben Worte benutzt, genau die gleiche Szene nachspielt – und der andere will nicht, er macht es nicht. Nein.
Du gehst ins Gefängnis – das ist krass, wirklich krass. Aber wie krass ist das, wenn wir das so oft tun? Wie oft lästern wir über andere Personen oder sagen: „Boah, der hat sich so und so verhalten“, auf eine Art und Weise, an der wir festhalten wollen? Wir halten am Ärger fest, wollen unsere Rache in unseren Worten wahrmachen, wenn wir über andere sprechen, die uns vielleicht verletzt haben. Dann fangen wir an, sie schlechtzumachen. Wie krass ist das!
Oder es ist uns etwas Schlimmes passiert, und wir leiden heute noch darunter. Trotzdem tun wir es weiterhin – an unseren Kindern, Freunden und so weiter. Ja, das muss man auch sagen: Es ist leider ganz schnell wieder aus unserem Herzen heraus.
Dankbarkeit ist da, ebenso wie Vergebung, wenn wir sie erleben. Aber leider vergessen wir sie ganz schnell wieder und können genauso unbarmherzig sein. Ja, wir sind eben kurzsichtige Schafe – leider so oft.
Wenn wir uns der Zielgeraden des Gleichnisses nähern, sehen wir, dass andere das Geschehen beobachtet haben. Sie gehen zum ursprünglichen Herrn und König zurück und berichten ihm davon. Daraufhin ruft der König den unbarmherzigen Knecht zu sich und sagt: „Was bist du für ein böser Mensch! Ich habe dir die tausend, zehntausend Talente erlassen, und du kannst deinem Mitknecht nicht einmal hundert Denare erlassen?“
Spannend ist jetzt, wie die Mitknechte reagieren. Als sie sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und berichteten es dem Herrn. Hier steht, dass sie entsetzt waren. Sie hatten das Geschehen miterlebt, fanden es tragisch und waren emotional berührt. Deshalb gingen sie zum Herrn und erzählten ihm davon.
Hier sehe ich oft eine Parallele zu Gemeinden, wenn man das übertragen möchte. Zum Beispiel gibt es zwei Menschen, die Streit haben, und andere leiden emotional darunter, weil sie die Situation miterleben. Diese Menschen gehen dann ins Gebet und bringen die Sache vor den Herrn. Das ist eine Angelegenheit, die sehr ernst sein kann. Das ist eine krasse Anwendung dessen, wie das Leben in der Gemeinde sein kann.
Es ist hart, aber auf der Zielgeraden spricht Jesus hier auch harte Worte. Man lernt vielleicht, wie die eigene Schuld auch anderen schaden kann. Die Folge ist, dass der König im Vers 34 so zornig war, dass er den unbarmherzigen Knecht den Folterknechten übergab, bis er alle seine Schulden zurückgezahlt hätte.
Wir haben schon gesagt, dass das kaum machbar ist. Zweihunderttausend Jahre lebt niemand. Die Folterknechte sind wohl eine Anspielung auf die Hölle – Menschen, die ihn nicht mehr freilassen. Es ist durchaus denkbar, dass hier eine Parallele gezogen wird: Wenn wir auf dieser Erde unsere Schuld nicht durch Gottes Vergebung wegnehmen lassen, weil wir seine Gnade nicht annehmen wollen, gibt es nur eine andere Art, wie unsere Sünde bezahlt werden kann – und die ist ewig.
Daraus gibt es kein Entrinnen. Da fällt mir auch das ein, was im Jakobusbrief steht: „Denn das Gericht wird über die unbarmherzig ergehen, die selbst unbarmherzig waren.“ Gott ist vollkommen gerecht. Das Gericht wird für manche schlimmer sein als für andere. Wer unbarmherzig ist, wird auch unbarmherzig gerichtet werden – nach demselben Maß, mit dem er gemessen hat. Das ist tragisch.
Wir merken, dass hier eine Perspektive der Ewigkeit dargestellt wird. Der Knecht wird unendlich, also ewig, bestraft. Klar, zweihunderttausend Jahre könnte man sagen, aber so lange muss niemand leiden. Man muss dabei vorsichtig sein, daraus keine strenge Theologie zu machen. Ein Gleichnis hat immer einen Vergleichsmoment.
Hier geht es ganz klar darum, dem Bruder wirklich zu vergeben. Das sehen wir im letzten Satz, in dem Jesus das noch einmal deutlich sagt: „So wird auch mein Vater im Himmel jeden von euch behandeln, der seinen Bruder nicht von Herzen vergibt.“
Man merkt, dass der Ruf oder Impuls von Jesus nicht darin besteht, Folter und Strafe zu verkünden, sondern dass sein Ruf lautet: Vergebt einander! Das ist seine klare Aufforderung. Wenn es um euch geht, setzt alles daran, einem Bruder zu vergeben.
Das ist seine Aufforderung. Zum Schluss stellt er eine ganz persönliche Frage an uns alle: Wo haben wir Menschen vielleicht noch nicht vergeben?
Wo gibt es in unserem Umfeld Menschen, mit denen es uns schwerfällt, weil sie uns verletzt haben und wir ihnen aus dem Weg gehen wollen?
Und in welchen Situationen unserer Vergangenheit haben wir bestimmten Personen noch nicht vergeben?
Es lohnt sich, darüber nachzudenken und dafür zu beten. Wie das ganz praktisch aussehen kann, das werden wir uns in der nächsten Woche anschauen.
Das war die heutige Wortreich-Folge. Wenn du diese Folge mit dem Handy auf Spotify gehört hast, kannst du unten an unseren Umfragen teilnehmen.
Bis zum nächsten Mal, ciao!