Man kann sich kaum vorstellen, dass wir jetzt bei der letzten Stunde angekommen sind. Wie schnell ist die Zeit vergangen! Nun wird es schön sein, wenn wir an den Himmel denken und daran, was uns dort erwartet: die Begegnung mit Gott, ohne unterbrochen zu werden und ohne eine Uhr, die uns einschränkt.
Eine Uhr ist etwas Schönes, aber dort leben wir unter ganz anderen Verhältnissen. Die Uhr kämpft nicht gegen uns. Wir dürfen dankbar sein, dass wir endlos mit dem Herrn gehen dürfen – und auch miteinander im Umgang mit ihm.
Ich habe so viele Ermutigungen von euch bekommen, und ich bin sehr dankbar dafür. Mein Gebet ist, dass diese letzte Stunde auch zur Ermutigung dienen darf. Ich habe gebetet, dass der Herr mir Weisheit schenkt, was ich in dieser letzten Stunde weitergeben soll. Es wird sehr außergewöhnlich sein, und ich hoffe, dass es uns allen eine Hilfe sein wird.
Ich möchte noch einmal mit uns beten:
Vater im Himmel, wir danken dir, dass du der große Helfer bist. Du hilfst uns in tiefster Not und bei der Ausführung der Aufgaben, die du uns gegeben hast und die wir als von dir kommend angenommen haben.
Oft ist es im Kampf schwer. Wir wissen nicht, was der nächste Schritt ist, und oft erleben wir Niederlagen. Wir bitten dich in diesen Minuten: Ermutige uns durch dein Wort und durch deinen guten Heiligen Geist. Bitte mache uns zu Menschen, die ermutigen, andere erbauen und erquicken. Lass uns ein Dienst sein dürfen, der Hilfe leistet und dir gefällt.
Wir preisen dich dafür und beten dich darüber an. In Jesu Namen, Amen.
Die Herausforderungen und Hoffnungen eines Gemeindegründers
Wenn ich dieser Stunde einen Titel geben müsste, wäre es „Der Kampf eines Gemeindegründers“.
In der Zeit der Gemeindegründung macht man wunderbare Erfahrungen. Man sieht, wie Menschen zum Glauben kommen, wie eine Gemeinde wächst und wie Gott Menschen in der Jüngerschaft voranbringt. Außerdem erlebt man, wie neue Leiter angeleitet und gefördert werden. Das ist im optimalen Fall die Reihenfolge, die ich eben beschrieben habe. Am besten geschieht das alles in einem guten Tempo.
Doch wir leben in einer Welt, besonders hier auf dem europäischen Kontinent und im deutschen Sprachraum, in der vieles sehr schnell geht. Auf der Autobahn fahren die Autos mit hohem Tempo. Im Umgang mit Menschen hingegen ist oft ein langsames Wirken gefragt. Man überlegt sorgfältig, ist zurückhaltend und muss Vertrauen gewinnen. Eine Vertrauensbasis aufzubauen, braucht Zeit.
In einer Gemeindegründungszeit in Stuttgart, von 1972 bis 1975, erlebten wir genau diese zähe und langsame Entwicklung. Wir hatten große Unterstützung im Gebet von der Deutschen Missionsgemeinschaft (DMG). Wir mieteten das frühere Sitzhaus der DMG in Stuttgart-Möhringen, während sie nach Sinsheim umzogen und täglich für unsere Gemeindearbeit vor Ort beteten. Die Unterstützung durch die DMG war fantastisch, und wir pflegten eine gute Beziehung zu ihr.
Im Jahr 1975 begann durch das herrliche Wirken Gottes ein großer Sprung nach vorne. Die Gemeinde wuchs von einer Handvoll auf 50, 60, 70, 80, 90 und schließlich 100 Personen. Das war eine große Ermutigung. Doch ich ahnte nicht, dass der Wurm drin war und Probleme existierten.
Im Mai 1979 begann eine sehr schwierige Zeit für mich persönlich und für unseren Dienst. Von Mai 1979 bis Mai 1980 war es eine unglaublich spannungsvolle Zeit, und diese Spannung war belastend. Es gab viele Versuche, Konflikte zu schlichten, doch diese blieben erfolglos. Nach Aussprachegesprächen stellte man fest, dass sich nichts besserte, was oft sehr entmutigend war.
An einem Sonntag im Mai kam es zu einer abrupten Spaltung der Gemeinde. Das war mehr als unschön. Etwa ein Drittel der Gemeindemitglieder verließ die Gemeinde. Für mich begann eine schwere Zeit – eine sehr, sehr, sehr schwere Zeit.
Der persönliche Kampf in der Krise
Im Juli, nach der Spaltung, war ich als Verkündiger zu einer Freizeit bei Wort des Lebens eingeladen. Die Kinder fragten immer wieder: „Papa, hast du irgendwann wieder eine Einladung zu Wort des Lebens?“ Natürlich konnten sie mitkommen und hatten im Sommer eine Freizeit. Es war schön am See und es gab allerlei Aktivitäten. Die Einladung hatte ich schon länger angenommen, im Juli 80.
Die Familie genoss die Freizeit. Ich hielt die Verkündigung und hatte ansonsten viel freie Zeit für mich, für stille Zeit. In dieser Zeit sagte ich zu Gott: „Rede mit mir.“ Und er begann zu reden. Er bewegte in meinem Herzen das Verlangen, ihm näherzukommen.
Als Leiter, wenn ein Drittel der Personen, die man geleitet hat, weggeht, fühlt man sich als Versager. Dieses Versagen spürte ich sehr. Ich dachte: „Ich will dem Herrn näherkommen.“ Ich wusste, dass das mindestens drei Dinge bedeuten würde: mehr von der Bibel, mehr vom Wort Gottes, mehr Gebet und auch konsequenteren Gehorsam. Wenn ich etwas in der Bibel entdecke, wollte ich sagen: „Herr, hilf mir, das zu tun.“
Meine innere Vorstellung von diesem Schritt zu Jesus war, dass es immer wärmer ums Herz in mir wird. Ich dachte: „Es wird immer netter und immer wärmer. Ich komme dem Herrn näher.“
Ich war überhaupt nicht vorbereitet auf das, was kommen würde. Ich las und genoss die Zeit im Gebet. Plötzlich kamen Gedanken, Gedankenkämpfe. Keine Stimmen im akustischen Sinn, sondern innere Stimmen, Gedankenstimmen, die sagten: „Rutte, du bist wertlos. Du bist wirklich wertlos. Als Leiter bist du wertlos.“ Man hört diese Stimmen. Nach ein paar Tagen intensivierten sie sich: „Du bist wertlos, schmeiß dein Leben weg.“
Da war ich geschockt, denn noch nie in meinem Leben hatte ich solche selbstzerstörerischen Gedanken gehabt. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hat. In diesen Tagen merkte ich, wie schwierig das war, und ich erinnerte mich an Verse, die ich in meiner Jugend gelernt hatte. Ich verliebte mich in Kolosser 3,1-4. Diese Verse habe ich in diesen Tagen schon erwähnt, aber ich denke, es ist gut, sie jetzt zu lesen:
„Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid – und das sind wir als Christen – so sucht das, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn Christus, unser Leben, offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit.“
Ich war vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt, als Gott mir diese Bibelstelle kostbar machte. Seither denke ich, die Blickrichtung eines Christen muss nach oben sein, dass wir ständig Ausschau halten nach dem, was droben ist. Denn was auf Erden ist, darauf sich zu fixieren, ist natürlich tödlich. Hier auf Erden gibt es viel Sünde, viel Not, viel Unheil. Wir müssen auf der Erde leben und uns damit beschäftigen, aber wir dürfen uns nicht darauf fixieren und konzentrieren.
Viele Menschen tun das: Sie sind fixiert auf das Irdische und nicht auf das Ewige, auf den Ewigen.
So sagte ich mir: „Okay, diese Gedanken kommen, und die Gedankenkämpfe sind so stark. Ich lese die Bibel und denke an den, der droben ist. Ich lese über Jesus.“ Ich nahm mir vor, die Evangelien zu lesen, vom Leben Jesu zu lesen.
Ich schlug das Matthäusevangelium auf und begann zu lesen. Ich erinnere mich, dass meine Augen über die Wörter gingen. Unten rechts, in der zweiten Spalte, überlegte ich, was ich gelesen hatte. Das ist keinem von euch passiert, aber mir passierte es: Ich las, meine Augen gingen über alle Wörter auf der Seite, aber unten rechts behielt ich nichts mehr. Ich dachte: „Das ist mir zu dumm.“ Ich las, aber ich las nichts, denn meine Augen waren auf schwarz-weißes Papier gerichtet, aber meine Gedanken kreisten ständig um meine Wertlosigkeit und die Kämpfe.
Diese Gedanken vergleiche ich mit einem Güterzug. Ich sitze in dem ruhigen Wohnzimmer meiner Gedanken, und plötzlich brach ein Güterzug durch die Wand in meinem Wohnzimmer und fuhr hindurch. Das Problem war, dieser Güterzug war 500 Millionen Kilometer lang. Das heißt, ich hatte diese Gedanken nicht eingeladen. Sie waren laut, zerstörerisch, dreckig, dominierend, irritierend, beschlagnehmend und bleibend.
Ich dachte: „Diese Gedanken will ich weg haben. Ich will sie nicht haben.“ Ich betete: „Herr, gib mir Weisheit, wie ich diese Gedanken, diese schrecklichen Gedanken loswerden kann.“ Denn ich arbeitete, und dann kam plötzlich ein Gedankenschuss wie ein Güterzug. Ich saß da und dachte: „Ich kriege diese hässlichen Gedanken nicht weg.“
Der geistliche Kampf und der Umgang mit Gedanken
Und dann fiel mir folgende Idee ein. Diese Idee hängt zusammen mit 2. Korinther 12,3-6 und 2. Korinther 10,3-6. Diese Verse habe ich zuvor liebgewonnen. Besonders in jener Zeit gewann ich sie sehr lieb, denn obwohl wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir doch nicht nach Art des Fleisches.
Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig durch Gott zur Zerstörung von Festungen. Hier wird beschrieben, dass diese Festungen Vernunftschlüsse sind. In einer Übersetzung, die ich fand, werden diese Vernunftschlüsse als Phantasierungen bezeichnet, die jede Höhe zerstören, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt. Außerdem sollen wir jeden Gedanken gefangen nehmen zum Gehorsam gegen Christus und bereit sein, jeden Ungehorsam zu bestrafen, sobald euer Gehorsam vollständig geworden ist.
So dachte ich in meinem Kopf: Ich sehe mein Gehirn wie eine alte Telefonzentrale. Ich schließe meine Augen an, dann stecke ich ein. Ich rede, mein Mund ist mit eingeschlossen, meine Ohren hören. Diese Gedanken bekommen ein Belegzeichen, sie kommen aber nicht durch.
So stand ich auf. Meistens war der Kampf am schlimmsten in der Nacht. Meine Frau hat eine ganz besondere Geistesgabe: die Gabe des schnellen Einschlafens. Sie legt sich hin, und das ist nicht übertrieben, häufig dauert es nur zehn bis fünfzehn Sekunden. Zuck, zuck, zuck, zwei, drei Mal rufe ich: „Nancy, Nancy, bist du da? Bist du wach?“ Kein Ton, sie ist schon weg. Mein Gesprächspartner ist schon weg.
Also bin ich allein mit diesen Gedanken und grüble. Ihr wisst ja, wenn man grübelt, läuft Adrenalin. Diese grübenden Gedanken nahmen mich gefangen, und meine Frau, mein Gesprächspartner, schläft. Ich will sie nicht wecken, nicht stören, sie braucht ihre Ruhe. Und ich war hellwach.
Die Gedanken sind oft so: Ich denke an Gespräche der Vergangenheit. Wenn ich gesagt hätte, und er hätte geantwortet, und ich hätte dann geantwortet, und er hätte gesagt, und ich hätte geantwortet – Konjunktivform, nicht wahr? Grammatisch Konjunktiv: wenn, dann wäre, und es hätte sein können, wenn. Wisst ihr, wie produktiv es ist, in der Konjunktivform über vergangene Gespräche zu denken? Super unkonstruktiv, es bringt nichts, denn das ist Geschichte. Ein Gespräch der Vergangenheit kann man nicht ändern.
Und dann denkt man natürlich in die Zukunft: Okay, wenn ich ihn sehen würde, könnte er sagen, und ich würde antworten, und er könnte, und dann ich. Wie oft passieren diese verbastelten Gespräche, die man im Kopf zusammengebastelt hat, in der Konjunktivform? Wie oft passieren sie? 99,999999 Prozent der Zeit passieren sie nie. Also ist auch das vergeudete Zeit.
Diese Phantasierungen, Vernunftschlüsse bringen nichts – weder von der Vergangenheit noch von der Zukunft. Sie sind destruktiv, gefährlich. Und ich sagte: „Oh Herr, die will ich stoppen.“
So stand ich auf, während Nancy schlief und ich grübelte und dachte: Das ist so dumm. Ich lief aus der Tür, machte sie leise zu, schaltete das Licht im Flur ein und lief unter dem Licht im Flur. Ich las laut – nicht laut, laut, laut – sondern ich sprach den Text einfach. Ähnlich wie Hanna im Alten Testament, die im Tempel gebetet hat.
Übrigens bete ich meistens laut, wie Hanna. Nicht sehr laut, aber ich formuliere Worte. Wenn ich still im Kopf bete, wisst ihr, was mit meinen Gedanken passiert? Sie sind wie Vögel, sie fliegen in alle Himmelsrichtungen. Deshalb formuliere ich die Gebete in Worten, so dass sie gesprochen werden und ich mich auf das konzentrieren kann, was ich bete – so wie Hanna damals im Tempel. Ich finde, das ist eine gute Disziplin.
Nun, ich las die Bibel. Ich las eine Seite des Matthäus-Evangeliums, kam unten rechts an und merkte die ganze Zeit, dass diese Gedanken kamen, aber sie bekamen tatsächlich ein Belegzeichen. Ich konnte lesen, ich war unten, und ich hatte nicht nur gelesen, sondern verinnerlicht und aufgenommen.
Ich las und las, manchmal zwei Stunden lang. Nach zwei Stunden des Lesens merkte ich: Oh, dieser Knoten im Bauch löst sich. Manche von euch kennen diesen Knoten – Spannung, es tut nicht ganz weh, aber es ist eine Spannung im Bauchbereich. Ich merkte, diese Spannung löst sich, und plötzlich wurde ich ganz müde. Ich entspannte mich, schaltete das Licht aus, kroch schnell ins Bett und schlief sofort ein. Ich war dankbar und begann den neuen Tag.
Irgendwann im Laufe des Vormittags kam oft noch einmal der Güterzug, und ich nahm wieder das Wort Gottes und las weiter und weiter und wieder hatte ich Sieg.
Meine besten Zeiten in diesem Kampf waren, als ich im Dienst stand und anderen half – Seelsorge, Verkündigung, Vorbereitung für die Verkündigung. Die schlimmsten Stunden waren die, in denen ich ganz allein war.
Ich persönlich frage mich, ob es weise ist, Leute, die depressiv sind – ich war depressiv – in ein Einzelzimmer irgendwo einzusperren. Denn was tun sie? Sie grübeln, sie drehen sich nur um sich selbst die ganze Zeit. Es war am besten, wenn ich dienen konnte. Die schlimmsten Zeiten waren, wenn ich alleine war.
Der Umgang mit Bitterkeit und das Gebet für andere
Ich lernte viele Dinge, und eines davon hätte ich vorher als Irrlehre bezeichnet. Doch ich machte eine kleine Abmachung mit Gott. In dieser Zeit betete ich und war geprägt von der Bibelstelle, die ich in diesen Tagen schon erwähnt habe: Matthäus 5, "Bete für die, die euch beleidigen, die euch verleumden!"
Schon in meiner Jugend lernte ich alte, bittere Menschen kennen. Wer ist schon gern bei alten, bitteren Leuten? Ich sehe keine Hand. Es ist nicht schön, bei solchen Menschen zu sein. Wie vermeidet man es, alt und bitter zu werden? Indem man jung und frei von Bitterkeit bleibt. Das beginnt bereits in der Jugend.
So sagte ich: Herr, ich möchte jetzt in meinen jungen Jahren nicht bitter werden gegenüber anderen. Ich bete und bete, dass du sie segnest – auch die Leute, die gegangen sind, mit all dem, was sie gesagt haben. Ich wünsche mir, dass du ihnen deine Liebe zeigst. Ich bete um Segen für sie und betete für sie.
Ich versuchte, das viele Tage zu tun. Dabei merkte ich, wenn diese Menschen mir einfielen und ich für sie betete, kam der Güterzug. Ich holte den Güterzug durch das Beten für sie herbei. Ich verursachte mein eigenes Problem.
Dann las ich natürlich viele Stunden, um den Sieg über diese schlechten, schwierigen Gedanken zu erfahren. So machte ich eine Abmachung mit dem Herrn. In meiner Kindheit hatte ich 1. Petrus 5,7 auswendig gelernt: "Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er sorgt für euch." Das sind gute Wahrheiten, die man lernen sollte. Es ist immer gut, biblische Wahrheiten zu verinnerlichen und auswendig zu lernen.
Ich sagte: Herr, ich möchte eine kleine Abmachung mit dir machen. Er hat mir nie zugesagt, doch ich werde ihn fragen, wenn ich droben bin. Ich sagte: Ich möchte für diese Geschwister, die gegangen sind, beten. Aber du weißt, wenn ich das tue, verursache ich meine eigenen Probleme. Deshalb möchte ich, dass du dieses letzte Gebet als ein ständiges Gebet betrachtest. Ich bete für sie dieses letzte Mal. Wenn ich wieder an sie denke, werde ich die Schrift lesen, um die Gedanken von ihnen zu vertreiben.
So betete ich ein letztes, intensives Gebet für sie und betete in der Zeit danach nie wieder für sie. Das klingt wie Irrlehre, nicht wahr? Aber eines sage ich euch: Wenn dann die Gedanken über diese Leute kamen, las ich. Übrigens, wenn Leute Gedankenkämpfe haben, sagt ihnen nicht: "Denkt bloß nichts an die Schwiegermutter." Ich sage euch: Denkt nicht an einen Weißbären!
Wir haben alle in solchen Momenten etwas Bestimmtes im Kopf, nicht wahr? Es geht nicht darum zu sagen: "Denkt nicht daran", sondern darum, diese schlechten Gedanken herauszunehmen und durch Wahrheit zu ersetzen. Es war die Wahrheit, die diese lügenhaften Gedanken vertrieb und ersetzte.
Ich las um mein Leben. Ich las nicht, weil es komfortabel oder gemütlich war, sondern ich las um mein Leben. Ich formuliere das sehr genau und präzise: Ich kämpfte vier Monate lang gegen Selbstmordgedanken. Ich schmiedete keine Pläne, ich hasste diese Gedanken und wollte sie nicht haben. Es war nicht so, als ob ich sie wollte. Ich wollte überhaupt nicht, dass diese Gedanken kommen – nie zuvor in meinem Leben.
Im Lesen lag der Sieg über diese Gedanken. Wenn du mich vor diesem Kampf gefragt hättest, ob wir unsere Gedanken beherrschen und unter Kontrolle bringen können, hätte ich dir gesagt: Nein. Gedanken sind wie Vögel, sie fliegen, wohin sie wollen, sie sind einfach da.
Doch seit diesem Kampf und meiner Erfahrung mit der Bibel weiß ich: Nicht nur können wir, wir dürfen und sollen unsere Gedanken zum Gehorsam gegenüber Christus zwingen. Wir können das. Es ist möglich. Wir sind nicht Opfer unserer schlechten Gedanken.
Das gilt für Pornosucht, Esssucht, Kaufsucht und alle anderen Probleme, die wir haben. Wir können diese boshaften Gedanken vertreiben.
Gemeinsamer Kampf und gegenseitige Ermutigung
Einst ist mir klar geworden: In der Gemeindegründung hatten alle von uns Begegnungen mit Menschen, die kämpfen, so wie ich gekämpft habe – alle von uns. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn viele hier ähnliche Kämpfe durchgemacht haben. Jedes Mal, wenn ich darüber spreche, kommen anschließend Leute auf mich zu und erzählen, dass sie einen ähnlichen Kampf erlebt haben.
Ich habe irgendwo in Deutschland irgendwann einmal darüber gesprochen oder ein Zeugnis gegeben – vielleicht war es auf Englisch, ich weiß es nicht genau. In Groß Dön stand nach einer Stunde eine amerikanische Schwester auf, die dort war, und sagte zu mir: „Ich habe eine Kassette bekommen. Ich war in tiefer Not, und jemand drückte mir eine Kassette von dir in die Hand, auf der du dein Zeugnis über deinen Kampf gegen Depressionen gegeben hast.“ Sie sagte, es sei genau das gewesen, was sie durchmachte. Sie sei so dankbar und hätte nie im Leben gedacht, dass wir uns einmal begegnen würden. Sie wollte mir dafür danken.
Ein Grund, warum ich diese Dinge heute sage, ist, dass alle von uns persönlich kämpfen. Und alle von uns sind mit Menschen verbunden, die kämpfen. In dieser Zeit, im Herbst, war noch ein Bruder in der Gemeinde, der ständig gegen Selbstmordgedanken kämpfte. Er suchte mich auf, und wir sprachen miteinander. Ich erzählte ihm von meinem Kampf. Wir schlugen gemeinsam die Bibel auf und lasen sie laut zusammen. Er begann ebenfalls, die Bibel zu lesen. Es war eine schwere Zeit für uns beide.
Gegen Ende November stand ich an meinem freien Tag – für mich immer der schwerste Tag, weil viele Gedanken frei waren – im Keller unseres Hauses. Da fiel mir wieder biblische Wahrheit ein: Die Wahrheit macht frei, Gottes Wahrheit befreit. Ich dachte an Hiob 1, insbesondere an den Vers am Ende des Kapitels. Nach den sprichwörtlichen Hiobsbotschaften sagte Hiob: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gepriesen sei der Name des Herrn.“
Da dachte ich: Wenn Gott uns ein Kind genommen hätte, dann hätte ich diesen Vers parat gehabt. Denn ich wusste, dass Kinder eine Leihgabe vom Herrn sind. Er gibt sie, und wenn er ein Kind durch einen frühzeitigen Tod nimmt, gehört es sowieso ihm, nicht mir. Er hat das Kind uns nur anvertraut. Er gibt ein Kind und nimmt es wieder – gepriesen sei der Name des Herrn! Das ist ein Blick auf die Souveränität Gottes und seine liebevolle Herrschaft, die wir nicht verstehen müssen. Es ist okay, wir geben es in seine Hände.
In dem Moment überlegte ich weiter: Als die Leute zur Gemeinde kamen und die Gemeinde wuchs, habe ich mich erinnert: „Der Herr hat gegeben.“ Diesen Satzteil hatte ich benutzt, als neue Leute kamen. Doch als die Spaltung kam und Leute gingen, betrachtete ich ihr Weggehen nur auf der horizontalen Ebene. Ich sah ihre Sünde, meine Sünde, mein Versagen und ihr Versagen.
An diesem Tag ging mir ein Licht auf. Wenn du mich vorher gefragt hättest, wem die Gemeinde Jesu gehört, hätte ich theologisch ganz leicht gesagt: Die Gemeinde Jesu gehört Jesus Christus, sie ist erkauft durch sein Blut, sein Eigentum – nicht unseres. Aber ist es nicht interessant, wie listig und glitschig der Feind oft ist? Und auch das Fleisch, das uns dazu bringt zu denken und zu handeln, als wäre eine Gemeinde unsere und wir letztlich verantwortlich dafür.
In diesem Moment zu meinem Entsetzen sah ich, dass ich meine Hände auf sein Eigentum gelegt hatte. „Oh, wie konnte ich das nur tun? Oh Herr, vergib mir!“ Sofort kamen diese Worte aus meinem Mund: „Vergib mir, Herr, das ist dein Eigentum, deine Gemeinde, nicht meine.“ Ein Knoten in meinem Bauch löste sich. Ich dachte: „Oh Herr, ich bin so dankbar, dass du es mir gezeigt hast.“ Ich war immer dabei, ich wusste, dass vielleicht alles zusammenhing mit einer Sünde, und ich war ständig dabei, das, was mir einfiel, dem Herrn zu bekennen als meine Sünde.
Ich hätte diese Sünde viel früher bekennen sollen. Ich wünschte, er hätte es mir viel früher gezeigt. Aber in seiner großen Weisheit ließ er es länger dauern, damit ich wahrscheinlich lerne, wirkliches Mitleid zu haben mit denen, die in Depressionen sind, und sie nicht zu verurteilen. Der Herr ließ es länger dauern, um mir manches beizubringen.
In dieser Zeit habe ich jede Minute dieses Kampfes gehasst. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Heute blicke ich zurück und danke für jede Minute dieses Kampfes. Ich möchte es nicht wiederholen – versteht mich nicht falsch. Ich möchte keineswegs den Kampf noch einmal durchmachen müssen. Aber ich bin dankbar für das, was ich gelernt habe.
Erinnert euch an das, was ich sagte: Mein Beschluss in Steinberg bei Wort des Lebens war, Gott näherzukommen und drei Dinge mehr vom Wort zu haben. Habe ich die Bibel mehr gelesen? Mehr als je zuvor in meinem Leben, weit mehr. Ich las mit einer Dringlichkeit, weil es um mein Leben ging. Preist den Herrn, ich musste keine Medikamente nehmen. Ich weiß es, weil ich genügend Besuche in geschlossenen psychiatrischen Abteilungen gemacht habe. Ich weiß, ich war klinisch depressiv. Aber ich arbeitete weiter und predigte weiter.
Es war keine schöne Zeit. An dem Tag, als ich meine Sünde bekannte, erlebte ich Befreiung. Das hatte ich schon durch das Bibellesen vorübergehend erfahren. Am nächsten Tag schlief ich ein, und da war kein Grübeln mehr. Am nächsten Tag ging ich durch den ganzen Tag, und die dunklen Gedanken kamen nicht zurück – preist den Herrn! Und am nächsten Tag auch nicht. Dann vergingen ein paar Wochen, und ich dachte: „Preist den Herrn, es ist vorbei.“ Ich kann euch nicht sagen, was es mir bedeutete, dass es vorbei war.
Ich bin so dankbar für das, was ich über ihn gelernt habe. Wir können das heilige Wort nie überbieten. Wir können kein besseres Wort finden als das, was hier steht: „Da wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, so lasst uns jede Last ablegen und die Sünde, die uns so leicht umstrickt“ (Hebräer 12,1). Lasst uns mit Ausdauer laufen in dem Kampf, der vor uns liegt, indem wir hinaufschauen auf Jesus.
Unsere Blickrichtung muss auf Jesus gerichtet sein, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Um der vor ihm liegenden Freude willen erduldete er das Kreuz und achtete die Schande nicht. Jetzt sitzt er zur Rechten des Thrones Gottes.
Jesus hat auch gekämpft. Im Garten, ich meine, im Garten Gethsemane, kämpfte er gegen Gedanken von Selbstzerstörung. Es wäre leichter für ihn gewesen, am Abend davor zu sterben. Denn am nächsten Tag musste er deine, meine und die Sünden der ganzen Welt tragen. Ich glaube, ein großer Teil seines Kampfes im Garten war: „Jetzt, Herr, ich will deinen Willen tun, ich will durchhalten – durch deine Kraft.“
Die Bedeutung von Gemeinschaft und Ermutigung im Dienst
In der Zeit dieses Kampfes überlegte ich, was der Feind vorhatte. Ich stand in der Gemeindeleitung und wusste, dass ich abgesägt werden könnte, weil ich so viele Fehler gemacht hatte. Es waren etwa achtzig Fehler, und die ganze Vertrauensbeziehung war dadurch belastet. Ein grundsätzlicher Fehler war, dass wir kein Leitungsteam hatten.
Ich sagte: „Okay, Herr, ich will ein Leitungsteam bilden.“ Doch durch diese Spaltung haben wir praktisch alle Männer verloren. 1982 bat ich die Gemeinden, zehn Männer zu benennen. In dieser Situation hatten wir keine Männer, die bereit waren zu leiten.
Es war eine verwirrende und schwere Zeit. Wenn ich aufgegeben hätte, wenn ich vom Feind niedergemäht worden wäre, dann wäre das eine Schande für die Gemeinde gewesen, eine Schande für den Ruf Jesu. Ich bin so dankbar, dass der Herr mir geholfen hat, durchzuhalten.
Ich wusste nicht, dass Missionare so etwas erleben. Ich hätte es nicht geahnt. Als ich zurück in die Staaten kam und begann, Missionsgeschichte zu unterrichten, sagte ich in der ersten Minute des Unterrichts im Missionsgeschichtskurs dieses Semesters – den ich jetzt im Frühjahr unterrichte – zu allen Studenten: „Man hätte eine Waffe an meine Schläfe legen und sagen müssen: Du gehst nicht nach Deutschland, bis du ein bisschen zurückblickst in die Geschichte.“
Wisst ihr, was ich in meiner Universitätszeit studiert habe? Geschichte! Aber ich habe keinen einzigen Kurs in Missionsgeschichte belegt. Als ich anfing zu unterrichten, las ich von Adoniram Judson, einem Missionar in Burma. Er war 34 Jahre ununterbrochen dort, verlor eine Frau, verlor sein Kind und stürzte sich in arbeitswütige Arbeit – ein regelrechter Workaholic.
Er arbeitete Tag und Nacht an Übersetzungen und anderen Aufgaben. Nach einem Jahr holte ihn die Depression ein. Er zog sich in den Wald zurück, grub ein Loch, so groß und tief wie ein Grab, setzte sich neben das Loch und schaute hinein – Wochen und Monate lang. Zwei Jahre war er vom Team weg, bis der Herr ihn heilte.
Als ich das las, sagte ich mir: Adoniram Judson litt unter Depressionen. Warum habe ich das bloß nicht gewusst? Weil ich keine Missionsgeschichte studiert hatte. Wie dumm war das?
Deshalb sage ich auch den Studenten: Der Wert dieses Kurses liegt darin, dass wir Helden kennenlernen dürfen. Aber wisst ihr, das sind Helden, die ganz gewöhnliche Menschen sind, wie wir. Sie gingen durch Kämpfe, hatten Familienprobleme, persönliche Probleme. Und Gott gebrauchte sie.
Das ermutigt uns, denn er nimmt gewöhnliche Menschen, so wie wir sind, und benutzt uns auch. Es hat mich auch sehr bewegt, mit viel mehr Empathie und Mitleid mit leidenden Menschen umzugehen.
Wenn ich höre, jemand sagt: „Ich bin depressiv“, versuche ich bald, mit dieser Person zu reden und zuzuhören. Manchmal dauert das fünf oder zehn Minuten. Dann frage ich: „Du sagst, du bist depressiv. Kämpfst du auch manchmal gegen Selbstmordgedanken?“
„Ja“, antwortet die Person, „warum fragst du?“
„Weil ich den Kampf kenne.“
„Du? Von allen Leuten hätte ich nie gedacht, dass du so etwas kennst.“
Und dann darf ich zeigen, wie groß und wichtig unser Herr ist.
Die Bedeutung von Begleitung und Mitgefühl
Es war zu der Zeit, ich kenne seinen Namen nicht mehr, aber ich kann mich sehr gut an die Gespräche erinnern. Er war aus einer anderen Gemeinde. Durch eine Verkündigung in einem Jugendkreis oder irgendwo anders hat er mich kennengelernt und um Zeit gebeten.
Er fuhr zu mir, wir hatten eine Verabredung, und er schilderte seine Lage. Ein Freund von ihm war bei einem Autounfall ums Leben gekommen – an einem anderen Ort. Er war nicht dabei, nicht der Fahrer des Fahrzeugs und auch nicht verantwortlich. Dennoch fiel er in eine Depression. Er war im Leitungsteam, im Jugendkreis und in vielen anderen Bereichen aktiv. Doch nun war er in Depressionen verfallen. Er sagte: „Ich bin lahmgelegt worden, jetzt seit Monaten.“
Ich erzählte ihm meine Geschichte. Das war das erste Mal, dass ich jemandem davon berichtete. Ich erzählte, wie ich mit dem Wort Gottes umging, meinen Kampf und wie ich in diesem Kampf stand. Ich benutze die Worte „mein Kampf“ nicht in einem anderen Zusammenhang, sondern meine persönliche Geschichte, Roger Pugh. Er hörte aufmerksam zu. Wir verabschiedeten uns und vereinbarten einen Termin für einige Wochen später.
Beim zweiten Treffen begrüßte ich ihn an der Tür. „Wie geht’s?“ fragte ich. „Es geht mir gut“, antwortete er. Ich sah seine Begeisterung und dachte, das wird ein gutes Gespräch. Er erzählte, dass er genau das Gleiche erlebt hatte. Als er begann, das Wort Gottes in seiner Macht zu erleben, vertrieb es die Finsternis. Er war wieder voll dabei, arbeitete im Jugendkreis mit und war frei von Depressionen.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr mich das ermutigte. Ich habe dieses Zeugnis auf Englisch als MP3 aufgenommen. Immer wieder sprechen Leute mit mir: „Ich bin depressiv.“ Ein Absolvent aus einem anderen Bundesstaat sagte: „Ich habe gehört, du bist durch Depressionen gegangen. Kannst du etwas darüber sagen?“
Bevor ich lange darüber redete, schickte ich ihm die MP3-Datei und sagte: „Wenn du fertig bist, melde dich noch einmal.“ Zwei Stunden später meldete er sich und sagte, er habe die Datei zweimal gehört und sei bereit, zu reden. Es ist ermutigend zu sehen, wie Gott das, was ich erleben durfte, dazu benutzt, anderen zu helfen.
Ich habe lange überlegt, ob ich in dieser Stunde diesen Vortrag halten soll. Denn es ist nicht direkt mit Gemeindebau verbunden. Doch alles geschah während der Gemeindegründungsphase in den USA. Ich war 13 Jahre lang Ältester in einer Gemeindegründung dort. Wir hatten schreckliche Probleme. Ich wusste, was zu tun war: Ich stürzte mich ins Wort Gottes.
Dann kam kein Güterzug. Einige Male kamen solche Gedanken kurz auf – vielleicht für eine Stunde oder zwei. Ich merkte, dass das Gefühl dasselbe war wie damals. Sofort stürzte ich mich wieder in das Lesen der Bibel und ins Gebet: „Herr, hilf!“ Es dauerte höchstens ein paar Stunden in beiden Situationen.
Einmal fragte mich jemand: „Roger, was würdest du einem Menschen sagen, zum Beispiel jemandem, der depressiv ist? Wie kann ich ihm zur Seite stehen?“ Ich antwortete: „Ich kann sagen, wie es geht, aber zunächst einmal, wie es nicht geht.“
In meiner Not war ich einmal im Gemeindehaus. Wir sollten eine Schiene für den Vorhang an die Decke anbringen. Zwei von uns, ein anderer Bruder und ich, machten die Schiene hoch. Als wir fertig waren, sagte ich: „Du, ich kämpfe furchtbar mit Gedanken.“ Er antwortete: „Roger, du sollst den Vers lesen, dann den Vers, und diesen Vers beachten, und jenen Vers.“ Er nannte viele Verse, die ich ohnehin schon ausgelegt hatte. Manche dieser Verse kannte ich sogar vom Urtext. Es lag nicht an fehlendem Wissen oder Information.
Im Grunde sagte er nur: „Du sollst, du sollst, du sollst.“ Doch in der Depression klagte mein Gewissen ohnehin: „Du versagst, du versagst, du bist wertlos.“ Und jemandem, der sich selbst schon so verurteilt, nochmals ein „Du sollst“ aufzuerlegen, wirkt genau gegenteilig. Es war nicht ermutigend, sondern drückend.
Ein paar Wochen später sah ich ihn wieder. Ich sagte: „Kannst du dich erinnern, als ich vor ein paar Wochen von meinem Problem erzählte?“ Er antwortete: „Ja.“ Ich sagte: „Was du gesagt hast, hat mehr Probleme verursacht, als geholfen. Du hast es gut gemeint, aber statt aufzubauen, hat es niedergedrückt. Was ich wollte, war dich. Ich wollte, dass du sagst: ‚Komm, Roger, wir beten zusammen, fallen jetzt auf die Knie und beten zusammen.‘“
Er sagte: „Roger, ich habe keine Ahnung, was du mir damit sagen willst. Ich blick da gar nicht durch.“ Viele Menschen, die keine Depression erlebt haben, halten Depressive für die egoistischsten Menschen der Welt – vor allem jene, die sich das Leben nehmen. Sie sagen, Selbstmord sei die höchste Form von Selbstbezogenheit.
Ich würde ihnen Recht geben – nur in einem Fall: Es ist genau das Falsche, das einem Menschen so zu sagen. Was er braucht, ist dich. Was sie brauchen, ist deine Umarmung. „Ich kämpfe mit, komm, wir beten zusammen.“ Oft sind solche Menschen so sehr im Kampf, dass sie kaum beten können. Es hilft, wenn ein anderer für sie betet. Freundlich mitzugehen, nicht zu verurteilen oder herunterzumachen, sondern aufzubauen!
Geschwister, hierzulande hatten wir zwei Selbstmorde in der Gemeinde in Stuttgart. Der Mann, mit dem ich im Herbst zu tun hatte, nahm am 30. Dezember eine Flasche mit all seinen Tabletten und verschwand. Um elf Uhr abends klingelte das Telefon: „Weißt du, wo er ist?“ Ich sagte: „Nein.“ Schnell zog ich mich wieder an und ging hin, um mit den Personen zu sprechen. Am nächsten Tag suchten wir ihn, fanden ihn nicht. Am darauffolgenden Tag machten sich sieben von uns auf die Suche. Drei gingen in eine Richtung, vier in eine andere.
Als wir im Wald waren, liefen wir mit etwa hundert Metern Abstand. Ich war auf der linken Seite. Ich schaute nach links, dort war eine Böschung. Ich lief in diese Richtung, und da saß er auf dem Boden. Ich schrie so laut, dass meine Stimme zwei Tage lang heiser war – nur von fünf Wörtern: „Ich habe ihn gefunden!“ Wir brachten ihn ins Krankenhaus. Am nächsten Tag beugte ich mich über sein Bett und sagte: „Du, Gott wollte, dass du gefunden wirst.“
Es war 15:30 Uhr nachmittags, fast dunkel. Etwa eine halbe Stunde nachdem wir ihn gefunden hatten, begann es zu schneien. Es schneite die ganze Nacht. Er hätte die Nacht nicht überlebt. Ich sagte: „Gott wollte, dass du gefunden wirst.“ In meinem Herzen kam der Gedanke: „Ich wollte dich, Roger, gebrauchen, um ihn zu finden, weil ich noch nicht fertig mit dir bin.“
Ich dachte immer, im Herbst sei Gott fertig mit mir, ich solle Schuhverkäufer werden. Doch Gott ermutigte mich. Ganz fantastisch! Ich bin so dankbar. Ich habe nicht um diese Ermutigung gebeten, aber Gott schenkte sie mir. Ich wäre dankbar gewesen, wenn irgendeiner von den sieben ihn gefunden hätte. Doch Gott gebrauchte mich in seiner großen, endlosen Gnade.
Ermutigung zum gemeinsamen Durchhalten
Der Kampf eines Gemeindegründers
Ich habe keine Ahnung, wo du in diesem geistlichen Kampf stehst. Aber Gemeindegründung ist kein Picknick, es ist ein Kampf. Der Herr aber baut seine Gemeinde – er, nicht wir. Er baut seine Gemeinde. Wir sind seine Diener und haben unsere Aufgabe. Doch wir dürfen uns nicht in seine Aufgabe drängen, denn diese macht er.
In diesem Kampf merken wir, dass es Verletzte gibt. Wir sind ja im Krieg, und in einem Krieg gibt es Verletzte. Aber wir sind auf der siegenden Seite. Wir dürfen wissen, dass es einen Herrn gibt, der seine Gemeinde baut, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Ist das nicht eine große Ermutigung, eine großartige Ermutigung?
Daher der Aufruf: Ran an die Arbeit, vorwärts in Erwartung, dass der Herr Erweckung schenkt. Wir wissen, es ist eine fantastische Arbeit und ein Dienst mit ewigen positiven Folgen. Das steht einem schrecklichen Gegner gegenüber, der alles niederschießen will, was er nur kann.
Und wisst ihr was? Wir brauchen in diesem Kampf einander. Tauscht Telefonnummern und E-Mail-Adressen aus, ruft einander an, betet miteinander, betet füreinander. Der eine kämpft, hier ist Krankheit, dort ist Not. Der Feind wird gegen uns alle sein, und wir müssen gemeinsam an einer Front stehen in diesem Kampf. Damit wir nicht straucheln und fallen und den Namen des Herrn durch unsere Sünde verunehren.
Herr, hilf uns, treu zu bleiben! Bis du wiederkommst, muss unser ständiges Gebet sein. Möge der Herr uns dazu motivieren und animieren.
Wir stehen auf zum Gebet:
Vater im Himmel, wir danken dir heute Morgen, dass wir in diesem geistlichen Kampf wissen dürfen, dass du uns nie verlässt. Danke für Psalm 34,19: Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind.
Herr, dieses Empfinden haben wir oft nicht, wenn die Stunden schwer sind und es sehr dunkel ist. Oft haben wir das Gefühl, dass du den Hörer hingelegt hast, einen langen Spaziergang gemacht hast und uns in der Not allein gelassen hast. Aber die Wahrheit ist: Du bist uns nahe.
Danke für diese Wahrheit, danke für den Trost durch den in uns wohnenden Heiligen Geist, danke für den Trost durch das Wort Gottes. Danke, dass das Wort Gottes lebendig und zuverlässig ist und Hoffnung gibt.
Wir bitten dich, Herr, dass wir in diesem Kampf dir treu bleiben – durch deine Kraft, zu deiner Ehre. Herr, bis du wiederkommst, schenke Erweckung hier in diesem dunklen Europa, vor allem im deutschsprachigen Raum. Gib Erweckung dir zur Ehre! Amen.
