Einführung und persönliche Erfahrung mit Gemeindegründung
Der Gast der Woche: Fünf Episoden mit meiner Frau – Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt. Nachfolge praktisch: Dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um meine Frau, meinen Schatz. Schön, dass du wieder da bist.
Das Thema heute: Geschwister. Wir hatten beide das Vorrecht, gemeinsam eine Gemeindegründung zu erleben. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann ist Gemeinde und Gemeindegründung einerseits mit vielen spannenden und schönen Momenten verbunden. Andererseits gab es auch eine ganze Menge Frust.
Ich glaube, dass Gemeinde von Gott einerseits gegeben ist, damit wir Liebe lernen. Andererseits birgt sie auch das Risiko, dass man frustriert wird, verletzt wird, sich zurückzieht und irgendwann keine Lust mehr auf Gemeinde hat.
Ich weiß, dass wir beide Gemeinde von beiden Seiten kennengelernt haben – die schönen und die weniger schönen Seiten. Deshalb die Frage: Wie hast du das geschafft? Du investierst dich jetzt seit Jahrzehnten in Gemeinde. Wie hast du es geschafft, den Frust, der dir in der Gemeindearbeit begegnet, nicht in Frustration, Rückzug oder Groll umschlagen zu lassen? Wie hast du das gemacht?
Haltung zur Gemeinde als Gottes Werk
Eine Sache, die mir wichtig geworden ist, ist, dass ich mir immer wieder sage: Es ist Gottes Gemeinde und nicht meine Gemeinde.
Auch wenn ich vielleicht in bestimmten Bereichen der Gemeinde Verantwortung trage, muss ich mir stets vor Augen halten, dass es Gottes Gemeinde ist und er sie baut. Weil es Gottes Gemeinde ist und Gott mein Chef ist, will ich ihm dienen. Dabei geht es mir darum, seine Wünsche zu erfüllen und nicht meine eigenen.
Deshalb bin ich auch bereit, Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen, die das Gemeindeleben mit sich bringt. Wenn ich das so sagen darf, sehe ich mich wie ein Angestellter. Ja, ich bin sein Angestellter, und er sucht die Menschen aus, die in die Gemeinde kommen.
Das sind nicht immer diejenigen, die ich ausgesucht hätte. Genau, es sind nicht immer die, die ich selbst ausgesucht hätte.
Realität der Gemeinschaft in der Gemeinde
Und wenn Jesus sagt, alle Mühseligen und Beladenen sollen zu ihm kommen, dann kommen natürlich auch sehr unterschiedliche Menschen in die Gemeinde. So wie man sich seine Familie nicht aussuchen kann, so kann man sich auch nicht immer alle Leute in der Gemeinde aussuchen. Das sollte man sich auch vor Augen führen.
Gemeinde ist nicht dazu da, dass meine Sehnsüchte gestillt werden. Sie ist auch nur bedingt eine Kuschelecke. Für eine gewisse Zeit kann sie eine solche sein, aber es geht dort genauso menschlich zu wie in anderen Organisationen.
Die Menschen, die kommen, sind nicht perfekt. Das heißt, sie werden mich ganz zwangsläufig verletzen. Wenn ich Beziehungen lebe, werde ich immer verletzt werden. Ich habe also zwei Möglichkeiten: Entweder ich entscheide mich für Beziehung, dann gehe ich immer auch Verletzungen einher. Oder ich halte Menschen auf Distanz, dann kann ich weniger verletzt werden.
Doch ich entscheide mich immer wieder bewusst für Beziehung und will auch immer wieder Menschen vertrauen, selbst wenn sie mich verletzen. Das ist, wenn ich das so sagen darf, der erste Punkt.
Ich will mich bewusst als Diener in der Gemeinde verstehen. Gott hat die Gemeinde geschaffen, sie ist seine Gemeinde. Es geht nicht darum, was die Gemeinde mir gibt, sondern was ich der Gemeinde geben kann. Wie kann ich mich einbringen? Wie kann ich für andere da sein, auch auf Kosten meines eigenen Wohlbefindens? Auch auf die Gefahr hin, dass ich verletzt werde, denn das gehört einfach dazu, sich in Menschen zu investieren.
Wenn man dieses realistische Bild hat, also weiß, dass Gemeinde keine Kuschelecke ist, sondern ein Dienstfeld, etwas, wo man gemeinsam Gott dient und wo nicht immer alles super läuft, dann kann man auch leichter mit den Schwierigkeiten leben.
Umgang mit Verletzungen in der Gemeinde
Aber was machst du jetzt konkret? Ich weiß, wir haben einige böse Verletzungen hinter uns. Was tust du, wenn jetzt jemand noch richtig eins draufsetzt? Du hast dich um jemanden gekümmert, dich in jemanden investiert, hast geliebt – und dann kommt die Verletzung. Was machst du jetzt konkret?
Ein Vers ist mir sehr wichtig geworden. Den würde ich gerne mal vorlesen: Lukas 6,27-28: "Aber euch, die ihr hört, sage ich: Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, und segnet die, die euch fluchen, betet für die, die euch beleidigen."
Das ist ein wertvoller Vers, eigentlich im Umgang mit Feinden. Aber wenn mich jemand verletzt – als Bruder oder Schwester –, dann kann ich dieses Prinzip, wie ich mit Feinden umgehen soll, genauso auch auf die Verletzungen anwenden, die ich von Geschwistern erfahren habe. Indem ich nämlich einfach anfange, für sie zu beten, sie zu segnen und das Gute an ihnen zu sehen.
Schon dadurch bekomme ich einen anderen Blick auf diese Person. Das praktiziere ich immer wieder. Zuerst nehme ich mir oft eine Zeit des Trauerns. Das sind meistens so drei Tage, in denen ich dann denke: „Ach, was würde ich denen am liebsten alles sagen?“ Aber ich sage es ihnen nicht. Ich schreibe ihnen auch keine bösen E-Mails zurück, wenn sie mir böse E-Mails schreiben. Stattdessen überlege ich nur, was ich ihnen gerne sagen würde – sage es aber nicht.
Dann fange ich an, für sie zu beten und sie zu segnen. Und das macht etwas Innerliches mit mir. Das ist für mich das Wichtige: Ich erfahre, wie Gott meine Verletzung heilt und wie ich einen anderen Blick auf die Leute bekomme. So erlange ich eine gesunde Distanz zu den Menschen. Ich lasse das Problem bei ihnen und verfalle nicht selbst in Bitterkeit.
Das Problem ist ja: Wenn man von Menschen verletzt wird, wird man schnell bitter und sagt: „Mit denen will ich nichts mehr zu tun haben.“ Aber das geht ja nicht immer. Deswegen ist es wichtig zu sagen: Ich segne sie, und ich segne sie so lange, bis ich kein bitteres Gefühl mehr den Leuten gegenüber habe.
Liebe und Barmherzigkeit als Antwort auf Konflikte
Ich mag diesen Vers, oder besser gesagt, es sind ja zwei Verse: Lukas 6,27-28. Ich mag diese Verse sehr. Anfang des Jahres habe ich Vorträge über Einheit gehalten, und dabei habe ich auch gesagt: Wenn jemand mir in der Gemeinde richtig schräg kommt, dann bekommt er das volle Feindesprogramm. Das sind immer diese beiden Verse: „Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet die, die euch fluchen, betet für die, die euch beleidigen.“
Ich glaube, wenn jemand richtig komisch wird, bekommt er das tatsächlich: Liebe, Wohltun, Segen und Gebet.
Ja, dann gibt es ja auch noch Leute, die es gar nicht so böse meinen. Bei denen habe ich dann immer so einen innerlichen Faktor, der mir sagt, ich muss barmherzig mit ihnen sein. Wenn derjenige Schmerzen hat oder bestimmte Eigenarten zeigt, sich aber sonst wirklich auch im Dienst einbringt und ich diese Eigenarten kenne, dann sage ich mir: Der meint es jetzt gar nicht so schlimm.
Schon kann ich ganz anders mit ihm umgehen. Wenn er mich zum Beispiel ein bisschen anblökt, blöke ich nicht zurück, sondern frage nach: „Wie geht es dir eigentlich gerade?“ Dann erfahre ich, dass die Person gerade Schmerzen hat oder ein bestimmtes Problem. Dadurch kann ich wieder ganz anders und liebevoll mit ihr umgehen.
Ich weiß nicht, ob dir das aufgefallen ist, aber in Lukas Kapitel 6, wenn man ein kleines Stück weiterliest, kommt dieser Aspekt auch vor. Dort heißt es in Vers 36: „Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.“
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir in der Gemeinde lernen, einander zu ertragen. Wir sind manchmal so schnell mit dem Richten, Verurteilen, Seufzen und dem Sich-zurückziehen.
Ich habe den Eindruck, dass die Gemeinde in den letzten zwei Jahrzehnten liebloser geworden ist. An dieser Stelle merkt man das ganz stark.
Umgang mit dem Weggang von Gemeindemitgliedern
Und auch wenn jetzt Leute gehen, ist es mir wichtig geworden zu sagen: Ich muss das Problem beim anderen lassen. Wenn jemand der Meinung ist, er fühlt sich in einer anderen Gemeinde wohler oder möchte vor Sünde fliehen, indem er die Gemeinde verlässt, dann kann ich für ihn beten. Ich kann ihm auch sagen: Überleg dir noch einmal, was du jetzt wirklich tust. Aber ich muss ihn auch gehen lassen.
Denn das sind erwachsene Menschen. Wenn sie sich entscheiden, sich aus der Gemeinde zurückzuziehen, dann ist das ihre Entscheidung – mit allen Konsequenzen. Das tut zwar weh, weil es oft Menschen sind, die einen eine Zeit lang begleitet haben. Aber es ist Gottes Gemeinde. Wenn Leute der Meinung sind, sie wollen sich in dieser Gemeinde nicht mehr einbringen, dann wird Gott Ersatz schaffen. Und dann muss ich mich nicht darum kümmern.
Hier sind wir wieder am Anfang: Es ist Gottes Gemeinde. Ich glaube, wir müssen diesen Blick behalten. Wir dürfen Gemeinden nicht zu einer Bühne für Selbstdarstellung oder Selbstverwirklichung machen. Wir fühlen uns so wohl, wie wir uns in der Gemeinde mit den Geschwistern wohlfühlen. Aber es ist viel wichtiger, eine eigene Beziehung zum Herrn zu haben.
Aus dieser Beziehung heraus empfangen wir alles Gute, Wohlfühlen, Trost und können alle Sorgen abgeben. Auch erhalten wir daraus Kraft. Mit dem, was wir haben, gehen wir in die Gemeinde hinein. Oft werden wir zusätzlich beschenkt und können auch andere beschenken.
Wir können aber auch damit umgehen, wenn uns Geschwister manchmal komisch vorkommen. Denn wir wissen genau, warum wir nicht anders sind. Wir wissen, wie wir mit ihnen umgehen können. Und weil Gott eben schon weiß, warum er genau diesen Haufen zusammengestellt hat.
Die Kraft des Heiligen Geistes für Gemeinschaft und Liebe
Ich glaube, wenn es uns gelingt, dann werden wir vielleicht wirklich an der Liebe erkannt. Ich finde diese Idee spannend: eine Gemeinschaft zu schaffen, die eigentlich inkompatibel ist. Dann zu sagen: So, jetzt schaut mal, wie ihr damit klarkommt.
Je mehr man sich auf diese Gemeinschaft einlässt, desto mehr merkt man, dass man das nur mit der Kraft des Heiligen Geistes schafft. Ohne den Heiligen Geist kann das hier gar nichts werden. So wird man abhängig von Gott.
Es macht viel Spaß zu sehen, wie er einen selbst verändert, dann auch die anderen und schließlich die Gemeinschaft. Dabei nimmt man wieder wahr, wie Gott sich Gemeinschaft und letztlich auch Gesellschaft wünscht.
Abschluss und Segen
Vielen Dank, das waren sehr schöne Gedanken.
Ich werde unsere Zuhörerschaft nun mit unserem Segen entlassen.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen!