Die nächsten vier Wochen sind rappelvoll. Deshalb gibt es wieder kurz gehaltene Vorträge. Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, und Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und ihr hört die Vorträge zum Titusbrief von der Jugendpfingstfreizeit der Allgäuer Gemeinden.
Also fangen wir vorne an. Heute wollen wir die ersten vier Verse gemeinsam besprechen.
Die Selbstvorstellung des Paulus als Knecht und Apostel
Titus 1, Vers 1: Paulus, Knecht Gottes, aber er könnte auch schreiben: und darüber hinaus Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben oder für den Glauben der Auserwählten Gottes und nach oder für die Erkenntnis der Wahrheit, die zur Gottseligkeit führt.
Das ist doch mal so ein Satz, den liest man und denkt sich: „Ach, ich lese lieber weiter.“ Nein, machen wir nicht. Wir bleiben hier stehen, ich bin ja der Freak.
Paulus stellt sich vor: Knecht und Apostel. Apostel – der Begriff bedeutet erst einmal ganz grundsätzlich Gesandter oder Bote. Jetzt ist Paulus nicht auf eine allgemeine Weise ein Bote, sondern auf eine ganz spezielle Weise. Er ist nämlich Bote Gottes, er ist Apostel Jesu Christi, und zwar mit dem Auftrag, mit der Verantwortung und auch mit der Autorität, unter den Heiden das Evangelium zu predigen und auch neue Gemeinden zu gründen.
Und jetzt sagt er von sich, dass er Knecht ist. Hier steht ja „Knecht Gottes“ und darüber hinaus „Apostel Jesu Christi“. Dieser Begriff „Knecht“ führt schnell mal zur Verwirrung.
Weil an anderer Stelle sagt der Apostel Paulus in Römer 8,15: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, indem wir rufen: Abba, Vater.“
Also: Wir haben nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen. Aber dann sagt er, ich bin Knecht. Wie passt das zusammen? Knecht oder nicht Knecht?
Deswegen merkt ihr an dieser Stelle hoffentlich ein bisschen Vorsicht bei Bildern in der Bibel. Wir sind Knechte Gottes, aber wir sind nicht geknechtete Gottes. Das ist ein Unterschied.
Die Bedeutung des Knechtsbegriffs in der Bibel
Wir sind Knechte Gottes, denn dieser Begriff ist in der Bibel eine Bezeichnung für Menschen, die in einer besonderen Beziehung zu Gott stehen und oft auch mit einer besonderen Aufgabe von ihm beauftragt sind.
Knechte Gottes in der Bibel sind beispielsweise Abraham, Mose, David, Daniel und die Propheten. Das sind Menschen, die sich selbst als Knechte Gottes bezeichnen. In diesem Sinn möchte Paulus den Begriff verstehen, und ich hoffe, dass wir ihn ebenfalls so verstehen können.
Gott zwingt mich nicht in die Knechtschaft. Er unterwirft mich nicht, sondern bietet mir an, mich freiwillig ihm zu unterstellen. Ich trete freiwillig und aus Dankbarkeit für das, was er am Kreuz getan hat, in seinen Dienst.
Es ist ein Vorrecht, Knecht Gottes oder Magd Gottes sein zu dürfen. Gleichzeitig ist es natürlich auch herausfordernd, denn in dem Wort „Knecht“ steckt schon etwas. Ich möchte das nicht romantisieren: Ein Knecht Gottes oder ein Sklave Gottes ist jemand, der tut, was sein Herr von ihm verlangt.
Aber ich habe als Knecht Gottes keine Angst. Das liegt daran, dass ich nicht nur Knecht bin, sondern auch ein geliebtes Kind Gottes. Ich habe mich selbst entschieden, mit meinen Gaben Gott zu dienen, in der Berufung, die er mir gibt.
Paulus’ Auftrag: Evangelisation und Glaubensvertiefung
Für Paulus bedeutete das Evangelisation und Lehre. Er wollte den Glauben der Auserwählten stärken und die Erkenntnis der Wahrheit voranbringen. Diese beiden Dinge waren ihm besonders wichtig.
Das heißt, er wünschte sich, dass die Gläubigen ihren Glauben verstehen und wissen, wie man mit Gott lebt. Ich finde das einen sehr spannenden Punkt: Wir als Gläubige müssen immer wieder begreifen, was eigentlich hinter dem Wort „Glaube“ steckt.
Glauben bedeutet, dass ich Gott vertraue. Wenn mir jemand als Gläubiger den Glauben erklärt, dann zeigt er mir, wie ich richtig Gott vertraue und wie ich dieses Vertrauensverhältnis vertiefe. Er erklärt, wie ich in diesem Vertrauensverhältnis zur Ruhe komme und wie es zu etwas wird, das ganz normal mein Leben durchzieht.
Es ist etwas, worüber ich nicht mehr groß nachdenken muss, sondern einfach merke: Ja, das ist es, was ich persönlich einen geistlichen Flow nenne. Ich muss nicht jeden Morgen neu überlegen, ob ich gläubig bleiben will oder heute Gott vertrauen will – ich tue es einfach. Und das ist wunderschön.
Die Bedeutung der Auserwählung im biblischen Kontext
Zwei schwierige Begriffe tauchen auf, wenn es heißt, dass er den Glauben der Auserwählten voranbringen möchte und dass dieser Glaube für ihn im Zentrum steht. Der Begriff „Auserwählter“ beschreibt dabei, soweit ich das sehe, die Herzlichkeit, mit der Gott an uns hängt.
Wenn wir uns anschauen, wo in der Bibel der Begriff „Auserwählter“ vorkommt, dann kommt man an Jesaja 42,1 nicht vorbei. Dort wird dieser Begriff nämlich über den Messias gesagt. In Jesaja 42,1 heißt es: „Siehe, mein Knecht, den ich halte, meinen Auserwählten, an dem meine Seele Wohlgefallen gefunden hat.“
Das ist spannend, oder? Der Auserwählte ist also der, an dem Gott Wohlgefallen gefunden hat. Und das sagt hier natürlich Gott der Vater über den Sohn. Ihr habt sicher schon bemerkt, dass der Vers mit den Worten „Siehe, mein Knecht, den ich halte“ beginnt. Wieder taucht der Gedanke auf, dass ein anderer Knecht Gottes, in diesem Fall der Herr Jesus, gemeint ist. Und dieser Knecht wird als Auserwählter bezeichnet.
Übrigens nicht, weil es viele Alternativen gab. Im Himmel steht Gott nicht und sagt: „Ich habe fünf Kandidaten, aber wer soll der Messias sein? Enem, Enemu und weg bist du, dann bleibt einer übrig.“ Überhaupt nicht. Der Begriff „Auserwählter“ bezeichnet vielmehr eine Qualität. Er beschreibt, wie ich zu jemandem stehe, die Sympathie und die Herzlichkeit, die ich für einen anderen empfinde.
Deshalb kann ich zu Recht über meine Frau sagen: Sie ist meine Auserwählte. Hatte ich viele Freundinnen? Nein, ich war froh, dass ich eine gefunden habe. Aber weil ich ihr herzlich verbunden bin, nicht weil es viele Alternativen gab, und weil ich diese herzliche Verbundenheit zum Ausdruck bringen möchte, nenne ich sie meine Auserwählte.
In diesem Sinne gebraucht Paulus den Begriff „Auserwählter“ für uns Christen. Übrigens, damit wir uns nicht falsch verstehen: Nicht wir sind die Auserwählten, sondern der Herr Jesus ist der Auserwählte. Deshalb habe ich euch Jesaja 42 vorgelesen.
Wir teilen nur seine Auserwählung, denn wir sind in ihm. Alles, was wir sind und haben als gläubige Menschen, haben wir unmittelbar durch den Herrn Jesus. Wir teilen seine Gerechtigkeit, wir teilen alles, was er ist. Die Liebe des Vaters zum Sohn fließt, weil wir zum Sohn gehören und Teil vom Leib Christi sind. Diese Liebe fließt auch in unser Leben.
Wir können uns als Personen ruhig zurücknehmen, denn wir sind alles in Christus. Weil er der Auserwählte ist und der Vater ihn liebt, teilen wir diese Liebe und sind selbst auch die Auserwählten.
Gottseligkeit als Ausdruck des geistlichen Lebens
Ich hatte zwei Begriffe genannt: Der erste ist der Begriff „Auserwählter“, der zweite ist „Gottseligkeit“. Schauen wir noch einmal hier: Paulus wird als Knecht Gottes und darüber hinaus als Apostel Jesu Christi bezeichnet, für den Glauben der Auserwählten Gottes und für die Erkenntnis der Wahrheit, die zur Gottseligkeit führt. Oder wie es in der Elberfelder Übersetzung heißt: „die gemäß der Gottseligkeit ist“.
Den Begriff Gottseligkeit kann man schwer fassen, wenn man ihn nicht erklärt bekommt. Ich möchte ihn euch ganz einfach erklären. Gottseligkeit ist das, was übrig bleibt, wenn ich das Leben eines Heiden vom Leben eines Christen abziehe. Das ist eine einfache Subtraktion. Du nimmst das Leben eines Christen und ziehst das komplette Leben eines Heiden ab. Was übrig bleibt, ist Gottseligkeit. Versteht ihr mich?
Zum Beispiel: Ich frühstücke, er frühstückt – das fällt raus. Ich gehe aufs Klo, er geht aufs Klo – das fällt raus. Ich lese die Bibel, er liest sie nicht – das bleibt drin. Das heißt, alles, was auf ganz praktische und nachvollziehbare Weise mein Leben als Christ ausmacht – Bibellesen, Beten, Evangelisieren, bestimmte gute Werke, Gottesdienste feiern, Fasten, Ruhetag – das, was wir geistliches Leben nennen, genau das ist Gottseligkeit. Es ist die ganz praktische Seite deiner Beziehung zu Gott.
An anderer Stelle, in 1. Timotheus 4, sagt Paulus: „Übe dich aber zur Gottseligkeit.“ Er fordert dazu auf, diese geistlichen Disziplinen zu trainieren. Paulus sagt also: Mein Auftrag ist es, gläubigen Menschen den Glauben nahezubringen. Mein Auftrag ist es auch, dass Christen verstehen, wie man auf eine möglichst intelligente Weise mit Gott lebt.
Der Auftrag zur Jüngerschaft und geistlichen Reife
Und da sind wir beim Missionsauftrag. In Matthäus 28, ab Vers 19 heißt es: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Und was kommt dann? „Und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe.“
Es geht also im geistlichen Leben wirklich darum, dass Menschen nicht nur getauft werden oder gläubig werden. Es geht nicht nur darum, sich eine Kette mit einem Kreuz zu kaufen und dann ist alles gut. Vielmehr geht es darum, dass wir über Jahre und Jahrzehnte immer weiter hineinwachsen in eine Glaubensbeziehung. Diese Beziehung prägt uns mehr und mehr und verändert uns immer mehr in das Bild Christi.
Ich bin dafür, dass ihr Bibelverse auswendig lernt. Zum Beispiel 2. Korinther 3,18. Wer an der Stelle ist, sollte sich den Vers unbedingt mitschreiben und auswendig lernen. Dort steht nämlich: „Wir schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Geist geschieht.“
Und der Geist wird sogar „Herr“ genannt, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht – ein ganz spannender Punkt.
Das war’s für heute. Mein Tipp: Lies das Kapitel im Titusbrief, das heute dran war, noch einmal in Ruhe durch. Lass dich von Gottes Geist inspirieren.
In der nächsten Episode geht es mit dem Titusbrief weiter. Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.