Herr, du gibst uns in deinem Wort eine so klare Weisung, dass wir nur danken und dich loben können. Du schenkst uns die gewisse Hoffnung auf ewiges Leben.
Wir gehen jetzt aus diesem Tag heraus, erfüllt mit allem, was uns heute beschäftigt hat. Es gab so viele Probleme und Schwierigkeiten. Gleichzeitig haben wir immer wieder unsere eigene Unzulänglichkeit gespürt.
Darum wollen wir, dass du uns durch dein Wort veränderst und durch uns hindurch wirkst. Wir wünschen uns sehr, dass unser Leben etwas für dich ausstrahlt und dass Frucht sichtbar wird.
Gib uns heute Abend durch dein Wort ganz neue und tiefe Erkenntnisse. Amen.
Einführung in prophetische Bilder und das Gleichnis vom unbrauchbaren Rebholz
Wir haben prophetische Aussagen, die sich auf verschiedene Weise durch die Schrift ziehen. Letztes Mal haben wir über das neue Herz gesprochen, ein sehr wichtiges Bild aus dem Buch Hesekiel. Dort heißt es: „Ich will ihnen das steinerne Herz wegnehmen und ihnen ein neues Herz geben.“ Dieses Bild wird auch im Neuen Bund erfüllt.
Heute möchte ich auf ein weiteres prophetisches Bild eingehen, das im Buch Hesekiel zu finden ist. Wenn Sie das Buch aufschlagen, werden wir am Ende noch einmal darauf zurückkommen: Hesekiel 15 – das Gleichnis vom unbrauchbaren Rebholz.
Dieses Gleichnis handelt vom unbrauchbaren Rebholz. Vielleicht haben wir hier keine Holzexperten, aber jeder, der ein wenig die Landschaft kennt, weiß, dass Buchenholz als besonders hart gilt, während Tannenholz gut zu verarbeiten ist. Mit Rebholz hingegen kann man nichts anfangen. Es eignet sich weder zum Schnitzen – was zum Beispiel mit Olivenholz möglich ist – noch für andere handwerkliche Zwecke.
Das Rebholz ist absolut nutzlos. Deshalb ist es ein eindrucksvolles Bild in der Bibel: Ein Baum, der nur in eine Richtung Frucht bringen kann. Wenn er diese Aufgabe nicht erfüllt, ist sein Leben zu nichts mehr brauchbar. Dieses Bild ist sehr treffend.
Mir ist das erst kürzlich wieder bewusst geworden. Ich bin nicht in der Landwirtschaft aufgewachsen, und mein Vater war kein Weingärtner. Vielleicht wüsste ich dann noch mehr darüber. Gibt es hier jemanden, der sich mit Weinbergen auskennt? Schwester Marga, sind Sie da? Oder kann man aus den Reben, den Stöcken, noch etwas machen? Was macht man damit?
Jetzt kommt es: Man wirft sie ins Feuer. Das steht auch so in Hesekiel 15.
Dort heißt es: „Du Menschenkind, was hat das Holz des Weinstocks für einen Wert im Vergleich zu anderem Holz, das im Wald wächst? Nimmt man es und macht etwas daraus? Macht man daraus auch nur einen Pflock, an den man etwas hängen kann? Nein, man wirft es ins Feuer, damit es verzehrt wird. Wenn das Feuer seine beiden Enden verzehrt hat und die Mitte verbrannt ist, wozu soll es dann noch taugen? Siehe, als es noch unversehrt war, konnte man nichts daraus machen. Wie viel weniger kann man daraus machen, wenn es vom Feuer verzehrt und verbrannt ist?“
Daraufhin spricht Gott: „So wie ich das Holz des Weinstocks, das im Gehölz wächst, dem Feuer übergebe, so will ich auch die Einwohner Jerusalems übergeben und mein Angesicht gegen sie richten. Sie sind dem Feuer entgangen, aber das Feuer soll sie dennoch fressen. Ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich mein Angesicht gegen sie richte und das Land zur Wüste mache, weil sie die Treue gebrochen haben“, spricht Gott, der Herr.
Die Bedeutung des Weinstocks in Israel und biblische Hintergründe
Ich habe gedacht, wir gehen heute Abend mal ein Stück dem Weinstock entlang in der Bibel. Der Weinstock ist eine Pflanze, die in der Bibel eine ganz beherrschende Rolle spielt und auch gerne als Gleichnis verwendet wird. Warum ist das so?
Der Weinstock war in Israel schon von den Kananeern gepflanzt, also bevor die Israeliten aus Ägypten dort eingewandert sind. Das wissen wir aus vielen Erwähnungen, vor allem durch die Kundschafter, die damals ins Land gezogen sind und am Bach Eschkol eine Traube abgeschnitten haben. Das Bild der zwei Männer, die die Traube tragen, ist das Symbol des israelischen Tourismusministeriums. Als Kennzeichen für eine vom Tourismusministerium geprüfte Einrichtung wird die Traube so groß dargestellt wie die Personen – eine Riesentraube.
Das ist sicher nicht gemein gemeint, sondern mit der Traube ist der ganze Weinstock gemeint. So verstehe ich es jedenfalls immer. Die Kundschafter haben einen Weinstock abgeschnitten, und es muss für diese aus der Wüste kommenden Israeliten wahnsinnig gewesen sein, so etwas zu sehen. Und da hingen die Trauben dran. Sie haben die Trauben gerade so frisch gebracht und vor dem Volk in der Wüste gezeigt.
Es hat dann nicht viel gefruchtet, weil sie auch erzählten, wie bewaffnet die Städte sind. Das Volk hat dann in großem Entsetzen aufgeschrien. Das war also diese Traube der Kundschafter.
Wir wissen sogar aus den Mosebüchern sehr genau, wo in Israel die Weingebiete waren. Zum Beispiel im Sorekthal. Dort stammte auch ein anderes Früchtchen her: Delilah, die Simson verführt hat. Sie kam aus dem Sorekthal, das ein Philisterland war. Das Tal liegt von Jerusalem zur Küste hin, nicht dort, wo man heute mit der Autobahn fährt, sondern ein bisschen südlicher.
Dort war viel Weinbau. Dann haben wir Sinn. Tymna wird erwähnt, aber nicht das in der Wüste unten am Roten Meer, sondern auch dort in dieser Gegend. Besonders erwähnt wird Engedi. Engedi war die große Traubenzucht am Toten Meer und muss schon in frühester Zeit besonders fruchtbar und schön gewesen sein.
Dass der Wein für uns auch problematisch ist, wird in der Bibel ganz offen erwähnt – und zwar schon am Anfang. Schon bei Noah, jenem gesegneten Gottesmann, steht, dass er betrunken da lag. Seine Söhne kommen und sehen seine Scham. Die Söhne gehen dann weiter hinein. Über diese Situation wird in der Bibel einiges erzählt.
Man erinnert sich auch an die Geschichte von den Töchtern Lots, die ihren Vater betrunken machen, um von ihm ein Kind zu zeugen. Es ist erschütternd, wie das schon am Anfang der Bibel steht. Man ist beim Bibellesen oft schockiert, aber es ist gut, dass wir das wissen.
Der Wein als Gabe Gottes und seine ambivalente Rolle
Die große Gottesgabe des Weins wird auch im Neuen Testament dargestellt, zum Beispiel unter dem Psalm: „Du machst den Wein zur Freude des Menschenherzens.“
Die Belastung, die wir dabei empfinden, sollten wir nicht unterschätzen. Es ist gut, dass wir etwa beim Abendmahl von Anfang an alkoholfrei feiern. Damit wollen wir niemandem Probleme bereiten. Gleichzeitig möchten wir diese Not unter uns sehr ernst nehmen und auch mehr darüber sprechen.
Ich finde es immer schade, dass so viele Betroffene sagen, sie könnten mit niemandem darüber reden. Warum eigentlich nicht? Man kann erst dann darüber sprechen, wenn man gemeinsam darüber reden kann und auch Hilfestellung geben kann. Das ist etwas Schönes. Wir sind dankbar, dass es Menschen gibt, die immer wieder Unterstützung anbieten, zum Beispiel das Blaue Kreuz, das hier hilft. Aber auch in der Gemeinde soll das so sein.
Dennoch ist es eine Gefahr, davon betroffen zu sein. Trotzdem steht in der Bibel, dass das erste Wunder, das Jesus tat, die Weinvermehrung von Kana war. Es zeigt sich immer wieder, dass alle Not, die wir mit den Gaben Gottes haben, nicht aufgehoben wird. Gott kann sie dennoch heiligen und gebrauchen.
Es wäre wirklich nicht nötig gewesen, um ein schönes Fest zu feiern, würden wir heute sagen. Aber das ist ein interessanter Hinweis darauf, dass die asketische Glaubenshaltung nicht die einzige Lösung ist. Man kann immer sagen, alles sei schlecht, man solle überhaupt kein Geld ausgeben und sich möglichst von allem zurückhalten.
Die Geschichte der Hochzeit zu Kana steht ebenfalls in der Bibel. Auch dass Jesus das Abendmahl gefeiert hat, werden wir später noch einmal betrachten, besonders im Zusammenhang mit dem Bild des Weinstocks. Das regt natürlich viele zu Überlegungen an. Manche meinen, es sei sicher unvergorener Traubensaft gewesen. Aber sehen Sie, das ist mir zu sehr erzwungen.
Die symbolische Bedeutung des Weinstocks in prophetischen Texten
Der Weinstock hat eine ganz große und wichtige Bedeutung. Zuerst möchte ich Ihnen eine Stelle zeigen, die wir in der Adventszeit bereits verwendet haben, bei den Adventsverheißungen: 1. Mose 49,10-11.
Der alte, sterbende Jakob ruft seine Söhne zusammen und gibt ihnen einen Segen. Dabei wird deutlich, wie Jakob schon die ganze Geschichte seiner Nachkommen sieht. Das ist ein prophetischer Durchblick. Er sieht Juda als den Löwen von Juda. Aber keine Angst: Es ist kein gefährlicher Löwe, sondern ein junger Löwe, mit dem man spielen kann.
Ganz wichtig ist, dass für die Juden das Löwentor in Jerusalem eine große Bedeutung hat. Auch die Äthiopier, die sich als Nachkommen Salomos verstehen, haben mitten in Addis Abeba ein großes Denkmal des Löwen von Juda. Der Löwe wird dort nicht als ein reißender Löwe dargestellt, sondern als ein starker, spielerischer Löwe. Er liegt ausgestreckt, ruht, kämpft nicht und hält das Zepter in seiner Hand, wie es in Vers 10 heißt.
Er hat den Stab des Herrschers zwischen seinen Füßen. Und dann heißt es: „Bis dass der komme“ – dieses Wort hält. Es ist sehr schwierig zu übersetzen, denn das Wort „Schilo“ steht nur hier. Die meisten Sprachforscher sagen, dass Schilo eigentlich „Bis der kommt, der Rest-Held“ bedeutet. Es ist kein Titel, sondern plötzlich die Messias-Hoffnung. Der Held kommt, und ihm werden die Völker anhangen.
Übrigens ist es sehr interessant, wie die missionarische Weitung des Alten Testaments von Anfang an zeigt, dass die ganzen Weltvölker in den Segen Jakobs einbezogen sind.
Dann heißt es weiter: „Er wird seinen Esel an den Weinstock binden und seine Eselin an die edle Rebe. Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut.“ Dieses Bild ist surrealistisch, fast wie ein modernes Bild. Seine Augen sind dunkel vom Wein, und seine Zähne weiß von Milch. Das wird vom Messias gesprochen.
Sie müssen wissen, dass dies eine orientalische Redeweise ist, die von Lebensfülle spricht. Was ist zuerst das Bild? Der Esel wird an den Weinstock gebunden, und seine Eselin an die edle Rebe. Normalerweise frisst ein Esel den Weinstock ab, die Blätter, das ist klar. Doch hier ist es ein paradiesischer Zustand zwischen Natur und Tier. Nichts wird mehr passieren, man braucht keinen Zaun. Normalerweise baut man einen Zaun, damit die Tiere den Weinstock nicht abfressen.
Dann folgt ein überströmendes Bild: Festfreude, Festjubel, und das Bild der Reinigung, etwas von Reinigung. Das sind alles schon vorweisende Bilder auf den Messias und sein Erlösungswerk. Und die Fülle des Lebens.
Jesus sagt: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben und überfließende Fülle haben sollen.“ Aber nicht so, wie es die Griechen verstanden, als sinnlose Freude am Genuss der Güter. Gar nicht das, was man im Griechentum das Bachantische nennt – das Saufen und so weiter. Nein, das ist nur im Bild enthalten.
Die Schönheit: „Sie werden trunken von den Gütern deines Hauses“ heißt es im Psalm. Das ist eine übertragene Redeweise für das Sattwerden an den schönen Gaben Gottes.
All das liegt in diesem Bild. Der Wein und der Weinstock werden hier ganz anders gesehen als an anderen Stellen.
Der Weinberg als Bild für Gottes Gemeinde im Jesaja-Text
Und nun hätten wir eigentlich am Sonntag den Predigttext gehabt, wenn ich nicht den Joshua mit seinem Gemeindetag in Sichem dran genommen hätte: Jesaja 5.
Ich dachte, es wäre schön, wenn wir heute noch einmal dieses Prophetenwort aus Jesaja lesen – von dem Weinberg. Plötzlich wird der Weinberg zu einem Bild für das Volk Israel. Warum? Weil man in Israel sich unheimlich viel Mühe gab, einen Weinberg anzulegen. Das war auf diesem steinigen Boden gar nicht leicht. Die Sonne war da, aber der Boden war schlecht, und es gab viele Steine.
Wenn jemand einen Weinberg anlegte, musste er viel arbeiten. Ihr im Neckartal, Schwester Marga, ihr habt es ja noch besser, weil der Boden einigermaßen gut ist. Aber man muss auch dort wahrscheinlich viel hacken und schneiden. Der Weinberg braucht viel Arbeit, von allein geht es nicht. Ich sage immer: Die Ringelblumen im Garten wachsen von allein, oder die Stauden. Beim Weinstock muss man jedoch daran arbeiten.
Das ist ein tolles Bild für die Arbeit, die Gott mit seiner Gemeinde hat. Gott kümmert sich darum und will Frucht haben. Die Gemeinde ist nicht nur für sich da, damit sie sich amüsiert, sondern sie erwartet Frucht.
Wollan, ich will meinem lieben Freunde singen ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg:
Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe, und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben.
Er hatte auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte – aber er brachte schlechte.
Wir sehen, was alles nötig war, um einen Weinberg richtig bearbeiten zu können. Er musste entsteint werden, es musste eine Mauer gebaut werden, es musste ein Zaun gemacht werden. Man brauchte einen Turm, natürlich zum Bewachen, damit bei Nacht nichts gestohlen wird.
Dort setzte man den Wächter ein, meistens junge Burschen, die dann draußen saßen. Man sieht ja noch viele Bilder von diesen Weinbergtürmen in Israel. Das war die Kelter – meist ausgehauener Fels, in dem man die Trauben trat und den Saft gewann.
Jetzt war alles gemacht, es war eine mühevolle Arbeit, bis der Weinberg ein Stein war – und dann bringt er keine gute Frucht.
Jesaja hat das so schön dargestellt, dass er seine Zuhörer mit diesen Bildern auffordert: „Sagt doch mal, was würdet ihr mit so einem Weinberg machen?“
Nun richtet ihr Bürger zu Jerusalem, mit Männern Judas, zwischen mir und meinem Weinberg:
Was sollte man noch mehr tun in meinem Weinberg, dass ich nicht getan habe an ihm? Warum hast du denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?
Wollan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will: Sein Zaun soll weggenommen werden, damit er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, damit er zertreten werde.
Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen.
Und ich will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.
Der Weinberg des Herrn aber ist das Haus Israel, und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hängt. Er wartete auf Rechtsspruch – jetzt ist in der neuen Übersetzung das hebräische Wortspiel wunderbar aufgenommen: Er wartete auf Rechtsspruch, siehe da war Rechtsbruch; er wartete auf Gerechtigkeit, siehe da war Schlechtigkeit.
Das ist im Hebräischen ganz wunderbar – bei den Propheten oft zu finden.
Da kommt das Bild des Weinbergs als etwas, worin Gott investiert und an dem er arbeitet und sich bemüht hat, dass doch endlich Frucht herauskommen soll.
Dieses Bild vom Weinstock und vom Weinberg hatte in Israel eine ganz überragende Bedeutung. So finden wir es immer wieder in der Bibel.
Psalm 80 und die Geschichte des Weinbergs als Gottes Pflanzung
Wir schlagen jetzt den Psalm 80 auf. Dieser Psalm kommt natürlich viel öfter in der Bibel vor, aber wir wollen hier nur die Kernstellen betrachten.
Ab Vers 9 heißt es: „Du hast einen Weinstock aus Ägypten geholt, du hast die Völker vertrieben und ihn eingepflanzt.“ Es wird dargestellt, wie zuerst der Weinberg geebnet wird. Dann werden die anderen Pflanzen entfernt, und schließlich wird der kleine Setzling eingesetzt. So war die Geschichte Israels ein Bild für dieses Wunder – wie das Volk Israel an diesen Platz kam.
„Du hast vor ihm Raum gemacht und hast ihn einwurzeln lassen, sodass er das Land erfüllt hat. Berge sind mit seinem Schatten bedeckt und mit seinen Ranken die Zedern Gottes.“ In Israel wächst der Weinstock anders als bei uns. Dort lässt man ihn am Boden wachsen, damit er gleichzeitig die Feuchtigkeit im Boden hält. Die Blätter decken das ab. Man zieht ihn nur selten hoch, und dann jedenfalls nicht sehr hoch. Normalerweise kriecht er auf dem Boden entlang, und dort hängen die Trauben.
„Du hast seine Ranken ausgebreitet bis ans Meer und seine Zweige bis an den Strom. Warum hast du denn seine Mauer zerbrochen, sodass jeder seine Früchte abreißt, der vorübergeht?“ Der ganze Psalm bezieht sich auf die Verwüstung Israels, auf das Elend des zerstörten Landes. „Es haben ihn zerwühlt die wilden Säue, und die Tiere des Feldes haben ihn abgeweidet.“
„Gott Zebaoth, wende dich doch, schaue vom Himmel und sieh darein! Nimm dich dieses Weinstocks an, schütze doch, was deine Rechte gepflanzt hat.“
„Den Sohn, den du dir großgezogen hast, haben sie mit Feuer verbrannt wie Kehricht. Vor dem Thron deines Angesichts sollen sie umkommen.“ Damals war jedem in Israel klar, was mit dem Bild des Weinstocks gemeint war. Es war eine Edelpflanze, weil das so kennzeichnend für dieses heiße Land war.
Der Weinstock war übrigens auch ein ganz wichtiges Nahrungsmittel. Die Rosinen, also die getrockneten Trauben, waren sehr bedeutend und sind es auch heute noch. In Israel kann man immer wieder Angebote dafür bekommen. Sie waren ein wichtiges Nahrungsmittel und sind es weiterhin.
Das Bild vom unbrauchbaren Weinstock und seine Bedeutung für das Leben
Der Weinstock hatte eine ganz überragende Bedeutung, obwohl auch schlechte Erfahrungen mit dem Wein natürlich nicht ausblieben – wie bereits am Anfang der Bibel geschildert. Trotzdem wurde er als die Gabe Gottes erkannt, allerdings gleich im sinnbildlichen Sinn, also in dieser übertragenen Bedeutung, wie wir sie jetzt in Hesekiel 15 finden.
Dort geht es um eine ganz furchtbare Sache: Was passiert, wenn ein Weinstock keine Frucht bringt? Kann man ihn noch verbrennen? Kann man ihn nur noch abholzen? Er ist in sich sinnlos geworden. Was ist mit Frucht gemeint? Dabei geht es natürlich nicht nur darum, dass mein Leben irgendeinen Zweck erfüllen soll. Sondern, wie wir es am Sonntag schon beim Josua hatten: Ich soll Gott dienen. Wie kann ich mit meinem Leben Gott dienen? Wie kann ich mit meinem Leben etwas für Gott bewirken? Was kann das bedeuten? Das darf man ruhig bedenken! Jeder ist von Gott gesetzt, damit er Frucht bringt.
Das Thema wird in Kapitel 17 noch einmal aufgegriffen. Wenn wir in den Hesekiel hineinschauen, merken wir schnell: Wir tun uns oft schwer beim Bibellesen. Aber wenn man es systematisch angeht, ist es gar nicht so schwierig. Hesekiel spricht immer wieder das Thema des Weinstocks an und arbeitet sehr gern mit solchen Bildern.
Dabei vermischt er die Bilder auch ineinander. Das darf Sie nicht stören, wenn bei den Gleichnissen die Bilder plötzlich ineinander übergehen. So wird zuerst von einer Zeder gesprochen, von deren Spitze ein Zweig abgeschnitten und in den Boden gepflanzt wird. Und plötzlich wird daraus ein Weinstock. Solche Bildübergänge sind immer wieder möglich. Dann kommt ein Adler ins Spiel, wie es im Vers heißt: „2007 mit großen Flügeln und starken Schwingen pflanzt dieser den Weinberg.“ Dabei redet Hesekiel auch von den politischen Verwicklungen, die damals entstanden.
Für Israel war das damals eine ganz furchtbare Zeit, als das Nordreich von Samaria erobert wurde. Samaria liegt etwa dreizehn Kilometer westlich von Sichem, dem Ort, der am Sonntag in der Predigt erwähnt wurde. Samaria wurde zur Hauptstadt, die vor allem Ahab ausgebaut hat. In Sichem begann das Nordreich, und Omri, der Vater Ahabs, kaufte den Berg, auf dem Samaria liegt, während Sichem im Tal lag.
Es ist schade, dass man heute nicht hinfahren kann. Ich war trotz meiner 14 Israelreisen noch nie in Samaria. Ich hoffe immer, dass es möglich wird, etwa durch Friedensverhandlungen – aber das sieht im Moment nicht danach aus. In Samaria kann man noch den Teich besichtigen, in dem Ahabs Wagen gewaschen wurde und wo man den toten Leichnam herunterließ. Dieser Teich ist eindeutig als Teich von Samaria aus der Zeit Ahabs rekonstruierbar. Die Römer haben später viel errichtet, doch viele Dinge sind in Samaria noch sichtbar.
Als Samaria 722 v. Chr. erobert wurde und die Bürger deportiert wurden, merkten die Israeliten in Juda, dass es aus war. Das geheiligte Land war zerstört. Sie spürten etwas von diesem Weinstock, der zerbrochen wurde, den Gott einfach abschneidet und der nichts mehr wert ist. Schon damals kam die Warnung.
Bis 597 v. Chr. folgte die erste Vertreibung aus Jerusalem durch Nebukadnezar. Bei dieser ersten Gruppe, die deportiert wurde, war auch Hesekiel dabei. Er beschreibt genau diese Not des zerstörten Weinstocks in Hesekiel 17 und 15. Wir waren für Gott nicht mehr brauchbar. Jetzt hat Gott diesen Weinstock einfach abgeschnitten.
An diesem Bild konnte Hesekiel wunderbar darstellen, was die Ursache des ganzen politischen Missgeschicks war: Wir sind aus der Nähe Gottes herausgefallen, haben unsere Bestimmung verloren und unsere Aufgabe versäumt. Nun müssen wir weitergehen, ausgehend von Hesekiel 15 und 17.
Das Bild des Weinstocks im Neuen Testament und bei Jesus
Wir müssen ins Neue Testament hineingehen. Jesus hat fünf Gleichnisse vom Weinstock und vom Weinberg benutzt, die wir nicht alle behandeln wollen – von den Weingärtnern, von den bösen Weingärtnern, von den Arbeitern im Weinberg und so weiter. Das Wichtigste ist jedoch Johannes 15. Vielleicht ist es der Leuchtpunkt, dass dieses Bild hier noch einmal auftaucht. Dabei werden immer andere Seiten betont. Während zuvor der Weinstock Israel war, ist es jetzt in Johannes 15 anders.
In diesem Gleichnis, so wie Jesus es erzählt, betont er den guten Weinstock. Ich bin im Lukas, deshalb finde ich es nicht sofort, und ich habe auch noch meine Brille vergessen. Das ist also toll – wenigstens ein großer Druck heute, weil so etwas Schönes behandelt wird, und trotzdem fällt es mir schwer. Jesus sagt: „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner.“ Der wahre Weinstock, der Richtige. Er setzt das jetzt dagegen und sagt: Während das bei Israel so ausging und so furchtbar war, bin ich jetzt der richtige Weinstock.
Was Jesus an diesem Bild heraushebt, ist noch einmal all das, was Hesekiel schon genannt hat: Das Entscheidende an einem Weinstock ist nicht, dass er schöne Blätter hat. Sie haben ja zu Hause alle immer wieder Blumen, die man kauft, weil sie schön blühen. Am Weinstock ist das Blühen nicht schön, da gibt es keinen Strauß von Blüten. Und die Blätter sind manchmal auch ganz nett in der Herbstfärbung. Aber das Entscheidende am Weinstock sind nicht die Blätter, sondern dass er Frucht bringt.
Jesus sagt: Jeder, der mit mir in Verbindung ist – und damit beschreibt er das Verhältnis, das wir mit ihm haben sollen –, ist wie die Rebe, die Frucht bringt. Das ist so toll, weil dieses Bild mich schon in meinem Glaubensleben so oft getröstet hat. Eine Rebe muss nichts machen, sie braucht gar keine eigene Energie. Sie muss nur Röhre sein für das, was die Kraft des Weinstocks durch sie hindurchströmen lässt. Ich muss nur Röhre sein, damit Gott seine Gaben durch mich fließen lassen kann.
Wenn man das einmal begriffen hat, wird man auch von jedem Druck und von jedem Zwang frei. Das hat Jesus mit dem Bild so schön ausdrücken wollen: Ihr müsst nur an mir dranbleiben und euch mir so ausliefern, dass ich mit meiner Kraft in euch wirken kann. Das ist ein ganzes Geheimnis: Christus in uns, der mächtig wirkt, der uns die Worte in den Mund legt, der aus unserem Herzen herauswirkt. Wir sind eigentlich nur die, die das passiv ausführen dürfen, was er in uns hineinlegt.
Gleichzeitig ist da aber auch der Ernst, der schon in Hesekiel 15 angedeutet wurde: Die Rebe, die keine Frucht bringt, wird als nutzloses Holz abgeschnitten und verbrannt. Doch es gibt die herrliche Zusage – darüber haben wir ja schon ganze Predigten gehalten: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Hier hat Jesus es klar gesagt: Es geht gar nicht ohne mich. Aber mit mir ist alles möglich.
Ein ganz neues Bild entsteht beim Weinstock, wenn Jesus Christus in diesem Bild zu uns spricht und uns zeigt, wie er unser Leben mit seiner Gegenwart und Nähe erfüllt und wie er uns gebraucht. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts. Wer nicht in mir bleibt, wird weggeworfen wie eine Rebe, verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer – und sie müssen brennen.
Wenn ihr nun in mir bleibt und auch meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Diese ganz innige Verbindung ist doch der Höhepunkt all dessen, was je erzählt wurde.
Die Hoffnung auf den neuen Weinstock und den Messias
Wir haben noch das Bild im Hinterkopf, das Hesekiel gesehen hat, und sollten es auch jetzt nicht einfach beiseitelegen. Es ist ganz merkwürdig, dass Gott immer wieder so in seinem Volk handeln kann, dass er den Weinstock durch das Gericht hindurchführt. Er schneidet sein Volk ab, und plötzlich ist da wieder ein Weinstock, den er zu Ehren bringen kann. Aus diesem Weinstock schafft er erneut Frucht, so wie er es in seinem Volk getan hat.
Es bleibt immer wieder ein Wunder, dass an diesem Weinstock etwas wächst. Dieses Bild wurde in Israel immer wieder weitergeführt, und man achtete sehr auf den Spross im Weinstock. Da sprießt etwas Neues, und neues Leben kommt hervor. Dieses neue Leben ist das Hoffnungszeichen: Aus dem Alten entsteht etwas Neues.
Das Bild vom Spross hat eine ganz wichtige Bedeutung, denn darin wird die ganze Hoffnung auf den kommenden Messias ausgedrückt. Aus dem alten Israel kommt der Verheißene. Wir erinnern uns an Sacharja, wo es heißt: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist.“
Übrigens hat Hanna in ihrem Lobgesang so schön besungen: Der Herr tötet und macht lebendig, der Herr führt in die Hölle und wieder heraus. Oft führt uns der Herr durchs Gericht und zeigt uns, was Unnützes in unserem Leben ist. Er schneidet es ab, aber immer deshalb, weil er die Frucht aus unserem kleinen Reis hervorbringen will.
Lasst euch doch darauf vorbereiten, dass er mehr Frucht bringt. Oder wie Maria sagt: „Der Herr stürzt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.“ Es ist Gottes wunderbares Tun, dass er diese schwachen Pflänzchen wieder zu Ehren setzt und daraus viel bleibende Frucht wirken kann.
Das, was er tut, ist der Spross am alten Weinstock. Da war keine Gestalt, noch Schönheit, da war nichts, was uns gefallen hätte. Aber das, was Jesus aus dem alten Weinstock macht, das ist von großer Bedeutung. Über diesem ganzen Weinstockbild steht eine herrliche, große Hoffnung. Wir schlagen das noch einmal im Hesekiel 17,22 auf:
So spricht Gott, der Herr: „Ich will selbst von dem Wipfel der Zeder die Spitze wegnehmen und ihr einen Platz geben. Ich will oben von ihren Zweigen ein zartes Reis brechen und es auf einen hohen und erhabenen Berg pflanzen.“
Das ist schon eine Messias-Verheißung. Es ist eigentlich die schönste Messias-Verheißung im Hesekielbuch, die am Bild des Weinstocks noch einmal zeigt, dass Gott den neuen Pflanzenzweig einsetzen will. Und das wird der Weinstock sein, der dann Frucht bringt, von dem Jesus in Johannes 15 spricht.
Ich bin überzeugt, dass auch Jesus, als er sprach, viel mehr im Alten Testament lebte. Für die vielen schriftkundigen Leute war das viel verständlicher. Wir sollten die ganzen Bilder immer wieder hin und her besser verstehen.
Dieses Bild vom Spross und vom Zweig kennen wir etwa aus Jesaja 11, einer Adventsverheißung zu Weihnachten. Sie wissen es: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais.“ Isai war der Vater Davids. Das alte Davidsgeschlecht wird noch einmal Frucht tragen und einen Zweig aus seiner Wurzel hervorbringen.
Jetzt hat das Ganze noch einen anderen Zusammenhang: Damals war die erste Deportation der Bewohner Jerusalems nach Babel, und Hesekiel musste mitgehen. Die Leute waren betrübt und fragten: Was wird jetzt aus Jerusalem? Hesekiel musste ankündigen, dass die Herrlichkeit Gottes aus dem Tempel ausgewandert war. Es würde alles zerstört werden, es bliebe nichts.
Nun kam die schreckliche babylonische Gefangenschaft. Die große Enttäuschung war König Zedekia, dem König von Juda. Er war ein Nachfolger Davids, der Gesalbte, aber an ihm zeigte sich nur Gottlosigkeit. Das Volk Israel zerbrach. Hesekiel sagt: Da kommt noch einmal ein anderer Spross. Das alte Haus wird weg, und aus dem Spross wird ein neuer gepflanzt.
Darum war es so wichtig, dass es wieder auf die Wurzel Davids zurückgeht bei der Geburt Jesu. Aus der alten Wurzel Jesse – Jesse ist die griechische Form, so heißt es im Neuen Testament, Isai genannt – wird ein Reis hervorgehen.
Ich bin nicht so bewandert in der Forstwirtschaft, aber es heißt, aus dem Strunk wächst noch einmal ein Reis heraus. Das ist der abgehauene Weinstock, aus dem neues Wachstum entsteht.
Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn: der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.
Die Propheten konnten das nur bruchstückhaft sehen. Die Bilder gehen ineinander über, und doch haben sie uns wesentliche Dinge gezeigt. Diese gehören zu den größten Offenbarungen unseres Glaubens: Durch die schrecklichen Abläufe der Geschichte wird nur eines geschehen: Dieser neue Weinstock Gottes wird sichtbar werden, an dem wir eingepflanzt sind.
Dazu gehören wir, zu seiner neuen Gemeinde, und wir dürfen uns freuen, dass wir hineingenommen sind.
Der Weinstock als Symbol im Neuen Testament und beim Abendmahl
Das Letzte noch: Sonst wird bei Jesus sehr oft der Ölbaum als Bild verwendet, ebenso der Feigenbaum. Auch der Weinstock hat eine ganz hervorragende Bedeutung.
Als Jesus das Abendmahl feierte, sagte er, dass er nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken werde, bis er neu mit uns in der Herrlichkeit trinken werde. So ist der Weinstock natürlich ganz besonders ein Symbol für die große Zusage Jesu beim Abendmahl geworden.
Darin spiegelt sich auch die Messiaserwartung aus 1. Mose 49, dem Jakobssegen, wider, ebenso die Reinigung und die Festesfreude, die eigentlich damit verbunden sein sollte. Für uns ist es immer ein ganz wichtiges Zeichen.
Wir denken auch daran, wenn noch Ältere unter uns sind, die die alte Ludwig-Hofacker-Kirche gekannt haben. Ich selbst habe sie nicht gekannt. Dort gab es unten am Altar oder über dem Altar ein Bild vom Weinstock und von den Reben. Das kommt daher und hat seine Bedeutung.
Es geht also nicht nur um Johannes 15. Plötzlich hängt alles miteinander zusammen. Aus diesen Bildern hat Jesus seine neue Offenbarung uns mitteilen können. Ich hoffe, dass dieses Bild oft ermutigt und tröstet – nicht nur, dass die Reben abgeschnitten werden, sondern dass es den neuen Weinstock gibt, an dem und in den wir hineingepflanzt sind.
