Warum dürfen wir Sünde bei Geschwistern nicht einfach ignorieren? Fünf theologische Gründe, die dich im Glauben wachsen lassen.
Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag. Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um Schuld und Ertragen.
Diese Woche behandeln wir ein schwieriges Thema: Sünde in der Gemeinde ansprechen. Es geht um die Gründe, warum es wichtig ist, die Augen nicht vor der Sünde von Geschwistern in der Gemeinde zu verschließen.
Die Bedeutung von Liebe im Umgang mit Sünde
Ein erster Aspekt war die Liebe. Ich liebe die Geschwister, wenn ich bereit bin, ihnen zu dienen und sie auf Fehler in ihrem Leben hinzuweisen. Es ist ein Mangel an Liebe, wenn ich dazu nicht bereit bin.
In diesem Zusammenhang haben wir uns 3. Mose 19,17 angeschaut. Ich lese den Vers noch einmal vor:
„Du sollst deinen Bruder in deinem Herzen nicht hassen. Du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld trägst.“
Mein erster Grund, Sünde anzusprechen, war die Liebe.
Schuld vermeiden durch verantwortliches Handeln
Mein zweiter Punkt ist die Schuld, damit du nicht seiner wegen Schuld trägst. Wir werden einander schuldig, wenn wir nichts sagen.
Konfrontation ist nicht nur ein Akt der Liebe, sondern auch ein Akt des Gehorsams. Gehorsam gegenüber dem, was unser Herr Jesus uns aufgetragen hat.
Hören wir ihn selbst: Matthäus 18,15: „Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin und überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen.“
Das ist es, was der Herr Jesus von uns erwartet: dass wir bei Sünde hingehen und mit dem sprechen, von dem wir wenigstens denken, dass er gesündigt hat.
Der richtige Umgang mit Sünde in der Gemeinde
Das erklärt noch nicht vollständig, warum wir hingehen sollen, aber es macht deutlich, dass wir hingehen sollen.
Matthäus 18 zeigt auch, wie wir hingehen sollen – nämlich zunächst allein. Über Sünde spricht man zuerst unter vier Augen. Wenn das nichts bringt, holt man sich Hilfe und geht noch einmal mit anderen hin. Erst ganz zum Schluss bringt man grobe Sünde vor die Gemeinde.
Warum sage ich „grobe Sünde“ und nicht einfach „Sünde“? Weil wir nicht alles ansprechen müssen, was Sünde ist. Wir dürfen einander auch ertragen.
So heißt es in Kolosser 3,13: „Ertragt einander und vergebt euch gegenseitig, wenn einer Klage gegen den anderen hat, wie auch der Herr euch vergeben hat, so auch ihr.“
Die Grenzen des Ertragens in der Gemeinschaft
Ich verstehe die Stelle so, dass ich nicht jede Sünde ansprechen muss. Im Umgang mit Geschwistern gibt es für mich einen Spielraum des Ertragens. Allerdings ist dieser Spielraum nicht unendlich.
Mir scheinen dabei zwei Größen von Wichtigkeit zu sein. Erstens: Ich darf nicht ertragen, was den anderen zerstört. Wenn ich wüsste, dass eine gute Freundin ein aussereheliches Verhältnis hat, darf ich mir nicht einreden, dass sie schon selbst weiß, wie falsch das ist. Grobe Sünde, wie sie in 1. Korinther 5,11 beschrieben wird – also Dinge wie Unzucht, Habsucht, Götzendienst, Lästerei, Trunksucht, Diebstahl und Ähnliches – darf ich nicht ertragen, weil sie zerstörerisch sind. Aus Liebe darf ich nicht ertragen, was meine Geschwister zerstört.
Zweitens: Ich darf nicht ertragen, was ich nicht tragen kann. Das ist eigentlich logisch, oder? Wenn mir ein Fehlverhalten immer wieder aufstößt, weil ich es persönlich als irgendwie arg empfinde, dann geht Ertragen nicht mehr. An dieser Stelle dürfen wir ganz persönlich supersubjektiv empfinden.
Ein Beispiel: Würde mich jemand an drei Sonntagen hintereinander nach meiner Predigt immer wieder kritisch auf die Predigt ansprechen, würde ich mich spätestens am vierten Sonntag wehren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Person, die mich anspricht, Recht hat. Für mich persönlich ist so ein Umgang einfach nur sehr entmutigend – vor allem, wenn ich die Predigt live halte und gerade alles gegeben habe, was ich hatte.
Ich muss da nicht wie ein Schwamm drüber leben, wenn ich merke, dass mich etwas von innen heraus auffrisst und ich langsam grollig werde. Wenn ich mich deshalb womöglich zurückziehe, ist das nicht nötig.
Unterstützung suchen bei schwierigen Gesprächen
Jürgen, ich verstehe das mit dem Hingehen. Aber was mache ich, wenn ich mich nicht traue?
Gute Frage. Es gibt Situationen, in denen man sich nicht traut, alleine hinzugehen. Und dann braucht man Unterstützung. Hör dir mal diese Verse an: Philippa Kapitel 4, die Verse 2 und 3.
„Die Evodia ermahne ich und die Syntyche ermahne ich, dieselbe Gesinnung zu haben im Herrn. Ja, ich bitte auch dich, mein rechter Gefährte, stehe ihnen bei.“
Worum geht es hier? Hier liegen zwei Frauen, nämlich Evodia und Syntyche, miteinander im Clinch. Einen Vers später heißt es über die beiden, dass sie zusammen mit Paulus das Evangelium in Mazedonien bekannt gemacht haben. Sie waren also Christinnen der ersten Stunde, aber jetzt waren sie nicht mehr auf einer Linie miteinander.
Paulus bittet einen rechten Gefährten – wir wissen nicht, wen er damit meint – einen Dritten, den beiden Frauen zu helfen. Daraus leite ich einen Tipp ab: Bei Streitthemen zwischen zwei Parteien kann ein Vermittler, jemand, der beisteht, eine große Hilfe sein.
Wenn du dich also bei konkreter Sünde nicht traust hinzugehen, dann such dir Unterstützung. Damit meine ich nicht, dass du erst mit ganz vielen Leuten in der Gemeinde reden sollst, bevor du mit der betroffenen Person sprichst. Was ich meine, ist Folgendes:
Wenn es dir schwerfällt, eine Sünde anzusprechen, lass dir von einem Dritten helfen. Von jemandem, der mutiger ist, ausgeglichener, mehr Erfahrung mit so etwas hat oder die betroffene Person besser kennt.
Bevor du also bei Sünden nicht hingehst, weil du dich nicht traust, überlege, ob es eine Person geben könnte, die dich begleitet.
Nachfolge als Gehorsam und Ausdruck von Liebe
Das ist wichtig, weil unser Herr Jesus möchte, dass wir Sünde ansprechen – nicht nur aus Liebe, sondern auch aus Gehorsam gegenüber seinem Wort. So heißt es in Lukas 17,3: „Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zu Recht.“
Das ist es, was der Herr Jesus sich wünscht. Wir tun das jetzt nicht nur, weil wir die Geschwister lieben, sondern weil wir Nachfolger Jesu sind. Wir wissen, dass Sünde die Macht hat, ein Leben zu zerstören. Deshalb nehmen wir Sünde nicht auf die leichte Schulter – weder in unserem eigenen Leben noch im Leben der Geschwister.
Wir wollen nicht schuldig werden am geistlichen Untergang von Menschen, die wir lieben. Der Herr Jesus hat uns beauftragt, Sünde anzusprechen. Deshalb werden wir es tun.
Persönliche Reflexion und Einladung zur Umkehr
Was könntest du jetzt tun? Du könntest darüber nachdenken, ob du Buße tun musst. Bist du in der Vergangenheit schuldig geworden, weil du Sünde nicht angesprochen hast?
Das war es für heute. Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.