Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Povileit.
Unser Podcast möchte dazu anregen, praktisch als Christ zu leben und zugleich zum theologischen Nachdenken herausfordern.
Passiert es heute noch, dass jemand aus einer Gemeinde ausgeschlossen wird? Man hört doch immer wieder: Gott ist die Liebe, und wir sollen nicht richten. Haben wir deshalb überhaupt die Bibel auf unserer Seite, wenn wir zu jemandem sagen müssten: „Komm nicht mehr in die Gemeinde!“?
Falls wir uns auf die Bibel berufen können, was muss dann passiert sein, damit man jemanden aus der Gemeinde ausschließt? Darum soll es heute gehen.
Thomas, gibt es auch bei uns in der Gemeinde Fälle, in denen Christen ausgeschlossen werden können?
Ja, das kommt tatsächlich vor – relativ selten, aber es kommt vor.
Wie darf ich mir das dann vorstellen? Dürfen die Betroffenen dann nicht mehr zur Tür rein, oder wie läuft das ab?
Die Frage ist natürlich, welche Art von Gemeindeausschluss gemeint ist. Es kann verschiedene Stufen geben. Manchmal kann man noch zum Gottesdienst kommen, ist aber kein Gemeindemitglied mehr. Man kann nicht mehr mitarbeiten oder mitgestalten und an Abendmahlsfeiern ganz sicher nicht mehr teilnehmen, wenn man aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde.
In der Regel ist es bei uns so, dass man jemandem dann sagt: „Bitte komm nicht mehr zur Gemeinde.“ Das ist die Regel.
Wobei dem meistens schon eine längere Geschichte vorausgegangen ist. Es wird also nicht einfach so gemacht.
Wie kann so etwas denn aussehen? Auf jeden Fall.
In der Regel beginnt es damit, dass jemand, der mit Jesus unterwegs ist, bewusst wieder in der Sünde lebt. Dabei spreche ich nicht nur von Versuchungen, schwachen Stunden oder temporären Rückfällen, sondern von jemandem, der ganz bewusst einen sündigen Weg einschlägt.
Das ist interessant, denn wir haben auch eine Hörerfrage beziehungsweise eine E-Mail mit mehreren Fragen zu dem Thema erhalten. Darin wurde unter anderem gefragt, wann Gemeindezucht – ein anderes Wort dafür – angewendet wird. Zum Beispiel, ob das auch bei einer einmaligen Sache der Fall sein kann, wenn jemand Buße getan hat.
Wenn ich dich so höre, sagst du, dass es nicht um Versuchungen, schwache Stunden oder Rückfälle geht, sondern dass es schon etwas Permanentes sein muss, bevor der Prozess in Gang kommt. Stimmt das?
Richtig. Wenn jemand Buße über seine Schuld getan hat und umgekehrt ist, dann greift die korrigierende Gemeindeseelsorge oder Gemeindezucht natürlich nicht. Anders sieht es aus, wenn jemand an seinem Weg festhält.
Du hast zu Recht gefragt, was hier mit „sündiger Weg“ gemeint ist. Die Bibel macht das konkret. Zum Beispiel zählt Paulus in 1. Korinther 5 mögliche Gründe für einen Ausschluss auf. Er spricht von Geizigen, also Menschen, bei denen allein das Geld die Entscheidungsgrundlage ist. In meiner Übersetzung steht „Habsüchtige“. Das Geld wird zum Sicherheitsanker.
Dann spricht Paulus von Götzendienern, also Menschen, die sich um irgendetwas drehen und es verehren, aber nicht um Jesus. Weiter nennt er Alkoholprobleme, also wenn jemand wirklich daran festhält und nicht nur zwischendurch Probleme hat oder sie versteckt. Natürlich spricht Paulus auch von sexuellen Sünden.
Der Ausgangspunkt in 1. Korinther 5 ist ja, dass jemand mit der Frau seines Vaters zusammenlebt oder Ähnliches. Ganz genau wird es nicht beschrieben, aber heute wäre es auf jeden Fall sexuelle Sünde, wenn man unverheiratet mit jemandem ins Bett steigt.
In 2. Thessalonicher 3 nennt Paulus auch ein unordentliches Leben als Ausschlussgrund. Wörtlich heißt es sogar „a-taktisches“ Leben, also ein Leben, das aus dem Takt geraten ist. Da muss man aber aufpassen, sonst müsste ja jeder Teenager ausgeschlossen werden, wenn er sein Zimmer nicht aufräumt. Das ist natürlich nicht gemeint.
Vielmehr sind hier Menschen gemeint, die nicht arbeiten wollen. Im Thessalonicherbrief geht es um Leute, die anderen bewusst auf der Tasche liegen und nicht mehr daran denken zu arbeiten. Dabei ist es entscheidend, dass sie es nicht wollen, nicht, dass sie es nicht können. Wer arbeitslos ist und keine Stelle findet, ist nicht gemeint.
Paulus sagt, dass dies ein Grund für Gemeindezucht ist.
Auch Parteiungen sind ein Grund für den Ausschluss aus der Gemeinde. Wenn in der Gemeinde Fraktionen gebildet werden und eine Fraktion gegen die andere angestachelt wird, kann das zu einem Ausschluss führen.
Wo haben wir das? Man hört das manchmal bei theologischen Diskussionen. Steht das schon in der Schrift? Ich glaube, das steht in 1. Korinther 5.
Genau. Auch Irrlehre wird genannt. Wenn jemand Irrlehre in die Gemeinde hineinbringt und verbreitet, ist das ein Grund für Gemeindezucht.
Im 1. Timotheusbrief zum Beispiel werden Hymenäus und Alexander erwähnt, die Irrlehren verbreiten. Im Titusbrief wird ebenfalls von Spaltungen gesprochen. Dort werden solche Menschen ein- oder zweimal zurechtgewiesen.
Das Wort Parteiungen kommt auch bewusst so vor: „Ich mache Parteien auf“, „Ich mache Irrlehre auf“. Das sind alles sündige Wege, die die Bibel nennt und die unter das Thema Gemeindezucht fallen.
Das heißt: Einmal moralische Dinge wie sexuelle Sünden oder Habsucht, dann das faule Leben, also das Nichtarbeitenwollen, das Nichtversorgenwollen, Götzendienst, Irrlehre und zwischenmenschliche Dinge.
In Matthäus 18 geht es ja auch um Streitigkeiten zwischen Brüdern, bei denen Sünde vorliegt, aber keine Buße erfolgt, trotz mehrmaliger Ermahnung. Das Entscheidende ist, dass sich die Sünde verfestigt und keine Bereitschaft besteht, vergeben und aufeinander zuzugehen.
Das ist eine ganz wesentliche Stelle, die du da nennst. Sie ist sozusagen die Schlüsselstelle. Ich würde sie gerne mal lesen: Matthäus 18, Vers 15, da heißt es...
Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin und überführe ihn unter vier Augen, also zwischen dir und ihm allein. Das ist zunächst einmal das Gespräch. Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen.
Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Mund Zeugen jede Sache bestätigt wird. Wenn er auch auf sie nicht hören wird, so sage es der Gemeinde.
Wenn er aber auch auf die Gemeinde nicht hören wird, so sei er dir wie ein Heide und Zöllner.
Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr etwas auf der Erde bindet, wird es im Himmel gebunden sein. Und wenn ihr etwas auf der Erde löst, wird es im Himmel gelöst sein.
Wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen, irgendeine Sache zu erbitten, so wird sie ihnen von meinem Vater, der in den Himmeln ist, gegeben werden. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.
Also, wenn ich es mal kurz zusammenfasse: Wenn jemand sündigt – und wie bereits gesagt, hier ist sehr bewusst das Sündigen gemeint – dann ist es zunächst einmal wichtig, ein Vieraugengespräch zu suchen. Ich plädiere dafür, es genau so zu machen, wie es hier steht: Gehe hin und überführe ihn.
Ich glaube, dass eine E-Mail zu schreiben hier der falsche Weg ist. Zwar ist das schon eine Auslegung, weil es damals keine E-Mails gab. Aber ich denke, es ist absolut richtig, persönlich hinzugehen und mit ihm zu reden.
Ich muss ihm auch die Konsequenzen seines Handelns aufzeigen und ihn natürlich auffordern, von diesem falschen Weg umzukehren. Dabei muss ich ihm Zeit lassen.
Es ist mir ganz wichtig geworden, auch in der Offenbarung ist es so, in den Sendschreiben, dass Gott manchmal sagt: „Und ich ließ ihr Zeit.“ Ja, ich muss dem anderen Zeit lassen, damit er das Gespräch verarbeiten und wirklich umkehren kann.
Ich möchte jetzt noch kurz etwas aus der E-Mail ansprechen. Zum Beispiel war die Frage, welche Sünden vor der ganzen Gemeinde bekannt werden sollen oder müssen. Gibt es hier überhaupt eine Pflicht dazu? Du hast das ja eigentlich schon verneint. Richtig, ich muss natürlich sagen können, warum wir jemanden ausschließen. Aber das muss ich nicht bis ins Detail ausführen. Vor allem, wenn es in der Anfangsphase bereinigt wird, muss das keiner erfahren.
Es gab noch eine zweite Frage, die ich vielleicht noch dazulesen sollte, damit man das besser versteht. Gilt das Motto „Strafe muss sein“, zum Beispiel bei Sünden wie einmaligem sexuellem Fehlverhalten, mit dem Ziel, andere Geschwister vor dieser Sünde abzuschrecken? Das hieße ja: einmal sündigen, dann Buße tun. Dazu gibt es noch eine weitere Frage, die ich gleich auch noch anlese.
Wie ist damit umzugehen, wenn es um eine Sünde geht, die viele Menschen auch außerhalb der Gemeinde mitbekommen haben? Eine etwas andere Fallkonstellation. Mal angenommen, die Person zeigt Reue und hat Buße getan. Darf die Gemeinde sie dann weiterhin züchtigen? Eindeutig nein. Das zeigt die Stelle in Matthäus 18 ganz deutlich. Wenn jemand umkehrt, dann ist er umgekehrt.
Es geht hier nicht um Korrektur im Sinne von Strafe, Rache oder Machtspielen. So lautet ja auch die Überschrift des Podcasts. Es gibt auch Gemeinden, in denen Machtspiele über solche Dinge laufen, wo Kleinigkeiten herausgepickt werden. Selbst wenn der Betroffene nach „Kreuz“ kriecht – im Bild gesprochen – und nach Canossa geht oder welche Bilder es dafür auch immer gibt, wird trotzdem ein Verfahren gegen ihn geführt. Das ist nicht der Sinn.
Sobald Buße da ist, hört das auf. Dann muss es auch nicht weiterverbreitet werden. Vielleicht ausgenommen beim Ältesten, der ja extra geschützt ist. Dort heißt es, eine Klage nur anzunehmen, wenn zwei oder drei Zeugen vorhanden sind, damit andere abgeschreckt werden. Aber ich denke, das betrifft vor allem die Führungspersonen in der Gemeinde. Da kann man vielleicht eine etwas andere Messlatte anlegen, ohne jede Verfehlung gleich öffentlich zu machen.
Ein Beispiel: Jörg war aufbrausend im Leitungskreis und hat sofort vor der Gemeinde am Sonntag Buße getan. So etwas habe ich schon gehört, dass Leitungskreise sonntags mal Buße tun für etwas, das unter der Woche passiert ist. Aber gut, ich komme zurück zum Thema.
Ganz klar gilt erst einmal das persönliche Gespräch. Es geht nicht darum, jemanden fertigzumachen, sondern immer liebevoll jemanden zu korrigieren und wieder auf den Weg zu Gott zu bringen. Das ist die Hauptsache.
In Galater 6,1 geht es ja auch um Irrlehren in der Gemeinde. Paulus sagt dort eindeutig: „Weist einen, der im Geist der Sanftmut irrt, zurecht und achtet dabei auf euch selbst, damit ihr nicht auch versucht werdet.“ Das bedeutet, man soll nicht hochmütig sein und denken, man sei besser, nur weil bei einem selbst das Problem nicht aufgetreten ist. Man muss sich bewusst sein, dass man selbst auch fallen kann. Trotzdem ist es die Verantwortung, die Sache anzusprechen.
Jetzt sind wir in diesem Prozess drin. Das war ein kleiner Exkurs, um die Haltung zu zeigen und wozu das alles dient. Nun spricht eine Person mit einer anderen, und derjenige lässt sich nichts sagen. Wenn er sich etwas sagen lässt, ist die Sache ja sowieso in Ordnung, da brauchen wir nicht weiter darüber zu reden.
Aber was ist, wenn er sagt: „Nein, ich sehe überhaupt nichts“? Dann sagt Matthäus ja, man soll das Gespräch unter sechs oder sogar acht Augen suchen. Derjenige soll merken, dass es wirklich ernst ist. Uns ist es wirklich ernst. Zum Beispiel, wenn ich sage: „Deine Sicherheit suchst du nur im Geld, du suchst sie nicht mehr bei Jesus.“ Dann ist das eine Sünde, und das ist nicht nur meine Privatmeinung. Andere Geschwister sehen das durchaus auch so.
Das heißt, man verstärkt die Aussage noch einmal. In der Regel ist es so, dass bei diesem Gespräch ein Ältester der Gemeinde dabei ist, weil sie die Aufgabe haben, die Gemeinde in solchen Phasen zu ermahnen. Das sollte wirklich eine Mitverantwortung eines Ältesten sein.
Das finde ich nicht schlecht, denn ansonsten könnte man ja irgendeinen nehmen, der sowieso immer sagt, was man hören möchte. Das wäre dem Frieden nicht dienlich. Die Ältesten sollen ja die Herde im Blick haben. Es sollten auf jeden Fall Persönlichkeiten sein, die nicht immer nur das sagen, was andere hören wollen.
Es geht immer um Versöhnung in dem Ganzen. Ich denke, was an diesem Vorgehen sehr klug ist, wie die Bibel es von uns fordert, ist, dass wirklich andere Sichtweisen dazukommen müssen. Das, was ich behaupte – zum Beispiel das mit dem Geld –, ist ja eindeutig in der Bibel festgelegt: Wer habgierig ist, den kann man aus der Gemeinde weisen.
Aber wie weist man so etwas nach? Ich sage das. In der Praxis ist es oft so: Der hat das größere Haus von uns beiden, also ist er eher der Habgier verfallen. Der Älteste kommt dazu, wohnt in einer kleinen Mietwohnung und sagt: „Ja, dein Haus ist aber auch groß.“ Für ihn sind es andere Punkte.
Zum Beispiel, wenn jemand Aktien kauft – wir sind gerade in einem guten Aufschwung – und er leiht sich Geld aus der Gemeinde, um Aktien auf Pump zu kaufen. Warum? Um einen noch größeren Gewinn zu machen und dann das Geld zurückzuzahlen, aber den Gewinn mitzunehmen. Wenn diese Sache dann plötzlich nicht mehr aufgeht, ist das problematisch.
Oder jemand lebt massiv über seine Verhältnisse. Gut, der Geizige wird jetzt vielleicht nicht über seine Verhältnisse leben, aber da würden Leute, die eigentlich ein Stück weit von ihm abhängig sind, gar nichts von ihm bekommen, weil er alles für sich hortet.
Es ist schwer, aber nicht unmöglich, an gewissen Punkten wirklich zu sagen: Hier ist jemand habgierig. Was ich auf jeden Fall für falsch halte, ist, wegen irgendwelcher kleiner Vergehen gegen die Gemeindeordnung ein Verfahren einzuleiten, nur um Ärger zu machen.
Es müssen schon gewichtige Dinge sein, die auch andere Brüder in der Verantwortung – also die Ältesten – so sehen können. Es ist nicht einfach nur eine persönliche Meinung. Und es muss auf jeden Fall von der Bibel gestützt sein.
Wir waren beim Thema Liebe, und dass es Liebe ist, wenn man dieses Gespräch führt. Es klingt aber erst einmal so, als denke man gleich schon ans Ende. Das sollte man, glaube ich, in diesem Prozess nicht tun. Man sollte immer erst einmal versuchen, Versöhnung zu suchen.
Es ist tatsächlich so, dass der eine oder andere es nicht so sehen wird, das verstehe ich schon. Aber wenn ich jemanden auf einen Abgrund zulaufen lasse – im praktischen Leben – und nicht sage: „Pass auf, was du tust!“ oder auch in anderen Lebensbezügen, dann ist es vielleicht für mich bequemer zu sagen: „Da stecke ich meine Nase nicht rein, weil ich eventuell nur als der Verlierer rausgehen kann.“
Aber es ist Liebe zu sagen: „Hey, du bist mir nicht egal.“ Das ist mir wichtig, dir zu sagen: „Hier bist du auf einem verkehrten Weg unterwegs.“ Und ich würde es auch nicht nur am Gemeindemitglied festmachen. Ich höre manchmal, dass Leute sagen: „Naja, ich bin kein Gemeindemitglied, also betrifft mich das ja nicht.“
Aber wenn jemand regelmäßig über längere Zeit in die Gemeinde kommt und man merkt, dass das, was er lebt, wirklich schief läuft, dann ist es doch Ausdruck von Liebe, auch ihm nachzugehen und zu sagen: „Du, das ist nicht in Ordnung, was du machst.“ Man sollte es nicht nur an der Position auf einer Liste festmachen.
Jetzt würde mancher aber erwidern: „Na ja, ich gehe jetzt in die Gemeinde, aber das ist mein Privatleben, das geht dich gar nichts an. Und dann bringst du mir da noch einen zweiten mit dazu, und am Ende willst du es sogar vor die Gemeinde bringen.“ Das steht ja in Matthäus 18, dass das der letzte Schritt in diesem Prozess ist.
Was würde man dazu sagen? Ich glaube, dass das ein Argument ist, das man durchaus in der Praxis hört. Das ist nicht theoretisch, was du da sagst. Da würde ich sagen: Natürlich ist das ein Eingriff in deine Privatsphäre. Da müssen wir gar nicht drumherum reden. Aber es ist ein sehr wichtiger Eingriff, weil dein geistliches Leben krank ist und in Gefahr steht, wegzubrechen.
Oder wenn du zum Beispiel auf andere Lehren abfährst, über die Gott nur den Kopf schütteln kann. Oder ganz praktisch: Der andere ist jetzt über beide Ohren verliebt und hat vergessen, dass Gott sagt: „Heirate nie einen Nichtchristen. Nie, nie, nie, nie!“ Dann muss Gott manchmal auch seine Leute benutzen, die dieses „Nie, nie, nie, nie“ im Grunde genommen auch verstärken – auch wenn er noch so nett ist, noch so schön aussieht und noch so intelligent ist.
All diese Dinge sagt Gott mir ja nicht, weil er mich ärgern will und denkt: „Wie kann ich den Thomas jetzt am besten ärgern?“, sondern gerade weil er mich liebt und weil ich ihm wichtig bin. Deshalb benutzt Gott auch andere Kinder seiner Kinder aus der Gemeinde, um mich eben zu korrigieren.
Aber vielleicht noch einmal als Klammerbemerkung: Es gibt natürlich auch Dinge, da hat der andere Recht, die gehen mich gar nichts an. Wenn ich zum Beispiel frage: „Warum kaufst du das Auto mit der und der Marke? Wir sind doch in Stuttgart, hier fährt doch jeder einen Stern!“ – das geht mich überhaupt nichts an.
Oder welchen Beruf jemand ausübt oder welchen Christen er letztendlich heiratet – ja. Ich kann meine Meinung dazu kundtun, aber ich kann nicht sagen: „Das geht jetzt gar nicht“, wenn es in biblischen Linien einfach läuft.
Ich war schon am Sprung hier. Genau, es gibt Dinge, die sind Sünde, die muss man auch Sünde nennen. Aber es gibt Dinge, die sind eindeutig keine Sünde, sondern eine bestimmte Meinung oder ein bestimmter Lebensstil. Wenn ich dann sage: „Geblümte Kleider werden hier nicht getragen“, das ist natürlich Quatsch.
Da gibt es aber Gemeinden, die das so sehen. Das mag sein, aber da habe ich keine biblische Grundlage. Ich weiß nicht, ob deswegen schon einmal Gemeindezucht geübt wurde, aber ich könnte es mir fast vorstellen. Mag sein, aber wir reden ja über unsere Gemeinde hier.
Also ich würde mich wirklich auf Themen konzentrieren, die in der Bibel auch so stehen und wichtige Dinge betreffen – nicht Nebensächlichkeiten. Sonst kommt es in Verruf, und es ist auch nicht biblisch.
Jetzt haben wir die Haltung, die Prozesse, die Privatsphäre und alles. Natürlich gibt es irgendwann eine Phase, in der man das nicht mehr so geheim halten kann. Am Anfang ist ja alles darauf ausgerichtet, denjenigen nicht bloßzustellen, sondern zu korrigieren und zu helfen, ohne es groß herumzuerzählen. Das ist eindeutig so.
Wenn man dann auch E-Mail-Verteiler und Unterstützung hinzuzieht, wird die Person ermahnt. Das ist die falsche Vorgehensweise. Aber was, wenn wirklich jemand sagt: „Nee, mach ich nicht“, und auch die Ältesten schon da waren? Dann kommt der dritte Schritt, und der wird öffentlich. Die Frage ist zum Beispiel: Wie öffentlich wird das? Wird alles der Gemeinde erzählt? Denn da steht ja, dass es der Gemeinde erzählt werden soll, und die Gemeinde beurteilt es dann.
Der Täter wird der Gemeinde mitgeteilt, das ist das, was wir gelesen haben. Er sei dir wie ein Heide und Zöllner. Das bedeutet auf jeden Fall, dass jemand aus der Gemeinde ausgeschlossen wird. „Wie ein Heide und Zöllner“ heißt, man geht mit ihm so um, als hätte er keine Verbindung zu Gott. Das kann auch bedeuten, dass man ihn nicht mehr besucht und er die Gemeinde nicht mehr besuchen soll.
Das ist natürlich richtig, was du sagst. Aber was ist mit ganz sensiblen Geschichten? Ich glaube nicht, dass man alles bis ins Kleinste der Gemeinde schildern muss. Man muss auch daran denken, dass oft noch mehr Leute involviert sind. Es sollte eher ein Vertrauensverhältnis zwischen den Ältesten und der Gemeinde bestehen. Die Ältesten können sagen, dass es Gründe für den Ausschluss gibt und vielleicht eine grobe Richtung angeben, in welchem Bereich das liegt.
Manchmal habe ich schon gehört, dass es so gehandhabt wurde, dass man gesagt hat: „Wir wollen das nicht groß verbreiten, aber nennt uns zwei Leute, die ihr für vertrauenswürdig haltet.“ Mit diesen zwei Personen wird dann intensiver gesprochen, und sie sollen beurteilen, ob der Ausschluss gerechtfertigt ist oder nicht.
So etwas habe ich hier in der Gemeinde noch nicht erlebt, aber früher in meiner Gemeinde. Dort wurden die Details nicht erzählt, aber die Gemeinde konnte es nachvollziehen. Den Weg mit zwei Vertrauenspersonen sind wir nicht gegangen. Das kann man diskutieren. Im Detail wäre ich da dabei. Es soll immer derjenige geschützt werden.
Es geht ja nicht um ein Aufdecken, Voyeurismus oder Ähnliches. Aber wenn man gar nichts sagt, entstehen manchmal Spekulationen und Streit, weil die Leute nicht vertrauen und sagen: „Was haben die zu verbergen?“ Das ist die andere Argumentation.
Deshalb wäre für mich der erste Schritt auch der priorisierte Weg, also ganz grob zu sagen, worum es geht. Ich muss im Blick haben, dass es mir nicht darum geht, die Person zu bestrafen, sondern darum, dass jemand zurückkommen kann. Ich muss eine Möglichkeit schaffen, dass er zurückkommen kann, und ihm nicht jede Brücke verbauen.
Das andere habe ich einfach mal gehört: Es gibt die Möglichkeit, dass man, wenn es richtig schwierig wird, zumindest erwähnt, dass jemand sich daran erinnert und sagt: „Vielleicht könnten wir es auch so machen. Das ist vielleicht eine Idee.“
Ich denke an den 2. Korintherbrief. Ich bin mir sicher, dass du das ähnlich siehst, ob es dieselbe Person ist, die ausgeschlossen wurde, oder ob man es nicht genau weiß, lasse ich offen. Dort war ja genau das Gegenteil der Fall. Die Person hat Buße getan, und die Gemeinde hat sie wieder aufgenommen.
Man sollte natürlich schon vorher im Prozess überlegen, was man erzählt. Das kann später, wenn die Person zurückkommt, Probleme machen. Deshalb sollte man versuchen, alles möglichst gering zu halten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Das muss man im Blick haben, denn das ist der Sinn von Gemeindeseelsorge als letzter Schritt. Es geht nicht darum zu bestrafen. Ich glaube, manche Gemeindeleiter haben das gar nicht so vor Augen. Sie sehen sich eher als Strafrichter Gottes. Darum geht es nicht.
Vielleicht helfen auch diese Verse: „Ich habe ihn dem Satan übergeben.“ Das wird oft als Strafe gesehen, ich sehe es aber als Erziehung, als Möglichkeit, ihn wieder auf den Weg zurückzubringen. Es gibt mehrere Stellen, wo gesagt wird, dass kein Kontakt mehr besteht, aber alles, um die Person zum Herrn zu bringen. Das ist das Ziel.
Die Liebe ist dabei natürlich schwierig, aber das kennt man als Eltern teilweise auch. Es ist ein Balanceakt, der da gemacht werden muss.
In der Praxis – kommt da wirklich jemand zurück? Ich habe es nur einmal erlebt, dass jemand wirklich von Herzen zurückgekommen ist.
Meistens suchen Menschen von sich aus schon die Distanz, wenn sie bewusst an einem sündigen Weg festhalten. Trotzdem finde ich es wichtig, dass wir als Gemeinde den Personen nachgehen.
Was wir außerdem tun, ist, jemanden an die Seite der betreffenden Person zu stellen. Wenn jemand aus der Gemeinde ausgeschlossen ist, kann ich nicht einfach so mit ihm Geburtstag feiern, als ob nichts passiert wäre. Es ist ja deutlich: Wir haben dich ausgeschlossen, damit du nachdenkst – auch über deinen Weg.
Manchmal haben wir das Rückbekehrungsfreundschaft genannt. Das bedeutet, dass wir jemanden an die Seite stellen, oft eine Person, zu der die ausgeschlossene Person sowieso schon mehr oder weniger einen guten Draht hat. So kann man sich treffen, miteinander reden und es entsteht quasi eine Brücke zurück in die Gemeinde.
Das halte ich für eine ganz wichtige Sache: Jemandem an die Seite zu stellen.
Eine Frage, die mir gerade im Kopf herumgeht: Darf man, wenn man Familienmitglied ist, überhaupt noch mit diesen Personen essen? Du weißt doch, worauf ich mich beziehe – ich bin mir da nämlich nicht ganz sicher. Es heißt ja, man solle sie behandeln wie Heiden und Zöllner. Genau das ist mein Bezugspunkt.
An anderen Stellen steht nämlich, dass man mit solchen Leuten nicht einmal essen soll. Von den Pharisäern weiß man das. Und ich bewerte das stark im Blick auf das Abendmahl. Ich denke darüber nach, dass ich nicht ganz normal am Mahl des Herrn teilnehmen sollte, als ob alles in Ordnung wäre.
Für mich persönlich ist es aber auch ein großer Fehler, wenn ein Familienmitglied ausgeschlossen ist und somit von der Gemeinde ausgeschlossen wird. Die Person bleibt dennoch mein Familienmitglied – meine Tochter, mein Vater oder jemand in der Richtung. Natürlich werde ich auf dieser familiären Ebene weiterhin Umgang mit dieser Person haben.
Machen wir das doch ganz konkret: Du hattest vorhin ein Beispiel genannt von einer Person, die nicht Christen geheiratet hat. Würdest du als Vater bei der Hochzeit dabei sein, wenn diese Person vorher aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde?
Das ist natürlich eine gute Frage, die du mir spontan stellst. Ich müsste darüber nachdenken, aber tendenziell wäre ich als Vater dabei. Ich würde sagen, ich kann diesen Weg bei dir jetzt nicht mitgehen. Alles, was darüber hinausgeht, würde bedeuten, dass ich jeglichen Kontakt auf Dauer unterbrechen müsste. Mir geht es aber auch darum, das Herz eines Kindes wiederzugewinnen. Und das gelingt nicht, indem ich es ausschließe.
Als Gemeindeleiter könnte ich allerdings die Hochzeit nicht halten, weil das eine Gemeindesache ist. Aber auf persönlicher Ebene, wenn ich eine Beziehung zu der Person habe, würde ich das anders sehen.
Ich wollte das nur ansprechen, weil ich schon gehört habe, dass man sagt, man müsse dann praktisch ausziehen, dürfe nicht mehr zusammenwohnen, nicht mehr reden oder essen. Das finde ich kritisch, weil ich glaube, dass das über das hinausgeht, was die Bibelstellen aussagen. Was die Juden damals mit Heiden und Zöllnern gemacht haben, kann man meiner Meinung nach nicht eins zu eins auf die Gemeindezucht übertragen.
Selbst mit Heiden und Zöllnern haben sie ja doch gesprochen. Sie hatten keine tiefe Gemeinschaft, aber es waren nicht Leute wie Aussätzliche, zu denen man einen ganz großen Abstand gehalten hat.
Ich persönlich hätte auch kein Problem damit, zu einer Hochzeit zu gehen und dabei zu sein – aus Liebe, auch wenn ich dagegen bin. Die Leute wissen ja eh, dass ich dagegen bin. Deshalb muss ich nicht unbedingt fernbleiben.
Ich würde aber nicht unbedingt etwas tun, was den Weg der Person noch unterstützt, zum Beispiel ein Segensgebet oder Ähnliches, weil das leicht falsch verstanden werden kann. Da hätte ich dann auch Probleme.
Na ja, gut, ich habe noch viele Gedanken dazu, aber das führt zu weit und wird zu kontrovers. Wichtig ist, dass wir mal die grobe Richtung in dem Ganzen haben.
Ich habe es auch erlebt, dass ein Ehepaar wieder zurückgekommen ist in die Gemeinde. Und ich habe auch das Gegenteil erlebt: Leute, die später in ihrem Leben gesagt haben, „Hättet ihr mich damals mehr gewarnt!“ Das habe ich auch schon erlebt. Sie wurden zwar gewarnt, aber sie sagten, „Hättet ihr es doch noch deutlicher gemacht!“
Ich glaube, das ist der Sinn von dem Ganzen.
Weil du am Ende Gebet gelesen hast, stellt sich die Frage: Welche Rolle spielt das Gebet abschließend?
Für mich ist die Bibelstelle noch nicht abgeschlossen, wie das bei manchen Bibelstellen der Fall ist. Ich finde es spannend, dass wir oft sagen: Wo zwei oder drei versammelt sind – diese Stelle wird oft völlig losgelöst vom Gesamtkontext betrachtet. Dabei spricht der Gesamtkontext hier von Gemeindeseelsorge.
Ich finde, diese Stelle ist sehr mutmachend. Sie sagt: Entlass die anderen nicht aus deinem Gebet, bete! Hier steht: Wenn zwei oder drei miteinander beten, wird der Herr das Gebet erhören. Du hast gesagt, ich habe gesagt, wir haben es erst einmal erlebt, dass Leute zurückgekommen sind. Ansonsten sind sie fern geblieben.
Gut, ihr Leben ist auch noch nicht zu Ende. Die Erfolgsquote des Gebetes ist nach meiner Erfahrung nicht hoch, aber ich muss das jetzt einfach so stehen lassen. Es ist ja auch nicht mein Ding, das letztendlich zu beurteilen, sondern zu sagen, was ich hier sehe, ist die Aufforderung, weiterhin zu beten und die Hoffnung nicht aufzugeben, dass jemand zurückkommt.
Deshalb habe ich die Stelle bewusst vorgelesen, weil mir wieder wichtig wurde: Sie steht im Zusammenhang mit der Gemeindezucht. Mir ist da auch unser Podcast über Lot noch im Kopf. Abraham hat für ihn gebetet. Lot ist seinen falschen Weg weitergegangen, seine Frau ist deswegen gestorben. Aber der Herr hat ihn trotzdem noch herausgerettet. Nach dem Neuen Testament ist er eindeutig ein Gläubiger.
Natürlich ist er nicht im Sinne von Zurückkommen zurückgekehrt. Er lebte am Ende immer noch am Rand der Gesellschaft, mit seinen zwei Töchtern. Aber es hatte doch eine Auswirkung.
Auf jeden Fall ermutigt uns die Bibel, in Sanftmut, Liebe und Gebet auf Menschen zuzugehen. Dabei darf man das nicht als Rache oder Strafe verstehen, sondern als eine korrigierende Maßnahme, die jemandem hilft. In diesem Geist muss das auch geschehen.
Ihr merkt als Zuhörer, dass es Bibelstellen gibt, aus denen man Prinzipien zieht. Aber es gibt auch immer Bereiche, in denen man fragt: Wie setzen wir das um? Da ist man nicht immer fertig, sondern auf dem Weg.
Es ist nicht so, dass Menschen, die sich intensiver mit der Bibel beschäftigen, für alles schnell eine Antwort finden. Manchmal muss man auch ringen mit Bibelstellen.
Auch wenn wir hier über Gemeindezucht reden, es sind Menschen, die dahinterstehen. Es ist ein Ringen darum, diese Menschen wieder zurück in die Gemeinde zu bekommen. Ich glaube, das ist in diesem Podcast deutlich zum Ausdruck gekommen.
Wenn man das als Bild nimmt, ist das, denke ich, der letzte Rettungsring, den man vor dem Wasserfall, wo es in den Abgrund geht, noch zuwirft. So verstehe ich das. Das ist nicht das Normale im Alltag, wenn mal ein Streit war. Sondern es ist wirklich dann, wenn jemand ganz bewusst mehrfach darauf hingewiesen wird, dass er in die falsche Richtung geht und eigentlich ins Verderben läuft. Und dann versucht man noch etwas zu retten.
Ja, das ist ein etwas schwierigerer Podcast vom Thema her. Ein seelsorgerliches Thema, kein angenehmes Thema, aber leider manchmal notwendig. Ich finde es sehr gut, dass die Bibel uns ermutigt, in Liebe auch dort Menschen zu dienen.
Wir hoffen, dass es euch auch motiviert, eure Verantwortung ernst zu nehmen, auf Leute zuzugehen, das kleinzuhalten, nicht per E-Mail, sondern persönlich zu reden. Dass wir uns gegenseitig wichtig sind, dass wir nicht einfach Menschen laufen lassen und es uns egal ist. Sondern dass wir uns ihnen mit Liebe zuwenden.
Wie immer der Hinweis: Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen – das war ja heute auch eine Hörerfrage oder mehrere Fragen in einer E-Mail oder Anmerkungen zum Podcast – schreibt uns unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen.