Die Schönheit und Bedeutung der Gemeinde
Heute lesen wir Epheser 3, Verse 1-11. Der Epheserbrief handelt immer von der Schönheit der Gemeinde.
Wenn wir an Gemeinde denken, verbinden wir das oft mit Organisationsformen. Hoffentlich entwickelt sich dabei eine Liebe zu Gott, sodass die Menschen sagen: Es ist so schön, wenn man sich trifft – sei es in der Allianzgebetswoche, bei einem Gottesdienst oder in einem Hauskreis. Dort sind Menschen versammelt, die Jesus liebhaben.
In dieser Welt ist das etwas Großes und Wunderbares. Das konnte ich Ihnen ja auch beim letzten Mal anhand meiner Reiseeindrücke zeigen.
Paulus’ Amt und das Geheimnis der Gemeinde
Und nun spricht Paulus von seinem Amt. Deshalb sage ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden: Ihr habt ja gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat. Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden, wie ich eben aufs Kürzeste geschrieben habe.
Welches Geheimnis? Das Geheimnis, dass Juden und Heiden zusammengehören in die Gemeinde der Christen – Juden und Heiden. Juden sehen ja die Nichterwählten ganz besonders krass als die Heiden, die vor der Tür stehen. Und das haben wir letztes Mal gehört, wie uns die Tür durch Jesus aufgeschlossen ist. Das ist das Geheimnis.
Daran könnt ihr, wenn ihr es lest, meine Einsicht in das Geheimnis Christi erkennen. Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist. Nämlich, dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißungen Christi Jesus sind durch das Evangelium.
Dessen Diener ich geworden bin durch die Gabe der Gnade Gottes, die mir nach seiner mächtigen Kraft gegeben ist. Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist die Gnade gegeben worden, den Heiden zu verkündigen den unausforschlichen Reichtum Christi. Und für uns alle und für alle ins Licht zu bringen, wie Gott seinen geheimen Ratschluss ausführt, der von Ewigkeit her verborgen war in ihm, der alles erschaffen hat.
Damit jetzt kund werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, den Mächtigen und Gewalten im Himmel durch die Gemeinde. Diesen Vorsatz, den ewigen Vorsatz, hat Gott ausgeführt in Christus Jesus, unserem Herrn, durch den wir Freimut und Zugang haben in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn.
Paulus’ Ermutigung trotz Bedrängnis
Darum bitte ich euch, dass ihr nicht müde werdet wegen der Bedrängnisse, die ich für euch erleide. Diese Bedrängnisse sind für euch eine Ehre.
Fangen wir ganz am Schluss an, beim letzten Vers. Dort merken wir, dass es für die Leute in Ephesus ein ärgerliches Erlebnis war, dass Paulus gefangen sitzt. Sicher haben sie in ihrem Glauben gedacht: Wenn Gott Herr ist und Paulus richtig betet, dann müssen sich rasch die Gitterstäbe vor ihm öffnen. Das Gefängnis müsste bald seinen Gefangenen hergeben.
Paulus sagt jedoch, dass sie nicht müde werden sollen wegen der Bedrängnisse. Die Menschen fragen sich: Warum sitzt Paulus überhaupt noch gefangen? Wenn Gott Herr im Himmel ist, muss er ihn doch freigeben. Paulus sagt aber: Ihr tragt die Bedrängnisse, ihr tragt die Bedrängnisse.
Diese Haltung findet sich vielfach im Neuen Testament. Dort wird gesagt, dass Bedrängnisse sein müssen. Für mich war es immer wichtig, gerade in der Zeit, in der Christen in der Sowjetunion durch so schwere Leiden hindurchgegangen sind, zu betonen: Bedrängnis und Leiden muss sein. Viele sagten damals, man müsse demonstrieren und Aktionen machen, damit die Gefangenen freikommen. Das dürfe man. Doch Gott hat immer eine bestimmte Portion Leiden in seiner Gemeinde vorgesehen.
Das merken wir auch an denen, die durch schwere Krankheit geführt werden. Wir brauchen Leiden, damit unser Glaube nicht verflacht. Was bedeutet das? Unser Glaube darf nicht billig sein und nur auf Erfolg ausgerichtet. Glaube wächst erst, wenn man wirklich in der Nachfolge Jesu den Leidensweg geht wie er.
Natürlich werden nicht alle so geführt. Paulus schreibt das auch den Gemeindegliedern damals und sagt es sehr schön: Wenn ihr kein Leiden habt, dann erstatte ich, was noch fehlt am Leiden Christi. Jede Zeit braucht ein Stück Leiden.
Ich meine, dass auch die schweren Leiden uns allen gegeben sind, damit wir mit den Kranken das durchstehen. Wir sollen nicht müde werden wegen der Bedrängnisse. Ebenso sollen wir weltweit mit denen zusammenstehen, die gegenwärtig durch diese Leidenszeit hindurchgehen müssen.
Es gibt immer wieder Menschen in verschiedenen Teilen der Welt, die um des Namens Jesu willen verfolgt sind. Interessant ist, dass diese verfolgte und leidende Gemeinde uns viele Erfahrungen gibt. Sie zeigt uns immer wieder, dass viele Dinge entbehrlich sind, aber dass die Gemeinschaft mit Christus gerade im Leiden ganz besonders erlebt wird.
Wir sollten uns das einprägen, denn auch in unserem Lebensablauf hat Gott immer wieder Abschnitte des Leidens für uns vorgesehen. In diesen Leidenszeiten wächst der Glaube, wenn er rechtschaffen ist, ganz besonders. Deshalb sollten wir nicht müde werden.
Paulus’ Haltung als Gefangener Christi
Aber jetzt wenden wir uns dem Vers I zu. Dort schreibt Paulus, dass er gefangen ist, ein Gefangener. Wie reagieren wir, wenn uns so etwas passiert? Meist ärgern wir uns und lehnen uns auf. Gefangen sein bedeutet doch, gebunden zu sein. Man kann nicht tun, was man will, sondern sitzt fest.
Mir fällt es schon schwer, wenn ich ein oder zwei Tage wegen einer Krankheit an ein Zimmer gebunden bin. Paulus aber ist über Monate hinweg gebunden. Er hat einen vollen Terminkalender, kann nicht tun, was er möchte, und trotzdem regt er sich nicht auf. Er lehnt sich nicht gegen Gott auf.
Ich möchte von Paulus lernen, dass er sagt, all das sei von Christus zugemessen. So lebt er ganz ruhig aus dem Glauben. Er sagt: „Ich bin der Gefangene Christi Jesu.“ Ich selbst würde eher sagen: „Ich bin der Gefangene dieses schrecklichen Regimes hier. Ich bin der Gefangene eines Unrechtsstaats. Ich bin der Gefangene ein paar böser Leute, die mein Leben zerstören.“
Wir machen immer wieder den Fehler, dass wir mit Menschen zürnen, die uns Böses zufügen. Paulus aber lebt ganz anders, aus dem großen Vertrauen, dass Gott sein Leben führt. Er hat sein Leben so in die Hand Jesu gelegt, dass er sagt: „Ich bin der Gefangene Jesu Christi.“ Das hat Jesus zugelassen, also nimmt Paulus es aus seiner Hand an. Für ihn ist das ein Orden und ein Ehrenzeichen.
Auch das Schwere, das ihm widerfährt, ist nicht bloß ein Leid oder ein Ärgernis des Glaubens, sondern eine Segensquelle, eine Gefangenschaft. Denken Sie an die Geiseln, die jetzt im Irak festgehalten werden. Eine Gefangenschaft als Segensgabe Jesu anzunehmen, das ist merkwürdig.
Paulus sagt: „Ich lebe das jetzt für euch!“ Wenn man darüber nachdenkt, erkennt man, dass dies wohl eines der größten Glaubenszeugnisse ist, die Paulus geben kann. Er lebt die Gefangenschaft zur Ehre Jesu, also als Zeugnis seines Glaubens.
In den Berichten über Paulus’ Gefangenschaft oder in den Hinweisen seiner Briefe findet man nie Ärger, Bitterkeit oder Hass. Das hat mich immer überrascht. Zum Beispiel in jener Nacht in Philippi, als ein Erdbeben kam und der Gefängnisdirektor herabstieg. Ich hätte gesagt: „Mein Lieber, Sie sind ein ganz komischer Kerl. Gestern Abend waren Sie noch ein hochnäsiger Gefängniskommandant, und jetzt liegen Sie am Boden und flehen um Ihr Leben. Seien Sie doch ein Mann, komischer Kerl!“
Aber Paulus vermittelt ihm nur die Liebe Christi. Sein ganzes Leben ist davon geprägt, missionarisch zu leben. Er überlegt immer wieder, wie er die Liebe Christi anderen sichtbar machen kann. Das Beispiel einer gefährdeten Existenz ist für uns wirklich ein Musterbeispiel.
Das Ertragen von Unrecht und Gottes Führung
Das ist das Ärgerlichste, was ich erlebt habe: Wie mein Vater, nachdem die Amerikanerin bereits entlassen war, von den Franzosen noch einmal eineinhalb Jahre ins Kriegsgefangenenlager gebracht wurde. So ein Unsinn. Aber das muss ertragen werden, und dann wird man bitter.
So geht es Ihnen ja auch, wenn Sie vielleicht durch irgendeine Ungeschicklichkeit eines Autofahrers, zum Beispiel Frau Bogisch, im Krankenhaus liegen. Da ärgert man sich: Warum gerade jetzt? Warum muss mir das passieren? Warum kann der Fahrer nicht aufpassen? Wenn man dann aber sagt: „Nein, Herr, du hast es zugelassen.“ Dann nehme ich diese Zeit als von dir gegeben an. Ich bin der Gefangene Jesu Christi, nicht der Gefangene des Unrechtsregimes, sondern der Gefangene Jesu Christi für euch Heiden.
Im Philipperbrief spricht Paulus auch darüber, dass er sein ganzes Leben darauf ausrichtet, wie es anderen nützt – wenn es nur der Förderung des Evangeliums dient. Dass eine Gefangenschaft zur Förderung des Evangeliums dient, kann man sich kaum vorstellen. Doch dadurch, dass Paulus sie erträgt und gerade mit den gebundenen Händen die Macht Jesu bezeugt – „Ich bin der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden“ –, gibt er als Untätiger Zeugnis ab. Gott kann das manchmal wirklich extrem machen.
Ein Apostel, der eingesperrt ist – das ist der Gegensatz schlechthin. Ein Apostel muss auf seinen Füßen laufen, predigen. Ein eingesperrter Apostel, der nicht predigen kann, ist dennoch Gottes Werkzeug für die Heiden.
Interessant ist, dass Paulus, der so gerne von der Gnade sprach, die ihm widerfahren ist, im Gefängnis stimmlos wurde und nicht mehr reden konnte. Stattdessen schrieb er seine herrlichen Lieder nieder und wurde so ein Zeuge Jesu.
Wir tun uns sicher schwer, neu zu lernen, wie Gott uns trotz aller widrigen Umstände gebrauchen und seine Macht offenbaren kann. Heute bin ich einfach bei diesem Satz hängen geblieben: „Ich bin der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden.“ (Philipper 1,13)
Gottes Macht trotz menschlicher Schwäche
Das Entscheidende ist doch, dass Gott in seiner Größe und Macht wirkt. Wir sagen: in seiner Gnade, in seiner gütigen Herablassung, wirkt er das Größte.
Dabei kann er uns die ganze Macht nehmen, ebenso den Einfluss. Auch die Gaben braucht er alle nicht. Er kann durch einen Apostel, der all seiner irdischen Gaben beraubt ist, dennoch die größten Siege erringen.
Wir sollten deshalb immer wieder fragen: Wozu dient das? Wie kann ich etwas bewirken – für andere?
Und die Frage bleibt: Wo will mich Jesus haben? Warum lässt er mich im Leben gerade jetzt durch diese Tiefe hindurchgehen?
Das Geheimnis Gottes und die Ausweitung des Evangeliums
Nun kommt das Nächste: Das ist das, was Paulus über das Geheimnis schreibt. Ein Geheimnis ist etwas, das man nicht verraten darf.
Hier meine ich jedoch nicht ein Geheimnis im Sinne von Verschweigen, sondern etwas, das schwer zu verstehen ist – etwas, das über Jahrhunderte hinweg den Menschen unbekannt war. Gott hat ein solches Geheimnis.
Ich möchte es mit meinen Worten erklären, damit klar wird, dass es gar nicht kompliziert zu verstehen ist, sondern ganz einfach. Gottes Plan war, dass die Juden, Israel, sein Volk, den Ruhm Gottes über die Welt tragen. Die Juden sind jedoch an Jesus gescheitert; sie haben ihn verworfen.
Gott hat in seiner großen Liebe dieses schreckliche Ereignis, dass Christus nicht angenommen wurde, nicht einfach ruhen lassen. Stattdessen hat er das Evangelium von Jesus umso mehr in die Heidenwelt hinausrufen lassen. Paulus sagt, er habe begriffen, dass Gott hier einen Plan hat: Wenn die einen es verwerfen, soll deshalb die Sache Gottes nicht zum Scheitern verurteilt sein. Vielmehr geht die Sache Gottes erst recht in die Weite hinaus.
Wenn ich Ihnen das Geheimnis Gottes noch ein Stück weiter verkündigen darf, dann geht es so weiter: Die meisten Christen haben gemeint, die Juden hätten Christus verworfen, und daraufhin wurden sie stolz und sagten: „Aber wir sind die Erwählten.“
Was wir heute beobachten, ist jedoch, dass viele Christen Christus ebenfalls verwerfen. In großer Zahl leugnen sie ihn als Gottes Sohn, beten ihn nicht an und folgen seinem Wort nicht. Christus wird heute in weiten Teilen der Christenheit verworfen.
Daher brauchen wir uns gar nicht zu wundern, dass sich erfüllt, was Paulus im Römerbrief Kapitel 9 bis 11 ausführlich darstellt. Dort macht er das Geheimnis Gottes mit Israel deutlich. Wenn die Heiden Christus verwerfen, wird Gott wieder zurück zu den Juden gehen.
Das Wichtige ist, dass Gottes Heilsplan niemals zum Stillstand kommt. Wenn die Juden verwerfen, geht es zu den Heiden. Wenn die Heiden verwerfen, geht es wieder zurück zu den Juden. Dann ist das Ende da. Aber es ist nicht so, dass Gott eine große Pleite erlebt. Davor brauchen wir keine Angst zu haben.
Paulus hat auch das Datum gesetzt und gesagt, die Stunde Israels werde ankommen, wenn die Heidenfülle eingegangen ist – wenn die Vollzahl der Völker und Nationen das Evangelium gehört hat. Das war stets der Antrieb für die Missionsgeschichte, das Evangelium überall zu verkünden.
Auch die Wycliffe-Bibelübersetzer hatten diesen Antrieb, und auch wir erfüllen ihn, wenn wir bis in die letzten Regionen der Welt das Evangelium hineintragen. Wir glauben wirklich, dass wir in einer der letzten Stunden der Weltgeschichte stehen.
Das ist das Geheimnis Gottes. Es war über Jahrhunderte hinweg dem Volk Israel nicht bekannt und wurde Paulus erst durch Offenbarung gezeigt.
Darum war Paulus derjenige, der so mutig die Schranken des jüdischen Gesetzes weggerissen hat. Er sagte: Die Heiden müssen nicht zuerst Juden werden, sondern sie dürfen als Heiden ohne die Reinheitsgesetze und ohne die jüdischen Kultvorschriften zu Jesus kommen.
Das war eine Offenbarung, die Gott ihm gezeigt hat. Dieses Geheimnis ist nun ganz wichtig, und ich möchte es ein wenig ausdehnen.
Die weltweite Ausbreitung der Gemeinde
Wenn wir das Geheimnis einmal begriffen haben, verstehen wir, dass auch heute das Evangelium durch die Welt geht. Für mich war das seit meiner frühen Jugend etwas Bewegendes in meinem eigenen Glaubensleben. Es hat mich immer wieder gestärkt, in meiner Liebe zu Christus zu erleben, wie Gott heute überall in der Welt seine großen Taten vollbringt.
Es mag sein, dass es in Deutschland so aussieht, als wolle die Flamme des Evangeliums verlöschen. Doch dann sehen wir, wie sie in ganz anderen Regionen umso heller lodert. Gott ist kein Gott, der in dieser Welt sein Ziel verfehlt; er wird sein herrliches Werk vollenden. Die große Frage ist, ob wir noch dabei sind, ob unser Volk noch dabei ist.
Die Sache Gottes geht nicht unter. Das Reich Gottes ist groß und gewaltig. Wenn man die Berichte hört, wundert man sich wirklich. Für mich war es besonders bewegend zu hören, wie das Evangelium derzeit in Mosambik inmitten grenzenloser Armut wirkt.
Ich habe ein Buch gelesen, das kürzlich in England erschienen ist. Darin wird erzählt, wie der Bischof der größten Kirche Mosambiks sich vor seinem Flug nach England Schuhe borgen musste, weil er barfuß läuft. Das Buch beginnt 1987 mit der Szene, wie er durch London eilt – mit viel zu großen, zerrissenen Schuhen, die er sich geliehen hat.
Die Armut ist dabei nicht das Schlimmste. Vielmehr schmerzt es, dass wir oft so glaubenslos sind und nicht begreifen, dass Gott seine Geschichte in dieser Zeit macht – nicht Saddam Hussein, nicht Bush und nicht Gorbatschow. Gott gestaltet seine Geschichte.
Durch die Abläufe der Weltgeschichte geschieht etwas Faszinierendes: Gott baut aus allen Nationen seine Gemeinde auf. Wenn wir aus der Ewigkeit rückblicken, werden viele Daten unwichtig sein. Dann wird der Dollarkurs unwichtig sein, Steuerfragen werden keine Rolle mehr spielen, selbst die Wiedervereinigung und die Grenzen der Nationen werden bedeutungslos.
Was dann zählt, ist, wie Gott in dieser Zeit, in der der Fürst dieser Welt regiert, dennoch seine Gemeinde durch schwache Menschen gesammelt und seine Macht gezeigt hat. Paulus sagt: „Ich sitze hier in meiner Zelle, und ich kenne das Geheimnis.“ Gott braucht mich nicht.
Das ist der Irrsinn, wenn wir meinen, er bräuchte unsere Hände, unser Geld oder unsere Aktionen. Gott kann es auch ohne uns tun. Aber es ist schön, wenn wir mithelfen dürfen und beteiligt sind.
Dieses Geheimnis Christi ist vielen Christen nicht bekannt: Gott baut seine Gemeinde trotz aller widrigen Umstände und Hindernisse. Es ist merkwürdig, wie das geschieht. Verfolgt man das im eigenen Leben oder bei befreundeten Menschen, sieht man, wie Gott einfach geschenkt hat. Da war eine Gruppe, ein Hauskreis, eine Kinderstunde, und Gott hat gewirkt. So ist die Linie durchgegangen – das ist das Geheimnis Christi.
Paulus war es offenbar bewusst, dass Gott auch heute seine Gemeinde sammelt.
Die Rolle der Mission und der Einzelnen in Gottes Plan
Darum möchte ich nur dem Gedanken widerstehen, als ob das ein Rätsel wäre. Es ist nichts, wofür man besonders klug sein muss. Vielmehr ist es etwas, woran man normalerweise nicht denkt, weil es dem menschlichen Erfolgsdenken widerspricht: Gott baut seine Gemeinde.
Dass überhaupt Missionare hinausgingen, ist Gottes großer Humor. Er hat es nicht durch die Kirche getan. Die großen Kirchen haben Missionen lange Zeit gar nicht entdeckt. Es war ein Jurist in Herrnhut namens Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, über den die Theologen damals viel gelacht haben.
Justinian von der Wels war der erste Missionar in der Neuzeit. Ich habe Ihnen erzählt, dass die theologische Fakultät, ich glaube in Gießen, ein Gutachten erstellt hat, das Mission gegen den Willen Gottes erklärte. Doktor Fritz Laubach hat eine große Biografie über Justinian von Wels geschrieben und auch seine Doktorarbeit darüber gemacht. Ein ganz vergessener Mann, der allein nach Surinam ging und dort verschollen ist.
Wenn Sie die Geschichte der ersten Missionare lesen, erfahren Sie, dass die ersten württembergischen Missionare wie Ludwig Krapf und Redmann keine eigene Mission hatten. Sie gingen mit der englischen Church Mission Society hinaus. Das waren freie Freundesvereine, die sie getragen haben. Deshalb nehmen wir es heute auch nicht so ernst, wenn die Kirche ein bisschen an den Missionsorganisationen rummotzt. Denn die Kirche hat noch nie richtig Mission gemacht.
Die Basler Mission wollte im letzten Jahrhundert, etwa im Kirchenbezirk Calw mit seinem Dekan, dass die Kirche beitritt. Damals sagte die Basler Mission jedoch, sie wolle gar nicht, dass die Kirche beitritt. Denn die Mission sollte nicht kirchlicher werden. Wenn sie kirchlicher würde, kämen die ganzen Probleme der Kirche hinzu. Sie wollten eine mobile Kavallerie sein, einen Freundeskreis, der dieses Werk vorantreibt.
Das waren junge Männer, die fröhlich starben. Auch damals gingen sie im Fieber nach Ghana an die Goldküste hinaus und dienten dem Herrn. Lesen Sie die Missionsgeschichte von Ziegenbalg, wie er nach Indien ging und das auf einfache Weise wagte. Oder Charles Dutt, ein Mann, den die Missionen nicht mehr senden wollten, weil er alt war und angeblich nicht mehr dienen konnte. Er wurde einer der gesegnetsten Missionare in Zaire.
Verfolgen Sie die Geschichte der einzelnen Personen: Es waren Einzelgänger, Querköpfe, Leute, die Gott berufen hat. So hat Gott das große Werk der Weltmission geschaffen. Diese Menschen würden heute die Augen aufreißen, wenn sie sehen könnten, was aus dieser Saat geworden ist und wie viele Menschen zum Glauben kamen.
Dann die indischen Missionare – was für Leute das waren! Hebig, Samuel Hebich – Sie kennen doch die Namen. Lesen Sie in irgendeiner Biografie nach, lesen Sie von Samuel Kuba und wie sie alle hießen. Es waren Menschen, die das gewagt haben. Sie waren Vertreter der Gemeinde, natürlich der glaubenden Leute.
So ist Gemeinde geworden, und so wird es auch weiter sein: Gott beruft Menschen.
Ich habe Ihnen erzählt, dass ich nach dem Studium auch in die Mission wollte. Damals fand ich jedoch keine Mission, die noch jemanden ausgesandt hat. Später habe ich mich gefreut zu beobachten, dass die neu entstandene Evangelikalmission ein so weites Feld und so großes Wachstum erlebt hat, dass sie wieder aussenden konnte.
In meiner Jugendzeit hatte ich keine Verbindung nach Liebenzell oder zu anderen Missionen und wusste nichts davon. Die großen Kirchenmissionen haben niemanden mehr ausgesandt. Und heute fehlt es doch so an guten Leuten.
Darum ist es uns auch so wichtig, wenn die Jugendkonferenz für Weltmission am 13. Januar auf dem Killesberg stattfinden wird, dass wieder Menschen in dieses Werk gerufen werden. Das ist das Geheimnis Christi.
Übrigens sind oft alle Dienste, die immer wieder Neues geschaffen haben, so entstanden – die Jugendwerke, die Evangelisationsunternehmungen. Es ist einfach eine Not, dass Organisationen gerne träge werden. Mit jeder Generation wird das ein Trägerbetrieb.
Wir brauchen immer wieder neue Anstöße und neue Belebung, damit Gott diejenigen sammelt, die sich wirklich nur um dieses Ziel scharen, fröhlich vorwärtsgehen und diesen Dienst tun.
Die Einheit von Juden und Heiden in Christus
Und das war Paulus wichtig, Vers 6: dass die Heiden Miterben sind, mit zum Leib gehören, Mitgenossen der Verheißung Christi Jesu durch das Evangelium.
Heute würde ich umgekehrt sagen, uns ist es sehr zu sagen, dass Gott sein Volk Israel dazutun wird. Es ist verheißen, dass Gott am Ende der Zeit Israel die Binde von den Augen nimmt und Israel den Heiland erkennen wird.
Paulus sagt nun noch, dass er seinen Dienst als Diener versteht. Er ist nie Manager. Gott kann keine Manager brauchen, sondern nur Diener – Leute, die ganz schlicht den Dienst tun. Das ist vielleicht auch der richtige sprachliche Gebrauch für unseren Beitrag: wenn wir ganz schlicht unsere Dienste tun, Menschen einladen, bescheiden und demütig sind, aber im Warten auf die Kraft, auf die Gabe der Gnade Gottes, die in mächtiger Kraft wirkt. So kann Gott durch einen schlichten Dienst, durch ein kleines Zeugnis, durch eine Taterliebe in mächtiger Kraft wirken.
Paulus sagt es auch noch in Vers 8, dass er der allergeringste ist. Was meint er mit diesem allergeringsten? Später hat er im Timotheusbrief noch einmal gesagt, dass er der schlimmste von allen Sündern sei. Er meinte das, weil er sich so lange gegen Jesus gewehrt hat. Er wollte immer ganz groß die Gnade beschreiben. Und das tut mir oft weh, wenn das Wort Gnade bei uns so wenig bedeutet. Für ihn war es so wunderbar, dass Gott ihn dennoch gebraucht hat.
Es ist wirklich so, dass niemand zu schlecht oder zu unbegabt ist. Gott braucht gar nicht unsere Bereitschaft, Gott tut alles nach seiner Gnade. Darum kann es auch sein, dass wir vielleicht gar keine richtige Einstellung zum Dienst haben und Gott uns trotzdem nach seiner Gnade segnet.
Das dürfen Sie auch erleben. Ich bitte jetzt, dass keiner unter uns sagt: „Ja, aber dann kann ich es nicht.“ Doch, denn es ist die Gnade Gottes, das Wunder seiner Herablassung. Er benutzt und gebraucht uns bis ins hohe Alter. Er gebraucht junge Menschen, er gebraucht ungeeignete und unbegabte Leute.
Sie kennen vielleicht das schöne Buch von der unbegabten Frau, der großen Missionarin in China, oder die Ärztin, die in Indien im Rollstuhl arbeitet. Das sind bewegende Beispiele.
Ich war nur wenige Stunden in Gaborone, sagt dieser Missionsleiter, ein sechzigjähriger Amerikaner. Dort ist eine Deutsche aus Südafrika ausgesandt, die stelle ich Ihnen noch vor. Dann gehen wir hinüber. Sie ist eine Lilliputanerin. Da muss man aufpassen: Geht das überhaupt? Gott wird sie zum Segen einsetzen.
Auf einer Bibelschule in Südafrika gibt es eine wunderbare Frau, die sich dort auf ihren Sonntagsdienst vorbereitet hat und jetzt gerade 14 Tage die ersten Tage ihres Dienstes tut. Gott legt manchen Menschen eine schwere Last auf, aber die Gnade Gottes wird dadurch umso mehr sichtbar.
Man kann oft sehen, wie Menschen durch schwere Behinderungen und Belastungen hindurch wirken müssen. Und das segnet sie, weil es die Gnade Gottes ist und nicht nach der Art der Welt. Man denkt oft, man müsse aussehen wie jemand aus der Camel-Werbung oder so. Man müsse ein Mann von Welt sein. Man denkt, man müsse eine ganz andere Figur haben, ein Sportler, wie der Fußballspieler Matthäus oder ein Boxer.
Aber bei Gott geht es ganz anders – nach der Gnade, die mächtig wirkt. Verachten Sie niemals die Segenswirkungen Gottes. Wir sind oft sehr vom Äußeren abhängig und denken dann, die Versammlung sieht so kümmerlich aus. Doch Gott segnet und wirkt. So baut Gott seine Gemeinde.
Paulus war es nur wichtig, den Reichtum Christi ans Licht zu bringen. Er wollte zeigen, wie Christus die Menschen sucht und sie erfüllen will, was Christus in den Menschen wirkt.
Das Geheimnis ist immer: Wenn ein Mensch Christus aufnimmt, ist das ein verwandelter Mensch. Wir wollen einander gar nicht mehr predigen: „Nimm Christus auf.“ Es geht gar nicht um Geheimlehren. Christus ist derjenige, der in deinem Leben Raum gewinnen will.
Sei ihm gehorsam, öffne ihm dein Leben, lass ihn wirken, gib ihm Raum. Und Gott wirkt durch die Gemeinde.
Die Demonstration der göttlichen Weisheit durch die Gemeinde
Das ist eine Demonstration, heißt es in Vers 10. Sogar die Mächte und Gewalten im Himmel sehnen sich danach. Ich glaube auch, dass die Teufelsmächte und die Höllenmächte es sehen müssen.
Denken Sie nicht, dass der Teufel vor den Gebeten der Gemeinde zittert. Er kann vieles tun, aber nichts mehr, wenn die Gebete und der Glaube der Gemeinde da sind. Dann ist er gelähmt. Sonst hat er alles in seiner Hand. Doch wo Vertrauen auf Jesus ist, da werden die Gewalten des Himmels und der Erde stumm und müssen weichen.
Wir haben nun Freimut und Zugang in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn, wie es in Vers 12 heißt. Wir haben Freimut und Zugang. Herr Paulus möchte damit sagen: Selbst in meinem Gefängnis habe ich solche Möglichkeiten zum Wirken.
Man sagt oft, dass man durch das Gebet wirken kann. Das Gebet ist natürlich das Entscheidende. Wir haben vorhin auch in der Gebetsgemeinschaft darüber gesprochen. Verschiedene Brüder sagten, sie kämen aus der Fülle der Tagesarbeit, aber das Allerwichtigste geschieht in der Stille.
Wir können nicht ein Stückchen irgendwo bewegen, wenn Gott nicht die Türen öffnet. Manchmal überschätzen wir unseren Einfluss. Dabei ist es für Gott ganz leicht, uns alles in den Schoß fallen zu lassen.
Und da, wo auch Ihre Probleme jetzt liegen, lassen Sie es Gottes Sorge sein. Wir haben Freimut und Zugang. Das Freimut bedeutet Unerschrockenheit und Kühnheit. Das war Paulus immer wichtig: vorwärtszugehen und etwas zu wagen.
Ich habe das zuerst in Simbabwe gehört, als mir verschiedene Namen genannt wurden von Menschen, die mitten ins Terrorgebiet nach Mosambik gegangen sind. Dort sterben täglich etwa dreißig Menschen durch Terroristen. Trotzdem gehen heute Leute dorthin. Weiße Missionare sagen: „Gott sendet mich, und Gott wird wissen, was gut ist.“ Sie haben Kühnheit.
Es gehört immer dazu, nicht leichtsinnig zu sein, sondern auf den Ruf Gottes zu vertrauen. Zugang haben wir in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn.
Auch für unsere Wege sollten wir das unerschrocken wagen und ausprobieren. Ich freue mich immer wieder, wenn Menschen auch bei uns das gewagt haben, ihren Dienst fröhlich begonnen und ihren Weg fröhlich gegangen sind.
Das war es heute mit dem Geheimnis und dem Ratschluss. Ich glaube nicht, dass es ein Rätsel ist, sondern etwas Schönes und Befreiendes.