Die Kraft der Liebesbriefe Gottes
Es ist ja so eine Sache mit Liebesbriefen, liebe Freunde. Gestern war das Thema: Gott schreibt Liebesbriefe. Ich weiß von einer jungen Frau, die eine schmerzhafte Zahnoperation vor sich hatte. So etwas schiebt man ja so lange hinaus, wie man nur kann. Am Tag zuvor hatte sie den Werbebrief eines jungen Mannes bekommen, der um sie warb. Sie erzählte später: „Ich habe den Brief in der Hand behalten, als der Zahnarzt bohrte und operierte, und habe gedacht: Der da oben macht mich vielleicht kaputt, der Zahnarzt, aber einer hat mich noch lieb.“ Sie hat sich richtig an diesem Liebesbrief festgehalten.
Nun war das Thema „Gott schreibt Liebesbriefe“. Ulrich Parzany hat uns klargemacht, dass im Wort Gottes Liebesbriefe stecken: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ Vor 14 Tagen durfte ich vor den Mitarbeitern von Bibelmemory sprechen. Das ist eine Unternehmung, die Kindern und Erwachsenen Bibelworte wichtig machen will. Dort gibt es ein ganzes Team, das auch die Hausaufgaben abhört. Herr Waschinski sagte: „Jetzt möchte ich von euch hören, welches Bibelwort euch wichtig wurde.“ Da stand eine Dame auf und berichtete: „Ich bin schwer krank, ich habe mit Gott gehadert, ich habe doch mit Gott gerechnet, warum hält er mich nicht gesund?“ Und da wurde ihr dieses Wort geschenkt: „Ich habe dich je und je geliebt.“
Wisst ihr, wie es weitergeht? Ich habe es vorher gesagt: Das heißt nicht, dass Gott dir deshalb Gesundheit schenkt und du keine Krankheit haben wirst. Sondern: „Ich habe dich zu mir gezogen, auch in Krankheitszeiten, auch in Jahren der Trauer.“ Gottes Wort kann unmittelbar zu uns reden. Manchmal brauchen wir etwas, das wir nicht selbst aussuchen. Der gleiche Gott hat so viele Menschen im Blick, nicht nur Jeremia und das Volk Israel, sondern auch uns. Jesus sagt: „Ich möchte euch so gern versammeln wie eine Glucke, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt.“ Auch das ist ein Bild elementarster Liebe: „Ich möchte euch ganz nah bei mir haben.“
Gott hat die alten Worte seiner Propheten und Apostel, wie er es versprochen hat, bewahrt. Wer sie hört, der hört ihn. So können diese Worte bei uns ankommen. Ich habe das erlebt in der Seelsorge bei einem der bekanntesten Ärzte Ulms. Er war im Winterurlaub plötzlich auf dem Berg, als er mit seinen Töchtern Ski fahren wollte, vom Herzinfarkt überfallen worden. Unter grauenhaften Schmerzen fuhr er noch bis zur Hütte ab, dann holten ihn die Sanitäter und die Bergwacht ins Krankenhaus von Bregenz.
Er ließ mich, damals jungen Pfarrer aus Ulm, kommen und sagte: „Herr Schiffbuch, hier sind nur die kahlen Wände der Intensivstation, des Sterbezimmers. Meine Gedanken können sich nicht sammeln. Ich sage Ihnen ein paar Bibelworte vor, aber Sie müssen mir diese Worte zusprechen.“ Er kannte die Worte, aber brauchte einen anderen, der im Glauben hinter ihnen steht, um sie ihm zuzusprechen. Eines der ersten Worte war: „Gesegnet ist der Mensch, der sich auf den Herrn verlässt, der ist wie ein Baum am Wasser gepflanzt und am Bach verwurzelt. Denn obgleich ein dürres Jahr kommt, fürchtet er sich nicht, sondern bringt Frucht.“
Doch das Herz ist ein trotziges und verzagtes Ding – wer will es ergründen? Was ist mit unserem Herzen los? Was ist mit dem Menschen? „Herr, gib mir deinen Segen!“ Er hat danach noch lange Jahrzehnte leben dürfen, angeschlagen zwar. Da habe ich gemerkt: Ein Liebesbrief Gottes, vor Jahrtausenden geschrieben, hat in diesem Intensivraum von Bregenz diesen Doktor Stammler erreicht, ist angekommen: „Gesegneter Mensch, wenn ein dürres Jahr kommt, wie ein Baum am Wasser gepflanzt.“ Dieses Wort stammt aus der Rolle des Jeremia, von der uns gestern Ulrich Parzany erzählt hat, dass der König sie abschneiden und verbrennen ließ. Auf dieser Rolle steht auch das Wort, das uns in diesen Tagen so wichtig werden kann – in diesen Tagen der Bange, wie es weitergeht, etwa im Irak.
„Lieber Gott, wie kannst du das zulassen? Du bist ein Gott des Friedens!“ Da heißt es gleich in Jeremia 2: „Du musst inne werden und erfahren, welchen Kummer und Herzeleid es bringt, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen und ihn nicht zu fürchten.“ Vielleicht müssen wir das alle lernen, ob wir auf Friedensdemonstrationen gehen oder nicht. Das heißt nicht nur der böse Busche und der böse Saddam Hussein, sondern man muss erfahren, welchen Kummer es gibt, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen.
Wenn Gott uns den Rücken zukehrt – Amerika, der Irak, die ganze Welt unter Weltökonomie und UN –, dann können die klügsten Menschen nichts erreichen. „Du musst erfahren, welchen Kummer und Herzeleid es bringt.“ Aber: „Kehre dich zu mir, so geht es bei Jeremia weiter, denn ich liebe dich, ich habe dich erlöst.“ So oft ich dein Gedenken, lauter Worte aus dem Propheten Jeremia: „So oft ich dein Gedenken, stürmt mein Herz dir entgegen, ich muss mich deiner erbarmen.“ Wenn das nicht ein Liebesbrief ist!
Unsere Mutter konnte ihren fünf Söhnen immer wieder sagen: Auch wenn wir glücklich verheiratet sind, werbt ihr auch um eure Frau noch. Es ist nicht erledigt mit der Hochzeit, nur weil man Ja gesagt hat. Werbt ihr noch um die Liebe? Was hat Gott für Mühe mit mir bis zum heutigen Tag gehabt, um mich zu werben, damit das Verhältnis zu ihm nicht erstarrt in Gleichgültigkeit? Deshalb kommen immer wieder die Botschaften Gottes voll Liebe: „Mein Herz stürmt dir entgegen. Sucht den Herrn, solange er zu finden ist, denn beim Herrn ist viel Vergebung; denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“
Wir zitieren das gerne auf dem Friedhof, aber da gehört es gar nicht hin. Es hat mit Vergebung zu tun, dass Gott uns sucht. Wie Menschen sagen: „Der soll es auch spüren. Wenn er gegen mich ist, dann wird er merken, mit wem er es zu tun hat.“ Ich bleibe kalt und hart. Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Er brennt vor Liebe und möchte uns erweichen, gewinnen. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. Sucht den Herrn, solange er zu finden ist. Ich habe dich je und je geliebt.“ Also: Der Liebesbrief Gottes, der auch uns erreichen soll.
Neulich hat meine Frau gesagt, sie sei meine beste theologische Lehrerin. Die Bibel liest sie ja sehr viel, auch im Alten Testament. Man kann den Gott der Liebe gar nicht verstehen, wenn man nicht das Alte Testament liest. Dieser Gott ringt um sein Volk: „Mein Herz stürmt dir entgegen, ich habe dich je und je geliebt.“ Aber er kann auch sagen: „Jetzt ist Schluss, du hast mich ins Gesicht beleidigt. Jetzt musst du inne werden und erfahren, welchen Kummer und Herzeleid es bringt, Gott zu verlassen.“ Das passiert.
Israel war 70 Jahre in der babylonischen Gefangenschaft. Gott kann auch das Volk der Reformation stehen lassen. Da kann man nicht sagen: „Lieber Gott, wir sind Gott der Liebe.“ Er hat lange um uns geworben, um jeden von uns seit Jugendtagen. Wie oft hat er um uns geworben – mit Bibelworten, mit Menschen, die er uns in den Weg geschickt hat! Ulrich Parzany hat uns deutlich gemacht, dass auch Menschen Liebesbriefe Gottes sein können – mit Führungen, mit Bewahrungen.
Wenn Sie mal anfangen – vielleicht haben Sie in diesen Tagen Zeit –, nehmen Sie einfach einen Bogen Papier vor sich und schreiben auf, wie viel Güte Gottes in Ihrem Leben ist. Sie holen schnell einen zweiten Bogen, weil der eine gar nicht ausreicht: wie viel Bewahrung, wie viel Hilfe. Liebesbriefe Gottes.
Aber in der Bibel stehen nicht nur Liebesbriefe, sondern auch erschütternde Zeugnisse darüber, was im Herzen des Menschen ist. Der Hass, der unglaubliche Hass der Brüder Josephs auf ihren Bruder Joseph – den wollen wir ihm eintränken: „Haha, der soll nur kommen, der Träumer!“ Warum? Weil Joseph gesagt hat, Gott habe ihm einiges wissen lassen.
Wissen Sie, auch wir Christen können so überheblich von dem reden, was Gott mir zugeteilt hat, dass andere Leute Zorn bekommen – diese Überheblichen. „Den wollen wir verkaufen, den machen wir fertig.“ Nicht nur die Brüder Josephs. In einem der Psalmen heißt es, und viele Menschen sind darüber schon gestolpert: „Wehe dir, du Verwüsterin Babels, die uns singen lässt im fremden Land ein Lied über Jerusalem: Wohl dem, der deine Kinder nimmt und zerschmettert sie am Felsen!“ Da haben manche Leute gesagt: Das steht in der Bibel, das soll Gottes Wort sein. Nein! Das ist nicht Gottes Wort, sondern der Zornausbruch eines Menschen, der nicht mehr kann.
Wir dürfen unser Herz vor Gott ausschütten bis zum Bodensatz. Deshalb steht es auch in der Bibel, dass man Zorn haben kann über die Verwüster des Volkes Gottes. Da stehen Geschichten drin über die Gier des frommen Königs David – ach, diese Frau –, über die Gier der Frau Potifars – ach, der junge Josef, das wär doch was. Wie ist das mit dem guten Kern im Menschen? Was ist in uns drin, wozu Menschen alles fähig sind? Darüber wird heute Abend Ulrich Parzany sprechen.
Zur Überheblichkeit der Königin Sija: Als die Gesandten von Babel kamen, zeigte sie ihnen ihr Haus und alle Herrlichkeit. „Das habe ich aufgebaut, das habe ich geleistet, ich habe Israel wieder aus dem Dreck emporgezogen.“ Da kam das Wort des Herrn zu ihr: „Ich habe das doch gemacht, nicht du. Ich habe dir den Segen gegeben.“ Eine erschreckende Geschichte der Überheblichkeit.
Im Zweiten Buch der Chronik heißt es: Gott versuchte sie, damit deutlich wurde, was in ihrem Herzen ist – wie viel Überheblichkeit, wie viel Geldgier, wie viel Ehrgeiz. Ulrich Parzany kommt aus der Schule des Weigelhauses in Essen. Sein großer Lehrer war Wilhelm Busch in Essen. Wilhelm Busch hat viel erlitten: Gestapo-Haft, Erniedrigung durch andere Pfarrer in Essen, die ihn verlacht haben. Er wusste, was ihn am meisten gekränkt hat: Als er 1940, Oberleutnant des Ersten Weltkriegs, wegen Wehrunwürdigkeit aus der Wehrmacht ausgeschlossen wurde. In seinen Akten stand, dass er schon im Gefängnis war – nicht wegen seines Glaubens, aber man wollte keinen Offizier, der im Gefängnis war. Das hat ihn gekränkt, einen Mann in seiner Mannesehre gekränkt!
Wie viel Ehrgeiz steckt in unserem Herzen! Und jetzt könnte Herr Jesus kommen und sagen: „Ich will dir mal die Maske vom Gesicht reißen und zeigen, was wirklich in deinem Herzen ist.“ Das macht Jesus nicht. Er sagt: „Kommt her, ihr Mühseligen und Beladenen, mein Joch ist sanft.“ Das Joch unserer Ehrsucht, das Joch unserer Gier, das Joch unserer Sorge und Angst vor der Zukunft – „Mein Joch ist sanft, kommt zu mir, ich übernehme die Verantwortung für euch.“
Der Herr Jesus lädt Mühselige und Beladene ein. In der Bergpredigt sagt er: „Ihr Väter, die ihr doch arge Leute seid, böse Leute, aber euren Kindern könnt ihr gute Gaben geben, wenn sie darum bitten. Wie viel mehr wird der Vater euch geben!“ Herr Jesus blamiert uns nicht, er kratzt nicht den Lack weg, sondern er kennt uns durch und durch.
Ach, was ist die Bibel schön, voll von Wahrheit! Um den Herrn Jesus herum ist eine Atmosphäre der Ehrlichkeit und Wahrheit. Als Jesus das letzte Mal so über den Tisch sagte: „Übrigens, einer von euch wird mich ans Messer liefern, einer von euch wird mich verraten.“ Wenn das in unseren Gemeinden gewesen wäre, selbst im frommen Korntal, hätten die Leute gesagt: „Das wissen wir schon, das ist sicher Herr Schiffbuch, der ist landesgerichtlich.“ Und die anderen hätten gesagt: „Nein, das ist sicher der, der ist immer überheblich.“ Bei den Jüngern heißt es, sie fingen alle an zu fragen: „Herr, bin ich’s?“ Sie hatten Jesus lieb, aber wussten, dass in der nächsten halben Stunde etwas über sie kommen kann, dass sie plötzlich einen Hass auf Jesus kriegen – wie in jeder normalen Liebe neben der innigsten Liebe auch Hass sein kann.
Was ist in unserem Herzen alles? Die Sehnsucht nach Liebe, wie im Hohen Lied: „Setze mich auf dein Herz, deiner Liebe wie ein Siegel, wie ein Pfand.“ So viel wird in der Bibel beschrieben, was in unserem Herzen auch verständlich und gut ist. Die Bibel macht den Menschen nicht madig. Das Fernsehen, die modernen Romane sagen: Betrug, Hass, Mord, Gemeinheit – da ist die Erde ein Jammertal. Die Bibel keineswegs. Sie weiß um unsere Schwächen, macht uns aber nicht fix und fertig.
Also: Gott schreibt Liebesbriefe und zeigt, was in unserem Herzen ist, wie das mit dem guten Kern ist. Was ist in unserem Herzen verborgen? Ich lese Ihnen einen Abschnitt aus der Bibel vor. Wir wollen heute Morgen auch Bibelarbeiten zu den Themen des Abends halten. Deshalb Psalm 130, den Psalm, den die katholische Kirche immer bei Beerdigungen liest.
Mein Vikarsvater Beierbach, der noch im Alter hier oben auf dem Renenhof in Spreitbach Dienst getan hat, sagte mir immer: Die katholische Kirche ist so gut dran, dass sie bei Beerdigungen Psalm 130 liest. Wir müssen als evangelische Pfarrer immer sagen, dass der Opa lieb und brav war, Geld gespart hat und seine Sachschaft hatte. Die katholische Kirche sagt: „Aus der Tiefe rufe ich zu dir, bei dir ist Erlösung.“
„Aus der Tiefe rufe ich zu dir, was ist in unserem Herzen? Sehnsucht, erhöre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens! Wenn du, Herr, Sünde anrechnen willst, Herr, wer wird bestehen? Aber bei dir ist Vergebung, dass man dich fürchte. Ich harre des Herrn, meine Seele harrt, und ich hoffe auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn, mehr als die Wächter auf den Morgen. Mehr als die Wächter auf den Morgen hofft Israel auf den Herrn, denn beim Herrn ist Gnade und viel Erlösung. Bei ihm wird Israel erlöst aus allen seinen Sünden.“
Was ist in unserem Herzen verborgen? Viel Sehnsucht nach Erlösung. Nicht nur Erlösung im Sterben – so heißt es ja bei manchen Traueranzeigen: „Wenn die Kraft zu Ende geht, ist es Tod, Erlösung.“ Unser Leben war doch eher zerbrochen. Wir haben es von Ulrich Parzany gehört, danach das Gericht, vor Gott zu kommen. Nein, Erlösung!
Hermann Hesse, unser schwäbischer großer Schriftsteller und Dichter, wurde im letzten Jahr sehr gefeiert. Er schrieb als junger Schriftsteller in seinem Erstroman: „Mir war es, als ob die jungen Menschen erfüllt wären von einem Schrei nach Erlösung.“ Auch die, die unsere S-Bahnen beschmieren, die überall sprayen – wir sagen „die Dreckschweine“ – haben ein Sehnen nach Erlösung. Nach ihrem sinnlosen Leben herauszukommen, der Angst vor der Zukunft, welchem Beruf sie nachgehen können.
Der große Schriftsteller Isaac Bashevis Singer hat einmal geschrieben: „Wann werde ich endlich erlöst werden von der Selbstliebe, von der Eigensucht?“ Kennen Sie das? Die Selbstliebe: „Ich muss mich durchsetzen, ich meine das so, und die anderen müssen sich danach richten.“ Wann werde ich erlöst werden, erlöst von der Zukunftsangst? So viel Sehnen in unserer Welt, in unserem Herzen, Sehnen nach Frieden, herauszukommen aus der Sinnlosigkeit des Lebens.
Und dann hören Sie hoffentlich den Liebesbrief Gottes: „In der Welt habt ihr Angst! Aber seid getrost, ich bin auch noch da, ich habe die Welt überwunden.“ Unser Herr Jesus könnte so viel tun bei Menschen, die sehnsüchtig sind. Glauben Sie nicht, dass bei Evangelisationen der Mensch schlecht gemacht wird, kaputt getroffen wird, weil er ein Sünder ist. Nein, es wird Sehnsucht geweckt.
Bei Christa von Fiban sagte ich einmal: „Ich hatte Durst nach Gott.“ Ich habe mal ein Gemeindeglied in Schorndorf gefragt, Frau Geiger, wie sie zum Glauben gekommen sei. Sie ist ein treues Mitglied der Gemeinschaft und der Kirchengemeinde und im Gemeindedienst aktiv. Sie sagte: „Ich war in Stellung in Stuttgart.“ Früher nannte man das Stellung, als Haustochter oder Dienstmädchen. Wenn ich als Pfarrer in Familien kam und empfangen wurde mit „Herr Pfarrer, bitte kommen Sie herein in unser Zimmer“, wusste ich: Die Bahn war in Stellung gewesen. Sie hatten Benehmen gelernt, früher konnten sie kochen, sie konnten Hauswirtschaft – da gab es Stil. Heute könnten nicht einmal Hausfrauen mehr richtig kochen.
Also früher war es die Entstellung gewesen, das war Sache. Haben Sie das verstanden? Wie sind Sie zum Glauben gekommen? „Ich war in Stellung in einem jüdischen Haus, bei einem Rechtsanwalt. Die haben Sabbat gefeiert, waren zwar liberal, aber ich dachte immer, am Sonntag können die in die Kirche gehen. Aber sie haben es dann am Sonntag auch gehalten, dass da das beste Essen kommen muss. Da musste ich arbeiten wie wild und konnte jahrelang nicht mehr in den Gottesdienst. Herr Schäffu, ich habe einen Klosterkrieg nach Gottes Wort. Jetzt muss man es wieder übersetzen: Also ein Gelüste, ein Hunger, ein Sehnen nach Gottes Wort. Ich habe einen Klosterkrieg nach Gottes Wort.“
Da kann unser Gott etwas machen, wenn Hunger nach ihm aufbricht. Jetzt die Frage: Haben wir auch Hunger, nicht nur nach Frieden, herauszukommen aus der Sinnlosigkeit? Haben wir eine Sehnsucht, erlöst zu werden? Das ist alles bei Menschen da. Haben wir auch eine Sehnsucht nach Wahrheit? Dazu ist Jesus in die Welt gekommen, der Liebesbrief Gottes in Person.
Das kürzeste Weihnachtsevangelium steht im Johannesevangelium. Dort hat Jesus vor Pilatus gesagt: „Dazu bin ich in die Welt gekommen, dafür bin ich geboren, dass Wahrheit laut wird, dass Wahrheit bezeugt wird.“ Ja, Herr Jesus, was meinst du denn? „Ich sage euch Wahrheit über Gott: Er ist wie ein Landwirt, der verschwenderisch seinen Samen aussät.“ So haben wir es im Mitarbeitergottesdienst am Samstag gehört.
„Ich sage euch Wahrheit über Gott: Er lädt königlich ein und ist bloß traurig, wenn die Plätze nicht besetzt sind.“ Deshalb laden wir mit Bannern und Handzetteln quer durch Württemberg auch zu Pro Christ ein – nicht zu Ulrich Parzany oder unseren Veranstaltungen, sondern zu Jesus. Wie ein königlicher Herr, der an Hecken und Zäunen einlädt: „Komm doch!“ So ist Gott.
Aber Jesus sagt auch die Wahrheit über uns, über Gott, über die Welt. „In der Welt habt ihr Angst!“ Die Friedlosigkeit der Welt, der Fürst dieser Welt ist der Teufel, der Teufel los, ja. Aber er sagt auch die Wahrheit über uns, wenn wir sie hören wollen.
Jetzt kommt das ziemlich harte Wort, das wir eigentlich dieser Bibelarbeit zugrunde gelegt haben. Plötzlich sagt Jesus unvermittelt: „Aus dem Herzen des Menschen kommen...“ Wir denken an Sehnsucht, Hoffnung, Erlösung von der Unerfülltheit, Friedenssinn. Aber Jesus sagt: „Aus dem Herzen des Menschen kommen arge Gedanken, Mord...“
Ich erinnere mich, wie Wilhelm Busch in Kirche am Teck dieses Wort sagte: „Im Herzen des Menschen kommen arge Gedanken, Mord.“ Da saß unten eine ältere Dame, die wesentlich jünger war als ich heute, und schüttelte den Kopf. Da sagte Wilhelm Busch: „Oma, Mord!“
Wollen wir die Wahrheit über uns hören? Ich hatte Eltern, für die ich Gott nur danken kann. Aber ich erinnere mich, als unsere Mutter sagte: „Ich war froh, als der Vater die Pistole aus dem Haus gegeben hat.“ Ich habe manchmal gedacht: „Ich schieße ihn über den Haufen!“ Und das in der glücklichsten Ehe.
Im Herzen des Menschen sind arge Gedanken. Ich habe oft diese Geschichte erzählt und denke, meine Mutter ist nicht böse darüber, wenn Ehepaare sagen: „Es geht nicht mehr mit uns. Mein Mann kommt so spät heim, und er geht in drei Vereine.“ Und sagt: „Wo ist der Hass? Auch Hass haben wir eigentlich nicht. Es ist bloß langweilig.“ Wunderbar! Noch wunderbare Ehen! Wir gehen heute auseinander wegen Harmlosigkeit.
Im Herzen des Menschen sind arge Gedanken: Mord, Ehebruch, Hurerei, Falschzeugnis, Lästerung – das macht den Menschen gemein. In unserem Herzen ist so viel Not. Wir sagen, der große Apostel Johannes sagt: „Ich nicht. Bei mir ist alles in Ordnung.“ Wie Meister Köpper, der Kaminfeger: „Ich brauche das nicht.“ Belügen wir uns selbst! Die Wahrheit ist nicht bei uns.
Aber wenn wir Sünde bekennen, ist Jesus treu und gerecht, dass er Sünde vergibt und uns reinigt von aller Untugend. Diese Tage sind dazu da, dass in uns ein Hunger nach Wahrheit aufbricht.
Ich bin oft traurig über unser neues evangelisches Gesangbuch, das schön ist, wunderbar, tröstlich bis hin zu eitlen Liedern. Aber alles ist gestimmt auf das: „Herr, ich habe dich lieb, es ist alles so schön, du tröstest mich, weil deine Hand mich festhält.“ Im alten Gesangbuch standen noch Lieder von Michael Hahn: „Herr, lass mich deine Heiligung durch deinen Geist erlangen.“
Ich stehe immer in Gefahr, das Kleinod zu verlieren. Der Feind versucht mich immer da und will mich dir entführen – auch nach 40 Jahren Gemeinschaftszugehörigkeit. „Herr Jesus, nimm dich meiner an, halte mich auf der Lebensbahn. Lass mich, Herr, dein Licht durchleuchten, so schaue ich mich, wie ich bin.“
Wir haben es vorher gehört, dass da plötzlich etwas auftaucht. Ich kann Ihnen die Stelle zeigen: Im Ulmer alten Friedhof habe ich meine Predigt meditiert. „So wie er Sünde bekenne, ist er treu und gerecht.“ In meiner Predigt habe ich gesagt: Man darf auch vor Gott fragen: „Wie siehst du mich? Wo siehst du die dunklen Flecken meines Lebens?“ Und plötzlich kam es über mich, da musste ich auch ich sagen. An der Stelle friedelte es und sagte: „Er zeigt mir, wo du traurig bist über mich.“ Und plötzlich war es, als wenn ein Damm bricht.
Dinge, die ich weggedrängt habe. Sie haben mir das vorher erzählt. Plötzlich nicht nur die kleinen Diebstähle von früher bis hin zum Mord, wo man schuldig war, dass ein Mensch nicht mehr am Leben hinausgesehen hat, den man stehenließ, der sich das Leben genommen hat. Wie bin ich schuldig geworden meinen Klassenkameraden? Ich habe das Zeichen der evangelischen Jugend getragen, und wie habe ich mich benommen in der Klasse? Wenn die nichts vom Christentum wissen wollen, da bin doch ich schuldig dran.
Jesus kann uns zeigen, und wir meinen, wir sind im frommen Leben, was eigentlich in unserem Leben und Herzen ist. „Lass mich ja dein Licht durchleuchten, so schaue ich mich, wie ich bin.“ Dann lerne ich von Herzen beichten: „Flieh zu deiner Gnade hin.“ Der Herr Jesus will in uns einen Durst wecken, ein Verlangen nach Erlösung, nach Vergebung – das Edelste, was in unserem Herzen sein kann. Nicht das Gute, da ist manche sicher da.
Ihr, die arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben. Es sind sicher manche Lieder und Worte da. Aber bei jeder Beerdigung geht es bei mir so: Ich hätte doch den Brief schreiben sollen, ich hätte diese dumme Geschichte ins Reine bringen sollen. Es wacht in mir auf, was ich jedem Menschen schuldig geblieben bin. „Herr, zeig mir, wo du traurig bist über mich.“
Unser Herr schreibt Liebesbriefe. Der Herr Jesus ist großartig. Er wusste doch vom Zachäus, dem Oberzöllner, dass in dessen Leben manches gewachsen war, vieles nicht in Ordnung war und das ihm gar nicht bewusst war. Er wollte nur Jesus sehen, wenn er durchkäme. Man muss das ja mal gesehen haben.
Und dazu machen wir Pro Christ mit all diesem Aufwand, damit Menschen sagen: „Wenn plötzlich eine Frau zu Hause sagt, du gehst zu Pro Christ,“ dass einer sagt: „Na ja, da muss man ja auch mal hingegangen sein, muss man das angesehen haben.“ So ist Zachäus auch hingegangen. Und weil er nicht durchsah, als kleines Männchen, stieg er auf den Maulbeerbaum.
Und dann kam Jesus und sah bloß ihn. Für Jesus geht es nicht darum, dass viele da sind, dass heute Morgen zwanzig da stehen. Es geht um einzelne. Und jetzt, was hat Jesus gesagt? „Verehrter Herr Zachäus, bei Ihnen muss auch noch einiges im Leben ins Reine kommen. Ich sehe da einiges, was mir nicht gefällt.“ Hat er das gesagt? Nein!
Zachäus steigt eilend hernieder und sagt: „Ich muss mich bei dir einladen, ich möchte bei dir Gast sein, beherberge mich, ich möchte zu dir kommen!“ Da war Jesus da und hielt keine Moralpredigt und sagte: „Eigentlich esse ich ja nicht gern bei dir, Herr Zachäus, was du mir hier auftischst, das ist ja alles mit Betrug erkauft und mit Diebstahl.“ Nein! Aus Zachäus bricht es in der Nähe Jesu heraus: „Herr, ich habe so viele Leute betrogen, und ich will es vierfach erstatten. Ich will es gut machen.“
Ich weiß nicht, wie die Schuldentilgungsrechnung des Zachäus aussah. Die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, wenn ich jemanden betrogen habe, gebe ich es vierfach. Der hat sich sicher überschuldet, hat gar nicht mehr übersehen, was alles drin war. Aber: „Herr Jesus, jetzt bist du da, und da ist so viel, was ins Reine kommen muss. Ich habe Durst nach Vergebung.“
Das kann in unser Herz kommen, wenn Jesus da ist. Und alles, was wir uns wünschen, wenn wir gleich auch miteinander beten, ist ja nicht, dass wir versprechen: „Ich will besser werden, ich will heiliger werden.“ Sondern bloß bekennen: „Ich habe Durst nach dir.“ Wisst ihr, was Jesus gesagt hat? „Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.“ Kann uns nichts Herrlicheres passieren, als dass über den vielen Versäumnissen unseres Lebens Hunger aufwächst: „Jetzt, Herr, komm zu mir, ruf mich auch in deiner Nähe!“
So wie er Sünde bekennt, ist er treu und gerecht, dass er Sünde vergibt. Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Wenn jetzt der Chor singt und die Spieler auch auf die Bühne heraufkommen, lade ich auch ein, so wie wir es abends haben, dass wer es festmachen will, nach vorne kommen kann.
Wir haben in den letzten Jahren – ich war ja mitverantwortlich für Pro Christ – sehr viel Protest bekommen von Pfarrerinnen und Pfarrern, die gesagt haben, das sei eine Seelenkneterei, wenn man auffordert, nach vorne zu kommen. Da hat Ulrich Parzany mir immer die Briefe und Faxe zugestellt und gesagt: „Das darfst du als Pfarrer beantworten.“ Und ich habe meist gesagt: Wir machen es eben so, wie Sie es bei den Trauungen machen. Da sagen unbittig die Brautleute sich zu erheben und nach vorne zu kommen und zu sagen: „Ja, wir wollen in Gottes Namen zusammengehören.“
Wir machen es wie bei der Konfirmation. Das heißt, die Konfirmanden dürfen sich jetzt erheben und fragen: „Wollt ihr mit Jesus leben?“ Dann dürfen sie miteinander Ja sagen. Da war dann meist Ruhe. Das wollen wir machen: dass wir uns dazu bekennen: „Ich habe Durst nach dir.“ Und dass wir auch am heutigen Tag festmachen: „Herr, jetzt komm du zu mir und lass mich erkennen, was in meinem Leben nicht stimmt und wo du mit einer herrlichen Vergebung heilen kannst.“
Die Kraft biblischer Worte in der Not
Und damals hat er mich, den jungen Pfarrer aus Ulm, zu sich kommen lassen und gesagt: „Herr Schiffbuch, hier sind nur die kahlen Wände der Intensivstation, des Sterbezimmers. Meine Gedanken können sich nicht sammeln. Ich sage Ihnen ein paar Bibelworte vor, aber Sie müssen mir diese Worte zusprechen.“
Er kannte die Worte, doch es musste jemand anderes sein, der im Glauben dahintersteht und ihm diese Worte sagt. Eines der ersten Worte, die er sagte, war: „Gesegnet ist der Mensch, der sich auf den Herrn verlässt. Der ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln hat. Denn obgleich ein dürres Jahr kommt, fürchtet er sich nicht, sondern bringt Frucht, so wie es weitergeht.“
Aber das Herz ist ein trotziges und verzagtes Ding – wer will es ergründen? Was ist mit unserem Herzen los? Was ist mit dem Menschen? Herr, gib mir deinen Segen!
Er durfte noch viele Jahrzehnte leben, zwar angeschlagen, doch da habe ich gemerkt: Ein Liebesbrief Gottes, vor Jahrtausenden geschrieben, hat in diesem Intensivraum von Bregenz diesen Doktor Stammler erreicht. Angekommen – ein gesegneter Mensch, der, wenn das dürre Jahr kommt, wie ein Baum am Wasser gepflanzt ist.
Die Herausforderung des Glaubens in Krisenzeiten
Es ist ein Wort aus der Rolle des Jeremia, von der uns gestern Ulrich Barzani erzählt hat. Der König ließ diese Rolle abschneiden und verbrennen. Auf dieser Rolle steht auch das Wort, das für uns in diesen Tagen so wichtig werden kann – in diesen Tagen der Sorge, wie es weitergeht, zum Beispiel im Irak.
Lieber Gott, wie kannst du das zulassen? Du bist doch ein Gott des Friedens. Gleich zu Beginn heißt es in Jeremia 2: Du musst innehalten und erfahren, welchen Kummer und welches Herzeleid es bringt, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen und ihn nicht zu fürchten.
Vielleicht müssen wir alle das lernen – egal, ob wir auf Friedensdemonstrationen gehen oder nicht. Es geht nicht nur um den bösen Busche oder den bösen Saddam Hussein. Man muss selbst erfahren, welchen Kummer es bedeutet, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen.
Wenn Gott uns den Rücken zukehrt – Amerika, den Irak und der ganzen Welt, unter Weltökonomie und UN –, dann können die klügsten Menschen da sein und doch nichts erreichen. Du musst erfahren, welchen Kummer und welches Herzeleid es bringt.
Aber kehre dich zu mir, so heißt es bei Jeremia weiter, denn ich liebe dich, ich habe dich erlöst.
Gottes unermüdliches Werben um die Menschen
So oft ich dein Gedenken, lauter Worte aus dem Propheten Jeremia. So oft ich dein Gedenken, stürmt mein Herz dir entgegen. Ich muss mich deiner erbarmen. Wenn das nicht ein Liebesbrief ist!
Unsere Mutter konnte ihren fünf Söhnen immer wieder sagen: Auch wenn wir glücklich verheiratet sind, werbt ihr noch um eure Frau. Es ist nicht erledigt mit der Hochzeit, nur weil man Ja gesagt hat. Werbt ihr noch um die Liebe?
Was hat Gott für Mühe gehabt mit mir bis zum heutigen Tag, um mich zu werben, damit das Verhältnis zu ihm nicht erstarrt in Gleichgültigkeit. Deshalb kommen immer wieder die Botschaften Gottes, voll Liebe.
Mein Herz stürmt dir entgegen: „Sucht den Herrn, solange er zu finden ist, denn beim Herrn ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“ Wir zitieren das gerne auf dem Friedhof, doch da gehört es gar nicht hin. Sondern es hat mit der Vergebung zu tun, dass Gott uns sucht.
Wie Menschen sagen: Der soll es auch spüren. Wenn er gegen mich ist, dann wird er merken, mit wem er es zu tun hat. Ich bleibe kalt und hart. Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Er brennt vor Liebe und möchte uns erweichen, gewinnen.
„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, sucht den Herrn, solange er zu finden ist. Ich habe dich je und je geliebt.“ Also der Liebesbrief Gottes, der auch uns erreichen soll.
Die Vielschichtigkeit Gottes im Alten Testament
Neulich hat meine Frau gesagt, sie sei meine beste theologische Lehrerin. Die Bibel liest sie jetzt sehr viel, auch das Alte Testament.
Man kann den Gott der Liebe gar nicht verstehen, wenn man das Alte Testament nicht liest. Dort zeigt sich ein Gott, der um sein Volk ringt. Er stürmt mein Herz an mit den Worten: „Ich habe dich je und je geliebt.“ Aber er kann auch sagen: „Jetzt ist Schluss, du hast mich ins Gesicht beleidigt.“ Und dann fordert er uns auf, innezuhalten und zu erfahren, welchen Kummer und welches Herzeleid es bringt, Gott zu verlassen.
Das passiert tatsächlich. Israel war 70 Jahre in der babylonischen Gefangenschaft. Gott kann auch das Volk der Reformation stehenlassen. Da kann man nicht einfach sagen: „Lieber Gott, wir sind Gott der Liebe.“
Er hat lang um uns geworben, um jeden von uns seit Jugendtagen. Wie oft hat er um uns geworben – mit Bibelworten, mit Menschen, die er uns auf den Weg geschickt hat. Der Geist hat uns das deutlich gemacht: Auch Menschen können Liebesbriefe Gottes sein, mit Führungen und Bewahrungen.
Wenn Sie anfangen, vielleicht haben Sie in diesen Tagen Zeit, dann nehmen Sie einfach einen Bogen Papier vor sich und schreiben auf, wie viel Güte Gottes in Ihrem Leben ist. Sie werden schnell einen zweiten Bogen holen, weil der erste gar nicht ausreicht, um all die Bewahrung und Hilfe zu notieren. Das sind Liebesbriefe Gottes.
Aber in der Bibel stehen nicht nur Liebesbriefe. Dort finden sich auch erschütternde Zeugnisse darüber, was im Herzen des Menschen ist.
Die dunklen Seiten des menschlichen Herzens
Der Hass – der unglaubliche Hass der Brüder Josephs auf ihren Bruder Joseph – das wollen wir näher betrachten. „Haha, der soll nur kommen, der Träumer!“ Warum? Weil Joseph gesagt hat, Gott habe ihm einiges offenbart.
Wissen Sie, auch wir Christen können manchmal so überheblich von dem sprechen, was Gott uns zugeteilt hat, dass andere Menschen darüber zornig werden. Diese Überheblichkeit wollen wir „verkaufen“, wir wollen sie fertig machen. Nicht nur die Brüder Josephs handeln so.
In einem der Psalmen heißt es – und viele Menschen sind darüber schon gestolpert: „Wehe dir, du Verwüsterin über Babel, die uns singen lässt im fremden Land ein Lied über Jerusalem. Wohl dem, der deine Kinder nimmt und zerschmettert sie am Felsen!“ Manche sagen: Das steht in der Bibel, das soll Gottes Wort sein. Nein, das ist nicht Gottes Wort, sondern der Zornausbruch eines Menschen, der nicht mehr kann.
Wir dürfen unser Herz vor Gott ausschütten – bis zum Bodensatz. Deshalb steht es auch in der Bibel, dass man Zorn haben kann über die Verwüster des Volkes Gottes. Dort finden sich Geschichten über die Gier des frommen Königs David – „ach, diese Frau“ –, über die Gier der Frau Potifars – „ach, der junge Josef, das wär doch was“.
Wie ist das mit dem guten Kern im Menschen? Was steckt in uns, wozu Menschen alles fähig sind? Darüber wird heute Abend Ulrich Parzany sprechen.
Die Gefahr der Überheblichkeit und Gottes Ermahnung
Zur Überheblichkeit der Königin Chia: Als die Gesandten von Babel kamen, zeigte er ihnen sein Haus und all seine Herrlichkeit. Er sagte: „Das habe ich aufgebaut, ich habe das geleistet, ich habe Israel wieder aus dem Dreck emporgezogen.“ Doch dann kam das Wort des Herrn zu ihm: „Ich habe das gemacht, nicht du. Ich habe dir den Segen gegeben.“
Eine erschreckende Geschichte der Überheblichkeit
Im Zweiten Buch der Chronik heißt es, dass Gott ihn prüfte, damit deutlich wurde, was in seinem Herzen war – wie viel Überheblichkeit, wie viel Geldgier und wie viel Ehrgeiz darin steckten. Ulrich Barzani stammt aus der Schule des Weikelhauses in Essen. Sein großer Lehrer war Wilhelm Busch, ebenfalls aus Essen. Wilhelm Busch hat viel erlitten: Gestapo-Haft, Erniedrigungen durch andere Pfarrer in Essen, die ihn verspotteten.
Am meisten gekränkt hat ihn, dass er 1940 als Oberleutnant des Ersten Weltkriegs wegen Wehrunwürdigkeit aus der Wehrmacht ausgestoßen wurde. Die Offiziere hatten in seinen Akten gelesen, dass er schon im Gefängnis war – allerdings nicht wegen seines Glaubens. Trotzdem hieß es: „Wir wollen keinen Offizier, der im Gefängnis war.“ Das hat ihn tief verletzt, seine Mannesehre wurde verletzt. Wie viel Ehrgeiz steckt in unserem Herzen!
Nun könnte Herr Jesus kommen und sagen: „Ich will dir mal die Maske vom Gesicht reißen und zeigen, was wirklich in deinem Herzen ist.“ Das tut Jesus aber nicht. Stattdessen sagt er: „Kommt her, ihr Mühseligen und Beladenen! Mein Joch ist sanft.“ Das Joch unserer Ehrsucht, das Joch unserer Gier, das Joch unserer Sorgen und Ängste vor der Zukunft – mein Joch ist sanft. Kommt zu mir, ich übernehme die Verantwortung für euch.
Die Einladung Jesu an die Müden und Beladenen
Der Herr Jesus lädt Mühselige und Beladene ein.
In der Bergpredigt sagt er: „Ihr Väter, die ihr doch arge Leute seid, böse Leute, aber euren Kindern könnt ihr gute Gaben geben, wenn sie darum bitten. Wie viel mehr wird der Vater…“
Herr Jesus blamiert uns nicht, er kratzt nicht den Lack ab, sondern kennt uns durch und durch. Ach, wie schön ist die Bibel, voll von Wahrheit.
Um den Herrn Jesus herum herrscht eine Atmosphäre der Ehrlichkeit und der Wahrheit. Als Jesus beim letzten Mal so über den Tisch wegsackt, sagt er: „Übrigens, einer von euch wird mich ans Messer liefern, einer von euch wird mich verraten.“
Wenn das in unseren Gemeinden, selbst im frommen Korntal, gesagt worden wäre, hätten die Leute gesagt: „Das wissen wir schon, das ist sicher der Herr Chefbuch, der ist landesgerichtlich.“ Und die anderen hätten gesagt: „Nein, das ist sicher der, der ist immer überheblich.“
Bei den Jüngern heißt es, sie fingen alle an zu fragen: „Herr, bin ich’s?“ Sie haben Jesus geliebt, aber sie wussten auch, dass in der nächsten halben Stunde etwas über sie kommen kann. Dass sie plötzlich einen Hass auf Jesus bekommen, so wie es in jeder normalen Liebe neben der innigsten Liebe auch Hass geben kann.
Die Komplexität des menschlichen Herzens in der Bibel
Was ist alles in unserem Herzen? Die Sehnsucht nach Liebe. Im Hohen Lied heißt es: „Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz, deine Liebe wie ein Pfand.“ So viel wird in der Bibel beschrieben, was auch in unserem Herzen verständlich und gut ist.
Die Bibel macht den Menschen nicht schlecht. Im Gegensatz dazu zeigen Fernsehen und moderne Romane oft Betrug, Hass, Mord und Gemeinheit. Sie vermitteln den Eindruck, dass die Erde ein Jammertal ist. Die Bibel hingegen sieht das ganz anders. Sie kennt unsere Schwächen, macht uns aber nicht fertig.
Gott schreibt Liebesbriefe und zeigt uns, was in unserem Herzen steckt und wie es um den guten Kern darin bestellt ist. Was ist in unserem Herzen verborgen?
Ich lese Ihnen einen Abschnitt aus der Bibel vor. Heute Morgen wollen wir auch Bibelarbeiten zu den Themen des Abends durchführen. Deshalb lesen wir Psalm 130, den Psalm, den die katholische Kirche oft bei Beerdigungen verwendet.
Die Sehnsucht nach Erlösung und Vergebung
Mein Vikarsvater Beierbach, der noch im Alter hier oben auf dem Renenhof in Spreitbach Dienst getan hat, hat mir immer gesagt: Die katholische Kirche ist so gut aufgestellt, weil sie bei der Beerdigung Psalm 130 liest.
Wir evangelischen Pfarrer müssen oft sagen, dass der Opa lieb und brav war, Geld gespart hat und seine Sachschaft hinterlässt. Die katholische Kirche hingegen sagt: „Aus der Tiefe rufe ich zu dir, bei dir ist Erlösung. Aus der Tiefe rufe ich zu dir.“
Was ist in unserem Herzen? Sehnsucht. „Erhöre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens! Wenn du, Herr, Sünde anrechnen willst, Herr, wer wird bestehen?“ Aber bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte. „Ich harre des Herrn, meine Seele harrt, und ich hoffe auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen, mehr als die Wächter auf den Morgen. Israel hofft auf den Herrn, denn beim Herrn ist die Gnade, und bei ihm ist viel Erlösung. Er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden.“
Was ist in unserem Herzen verborgen? Viel Sehnsucht nach Erlösung. Nicht bloß Erlösung im Sterben, wie es ja bei manchen Traueranzeigen heißt: „Wenn die Kraft zu Ende geht, ist es Tod, Erlösung.“ Unser Leben war doch eher zerbrochen.
Wir haben es von Ulrich Barzani gehört: Danach kommt das Gericht, das Vor-Gott-Kommen. Nein, Erlösung! Hermann Hesse, der im letzten Jahr sehr gefeiert wurde – unser schwäbischer großer Schriftsteller und Dichter – hat als junger Schriftsteller in seinem Erstroman geschrieben: „Mir war es, als ob die jungen Menschen erfüllt wären von einem Schrei nach Erlösung.“
Auch die, die unsere S-Bahnen beschmieren und überall sprühen – wir sagen oft „die Dreckschweine“ – haben ein Sehnen nach Erlösung. Sie wollen aus ihrem sinnlosen Leben herauskommen. Aus der Angst, was die Zukunft bringt, welchen Beruf sie haben können.
Der große Schriftsteller Isaac Wiesinger hat einmal geschrieben: „Wann werde ich endlich erlöst werden von der Selbstliebe, von der Eigensucht?“ Kennen Sie das? Die Selbstliebe: „Ich muss mich durchsetzen, ich meine das so, und die anderen müssen sich danach richten.“ Wann werde ich erlöst von der Zukunftsangst?
So viel Sehnen in unserer Welt, in unserem Herzen: Sehnen nach Frieden, herauszukommen aus der Sinnlosigkeit des Lebens. Und dann hören Sie hoffentlich den Liebesbrief Gottes: „In der Welt habt ihr Angst! Aber seid getrost, ich bin auch noch da, ich habe die Welt überwunden.“
Unser Herr Jesus könnte so viel tun bei Menschen, die sehnsüchtig sind. Glauben Sie nicht, dass bei Evangelisation der Mensch schlecht gemacht wird, kaputt getroffen, weil er ein Sünder ist. Vielmehr wird sein Sehnen geweckt.
Persönliche Glaubenserfahrungen und der Hunger nach Gottes Wort
Bei Christa von Fiban hatte ich Durst nach Gott. Ich fragte einmal ein Gemeindeglied in Schörndorf, Frau Geiger, wie sie eigentlich zum Glauben gekommen sei. Sie ist ein treues Mitglied der Gemeinschaft und engagiert sich im Gemeindedienst.
Sie erzählte, dass sie früher in der Stellung in Stuttgart war. Früher nannte man das Stellung, wenn man als Haustochter oder Dienstmädchen bei Familien arbeitete. Wenn ich als Pfarrer zu solchen Familien kam und empfangen wurde mit den Worten: „Herr Pfarrer, bitte kommen Sie herein in unser Zimmer“, wusste ich, dass sie eine Stellung hatten. Die Mädchen hatten Benehmen gelernt, konnten kochen und Hauswirtschaft. Es gab Stil. Heute könnten viele Hausfrauen nicht einmal mehr richtig kochen. Früher war das die Entstellung gewesen, das war eine Sache, haben Sie verstanden?
Dann fragte ich weiter: Wie sind Sie zum Glauben gekommen? Sie antwortete: „Ich war in Stellung in einem jüdischen Haus, bei einem Rechtsanwalt. Die haben Sabbat gefeiert, waren zwar liberal, aber ich dachte immer, am Sonntag können sie in die Kirche gehen. Doch sie hielten auch am Sonntag fest, dass das beste Essen auf den Tisch kam. Da musste ich wild arbeiten und konnte jahrelang nicht zum Gottesdienst gehen.“
Herr Schäffu sagte: „Ich habe einen Klosterkrieg nach Gottes Wort.“ Jetzt muss man das übersetzen: Es ist ein Gelüsten, ein Hunger, ein Sehnen nach Gottes Wort. Wenn dieser Hunger aufbricht, dann kann unser Gott etwas machen.
Jetzt stellt sich die Frage: Haben wir auch einen Hunger? Nicht nur nach Frieden, nicht nur das Herauskommen aus der Sinnlosigkeit, sondern auch eine Sehnsucht, erlöst zu werden. Das ist bei allen Menschen da. Haben wir auch eine Sehnsucht nach Wahrheit? Dazu ist Jesus in die Welt gekommen, er ist der Liebesbrief Gottes in Person.
Das kürzeste Weihnachtsevangelium steht im Johannesevangelium. Dort sagt Jesus vor Pilatus: „Dazu bin ich in die Welt gekommen, dafür bin ich geboren, dass Wahrheit laut wird, dass Wahrheit bezeugt wird.“
Was meint Jesus damit? Er sagt: Ich sage euch die Wahrheit über Gott. Er ist wie ein Landwirt, der verschwenderisch seinen Samen aussät. So haben wir es im Mitarbeitergottesdienst am Samstag gehört. Ich sage euch die Wahrheit über Gott: Er lädt königlich ein und ist nur traurig, wenn die Plätze nicht besetzt sind.
Deshalb laden wir mit Bannern und Handzetteln in großer Zahl quer durch Württemberg auch zu Pro Christ ein. Nicht zu Ulrich Barzani, nicht zu unseren Veranstaltungen, sondern zu Jesus. Wie ein königlicher Herr, der an Hecken und Zäunen einlädt: „Komm doch!“ So ist Gott.
Aber Jesus sagt auch die Wahrheit über uns, über Gott und über die Welt. Über die Welt habt ihr Angst, wegen der Friedlosigkeit. Der Fürst dieser Welt ist der Teufel, der Teufellos. Ja, aber Jesus sagt auch die Wahrheit über uns – wenn wir sie hören wollen.
Die dunklen Gedanken des Menschen und die Wahrheit des Evangeliums
Jetzt kommt das entscheidende Wort, das dieser Bibelarbeit zugrunde liegt. Plötzlich hat Jesus unvermittelt gesagt: „Aus dem Herzen des Menschen kommen...“ Und wir denken dabei an Sehnsucht, Hoffnung, erlöst zu werden von der Unerfülltheit, an den Sinn nach Frieden.
Doch aus dem Herzen des Menschen kommen auch arge Gedanken, Mord. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Wilhelm Busch in der Kirche am Teck dieses Wort sagte: „Aus dem Herzen des Menschen kommen arge Gedanken, Mord.“ Da saß unten eine ältere Dame, die wesentlich jünger war als ich heute, und schüttelte den Kopf. Wilhelm Busch sagte daraufhin: „Oma, Mord! Wollen wir die Wahrheit über uns hören?“
Ich hatte Eltern, für die ich Gott nur danken kann. Aber ich erinnere mich auch daran, dass unsere Mutter einmal sagte: „Ich war froh, als der Vater die Pistole aus dem Haus gegeben hat.“ Manchmal dachte ich sogar: „Ich schieße alles über den Haufen“, obwohl es die glücklichste Ehe war.
Im Herzen des Menschen sind arge Gedanken. Ich habe diese Geschichte oft erzählt und denke, meine Mutter wäre nicht böse, wenn Ehepaare sagen: „Es geht nicht mehr mit uns.“ Mein Mann kommt so spät heim und geht in drei Vereine. Wo ist da der Hass? Hass haben wir eigentlich nicht, es ist nur langweilig, oder?
Wunderbar, noch wunderbare Ehen! Aber heute gehen wir auseinander wegen Harmlosigkeit. Im Herzen des Menschen sind arge Gedanken: Mord, Ehebruch, Hurerei, Falsches Zeugnis, Lästerung – das macht den Menschen gemein. In unserem Herzen ist so viel Not.
Wir sagen, wie der große Apostel Johannes: „Ich nicht, bei mir ist alles in Ordnung“, wie beim Kaminkehrermeister Köpper. Aber wir belügen uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Doch wenn wir Sünde bekennen, ist Jesus treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt und reinigt von aller Untugend.
Diese Tage sind dafür da, dass in uns ein Hunger nach Wahrheit aufbricht. Ich bin oft traurig über unser neues evangelisches Gesangbuch, das schön ist, wunderbar, tröstlich – bis hin zu eitlen Liedern. Aber alles ist darauf abgestimmt: „Herr, ich habe dich lieb, es ist alles so schön, du tröstest mich, weil deine Hand mich festhält.“
Im alten Gesangbuch standen noch die Lieder von Michael Hahn: „Herr, lass mich deine Heiligung durch deinen Geist erlangen.“ Ich stehe immer in Gefahr, dieses Kleinod zu verlieren. Der Feind versucht mich immer wieder und will mich entführen, auch nach 40 Jahren Gemeinschaftszugehörigkeit.
„Herr Jesus, nimm dich meiner an, halte mich auf der Lebensbahn. Lass mich, Herr, dein Licht durchleuchten, so schaue ich mich, wie ich bin.“
Wir haben vorher gehört, dass da plötzlich etwas auftaucht. Ich kann Ihnen die Stelle zeigen: im alten Friedhof von Ulm. Ich habe meine Predigt meditiert, in der ich sagte: „Wie er Sünde bekennt, ist er treu und gerecht.“ In meiner Predigt habe ich gesagt, man darf auch vor Gott fragen: „Wie siehst du mich? Wo siehst du die dunklen Flecken meines Lebens?“
Und plötzlich kam es über mich – das musste auch ich sagen. Und der Stellenfriedelte sagt: „Er zeigt mir, wo du traurig bist über mich.“ Plötzlich war es, als ob ein Damm bricht. Dinge, die ich weggedrängt hatte, kamen hoch. Sie hatten mir das vorher erzählt. Plötzlich waren es nicht nur die kleinen Diebstähle von früher, sondern bis hin zum Mord, wo man schuldig war, dass ein Mensch nicht mehr am Leben teilhatte, den man stehen ließ, der sich das Leben genommen hat.
Wie bin ich schuldig geworden meinen Klassenkameraden? Ich habe das Zeichen der evangelischen Jugend getragen, und wie habe ich mich in der Klasse benommen? Wenn sie nichts vom Christentum wissen wollen, dann bin doch ich daran schuld.
Jesus kann uns zeigen, was eigentlich in unserem Leben und Herzen ist, auch wenn wir meinen, wir führen ein frommes Leben. „Lass mich ja dein Licht durchleuchten, so schaue ich mich, wie ich bin.“ Dann lerne ich von Herzen zu beichten und fliehe zu deiner Gnade hin.
Der Herr Jesus will in uns einen Durst wecken, ein Verlangen nach Erlösung, nach Vergebung – das Edelste, was in unserem Herzen sein kann. Nicht das Gute. Da gibt es sicher manche, die arg sind, und trotzdem ihren Kindern gute Gaben geben.
Es gibt sicher manche Lieder und Worte, aber bei jeder Beerdigung geht es bei mir so: „Ich hätte doch den Brief schreiben sollen, ich hätte diese dumme Geschichte ins Reine bringen sollen.“ Es wacht in mir auf, was ich jedem Menschen schuldig geblieben bin.
„Herr, zeig mir, wo du traurig bist über mich.“
Die Einladung zur Umkehr und Vergebung am Beispiel von Zacchaeus
Unser Herr schreibt Liebesbriefe. Der Herr Jesus ist großartig. Er wusste von Zachäus, dem Oberzöllner, dass in dessen Leben manches nicht in Ordnung war und ihm das gar nicht bewusst war. Zachäus wollte nur Jesus sehen, wenn er vorbeikam. Man muss das ja mal gesehen haben.
Und genau deshalb machen wir Pro Christ mit all diesem Aufwand, damit Menschen sagen, wenn plötzlich eine Frau zu Hause sagt: „Du gehst zu Pro Christ“, dass jemand antwortet: „Na ja, da muss man ja auch mal hingegangen sein, das muss man sich angesehen haben.“ So ist auch Zachäus hingegangen.
Weil er nicht gut sehen konnte, stieg er als kleines Männchen auf einen Maulbeerbaum. Dann kam Jesus und sah nur ihn. Für Jesus geht es nicht darum, dass viele da sind, dass heute morgen zwanzig Menschen da stehen. Es geht um Einzelne.
Was hat Jesus gesagt? „Verehrter Herr Zachäus, bei Ihnen muss auch noch einiges im Leben ins Reine kommen. Ich sehe da einiges, was mir nicht gefällt.“ Hat er das gesagt? Nein! Zachäus stieg eilends herab und sagte: „Ich muss mich bei dir einladen. Ich möchte bei dir Gast sein. Beherberge mich, ich möchte zu dir kommen!“
Da war Jesus da und hielt keine Moralpredigt. Er sagte nicht: „Eigentlich esse ich ja nicht gern bei dir, Herr Zachäus, was du mir hier auftischst, ist ja alles mit Betrug erkauft und mit Diebstahl.“ Nein, aus Zachäus brach es in der Nähe Jesu heraus: „Herr, ich habe so viele Leute betrogen und ich will es vierfach erstatten. Ich will es gut machen.“
Ich weiß nicht, wie die Schuldentilgungsrechnung von Zachäus ausgesehen hat. „Die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, wenn ich jemanden betrogen habe, gebe ich es vierfach.“ Er hat sich sicher überschuldet und hat gar nicht mehr übersehen, was alles drin war. Aber: „Herr Jesus, jetzt bist du da, und da ist so viel, was ins Reine kommen muss. Ich habe Durst nach Vergebung.“
Das kann in unser Herz kommen, wenn Jesus da ist. Und alles, was wir uns wünschen, wenn wir gleich auch miteinander beten, ist ja nicht, dass wir versprechen: „Ich will besser werden, ich will heiliger werden“, sondern bloß bekennen: „Ich habe Durst nach dir.“
Wisst ihr, was Jesus gesagt hat? „Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.“ Uns kann nichts Herrlicheres passieren, als dass über den vielen Versäumnissen unseres Lebens Hunger aufwächst: „Jetzt, Herr, komm zu mir, ruf mich auch in deiner Nähe!“
So wie wir Sünde bekennen, ist er treu und gerecht, dass er Sünde vergibt. Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.
Wenn jetzt dann der Chor singt und die Spieler auf die Bühne heraufkommen, lade ich auch ein, so wie wir es abends haben, dass wer es festmachen will, nach vorne kommen kann.
Wir haben in den letzten Jahren – ich war ja mitverantwortlich für Pro Christ – sehr viel Protest bekommen von Pfarrerinnen und Pfarrern. Sie haben gesagt, das sei eine Seelenkneterei, wenn man auffordert, nach vorne zu kommen.
Da hat Ulrich Barzani mir immer die Briefe und Faxe zugestellt und gesagt, das dürftest du als Pfarrer beantworten. Ich habe dann meist gesagt: „Wir machen es eben so, wie Sie es bei den Trauungen machen.“ Da sagen unbittlich die Brautleute, sie sollen sich erheben und nach vorne kommen, um zu sagen: „Ja, wir wollen in Gottes Namen zusammengehören.“
Wir machen es wie bei der Konfirmation. Das heißt, die Konfirmanden dürfen sich jetzt erheben und, wenn sie mit Jesus leben wollen, miteinander Ja sagen. Da war dann meist Ruhe.
Das wollen wir machen: dass wir uns einfach dazu bekennen, „Ich habe Durst nach dir“ und dass wir auch heute festmachen: „Herr, jetzt komm du zu mir. Lass mich erkennen, was in meinem Leben nicht stimmt und wo du mit einer herrlichen Vergebung heilen kannst.“