Eröffnung und Dankgebet
Wir wollen beten.
Vater, wir danken dir, dass das, was wir gerade gesungen haben, zutiefst Realität ist. Du bist das Leben, und du gibst das Leben, das sich wirklich lohnt.
Du weißt, wie oft wir so dumm sind. Zum einen leben wir neben dir oder von dir getrennt, und werden dann doch enttäuscht und beschmutzt. Danke, dass wir immer wieder umkehren dürfen, dass deine Arme offen sind und deine Gnade da ist.
Nun danke auch für diese Tage, die vor uns liegen. Wir bitten dich, dass du ihnen deinen Stempel aufdrückst, dass du uns segnest und uns gibst, was wir bedürfen. Du vermagst das Wunder zu vollbringen, jedem das zu geben, was er braucht. Hab von Herzen Dank dafür.
Hab Dank, dass wir dir wichtig sind, dass du uns in deiner Liebe begegnen willst und in unser Leben hinein investieren möchtest. Danke, dass du nicht müde wirst mit uns, die wir oft so widerspenstig und herzenshartnäckig sind.
Herr Jesus, wir danken dir auch für diesen ersten Abend. Wir bitten dich für unseren Bruder und danken dir, dass du ihn auf der Reise hierher bewahrt hast. Wir bitten dich jetzt für seinen Dienst: Gib ihm Vollmacht, dass er von dir her reden kann.
Schenke uns Ohren, die hören, Augen, die sehen, und die Bereitschaft, uns unter das Gehörte zu stellen. Danke, dass du selbst gegenwärtig bist. Gepriesen seist du. Amen.
Einführung und persönliche Vorstellung
So wünsche ich allen einen schönen guten Abend. Ich hoffe, ihr seid halbwegs fit. Ich selbst bin es nicht unbedingt, aber ich muss mit euch reden. Es ist nicht so tragisch, wenn man zuhört; schlimmer ist es, wenn man unglücklich ist. Ich muss noch ein bisschen rostig sein.
Ich war schon einmal hier auf der Lahöhe, wie sie genannt wird, vor ein paar Jahren. Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Es war eine gute Zeit, und deshalb bin ich gerne wiedergekommen. Bei uns ist es tatsächlich noch schön. Wir hatten 25 Grad, es war extrem warm in den letzten Tagen. Aber auch heute Nacht wird es bei uns so bleiben, über das Wochenende hinweg.
Das Thema lautet: Jesus lieben mit Herz, Seele, Verstand und Kraft. Das ist das Thema für diese drei Tage. Heute werde ich etwas dazu sagen, wie wir Gott lieben. Morgen und übermorgen möchte ich darüber sprechen, wie man Jesus mit Herz und Verstand anbetet. Das ist so grob der Überblick für diesen Teil der Freizeit hier.
Für diejenigen, die mich gar nicht kennen: Ich bin jetzt 47, bald 48. Ich war lange Skilehrer und Bergführer. Seit zwanzig Jahren bin ich Leiter vom Dauernhof. Das ist ein Fackelträger, Liebeschulzentrum und Freizeitzentrum. Wie viele von euch waren schon mal am Dauernhof? Ich kann es nur mal sehen. Ah, doch ein paar, ja, bergweit. Einige schaffen es ja nicht mehr.
Nein, es ist ein ganz netter Ort, ähnlich wie hier. Es gibt viele nette Orte auf dieser Welt, wofür wir dankbar sind. Ich bin schon fast 23 Jahre verheiratet. Meine Frau ist eine nette Frau, keine „Gare“ (Anmerkung: vermutlich „Gare“ als scherzhafte Bezeichnung). Wir haben drei Kinder, die sind aber auch schon 19, 18 und 14 Jahre alt.
Das war’s so grob, ich glaube, das genügt. Ich reise ungefähr hundert Tage im Jahr für Predigtdienste, so wie ich es auch an diesem Wochenende tue. Die letzten zwei Wochen hatten wir Tourenwochen, Skitouren. Dabei geht man zu Fuß auf die Berge und fährt dann runter. Das ist ganz nett.
Die Essenz der Bibel: Gott kennt und liebt dich
Und ja, ich nehme an, die meisten von euch kennen die Bibel und kennen Christus. Ich weiß es natürlich nicht. Falls nicht, kannst du ihn ja noch kennenlernen.
Der Inhalt der ganzen Bibel beschränkt sich eigentlich auf zwei Worte: Jesus Christus. Das ist der eigentliche Kern der Bibel.
Die Botschaft der Bibel lässt sich auf zwei Aussagen zusammenfassen: Erstens, Gott kennt dich. Zweitens, Gott liebt dich. Im Großen und Ganzen steht das in der Bibel.
Gott liebt dich nicht, obwohl er dich kennt. Er liebt dich, weil er dich kennt. Das ist sehr tröstlich.
Gott hat uns geschaffen, weil er uns liebt. Er hat uns nicht einfach geschaffen und dann gesagt: „So, ihr Blödsinnigen, macht euch mal was.“ Nein, er weiß, was er tut.
Die Liebe als Wesen Gottes – Ein Blick in den ersten Johannesbrief
Und ich möchte anfangs einen Bibeltext aus dem ersten Johannesbrief vorlesen. Ich weiß nicht, ob ihr eine Bibel dabei habt. Falls ja, seid ihr herzlich eingeladen, sie aufzuschlagen. Wenn nicht, hört einfach dem Bibeltext zu, den ich euch vorlese.
Ich habe übrigens die Elberfelder Übersetzung gewählt. Sie ist zwar ein bisschen undeutsch, aber das ist okay. Es ist halt meine Bibel, und ich bin sie schon so gewohnt.
Ich lese aus dem ersten Johannes Kapitel 4, von Vers 7 bis 12 einige Verse. Dort schreibt der Apostel Johannes:
Geliebte, lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe.
Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Hierin ist die Liebe nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und seinen Sohn gesandt hat, dass er die Sünden der Welt trägt.
Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, sind auch wir schuldig, einander zu lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet.
Soweit der Text. Hier haben wir einige ganz konkrete Aussagen, die ich vorwegstellen möchte, bevor wir über dieses größte Gebot sprechen.
Die Essenz der Liebe Gottes und die Dreieinigkeit
Das Erste ist: Gott ist Liebe, und Liebe kommt aus Gott. Das ist wichtig zu erkennen. Liebe ist keine Eigenschaft Gottes. Gott hat viele Eigenschaften, er ist allwissend, er ist allmächtig und so weiter. Aber Liebe ist keine Eigenschaft von Gott, Liebe ist die Essenz von Gott.
Hier haben wir gerade gelesen: Gott ist Liebe. Das beschreibt nicht, was er tut, sondern was er ist. Das heißt, Gott kann nicht anders, als zu lieben, weil er Liebe ist. Das ist sein Wesen.
Und wisst ihr, warum wir Menschen überhaupt lieben können? Weil Gott Liebe ist und wir in seinem Ebenbild geschaffen sind. Darum können wir lieben. Warum können wir Menschen fühlen? Weil Gott fühlt und wir in seinem Ebenbild geschaffen sind. Darum können wir fühlen. Warum können wir denken? Weil Gott denkt und wir in seinem Ebenbild geschaffen sind. Darum denken wir. Das nur nebenbei, aber es ist mir vor zwei Jahren mal aufgegangen.
Weil Gott Liebe ist, muss er ein dreieiniger Gott sein. Ich weiß nicht, wie es euch mit der Dreieinigkeit geht, aber ich hatte lange Zeit Probleme, sie zu verstehen. Ich verstehe sie immer noch nicht ganz, aber ich habe durch das Wort Liebe ein bisschen eine Vorstellung bekommen.
Früher wurde die Dreieinigkeit oft so erklärt: Sie ist wie Wasser, das mal flüssig, mal Eis, mal Dampf ist. Also gasförmig, und trotzdem ist es dasselbe. Ja, das stimmt, aber geholfen hat es mir nicht. Oder die Dreieinigkeit wird erklärt wie ein Mann, zum Beispiel ich selbst: Ich bin der Leiter eines Zentrums, ich bin Ehemann, ich bin Bergführer – drei Dinge und doch dieselbe Person. Das sind nette Vergleiche, aber sie haben mir kein wirkliches Verständnis gebracht.
Bis ich verstanden habe: Gott ist Liebe, und Liebe erfordert drei Dinge, um praktiziert werden zu können. Das ist der Punkt. Es braucht drei Dinge: Einen Liebenden, ich spreche jetzt als Mann, es braucht eine Geliebte und es braucht den verbindenden Geist der Liebe.
Zwei Menschen allein, so ehrlich sie auch sind, können keine Liebe praktizieren, wenn sie sich nicht lieben. Obwohl sie zu zweit sind, braucht es den verbindenden Geist der Liebe.
Das heißt, wenn ein Mädchen hier steht und schreit: „Ich bin so verliebt, ich bin so verliebt“, dann ist die erste Frage: In wen? Und wenn sie sagt: „Keine Ahnung, aber ich bin so verliebt“, dann gibt es das nicht. Denn um Liebe ausüben zu können, musst du einen Geliebten haben. Und du brauchst den verbindenden Geist der Liebe.
Jetzt gibt es in der Bibel zwei Grundwahrheiten. Wenn du da nicht übereinstimmst, dann musst du die Bibel suchen beziehungsweise, wenn du die richtige Bibel hast, musst du übereinstimmen. Dann bleibt dir nichts anderes übrig, denn es steht ziemlich oft darin: „Gott ist Liebe“. Ich glaube, das haben wir gerade gelesen.
Wenn man an die Bibel glaubt und sagt: „Ja, Gott ist Liebe“, zweitens: „Gott ist vollkommen“, dann stimme ich dem auch zu, weil die Bibel viel darüber sagt.
Jetzt ist es interessant: Wenn Gott Liebe ist und vollkommen in sich selbst, dann muss er dreieinig sein. Denn die Frage ist: Wen hat Gott geliebt, bevor er den Menschen schuf? Wann hat er geliebt, bevor er den Menschen schuf? Das ist eine philosophische Frage.
Manche sagen: „Ja, das war sein Problem, darum hat er Menschen geschaffen, damit er sie lieben kann.“ Aber das ist ein Problem, denn dann ist Gott nicht vollkommen. Wenn Gott Menschen machen muss, um lieben zu können, dann ist Gott nicht vollkommen. Jetzt haben wir ein biblisches Problem.
Ich hoffe, ihr habt Freunde, die Moslems sind. Vielleicht als Freunde. Ich kenne ein paar liebe Leute im muslimischen Glauben. Aber man kann sie in Gesprächen fragen: Ist Allah liebevoll, barmherzig? Sie werden sagen: Selbstverständlich. Dann kannst du fragen: Ist Allah vollkommen? Sie werden sagen: Natürlich.
Dann kannst du fragen: Wen hat Allah geliebt, bevor er den Menschen schuf? Darauf haben sie keine Antwort. Denn Allah ist ein Monad, ein einzelner Gott. Er kann nicht leben ohne die Menschen.
Aber wenn Gott vollkommen in sich selbst ist und Liebe ist, dann muss er das können, sonst ist er nicht vollkommen. Darum muss Gott dreieinig sein.
Der dreieinige Gott hat immer geliebt, lange bevor der Mensch da war. Nämlich der Sohn hat immer den Vater geliebt, der Vater immer den Sohn, Gott den Heiligen Geist. Damit ist Gott die erste Vielfalt in der Einheit.
Das englische Wort „University“ – Universität – kommt von zwei Worten: Unity in Diversity, Einheit in der Vielfalt. Das sollte unsere Universität sein: Einheit in der Vielfalt. Und das ist Gott: die erste Universität, die erste Einheit in der Vielfalt, vollkommen und liebend in sich selbst.
Also: Gott ist Liebe, und Liebe kommt aus Gott, haben wir gerade gelesen.
Die Liebe als Tat und die Sichtbarkeit Gottes durch Liebe
Das Zweite, was wir aus diesem kurzen Text lernen, steht in Vers 9: Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass er seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat.
Der zweite Punkt ist: Liebe ist nicht nur ein Wort, sondern Liebe ist eine Tat. Liebe muss sich immer in einer Tat offenbaren, sonst ist es keine Liebe – oder zumindest nicht unbedingt. Wenn ich zum Beispiel sage: Ich liebe meine Frau Hannelore, ja, ich liebe meine Frau – das sind schöne Worte. Aber wenn sich diese Worte nicht in einer Tat zeigen, dann sind sie völlig sinnlos.
Würde Gott nur vom Himmel sagen: „Ich liebe euch, ich bin Liebe“, ohne etwas zu tun, wäre das völlig sinnlos. Das kann jeder behaupten, liebe zu sein oder liebend zu sein – das kann jeder sagen. Aber wir müssen es tun. Liebe muss sich immer in einer Tat offenbaren, sonst ist es keine Liebe.
Und hier lesen wir in Vers 9: Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, wie er seinen Sohn gesandt hat. Er hat etwas getan, und das ist der Beweis seiner Liebe. Ich bin dankbar, dass Gottes Liebe zu uns nicht nur Worte sind, sondern sich in einer Tat offenbart.
Dann lesen wir in Vers 12: Niemand hat Gott jemals gesehen. Ich möchte euch ermutigen: Versucht niemals, Gott zu sehen – es wird dir nie gelingen. Die Bibel sagt, kein Mensch hat jemals Gott gesehen. Das lesen wir öfter in der Bibel.
Und dann lesen wir weiter: Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe wird in uns vollendet. Das heißt, Gott selbst ist unsichtbar, aber er wird sichtbar durch die Liebe, die er in unser Herz hineingegossen hat.
Gott hat niemand je gesehen, aus einem einfachen Grund: Gott ist Geist. Übrigens sind die ganzen Debatten darüber, dass die Bibel so maskulin sei und so weiter, eigentlich Unsinn. Denn Gott ist weder männlich noch weiblich, Gott ist Geist.
Ja, Gott offenbart sich oder wird oft mit einem Mann in der Bibel verglichen. Ab und zu auch mit einer Frau – dreimal im Alten Testament, zumindest soweit ich weiß. Aber er ist weder Mann noch Frau, Gott ist Geist. Darum sind die ganzen Debatten darüber ein bisschen sinnlos.
Aber wie wird jetzt ein unsichtbarer Gott sichtbar? Nämlich durch die Liebe. So wie zum Beispiel die Realität des unsichtbaren Windes: Niemand hat den Wind je gesehen. Ich habe den Wind noch nie gesehen, und trotzdem sage ich zu meinen Kindern: „Schaut mal, wie der Wind geht!“ Den Wind kann ich nicht sehen, aber wisst ihr, was ich sehe? Die gebogenen Bäume und die fliegenden Blätter. Ich sehe die Auswirkungen des Windes, aber den Wind selbst sehe ich nicht.
Genauso habe ich Strom noch nie mit meinen Augen gesehen. Aber die Realität des unsichtbaren Stroms wird sichtbar durch die brennende Glühbirne. Und wie wird der unsichtbare Gott sichtbar? Durch die Liebe.
Darum hat Jesus gesagt: „Darum wird jeder erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe zueinander habt.“ Nur so erkennt die Welt uns, sonst nicht. Und solange Christen sich streiten, erkennt die Welt überhaupt nichts von Christus. Das ist der Punkt.
Also, in diesem kurzen Text haben wir: Gott ist Liebe, Liebe kommt aus Gott. Und Vers 10 ist besonders wichtig: Hierin ist die Liebe, nicht dass wir Gott geliebt haben – das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass er uns geliebt hat, denn das ist die Liebe. Erst nachdem wir seine Liebe empfangen haben, können wir überhaupt erst lieben.
Das grösste Gebot: Gott lieben mit ganzem Herzen, Seele, Verstand und Kraft
Nun, was heißt es, Gott zu lieben? Der vorgeschlagene Predigttext steht im Markus-Evangelium, Kapitel 12. Schlagen wir Markus 12 auf: Das größte Gebot, das Jesus hier formuliert, zitiert das fünfte Buch Mose. Es sind Markus 12,28-31.
Einer der Schriftgelehrten, der gehört hatte, wie sie miteinander stritten, trat hinzu. Da er wusste, dass Jesus ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: „Welches Gebot ist das erste, das wichtigste von allen?“ Jesus antwortete ihm: „Das Erste ist: Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, ist ein Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft. Das Zweite ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Größer als diese ist kein anderes Gebot.“
In Matthäus 22 finden wir genau dasselbe, ziemlich genau dieselben Worte. Aber Jesus fügt noch etwas hinzu. In Matthäus 22,40 sagt Jesus: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“
Jesus meint hier: Dieses Gebot, Gott zu lieben und deinen Nächsten wie dich selbst, umfasst alle Gebote, die es überhaupt gibt. Es umfasst das ganze Gesetz und alle Propheten. Es ist das Größte.
Darum, worüber wir in diesen Tagen reden, hat erste Priorität. Es ist nicht das zweitgrößte Gebot, auch nicht das drittgrößte – es ist das erstgrößte. Deshalb können wir nie genug über die Liebe Gottes sprechen.
Manchmal hört man in christlichen Kreisen: „Ihr redet zu viel über die Liebe.“ Ich weiß, was damit gemeint ist, aber das geht gar nicht. Denn wenn es das größte Gebot ist, das alle anderen zusammenfasst, wie können wir jemals zu viel darüber reden?
Das heißt: Wenn du über die Liebe Gottes sprichst, kannst du nie falsch liegen. Bei manchen anderen Dingen könnten wir falsch liegen, bei der Liebe nicht, denn sie ist das Größte, das Erste.
Es ist auch so: Wenn wir verstehen, dass dieses Gebot das Größte ist – die persönliche Liebe zu Gott –, dann verstehen wir auch den Unterschied zwischen Religion und einer Christusbeziehung.
Religion gründet sich immer auf Pflichterfüllung. Nicht wenige Christen leben ihr Leben ständig nur, um ihre christlichen Pflichten zu erfüllen. Aber darum geht es nicht. Es geht um eine Liebesbeziehung.
Interessant ist auch, dass das größte Gebot nicht heißt, an Jesus Christus zu glauben. Das ist nicht das größte Gebot. Das größte Gebot ist: Du sollst Gott lieben.
Es kann gut sein, dass einige von uns durchaus an Gott und Jesus Christus glauben. Aber ich habe eine Frage an dich: Liebst du ihn?
Das ist ein riesiger Unterschied. Nicht der Glaube ist das größte Gebot, sondern die Liebe.
Liebe als Motivation für das Halten der Gebote
Christen aller Konfessionen, ich habe das Vorrecht, in vielen verschiedenen Konfessionen zu predigen, und dafür bin ich sehr dankbar. Dabei habe ich festgestellt, dass Christen in allen Konfessionen über die Liebe Gottes sprechen. Aber ich befürchte, dass manche diese Liebe nie wirklich erfahren haben. Sie leben oft in ständiger Pflichterfüllung und nicht aus der Liebe heraus.
Lasst mich das ein bisschen naiv, aber hoffentlich verständlich darstellen. Manchmal bin ich etwa zwei Wochen unterwegs – das ist ungefähr die längste Zeit, die ich am Stück unterwegs bin. Meine Frau und ich haben uns darauf geeinigt, dass ich höchstens hundert Tage pro Jahr unterwegs bin und nicht länger als zwei Wochen am Stück. Mir selbst ist das auch recht so.
Wisst ihr, für mich ist es einfacher, wenn ich herumreise. Ich treffe immer neue Leute, sehe neue Gegenden und so weiter. Meine Frau hingegen bleibt immer zu Hause: früh aufstehen, Frühstück für die Kinder machen, den Ofen anheizen, abwaschen, Wäsche waschen und so weiter. Und das wiederholt sich etwa siebenmal in der Woche. Sicher empfindet sie das anders als ich.
Wenn ich nach zwei Wochen nach Hause komme – meistens fliege ich dann zum Flughafen Salzburg, der etwa eine knappe Stunde entfernt ist – holt sie mich manchmal ab, wenn es gerade passt. Sie erwartet mich nach den zwei Wochen. Während ich im Flugzeug sitze, bevor es landet, denke ich mir: Ich bin Ehemann und treffe jetzt meine Frau wieder. Eigentlich sollte ich sie fragen, wie es ihr geht. Das werde ich auch tun, das ist meine Pflicht. Ein guter Ehemann macht so etwas.
Außerdem werde ich sie umarmen, das gehört dazu, und ich werde ihr auch einen Kuss geben nach zwei Wochen. Ich werde mich zusammenreißen, das schaffe ich schon. Ich bin ja ein guter Ehemann. Aber wisst ihr, was Interessantes passiert? In den meisten Fällen ist es anders: Ich treffe meine Frau nach zwei Wochen, umarme sie, küsse sie und frage sie, wie es ihr geht – weil ich sie liebe.
Ist die Bibel als Christendorf gelegen? Viele sagen: Ja, ich bin ja ein guter Christ, aber die Bibel sollte ich schon lesen. Ja, das kriege ich hin, ich werde mich zusammenreißen und ein Kapitel lesen, das schaffe ich schon. Ich bin ja ein guter Christ. Eigentlich sollte ich auch beten, das gehört irgendwie dazu. Ja, ich reiße mich zusammen und werde schon ein bisschen mit Gott reden.
Aber das ist Pflichterfüllung. Das Interessante ist: Wenn wir lernen, Gott zu lieben, dann reden wir mit ihm, weil wir ihn lieben und nicht, weil wir eine Gebetspflicht erfüllen müssen. Dann ist es auch interessant, dass wir in der Bibel lesen, was Gott uns heute sagen will, weil wir ihn lieben. Nicht, weil wir eine religiöse Pflicht erfüllen oder eine stille Zeit hinter uns bringen müssen, wie wir es oft nennen.
Interessant ist, dass Religion mit Selbstdisziplin beginnt. Dort geht es um Leistung. Die Liebe hat auch Selbstdisziplin, aber sie beginnt nicht damit. Schlagen wir mal auf Galater 5,22 auf. Dort ist die Frucht des Geistes formuliert. Der Apostel Paulus sagt: Die Frucht des Heiligen Geistes in unserem Leben sind, ich glaube, neun Dinge: Liebe – damit beginnt er –, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstdisziplin. Selbstdisziplin gehört dazu, aber sie ist die letzte.
Liebe hat Selbstdisziplin, aber sie beginnt nicht damit, sondern endet damit. Liebe beginnt mit Liebe, und die Frucht des Geistes beginnt mit Liebe. Schreib mal Johannes 14,15 auf. Nun machen wir eine Selbstprüfung, jeder für sich.
Johannes Kapitel 14, Vers 15, ich lese diesen Vers langsam, und dann stelle ich die Frage: Was bewirkt dieser Satz in dir? Jesus sagt: „Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten.“ Wenn du ein Christ bist, der eher vom Gesetz geprägt ist – ich bin so einer von meiner Vergangenheit her –, dann wird dieser Vers ein bisschen wie eine Drohung für dich sein: Wenn du mich liebst, dann wirst du meine Gebote halten. Jetzt denke ich mir: Ich muss mich zusammenreißen, ich muss wirklich darauf achten, dass ich die Gebote halte, sonst glaubt er, dass ich ihn nicht liebe.
Das ist typisch für Christen, die vom Gesetz geprägt sind. Wir haben alle verschiedene Prägungen, und niemand braucht sich dafür zu schämen, man muss es nur erkennen.
Wenn du ein Christ bist, der eher von Liebe geprägt ist, dann wird dich dieser Vers zuversichtlich stimmen. Du sagst dann: Weil ich Gott liebe, halte ich seine Gebote. Keine Drohung, sondern voller Zuversicht.
Wir müssen mit Liebe beginnen, sonst wird das Christsein zum religiösen Krampf. Wenn wir das nicht beachten, tun wir uns schwer mit unserem Glauben. Es ist keine Freude. Und die Bibel spricht relativ viel von Freude.
Wenn wir aber aus Liebe motiviert sind, dann wird das Halten der Gesetze Gottes zur Freude. Herr Vruni kapiert die Psalmen, sie schreiben das dauernd: „Ich habe meine Lust daran, die Gebote zu halten.“ Aber dann sagen andere: „Das ist doch schwer, die Gebote zu halten.“ Interessant, schauen wir mal zum 1. Johannes 5,3. Dort schreibt der Apostel: „Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten.“ Wow, das trifft einen direkt.
Und weiter steht da: „Und seine Gebote sind nicht schwer.“ Hast du das gewusst? Ich habe das nicht gewusst. Ich dachte immer, seine Gebote sind extrem schwer, nicht nur ein bisschen. Aber sie sind nicht schwer.
In Matthäus 11,28-30 sagt Jesus: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch! Das klingt schon wieder ganz schön dramatisch. Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Hast du das gewusst? Viele Christen, die ich treffe, glauben, Jesus nachzufolgen sei nicht leicht, sondern extrem schwer. Das ist falsch. Übrigens: Christsein ist weder leicht noch schwer, Christsein ist unmöglich – das nur nebenbei. Wir kommen noch dazu.
Die Gefahr des Lebens aus Gesetz statt Gnade
Wir brauchen nämlich Christus; wir können nicht aus eigener Kraft Christ sein.
Bei den Briefen des Apostels Paulus haben wir eine interessante Feststellung gemacht. Paulus hat an viele Gemeinden geschrieben. In den ersten Versen jedes Briefes hat er für die jeweilige Gemeinde gedankt – auch für die wilde Horde in Korinth. Diese Gemeinde hatte alles gebrochen, was zu brechen war. Trotzdem hat Paulus für sie gedankt.
Es gab nur eine einzige Gemeinde, für die Paulus nicht gedankt hat: die Galater. Dabei war dies eine anständige Gemeinde. Sie blieben bei der biblischen Lehre. Sie verneinten weder die Dreieinigkeit noch die Gottheit Jesu oder die Propheten. Die gesunde biblische Lehre haben sie nicht verraten. Doch es war viel schlimmer: Sie haben Christus verraten.
Wisst ihr, warum? Sie sind von einem Leben aus Gnade zurückgegangen zu einem Leben aus dem Gesetz. Und das ist der eigentliche Verrat. Die einzige Gemeinde, für die Paulus nicht gedankt hat, waren die Galater.
Manchmal, und das tut mir ein bisschen leid, sind Christen mehr damit beschäftigt, die biblische Lehre zu verteidigen. Doch sie leben nicht an Jesus. Sie freuen sich nicht an Jesus. Stattdessen sind sie dauernd damit beschäftigt, die Lehre zu verteidigen. Das ist der eigentliche Verrat. Dann haben wir an Jesus vorbeigelebt.
Liebe als Beziehung und die Gefahr der religiösen Pluralität
Gott zu lieben heißt nämlich, dass es nur eine Sache bedeuten kann: mit Gott in einer Beziehung zu stehen. Ich kann nicht jemanden lieben, zu dem ich keine Beziehung habe. Lieben bedeutet, in Beziehung zu stehen.
Das ist übrigens die große Schwäche der religiösen Pluralität. Und das haben wir auch heute unter Christen. Dabei müssen wir sehr vorsichtig sein. Ich habe schon drei Christen getroffen, die gesagt haben: „Jo, dein Jesus ist so, aber mein Jesus ist ein bisschen anders.“ Freunde, das sind keine guten Diskussionen, zumindest keine hilfreichen. Diskussionen können zwar gut sein, denn man kann ja diskutieren, aber was da gesagt wird, ist nicht hilfreich.
Seht ihr, ich vergleiche es so: Wenn es mehrere Jesusse gibt – der eine Jesus ist ein bisschen gnädiger, der andere ein bisschen härter, und dann gibt es noch einen mittleren oder sonst wie – in welchem von diesen Jesusse lebst du dann? Wenn ich zum Beispiel hundert Mütter hätte, angenommen ich hätte hundert Mütter, mit welcher von diesen hundert Müttern stehe ich dann in einer Liebesbeziehung? Das ginge nicht.
Und wenn es fünf Jesusse gibt, mit welchen von ihnen stehen wir dann in Beziehung? Es gibt nur einen Christus. Er hat sich in der Schrift offenbart. Es ist der historische und auferstandene Christus. Diesen Christus müssen wir kennenlernen.
Darum ist es unbedingt wichtig, das Wort Gottes auch zu studieren. Denn ansonsten fangen wir an, mit einem Jesus zu leben, den es nicht gibt. Dann kannst du ihm auch einen anderen Namen geben, zum Beispiel Daddy Bear. Es ist dann egal. Aber Jesus Christus ist der eine heilige Gott, und er hat seinen Vater offenbart.
Deshalb ist es wichtig, uns mit ihm auseinanderzusetzen.
Praktische Hilfe zur Liebe Gottes im Alltag
Noch etwas Praktisches vielleicht: Wie können wir uns gegenseitig helfen, Gott mehr zu lieben? Denn es ist ja das größte Gebot, Gott zu lieben. Wie können wir uns dabei unterstützen?
Ich möchte ein wenig aus meinem eigenen Leben erzählen. Es tut mir leid, dass ich das tue, aber es ist das Einzige, was ich habe. Ich nenne ein paar Beispiele aus der Seelsorge.
Ich würde nicht sagen, dass ich ein besonders begnadeter Seelsorger bin, aber oft bleiben Menschen, die keinen anderen finden, bei mir. Zum Beispiel kommt eine Frau, die Bulimie hat, depressiv ist und wenig Selbstwertgefühl besitzt. Sie sucht Hilfe und Antworten von Jesus Christus und von mir als seinem Vertreter.
Oder ein Mann kommt, der homosexuell ist, sich aber eigentlich nach Familie sehnt und Hilfe sucht. Trotzdem wird seine homosexuelle Neigung immer stärker, obwohl er Hilfe sucht. Jetzt hat er einen Freund und bietet ihm an, eine Freundschaft einzugehen. Er fragt mich: Was soll ich tun?
Ein anderer Mann ist seit 17 Jahren verheiratet. Seit fünf Jahren kann er nichts mehr mit seiner Frau anfangen, weil er eine Beziehung mit einer anderen Frau hat. Trotzdem ist er noch in der Jugendarbeit der Gemeinde aktiv. Ist das richtig oder nicht? Was soll er tun?
So rede ich mit diesen Menschen, mit Brüdern und Schwestern. Wisst ihr, was mich dabei am meisten beschäftigt? Was soll ich sagen, damit ich ihr Problem lösen kann? Und das ist der größte Fehler.
Wisst ihr, warum das ein Fehler ist? Ich mache die zweite Priorität zur ersten. Vor zwei Jahren habe ich ein Buch gelesen, das ich nur empfehlen kann. Ich weiß gar nicht, ob es auf Deutsch erhältlich ist, aber ich glaube schon. Es ist von Larry Crabb und heißt Soul Talk. Ich habe es auf Englisch gelesen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch auf Deutsch unter dem Titel „Seelengespräch“ erhältlich ist.
Larry Crabb ist Seelsorger, Psychiater und so weiter. Er schreibt, dass die Frage „Was soll ich sagen in so einem seelsorgerlichen Gespräch?“ die unbrauchbarste und gefährlichste Frage ist, die man sich stellen kann. In einem solchen Gespräch sollte man sich vielmehr fragen: Wie kann ich die Leitung des Heiligen Geistes erfahren? Wie kann ich in dieser Person einen Hunger erwecken, Gott mehr zu lieben? Das wäre die eigentliche Frage.
Zierst Louis hat gesagt: „Du wirst niemals die zweiten Dinge bekommen, indem du sie an die erste Stelle setzt. Du wirst zweite Dinge nur bekommen, indem du die ersten Dinge an der ersten Stelle belässt.“ Jesus hat es noch besser gesagt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und all die anderen Dinge werden euch hinzugefügt werden.“ (Matthäus 6,33)
Zuerst, nicht als Zweites oder Drittes, soll man nach dem Reich Gottes trachten. Das heißt: Wenn ein Mensch zu mir kommt, dann sollte ich zuerst helfen, in ihm einen Hunger und eine Sehnsucht nach der Nähe Gottes zu wecken. Denn das ist das eigentliche Problem.
Es ist auch mein Wunsch, das Problem dieses Menschen zu lösen – auf Englisch sagt man „to fix the problem“. Doch das hat mich immer mehr in Bedrängnis gebracht. Ich erinnere mich oft daran, wie mir ein Mitarbeiter durchs Fenster zugerufen hat: „Oh, das ist wieder ein Problem!“ Man sieht es schon am Gesichtsausdruck. Und ich wusste: Ich habe keine Antwort auf das Problem dieses Menschen.
Dann habe ich manchmal gedacht, ich laufe davon. Ich bin auf die Toilette gegangen, habe zugesperrt und gewartet, bis es wieder vorbei ist. Dann bin ich wieder rausgekommen. Denn ich dachte: Ich bin ja der Leiter von diesem ganzen Club hier, und jetzt erwarten sie von mir als Leiter, dass ich auch eine Antwort für ihre Probleme habe. Und wenn ich keine habe, fragen sie sich vielleicht, ob ich den falschen Job habe oder so.
Das Buch von Larry Crabb hat mir sehr geholfen. Er sagt: Merke dir drei Dinge, wenn jemand zu dir kommt, der mit etwas kämpft oder ein Problem hat.
Erstens: Widerstehe der Versuchung, davonzulaufen.
Zweitens: Widerstehe der Versuchung, helfen zu wollen.
Drittens: Widerstehe der Versuchung, den Menschen einfach an jemand anderen weiterzuschicken.
Das hat mir unheimlich geholfen. Wisst ihr warum? Wenn jetzt jemand kommt und klopft oder um Seelsorge bittet, bemühe ich mich nicht automatisch zu überlegen, was ich sagen soll. Früher war es so, dass ich während des Gesprächs schon meine Antwort im Kopf hatte, um das Problem zu lösen. Das muss ich nicht mehr.
Ich kann mich jetzt einfach zurücklehnen und zuhören. Ich muss nicht schon in Gedanken eine Antwort suchen. Während die Person redet, kann ich beten: „Herr, zeig du mir das eigentliche Problem auf seinem Herzen.“ Ich erlaube auch dieser Person nicht mehr, mich zu kontrollieren, indem ich denke, ich müsste eine Antwort haben. Ich muss keine haben, und ich habe keine Angst mehr.
Stattdessen kann ich still für diesen Menschen beten. Denn ich habe gelernt, dass das eigentliche Problem ist, dass dieser Mensch eine neue Sehnsucht, einen neuen Hunger nach Gott braucht. Nur dann werden auch die zweiten Probleme in rechter Weise angegangen werden können.
Wenn wir das tun, dann geben wir die ersten Dinge an die erste Stelle. Was ist das größte Gebot? Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzer Kraft und ganzem Verstand (Markus 12,30).
Wenn wir dieses Gebot an erster Stelle belassen, dann ordnen sich die anderen Dinge darunter ein. Das Problem ist, dass wir sehr oft das erste Gebot an fünfter Stelle stellen und alle anderen Dinge voranstellen. Und dann fragen wir uns, warum Christsein so schwer ist.
Sehnsucht als Motor für das Handeln
Antoine de Saint-Exupéry, das ist der Franzose, der das Buch „Der kleine Prinz“ geschrieben hat. Schon mal gelesen? Ein ganz nettes Büchlein. Er war Pilot, und ich glaube, er ist dann abgeschossen worden.
Er hat viele gute Sprüche gehabt, die mir gut gefallen. Er hat zum Beispiel gesagt: „Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Leute zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit zu verteilen, sondern lehre sie, sich nach der endlosen Weite des Meeres zu sehnen.“
Denn wenn die Leute eine Sehnsucht nach der Weite des Meeres haben, dann werden sie ein Schiff bauen.
Und wisst ihr, was wir tun müssen? Wir müssen den Menschen helfen, eine tiefe Sehnsucht nach Gott zu bekommen. Dann fallen die anderen Probleme in die richtige Priorität.
Zeugnis von Friedrich von Bodelschwing und seiner Familie
Eine Geschichte von Pfarrer Friedrich von Bodelschwing – einige von euch kennen sie vielleicht schon. Sein Leben ist jedoch ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, was er erlebt und bewirkt hat.
Zunächst war er in Paris tätig und arbeitete dort in den Slums. Das war etwa um 1850 bis 1860. Damals arbeiteten Hunderttausende Deutsche in Frankreich, insbesondere in Paris, wo die Lebensbedingungen sehr schwierig waren. Aufgrund der schweren Erkrankung seiner Frau musste er jedoch zurück nach Deutschland gehen und wurde dort Pfarrer.
Im Jahr 1868, an Weihnachten, ereignete sich eine tragische Geschichte. Seine Frau hatte vier Kinder, und der dreijährige Friedrich hatte einen Husten, was seiner Mutter Sorgen bereitete. Sie rief einen Arzt, und die Diagnose lautete Diphtherie – eine sehr ansteckende und ernste Krankheit. Der kleine Friedrich starb wenige Tage nach Weihnachten.
Es gibt einen Brief von Friedrich von Bodelschwing, in dem er seiner Mutter schrieb: „Letzte Nacht, so um elf Uhr, ist der kleine Friedrich in den Armen seiner Mutter gestorben. Er schien keine Schmerzen zu haben und hat auch nicht geweint. Das war sehr freundlich von unserem Gott. Die Wunde, die er hinterlassen hat, dient dazu, unseren schwachen Glauben zu stärken. Weine nicht, Mutter, alles ist gut, auch mit unserem kleinen Sohn Friedrich.“
Nur wenige Wochen später, in der Nacht zum 20. Januar, starb die fünfjährige Elisabeth um fünf Uhr früh, ebenfalls in den Armen des Vaters. Am 24. Januar verstarb Karl an derselben Krankheit, und während er noch im Sarg lag, starb auch der sechsjährige Ernst. Innerhalb von drei Wochen verloren sie alle vier Kinder, jedes von ihnen starb in den Armen der Eltern.
Friedrich von Bodelschwing ließ am Grab seiner vier Kinder eine Bank errichten. Dort saß er oft, weinte, dachte nach und betete. Seine Frau, Mutter Bodelschwing, zitterten seit diesem Tag die Hände, und sie verlor alle ihre Haare.
Vier Jahre später wurden die Eheleute gefragt, ob sie nicht eine Arbeit für Kinder mit Epilepsie beginnen wollten. Damals gab es im Land 40 leidende Kinder, aber nur 300 Heimplätze. Friedrich von Bodelschwing nahm die Aufgabe an. Als er 1910 im Alter von 79 Jahren starb, gab es in der sogenannten Betelmission Platz für 7.000 leidende Kinder.
Ihr Lebensmotto lautete all die Jahre: „Wegen Gottes großer Güte zu uns werden wir nicht müde.“
Man fragt sich, wie ein Ehepaar so etwas sagen kann – trotz des Verlusts aller vier Kinder, eines der schlimmsten Dinge, die einem Menschen widerfahren können. Wie konnten sie einen solchen Glauben und eine solche Liebe zu Gott bewahren?
Ich glaube, es gibt nur eine Antwort: Sie setzten die erste Priorität an die erste Stelle. Ihre Liebe zu Gott war größer als ihre Liebe zu den Kindern, größer als ihre Sorge um die eigene Gesundheit und ihr eigenes Leben. Deshalb konnten sie dankbar bleiben und auch im Leid fröhlich sein.
Abschliessende Fragen und Gedanken zur Liebe Gottes
Und die Frage, die ich abschließend für uns alle stellen möchte, lautet: Was sind deine Wünsche für die kommenden Jahre?
Für das heilige Jahr vielleicht ein erfülltes Familienleben, einen Sinn in der Arbeit, Freude an der Arbeit oder überhaupt am Arbeitsplatz. Vielleicht sehnen wir uns nach Romantik und Abenteuer, nach Gesundheit, etwas Geld verdienen, gute Freunde, nette Abendessen, ein neues Auto oder inspirierende Anbetungsgottesdienste – was auch immer.
Was wäre, wenn Gott dir heute Abend sagen würde: „Okay, ich gebe dir all das, was du dir heute wünschst, und ein langes Leben – unter einer Bedingung: Wenn du annimmst, wirst du mein Gesicht niemals sehen.“ Was wäre deine Antwort?
Augustinus hat gesagt: Der Horror, den du erlebst, wenn du daran denkst, das Angesicht Gottes nie zu sehen, das ist deine Liebe zu Gott.
Ich hatte mal einen Mitarbeiter, einen ganz lieben Kerl. Als er ging, fiel er nach ein paar Jahren in ein tiefes Loch – aus verschiedenen Gründen, sowohl persönlich als auch geistlich. Er hat mir später erzählt, dass er spazieren ging und zu Gott sagte: „Gott, verschwinde aus meinem Leben. Mit dir ist sowieso nichts. Nichts funktioniert, alles geht schief. Gebete erhörst du sowieso keine. Was mich anbelangt, geh aus meinem Leben und lass mich in Ruhe.“
Nachdem er das ausgesprochen hatte, wurde ihm bewusst, was er gerade gesagt hatte, und er dachte: „Was, wenn Gott jetzt wirklich geht?“ Dann hat er Buße getan und um Vergebung gebeten.
Das ist eigentlich die Liebe zu Gott: diese Angst, Gott zu verlieren, und auch mit ihm zu leben.
Manchmal nimmt uns Gott jene Dinge im Leben weg, die uns daran hindern, das Zentrum im Zentrum zu lassen.
Schlussgebet und Segenswünsche
Ich schließe mit einem Zitat von Malcolm Muggeridge, den ich sehr gerne lese und zitiere. Er war Engländer und ist 1990 gestorben. Muggeridge war relativ populär, er war Spion, Autor, Journalist und ziemlich berühmt. Ursprünglich war er Agnostiker und glaubte nicht an Gott. Einmal sagte er: „Christianity is a load of rubbish“, also „Christentum ist ein Haufen Blödsinn“.
Doch etwa 1960, also nach ungefähr sechzig Jahren, hat Christus ihn eingeholt, und er wurde gläubig. Nachdem er zu Christus gefunden hatte, sagte er Folgendes über sich selbst – und das gefällt mir sehr. Er schrieb: „Ich glaube, ich kann mich selbst als einen relativ erfolgreichen Mann bezeichnen. Manchmal glotzen mich die Menschen auf der Straße an – das ist Ruhm. Ich habe sehr einfachen Zugang zu den Menschen mit dem höchsten Einkommen unseres Landes – das ist Erfolg. Ausgestattet mit Geld und Ruhm kann ich auch als älterer Mann an neuen Trends und Belustigungen teilhaben – das ist Vergnügen.
Manchmal kommt es vor, dass etwas, das ich geschrieben oder gesagt habe, genügend Beachtung findet, um mich selbst zu überzeugen, dass es seinen bleibenden Einfluss in unserer Gesellschaft ausgeübt hat – das ist Erfüllung.“
Er sagte: „Ich habe Erfolg, Vergnügen, Ruhm und Erfüllung in meinem Leben.“ Und dann fügte er hinzu: „Aber ich sage euch, und ich bitte euch, mir zu glauben: Multipliziert man all diese kleinen Triumphe millionenfach, dann zählen sie alle zusammen nichts, weniger als nichts, höchstens ein Hindernis, wenn sie gemessen werden an einem einzigen Schluck vom lebendigen Wasser, welches Jesus Christus jedem anbietet, der Durst nach Leben hat – egal wer oder was jemand ist.“
Jesus hat es noch besser formuliert. Er sagte: „Was hilft es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei Schaden an seiner Seele nimmt?“
Meine Freunde, ich glaube, es ist Zeit, dass wir die erste Priorität wieder an die erste Stelle setzen, nämlich Gott zu lieben, und all die anderen Dinge danach. Dabei tun wir uns oft schwer. Darum müssen wir uns gegenseitig daran erinnern, weil wir es immer wieder vergessen.
Ich bete: Lieber Vater, hab Dank für die Zeit zusammen, hab Dank für dein gutes Wort, hab Dank für deine Reden, hab Dank für deine Liebe – vor allen Dingen. Du liebst, weil du Liebe bist. Du hast uns geschaffen, weil du Liebe verschwenden möchtest und weil du in einer liebenden Beziehung stehen möchtest mit jedem deiner Geschöpfe. Dafür danke ich dir.
Und Vater, so wollen wir lernen, diese Liebe zu empfangen und dann mit dieser empfangenen Liebe dich wieder zurückzulegen, in dieser Liebesgemeinschaft zu stehen und zu wachsen – für den Rest unseres Lebens. Ich bitte, dass wir diese Liebe zu dir immer wieder an den rechten Ort stellen, nämlich in das Zentrum unseres Lebens, an die erste Stelle. Denn das ist der gebührende Platz, der einzige gebührende Platz, wo du hingehörst, Herr Jesus.
So segne das Wochenende, das Reden und das Hören, das Tun, das Geben und Nehmen. Und ich bete alle genehmen Namen unseres lieben Herrn und Heilandes, Jesu Christi.
