Wir werden still. Herr, wir freuen uns darüber, dass diese Möglichkeit der Gemeinschaft besteht.
Wir kommen aus ganz unterschiedlichen Situationen und sind doch sehr verschieden. Aber schließe uns jetzt durch deinen Heiligen Geist zusammen.
Lass uns als Hörende auf das hören, was du durch dein Wort sagst. Öffne du uns selbst das Verständnis! Amen.
Einführung in die Situation der Apostel
Und nun, bevor ich heute den Text lese, der den zweiten Teil in Apostelgeschichte 5 bildet, möchte ich Ihnen noch einmal den Hintergrund, die Situation und den Zusammenhang erklären.
Es war so, dass ein klares Urteil des obersten Gerichtshofs bestand: Petrus und seine Gefährten durften nichts mehr von diesem Herrn verkünden. Es gab also ein Redeverbot.
Daraufhin standen sie in der Halle Salomos, um ihren Herrn großzumachen. Das war die Antwort auf das Urteil. Dieser Ort war nicht gerade ein sicherer Platz, sondern ein öffentlicher Ort – der Tempel Salomos. Die Halle Salomos war jener Ort, an dem Jesus selbst einmal gestanden hatte und wo er das berühmte Wort gesagt hatte: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“
Damals hatten Leute Steine genommen und auf ihn werfen wollen, doch Jesus verschwand vor ihnen. An diesem Platz standen sie nun wieder – an diesem Sammelplatz von Pharisäern, Sadduzäern und Schriftgelehrten.
Dort hatten sie keine Angst. Sie sahen es geradezu als Missionsplatz an, um dort ihre Botschaft hinauszusagen.
Dann heißt es kurz vor unserem Text: „Es wagte sich keiner zu ihnen zu tun, und die Zahl derer, die glaubten, wuchs.“ Zwei Sätze stehen nebeneinander: „Es wagte sich keiner hinzuzutun“ und „Es wuchs die Zahl derer, die glaubten.“ Das bedeutet, es fand eine Scheidung der Geister statt.
Die Spaltung der Reaktionen und das Profil der Gemeinde
Es gab solche, die einfach wegblieben – aus Gründen, die bis zum heutigen Tag dieselben geblieben sind. Zum einen, weil sie merkten: Wenn wir uns dort aufhalten, muss unser Leben anders aussehen. Wir dürfen nicht so weitermachen wie bisher. Die Sünde kann in unserem Leben nicht bleiben. Das wussten sie, und das war der eine Grund.
Der andere Grund war, dass sie merkten, sie würden in dieser Welt und bei anderen als Fremdkörper gelten – nur weil sie zu dieser Gemeinschaft gehören. Das wollte niemand gerne.
Die Dritten durchschauten die Wirklichkeit nicht. Sie erkannten nicht, dass alles, was uns umgibt, nur ein kleiner Teil der wirklichen Wirklichkeit ist. Vielmehr sind wir von einer unsichtbaren Wirklichkeit Gottes umgeben, in der wir leben wollen und auf die wir zuleben wollen.
So nahmen viele Abschied und sagten für immer Adieu.
Die Gemeinde damals war alles andere als ein modernes Geschäft. So haben wir es beim letzten Mal erwähnt.
Wissen Sie, wenn man früher in ein Kaffeegeschäft ging, wusste man: Dort gibt es guten Kaffee, verschiedene Sorten. Das war es.
Heute dagegen gibt es in Kaffeegeschäften oft Sonderangebote für Uhren, manchmal Bücher – sogar die „Tchibo-Bibel“ bekommt man dort, immer wieder neue Ausgaben. Es sind die Non-Food-Artikel, also Nicht-Lebensmittel, die dort angeboten werden – ein regelrechter Tutti-Frutti-Laden.
Die Gemeinde Gottes, die Gemeinde Jesu, ist nie ein Tutti-Frutti-Laden. Hier wird nicht alles Mögliche angeboten, sondern nur das eine – nämlich das Wort dieses Herrn. Und dann scheiden sich die Geister.
So bleiben die einen weg, die nur das Süße, Schöne und Liebe heilen wollen – mit viel „Aya Pompaja“ wie am Heiligen Abend. Andere hingegen kommen hinzu, andere, von denen man es nicht glauben sollte. Sie wissen, dass sie ohne diesen Herrn nicht leben und vor allem nicht sterben wollen. Sie können ohne die Botschaft vom Kreuz nicht sein, ohne auf dem Kreuz zu liegen.
Solche Menschen wissen: Aus der Hand dieses Heilandes will ich nicht gerissen werden. Denn wenn ich in seiner Hand bin, kann keine andere Hand nach mir greifen.
So war die Gemeinde im Wachstum – eine Gemeinde mit Profil und Wachstum. Das ist die Wirkung des Heiligen Geistes: eine Gemeinde mit Profil und Wachstum.
Das ist die Situation.
Die Verhaftung der Apostel und ihre Befreiung
Und nun geht es weiter.
Der Hohepriester erhob sich, ebenso alle, die mit ihm waren, nämlich die Sekte der Sadduzäer. Sie wurden voller Eifer, legten die Hände an die Apostel und warfen sie ins öffentliche Gefängnis.
Doch in der Nacht öffnete der Engel des Herrn die Türen des Gefängnisses, führte sie heraus und sprach: „Geht hin, tretet auf und redet im Tempel zum Volk alle Worte des Lebens.“
Als die Apostel das hörten, gingen sie frühmorgens in den Tempel und lehrten dort.
Der Hohepriester kam mit den Seinen, rief den Hohen Rat und alle Ältesten Israels zusammen und sandte Diener zum Gefängnis, um die Apostel zu holen.
Die Diener kamen zum Gefängnis, fanden sie aber nicht dort. Sie kehrten zurück und berichteten: „Das Gefängnis war mit großer Sorgfalt verschlossen, und die Wächter standen draußen vor den Türen. Doch als wir öffneten, fanden wir niemanden darin.“
Als der Hauptmann des Tempels und die Hohenpriester diese Nachricht hörten, waren sie verwirrt und fragten sich, was das zu bedeuten habe.
Da kam jemand und berichtete ihnen: „Seht, die Männer, die ihr ins Gefängnis geworfen habt, stehen im Tempel und lehren das Volk.“
Daraufhin ging der Hauptmann mit seinen Dienern hin, holte die Apostel aber nicht mit Gewalt, weil sie Angst vor dem Volk hatten, das sie steinigen könnte.
Sie brachten die Apostel vor den Hohen Rat.
Der Hohepriester fragte sie und sagte: „Wir haben euch doch mit Nachdruck verboten, in diesem Namen zu lehren. Und seht, ihr habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt und wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen.“
Die Antwort der Apostel und die Reaktion des Rates
Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr an das Holz gehängt und getötet habt. Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zum Fürsten und Heiland, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben.
Und wir sind Zeugen dieser Ereignisse sowie des heiligen Geistes, den Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen.
Als sie das hörten, ging es ihnen durchs Herz, und sie fassten den Entschluss, sie zu töten.
Ich unterbreche hier; einige Verse werden nachher noch angehängt.
Die Herausforderung des Wachstums und der Widerstand
Liebe Freunde,
wenn eine Gemeinde mit Profil wächst, gibt es immer verschiedene Stimmen. Von außen hört man ein Nein, von innen ein Ja, und vom Rand ein Jein. Dazu möchte ich etwas sagen.
Das Nein ist das Erste, was wir aus diesem Text herauslesen. Die Botschaft Jesu Christi vom Kreuz, dieses Evangelium, wurde von Petrus und seinen Gefährten immer wieder im Tempel verkündet. Sie läuteten in Jerusalem nach dem jüdischen Sabbat den christlichen Sonntag ein. Die Kirchenoberen, die Sadduzäer und Pharisäer verstanden dieses Läuten als Feueralarm und mobilisierten sofort ihre Löschmannschaften.
Die Antwort auf Gottes Wohltat war in der Geschichte oft die Polizei. Mit solchen Leuten machen wir kurzen Prozess. Sie gehören weg vom Fenster, sie haben keine Existenzberechtigung mehr in unserer Gesellschaft. Also fort mit ihnen. Aber so einfach ist das nicht.
Diese Kirchenoberen waren keine Tollpatsche, sondern erfahrene Taktiker und Politiker, die wussten, wie man mit Massen umgeht. Bei solchen Festnahmen kann man in Schwierigkeiten geraten. Siehe Polen: Man kann nicht einfach zugreifen, wenn man will. Man muss bei solchen Dingen sehr vorsichtig sein.
Sie überlegten, wie man diese Leute tatsächlich dingfest machen könnte. Sie fanden keine andere Lösung als diese Menschen erneut festzunehmen und einzusperren. Sie mussten hinter Schloss und Riegel. In der nächsten Nacht, in aller Stille, bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion – wie wir sie kennen – wurden sie kurzerhand verhaftet. Schon bei ihrer kurzen Tätigkeit war das die zweite Inhaftierung. Endlich herrschte wieder Ruhe am Ort, denn Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Die Männer sitzen endlich im Gefängnis.
Der Prozess und das unerwartete Verschwinden der Apostel
Am nächsten Morgen fand bereits die Gerichtsverhandlung statt. Das war damals außergewöhnlich, denn man musste nicht lange warten, wie es sonst oft der Fall war. Es ging schließlich nur um ein paar wenige Worte, nicht um Millionen.
Das hohe Tribunal trat zusammen – ein für mich immer faszinierendes Bild, besonders im hohenpriesterlichen Palast. Ein Gericht, das sich versammelt, wirkte damals besonders beeindruckend durch die hohen und prächtigen Herren mit ihren Gewändern. Ich weiß nicht, ob sie Perücken trugen, aber zumindest hatten sie große Tallare an. Auf dem Stuhl des Vorsitzenden, hochgestellt, saß der Hohepriester, der Oberste des Gerichts, den wir schon kennen: Hannas. Er saß dort oben, kannte die Namen der Leute, die unten standen.
Auf der Seite der Anklage saßen die Staatsanwälte – Pharisäer und Sadduzäer. Diese beiden Gruppen waren sonst verfeindet und lagen sich oft in den Haaren, sofern sie noch welche hatten. Doch nun schlossen sie eine seltsame Koalition gegen die Angeklagten.
Rechts saßen die Schreiberlinge, die ihre Federkiele spitzten. Rechtsanwälte brauchte es nicht, denn für wen und für was sollten sie bei dieser Stelle ein Plädoyer halten? Die Sache war doch ganz klar!
Viele Zuhörer füllten die Ränge. Sie waren gespannt und hofften, dass die Angeklagten wieder hart angegangen und ins Gefängnis gesteckt würden. So wie bei großen Verhandlungen, bei denen man schon einmal dabei war, herrschte eine interessante, spannende, knisternde Atmosphäre. Jeder freute sich auf das, was kommen würde – bis die Tür aufging und der Angeklagte hereingebracht wurde.
Die Tür öffnete sich, und herein kam nicht irgendein Gerichtsdiener, der den Angeklagten untergehakt hatte, sondern ein keuchender, atemloser Soldat. Das erinnerte mich an meine Schulzeit in Rottweil. Dort waren einmal etwa 800 Schüler im Festsaal versammelt. Man hatte extra eine Stunde frei bekommen, um ein Schulkonzert mit anzuhören. Ein Pianist, der durch die Provinz reiste, sollte uns unterhalten. Wir hörten alles mit, wenn dafür der Unterricht ausfiel. Um elf Uhr, elf Uhr fünf, elf Uhr zehn – es kam niemand. Um 11:15 Uhr öffnete sich plötzlich der Vorhang, und unser Hausmeister stand da. Wir alle hatten ihn auf der „Latte“. Er sagte: „Der Künstler zeigt sich nicht.“ Daraufhin brach schallendes Gelächter aus, und alle strömten hinaus.
An diesen Satz – „Der Künstler zeigt sich nicht“ – musste ich hier denken. Statt des Angeklagten erschien ein keuchender Soldat und sagte: „Der Angeklagte zeigt sich nicht.“ Das gab es ja überhaupt nicht! Beim höchsten Gericht der Juden in Israel – dummes Zeug! Hannas explodierte sicher innerlich, ähnlich wie Freisler damals. „Das ist doch gar nicht möglich! Spinnt ihr?“
Dann kam der Nächste, ebenfalls atemlos, und sagte: „Sie sitzen überhaupt nicht mehr im Gefängnis. Das Loch ist leer, die Flügel sind ausgeflogen, sie sind weg, keiner hat etwas bemerkt.“
Jetzt herrschte Sprachlosigkeit im Saal. Man hörte nur vielleicht den Knall, als Hannas sein Barett auf den Tisch schlug. War so etwas jemals vorgekommen in seiner gesamten Laufbahn, in seiner steilen Karriere?
Plötzlich platzte eine Ordonnanz in den Saal, schlug die Hacken zusammen und meldete: „Die gesuchten Männer sind im Tempel und predigen.“
Das war der Gipfel. Predigen? Der Hohepriester rang nach Luft. Man brachte ihm ein Wasserglas, andere griffen sich an den Kopf. Schnell!
Die Zurückhaltung bei der erneuten Verhaftung
Schnell verhaften, schrie die Staatsanwaltschaft. Aber ruhig Blut, ruhig Blut, wussten die richtigen Leute. Das kann man nicht tun, keine Dummheiten. Nicht vor dem Volk verhaften, sonst kriegen wir die Huckel voll.
Der Prozess wird ausgesetzt, er wird vertagt, wie es in solchen Fällen üblich ist. Vertagt auf den Nachmittag. Der Hauptmann persönlich bekommt den Auftrag: Diese Leute nicht einfach so zu verhaften, wie die Polizei es tut. Sie sind verhaftet. Ich bin überzeugt, dass er es klug gemacht hat.
Er legte seine Uniform ab, ging in Zivil, betrat den Tempel und hörte zu. Er verwickelte die Leute in ein Gespräch: Können wir dieses Gespräch nicht weiter drüben führen? Plötzlich sind die Handschellen da, und plötzlich sind die Männer nicht mehr da. So wurden sie verhaftet und letztendlich doch dingfest gemacht.
Und so konnte nachmittags endlich, Gott sei Dank, der Prozess beginnen. Zum Aufruf kam nun dieser Fall, und die Anklage warf ihnen Rückfall wegen Redeverbot vor. Darauf stand eine schwere Strafe, ähnlich wie Volksverhetzung. Sie hatten sogar mit der Todesstrafe zu rechnen.
Ihr habt Jerusalem mit dieser Lehre erfüllt, heißt es hier, und ihr bringt des Menschen Blut über uns. Das heißt, ihr stellt uns einmal als Mörder hin, und zum anderen könnte das ja noch wahr werden, was dieser Jesus im Wege gesagt hat: Sein Blut komme über euch und eure Kinder.
Die Römer werden bei diesen ganzen Unruhen ebenfalls unruhig. Dann fahren sie mit dem Schwert hinein, und alles wird in Blut und Tränen untergehen. Und dann seid ihr schuld, Petrus und Konsorten.
Der eigentliche Grund der Anklage
Liebe Freunde, worum geht es bei diesem trüben Spiel eigentlich? Was ist der Grund? Ganz einfach: Nein zur Predigt, nein zur Predigt von Jesus Christus, nein zur Predigt vom Kreuz, vom Sterben und Auferstehen dieses Herrn.
Das steht hier nicht ausdrücklich, aber daraus ist zu folgern – das haben Sie nicht gesagt, aber Sie hätten es so sagen können: Herr Angeklagter, wenn Sie sozial tätig gewesen wären, im Namen dieses Herrn, wenn Sie etwa einen Kindergarten eröffnet oder eine Sozialstation betrieben hätten, dort mit ein paar Diakonissen, die Kranke versorgen, oder wenn Sie einen Essenszubringerdienst auf Rädern ins Leben gerufen hätten und unseren armen Leuten einfach geholfen hätten, dann würden wir überhaupt nichts sagen.
Und wenn Sie etwas zum Frieden beigetragen hätten, wenn Sie ein Friedensseminar veranstaltet oder ein Friedensgespräch zwischen Römern und Juden organisiert hätten, wenn Sie von mir aus eine Friedenskette von Jerusalem bis nach Jericho gespannt oder einen Friedensring um die Jerusalemer Altstadt gezogen hätten – okay, das wäre ein Beitrag zum Frieden. Dann hätten wir jetzt nicht diesen ganzen Zauber hier.
Oder wenn Sie vielleicht etwas gegen den Gestank dieses Basars hier in unserer Altstadt, mit Knoblauch und Zwiebeln, getan hätten, wenn Sie sich für die Luftreinheit in unserem Land eingesetzt hätten – gut, gut, dann wären Sie uns ja sogar erwünscht.
Aber weil Sie dieses Wort vom Kreuz gesagt haben, stehen Sie hier vor Gericht. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass dieses Wort nicht mehr gesagt wird.
Gott sei Dank stehen wir gegenwärtig so nicht mehr vor Gericht – ich sage gegenwärtig. Aber um das geht es.
Die Kirche wird regelmäßig und die Gemeinde Jesu herausgelockt, sich sozial zu engagieren. Dann sind wir in der Gesellschaft groß. Wir werden herausgelockt, mitzumarschieren bei Friedensdemonstrationen. Dort sind wir gerne gesehen. Wir sind gebeten, gegen die Unbill unserer Welt etwas zu tun – alles gar nicht so schlecht.
Aber, liebe Freunde, das, was wir eigentlich zu bringen haben, das, was wir eigentlich bringen müssten, das sagen wir: Nein, danke.
Und wie viele sind es so? Wie viele Widerhähne gibt es dort, wo die Gemeinde mir in meinen sozialen Belangen hilft, dort, wo ich Schwierigkeiten habe und mir Hilfe gewährt wird? Aber dort, wo mir von diesem Heiland gesagt wird, der mein Leben auch einmal durchleuchtet und ich einmal vor dieses letzte Gericht gestellt werde – von dem sagen sie bis heute nein, nein zum Christus und zu seinem Kreuz.
Demgegenüber hören wir dieses Ja, dieses Ja von diesen Leuten, diesen Männern, diesen Angeklagten.
Nach der ersten Festnahme, so habe ich Ihnen schon gesagt, blieben sie in Jerusalem und predigten weiter, als ob nichts gewesen wäre. Sie taten das nicht aus freien Stücken, sondern aus Gehorsam gegenüber ihrem Herrn, der gesagt hat: Geht hin und verkündigt dieses Evangelium.
Und dann folgte eben die zweite Festnahme auf dem Fuß. Sie hatten ein Ja zum Gefängnis.
Das Ja zum Leidensweg und die Hoffnung auf Gottes Beistand
Es wird nicht anders gewesen sein als in Philippi. Das war kein Appartement in einem Vier-Sterne-Hotel, sondern damals ein Verlies. Wir können uns kaum vorstellen, wie schlimm das gewesen ist. Trotzdem sangen sie Loblieder in der Nacht. Sie hatten zuvor große Stunden erlebt: Menschen wurden gesund, viele kamen zum Glauben. Und jetzt, nach diesen großen Stunden, folgten die dunklen und bitteren Stunden.
Manchmal scheint es so, liebe Freunde, als gehöre zur Ökonomie Gottes, zum Haushalten Gottes für seine Leute, dass dunkle Stunden folgen, nachdem man Helles erlebt hat. Paulus hat später einmal gesagt: „Damit ich mich nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch.“
Liebe Freunde, Christlieb, dieser Professor der Theologie, der lange in Bonn Lehrer war – ein schwäbischer Professor – sprach immer vom Demütigungsweg des Christen. Dieser Weg sei zu gehen, wenn man ein paar Meter auf einem Höhenweg gehen durfte. „Damit ich mich nicht überhebe“, heißt es. Nicht zu fragen, warum dies und das geschieht, sondern ein Ja zum Demütigungsweg, ein Ja zum Weg Gottes.
Wir sind nicht im Gefängnis, Gott sei Dank, aber es gibt ja andere Löcher, die genauso dicht und verschlossen sind wie ein Gefängnis in Jerusalem. Ich denke an das Loch der Krankheit, ich denke an das Gefängnis einer ganz bestimmten Sorge, ich denke an das Verlies der Depression. Und ich weiß nicht, ob nicht jeder von uns auch an diesem Abend sich in irgendeinem solchen Gefängnis befindet.
Nun kann man fragen: Gott, warum? Man kann hadern, man kann schreien, man kann die Faust gegen Gott erheben wie Prometheus. Oder man kann, wenn einem die Kraft geschenkt ist, Ja sagen und mit Paulus formulieren: „Damit ich mich nicht überhebe.“
Ich habe eine schwere Krankheit – die, damit ich mich nicht überhebe. Ich habe eine schwere Sorge mit hier reingebracht – damit ich mich nicht überhebe. Ich habe ein ganz bestimmtes Problem, bei dem mir keiner helfen kann – damit ich mich nicht überhebe.
Hier, Freunde, wünsche ich Ihnen ein Ja zum Demütigungsweg dieses Herrn. Und Sie haben ein Ja dazu. Denn erst wer dieses Ja einmal sagen kann, wird auch etwas von jenem Engel des Herrn entdecken, von dem hier die Rede ist.
Der Engel des Herrn ist Gottes Spezialist. Gott hat Spezialisten. Und der Engel des Herrn ist Spezialist für tiefe und schwere Nöte.
Gottes Engel als Helfer in Notlagen
Dieser Engel des Herrn ist damals aufgetreten, als das Volk Israel aus Ägypten herauszog und die Streitwagen ihnen nachjagten. Es waren nur noch wenige Meter, und die Israeliten wären wieder eingefangen worden. Doch dann stand der Engel des Herrn da und rettete sie.
Denken Sie an Elia, an Bachrit: Er war am Ende, konnte nicht mehr, war erschöpft. Da erschien der Engel des Herrn, der Spezialist Gottes, und rettete ihn.
Denken Sie an Bileams Esel. Dieser Prophet sollte gegen das Volk Israel weissagen, doch sein Esel blieb plötzlich stehen und konnte nicht mehr weitergehen. Der Weg war durch den Engel des Herrn versperrt.
Immer dann, wenn man ganz unten ist, erscheint der Engel des Herrn. Das gilt auch bis heute in Ihrem Leben. Sie werden in Ihrem tiefsten Loch nicht allein bleiben müssen. An jener Stelle, wenn es ganz dunkel ist, wird Gott seinen Spezialisten losschicken, um auch Sie aus dieser dunkelsten Lage zu befreien.
Und wenn es unsere letzte Stunde ist, dann ist das nicht der Ausgang ins Nichts. Vielmehr ist es jeder Augenblick, in dem der Engel des Herrn erscheinen wird und sagen wird: "Komm, komm!" Er wird die Tore öffnen – nicht nur die Gefängnistore, sondern auch die Tore des Todes – und wir werden den Herrn sehen in seiner Herrlichkeit.
Das Ja zu Leiden und Auftrag trotz Strafe
Ja, zur Strafe wurden sie sogar ausgepeitscht. Sie jammern nicht, sie protestieren nicht. Sie nehmen es hin wie Soldaten eine Kriegsauszeichnung.
Sie sind geehrt, dass sie um dieses Herrenwillen leiden können. Nicht entmutigt, sondern ermutigt – ja, zum Gefängnis, ja zur Strafe, ja zu einem erneuten Auftrag.
Noch einmal: Ja, sie sollen hinausgehen und es noch einmal sagen. Sie predigen das große Ja Gottes zu den Menschen in dieser Welt.
Aber, liebe Freunde, damit bin ich beim Dritten und Letzten: Ja, nein oder Jein – nämlich wie Gamaliel.
Gamaliels Rat und die Haltung des Rates
Nun stand aber im Hohen Rat ein Pharisäer namens Gamaliel. Er war ein angesehener Schriftgelehrter, der von allem Volk geehrt wurde. Er ließ die Apostel ein wenig hinaustun und sprach:
„Ihr Männer von Israel, seht euch vor mit diesen Menschen, was ihr tun wollt! Denn vor diesen Tagen stand Theudas auf und gab vor, er wäre jemand. Etwa vierhundert Männer schlossen sich ihm an. Er wurde erschlagen, und alle, die ihm folgten, zerstreuten sich und wurden nichts.
Danach stand Judas aus Galiläa auf, in den Tagen der Volkszählung, und machte viel Volk gegen sich auf. Auch er kam um, und alle, die ihm folgten, zerstreuten sich.
Nun sage ich euch: Lasst ab von diesen Menschen und lasst sie gehen. Wenn dieses Werk oder dieser Rat von Menschen stammt, wird er untergehen. Ist er aber von Gott, könnt ihr sie nicht hindern. So würdet ihr euch erweisen, als kämpftet ihr gegen Gott.“
Da fielen sie ihm zu, riefen die Apostel herbei, ließen sie schlagen und geboten ihnen, nicht mehr im Namen Jesu zu reden. Anschließend ließen sie sie frei.
Die Apostel gingen fröhlich davon. Sie hatten es als Ehre angesehen, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. Und sie hörten nicht auf, jeden Tag in den Häusern zu lehren und das Evangelium zu predigen.
Gamaliel – ein Mann der Unentschiedenheit
Liebe Freunde, jener dritte Mann, der bei uns eigentlich immer sehr positiv ankommt. Damals, als dieses Urteil verkündet wurde – Redeverbot, endgültiges Redeverbot – wurde Petrus gefragt: Nehmen Sie das Urteil an? Und er sagte nein.
Daraufhin war das Gericht verwirrt. Es gab eine kurze Unterbrechung. Das Gericht zog sich unter großem Rauschen zurück in das Beratungszimmer. Die Kriminalstudenten, die Zuhörer, gingen auf die Gänge, rauchten ihre Zigaretten und überlegten, wie sie nun urteilen würden. Das Gericht war etwas konsterniert. Was sollten sie tun?
In dieser Runde meldete sich ein Herr Doktor Gamaljel zu Wort, der zu den Geschworenen gehörte. Doktor Gamaljel war Pharisäer, Enkel des berühmten Tempeldoktors Hillel und Professor an der Universität. Zu seinen Füßen saß damals der junge Paulus. Gamaljel war ein Mann von Format und Geistesgröße. Er sagte etwas sehr Logisches: „Wir müssen überhaupt nichts tun. Schau doch in die Geschichte hinein, da gab es bestimmte Männer, die wie Strohfeuer ausgingen. Wenn es von Gott ist, ist nichts zu bremsen. Und wenn es nicht von Gott ist, dann fällt es von selbst zusammen.“
Das ist doch menschenfreundliche Toleranz, angenehme Liberalität, gesunde Frömmigkeit. So einen wie Gamaljel sollte man sein oder zumindest haben.
Liebe Freunde, alles wäre schön und gut, wenn es sich an dieser Stelle nicht um eine Entscheidung für oder gegen Jesus Christus gehandelt hätte. Die ganze Atmosphäre war doch schwanger von der Entscheidung, entweder für oder gegen Christus zu sein. Und Gamaljel rät: Entscheidet euch nicht, noch nicht. Bleibt neutral, gebt eure Stimme erst später ab, lasst alles in der Schwebe. So kann man ein Mann von Format sein und an diesem Herrn geradewegs vorbeischlittern.
Er sagt nicht ja, er sagt nicht nein. Es bleibt alles offen, ob Jesus jemals gelebt hat, ob er vielleicht ein religiöses Genie war, vielleicht waren es nur große Prinzipien. Es bleibt einfach alles offen.
Gamaljel verhindert auch nicht die gemeine Auspeitschung. Er ist indifferent, er sagt jein. Dieser Gamaljel ist der klassische Mann der Wahrheiten.
Die Grenzen von Gamaliels Haltung und die Dringlichkeit des Glaubens
Unter Weisheiten sagt Lüthi zu dieser Stelle: Wahrheiten sind immer nur Teilwahrheiten. Und wie sah die von Gamaljel aus? Nur was von Gott kommt, sagt er, hat Bestand. Was nicht von Gott ist, geht eben unter. Also ist das, was alt ist, von Gott, und was nicht alt ist und nur kurze Zeit lebt, ist nicht von Gott.
Liebe Freunde, wie steht es denn dann mit der menschlichen Dummheit? Diese ist tausende Jahre alt – ist sie von Gott? Oder wie ist es mit dem Papsttum, mit Buddha, mit Mohammed, mit all diesen Dingen? Alter ist kein zwingender Beweis für Wahrheit. Es kann etwas aus Gott sein und doch sehr schnell untergehen. Jesus selbst wirkte nur drei Jahre. Nach drei Jahren seines Wirkens hing er am Kreuz. War das wahr oder nicht wahr?
Wir wollen heute Abend nicht über Gamaljel zu Gericht sitzen. Das hat Dante für uns genug getan. In seiner göttlichen Komödie, der Divina Comedia, beschreibt er, wie kurz vor dem Höllentor jemand entsetzlich geschrien habe. Er meint damit Gamaljel und schreibt wörtlich: „Die farblosen Seelen derer, die ohne Schimpf und Schande und ohne Lob gelebt haben, die Farblosen – der Himmel speise sie und der Himmel verweigere sie.“ Ich habe hier genau die wörtliche Stelle: „Der Himmel speise sie aus und die Hölle will sie nicht haben.“
Wir wollen nicht so richten wie Dante. Nur die Frage ist viel direkter: Wo stehe eigentlich ich? Ja oder nein – oder am Rande mit diesem Jein? Gamaljel hat seinem Volk an diesem Christus vorbeigeholfen. Sie warteten, sie warten und sie warten heute immer noch – dieses Volk der Juden.
Und die Jünger sagen das Wort: Wer die Wahrheit kennt und sie nicht sagt, der ist wahrhaft ein erbärmlicher Wicht, heißt es in einem alten Sprichwort. Sie können es gar nicht anders. Sie sind intolerant aus Gehorsam, intolerant aus Liebe.
Sehen Sie noch einmal den Hintergrund Ihres ganzen Ringens und Kämpfens: Wie ist es, wenn jemand am Ertrinken ist? Können Sie doch nicht am Rand stehen bleiben und sagen: Jetzt tun wir gar nichts. Wenn er untergeht, dann war er ein Schelm, dann geschieht es ihm gerade recht. Und wenn er nicht untergeht, wenn er schwimmt, plötzlich wie ein Stück Holz, dann war es ein Heiliger – warten wir ab, tolerant, liberal?
Nein! Jemanden ertrinken sehen und nicht helfen, ist doch etwas vom Allerschlimmsten. Die Apostel sehen Menschen, die diesen Herrn nicht kennen, ertrinken. Sie ringen, sie sind für ewig verloren. Was können sie anders? Was können sie anders als zuspringen? Trotz Redeverbot, trotz Gefängnisandrohung, trotz Todesstrafe – was können sie anders als mit hineinzuspringen und zu sagen: „Lasst euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht!“
Uns, die wir am Untergehen sind, ist dies zugerufen: Es gibt eine Rettung, es gibt einen Helfer und Heiland. Dies der Welt zu unterschlagen, ist die größte und nicht zu überbietende Lieblosigkeit. Deshalb können wir es nicht lassen, nicht zu reden von dem, was wir gesehen und gehört haben. Amen.