Herr, danke, dass wir dein Wort haben. Du bist die Antwort auf unsere Unruhe, unser Suchen und unsere Unsicherheit.
Wir sind so froh, dass du auch im neuen Jahr der Anfang, die Mitte und das Ende bist. Unser Leben kann nur in deiner Hand Ruhe und Frieden finden.
Gib uns heute Abend aus deinem Wort Klarheit über dich. Amen.
Einführung in das Thema: Christus im Alten Testament
Wir haben heute Abend ein Thema, zu dem wir keinen einzelnen Text haben. Wir wollen heute Abend einmal darüber sprechen: Christus im Alten Testament.
Ich war Student in Tübingen, und dort gab es einen berühmten Professor, der damals im Stift tätig war. Er war Alttestamentler und hat zu uns Studenten gesprochen. Das war etwa im Jahr 1960. Ich vergesse nicht, wie er über die sogenannten Schmutzgeschichten des Alten Testaments predigte.
Damals habe ich mich, wie man als junger Mensch manchmal unvorsichtig ist, in der Diskussion zu Wort gemeldet. Ich sagte, ich könne mir nicht vorstellen, dass es Schmutzgeschichten im Alten Testament gibt. Es gibt Geschichten über menschliche Sünde, über die die Barmherzigkeit Gottes gewaltig leuchtet. Zum Beispiel der Sündenfall. Doch im Mittelpunkt steht ein ganz anderes Thema.
Daraufhin bekam dieser Professor einen Zornausbruch und sagte: „Dann predigen Sie doch einmal über den Ehebruch Davids.“ Das war für mich damals schockierend. Aber genau, warum nicht? Herrlicher kann man die Gnade Gottes nicht zeigen als in der Seelsorgegeschichte Nathans.
In all diesen Geschichten finden wir den Abgrund menschlichen Handelns in der Sünde und gleichzeitig die göttliche Barmherzigkeit. Ich habe es bis jetzt nicht gemacht, aber irgendwann sollte man es vielleicht tun: einmal über die Hure Rahab predigen, die im Stammbaum Jesu vorkommt. Ausgerechnet diese Frau mit ihrem liederlichen Leben ist ein Zeuge des Glaubens. Ihre Errettung wird im Hebräerbrief 11 als ein Vorbild des Glaubens dargestellt – und das trotz allem Spießertum im Christentum.
Was Gnade in einem Leben vermag – sonst könnten wir alle nicht selig werden.
Missverständnisse über das Alte Testament und seine Botschaft
Wenn man das nicht begreift, kann man eigentlich nur im Alten Testament verstehen, dass es nicht um bürgerliche Wohlanständigkeit geht, sondern darum, den Glauben der verlorenen Menschen zu retten.
Oft wird bei uns der Gegensatz betont und gesagt: „Aber das ist doch ganz anders.“ Dann wird vom Geist des Alten Testaments gesprochen – von Rache! Aber wo genau? Wenn man konkret über einzelne Stellen spricht, bricht diese Vorstellung sehr schnell zusammen.
Wir kennen das auch aus öffentlichen Diskussionen, wenn gesagt wird, im Alten Testament herrsche der Geist „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Ja, das stimmt, das wissen Juristen. Wenn einer den anderen verletzt, darf er nicht so bestraft werden, als hätte er ihn umgebracht. Die Strafe muss der Tat entsprechen. Das hat nichts mit Grausamkeit zu tun, sondern ist ein uralter Rechtsgrundsatz.
Es klingt immer so, als sei das typisch für das Alte Testament. Es ist erschütternd, wie viele Fehlurteile über das Alte Testament einfach vorliegen. Man müsste sie der Reihe nach korrigieren.
Ich möchte heute einfach die große Linie aufzeigen, denn das ist ein uferloses Thema. Sie können es nach und nach selbst entdecken. Je mehr Sie sich bemühen, desto besser werden Sie verstehen. Sie dürfen Fragen stellen, wenn Sie irgendwo Probleme haben. Kommen Sie darauf zu, erkundigen Sie sich und lesen Sie gute Auslegungen.
Blaise Pascal und die Einheit von Altem und Neuem Bund
Blaise Pascal, der große Denker und ein wahres Genie, entdeckte bereits als Kind die bedeutendsten mathematischen Lehrsätze. Er war ein Philosoph ohnegleichen, der ab seinem achtzehnten Lebensjahr kaum einen Moment ohne schwere Kopfschmerzen verbrachte. Er war ein Sucher nach der Wahrheit und trug sein Memorial in seinen Kittel eingenäht.
In diesem Memorial schrieb er, was er in einer Nachtstunde entdeckt hatte: eine Erkenntnis des Evangeliums, der Güte Gottes und des Erbarmens. Typischerweise begann er so: "Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs." Danach sprach er vom Erbarmen Jesu. Dabei erkannte er, dass dies dasselbe ist, was Abraham, Isaak und Jakob erfahren haben. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, kann man Gott finden.
Für uns ist zunächst der Gegensatz wichtig, wenn wir das Neue Testament lesen und die großen Taten Jesu hören. Dort liegt eine Offenheit vor uns. Denken Sie etwa an den Anfang des Johannes-Evangeliums: "Wir sahen seine Herrlichkeit, die Herrlichkeit, dass der Licht glänzte." Die Größe Gottes, die im Alten Testament verborgen war, die in der Stiftshütte aufleuchtete und in der Wüste erschien – im Hebräischen heißt das "kapott" –, ist die Herrlichkeit Gottes, die aufleuchtet.
Diese Herrlichkeit erschien am Hirtenfeld, wie Lukas 2 in der Weihnachtsgeschichte berichtet: "Die Herrlichkeit des Herrn erschien ihnen." Das war das, was Mose sehen durfte, als sein Gesicht strahlte. Im Grunde ist es für uns kaum zu übersetzen, denn es ist der Strahlglanz der Herrlichkeit Gottes. Dies haben wir im Angesicht Jesu erkannt, erzählt Johannes. Wir haben Gnade um Gnade aus dieser Erscheinung empfangen.
Im Alten Bund leuchtete diese Herrlichkeit natürlich nur stückchenweise auf. Nun aber ist sie in der Fülle da. Dann folgt die ganze Osterfreude: der besiegte Tod, Jesus ist auferstanden. Was man im Alten Testament nur hoffen konnte – wie Hiob rief: "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, als der Letzte wird er sich aus dem Staub erheben" und "auch mein Fleisch werde ich sehen" –, ist jetzt plötzlich da.
Die Jünger haben ihn gesehen und gesagt: "Wir haben ihn betastet, und er ist wirklich der Auferstandene, der Lebendige." In seiner Kraft machten sie eine Entdeckung, die für sie ungeheuerbar war: Das Reich Gottes ist angebrochen.
Das, was wir jetzt in der Apostelgeschichte miteinander lesen wollen, hat genau hier begonnen: zuerst in diesem Aufbruch in Jerusalem, in einer ganz neuen, erlebten Gemeinschaft, in einer Freude des Zeugnisses. Dann merkten sie plötzlich, dass die gesamte hellenistische Welt nach diesem Evangelium lechzt.
Auch wenn die Apostel geschlagen und gefoltert wurden, waren sie doch fasziniert davon, wie das Evangelium eine Gotteskraft ist. Und davon sprechen die Apostel in großer Freude.
Die Verklärung Jesu und die prophetische Bestätigung
Das ist im Neuen Testament so klar, dass manche sagen, das sei ein Gegensatz zum Alten Testament. Ich verstehe das. Zunächst denken sie an die Verklärungsgeschichte in Matthäus 17. Dort kommen die Jünger auf den Berg der Verklärung und dürfen für einen kurzen Moment die größte Herrlichkeit Jesu sehen – in einem unvergleichlichen Lichtglanz. Sie blicken hinein in diese neue, unbekannte Wirklichkeit.
Auf diese Verklärungsgeschichte hat später Petrus in seinem Brief noch einmal Bezug genommen. Er sagt, dass sie auf jenem Berg dabei waren, als diese Erscheinung geschah, und dass sie dieses Licht gesehen haben. Das findet sich gerade im ersten Kapitel des ersten Petrusbriefs. Sie können es gerne nachlesen – es lohnt sich.
Genauer gesagt ist es im zweiten Petrusbrief, Kapitel 1, Vers 16, wo es heißt: „Wir sind nicht Fabeln gefolgt, sondern haben die Herrlichkeit, den Lichtglanz selbst gesehen.“ Denn als Jesus damals die Stimme vom Vater empfing, kam die große Herrlichkeit über ihn: „Das ist mein lieber Sohn.“
Im Vers 18 und 19 heißt es weiter: „Wir haben das prophetische Wort; durch das prophetische Wort leuchtet dieses Licht.“ So sehen wir immer stärker den Lichtglanz Jesu, bis wir selbst in unserem Herzen erleben, wie der Morgenstern aufgeht und das Licht bei uns anbricht.
Das, was im Alten Testament schon von den Propheten geschaut wurde, ist in Jesus erfüllt. Natürlich hängen das Alte und das Neue Testament ganz eng miteinander zusammen.
Dieser gleiche Petrus hat auch gesagt, dass die Engel gelüstet und begehrt hätten, das zu sehen. Das steht im ersten Petrusbrief, Kapitel 1, Vers 12. Das, was uns jetzt gepredigt wird, haben sogar die Engel nicht gesehen. Sie hätten es alle gern erlebt. Im Alten Bund war das noch nicht so zu greifen wie heute. Wir sind durch Jesus privilegiert, all das in Klarheit zu wissen und zu kennen. Niemand im Alten Bund hatte diese Erfahrung.
Die Überlegenheit des Neuen Bundes und die Stellung Johannes des Täufers
Und Jesus ging sogar so weit, dass er sagte, das Alte und das Neue sei zu unterscheiden – und zwar folgendermaßen: Der Kleinste im Reich Gottes, also wir, die wir heute durch Jesus Christus Zugang zur Gottesherrschaft haben, ist größer als Johannes der Täufer. Johannes steht noch vor der Tür, doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.
Dass wir wissen, welch großes, unverdientes Gnadengeschenk uns durch die Offenbarung Jesu zuteilwurde, zeigt sich in der Geschichte von Jesus und Johannes dem Täufer. Dies steht in Matthäus 11,11: „Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer; der aber der Kleinste im Himmelreich ist, ist größer als er.“
Natürlich bringt Jesus etwas ganz Neues mit herein. Doch Sie wissen selbst, wie an unzähligen Stellen – ich habe sie nicht gezählt – im Neuen Testament berichtet wird, dass alles, was im Leben Jesu geschah, dazu diente, das zu erfüllen, was im Alten Bund geschrieben steht.
Das gilt sogar bis in die Details. Zum Beispiel, dass sie den Rock Jesu nahmen und ihn nicht zerteilten, sondern um den Rock würfelten. Sie kennen unzählige solcher Details, wo immer wieder der Satz auftaucht: „Das geschah, damit erfüllt würde, was geschrieben steht.“
Gerade in der Geschichte von Jesus und Johannes dem Täufer wird erwähnt, dass es erfüllt werden muss, dass zuerst noch dieser Gottesprophet kommen muss, bevor Jesus erscheint. An vielen Stellen wird mit großer Genauigkeit darauf hingewiesen. Immer wieder wird die Spur gesucht, wo dies im Alten Testament nachzulesen ist.
In der Urchristengemeinde gab es sogar einen Eifer, dies zu erforschen und herauszufinden, wo überall im Alten Testament diese Dinge geschrieben stehen.
Jesus öffnet die Schrift: Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen
Das hat Jesus selbst begonnen, als er mit den zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus war. Die Jünger waren bestürzt darüber, dass Jesus gestorben war. Jesus öffnete ihnen daraufhin die Schrift. Das Alte Testament musste auf Christus hinweisen. Jesus erinnerte an zahlreiche Schriftstellen, die darauf Bezug nehmen.
Natürlich denken wir dabei an Jesaja 53, aber auch der Psalm 22 ist ganz besonders wichtig. Im Psalm 22 gibt es viele Bezüge zum Kreuzgeschehen. Gerade in der Passionsgeschichte wird immer wieder hervorgehoben, dass sich diese Stellen erfüllt haben. Wir hatten das ja in unserer Passionsbibelwoche ausführlich behandelt.
Schlagen Sie einmal das letzte Kapitel der Apostelgeschichte auf, 28, Vers 23. Paulus ist als Gefangener in Rom und wartet auf seinen Prozess. In seiner Gefangenenherberge hat Paulus die Möglichkeit, Besucher zu empfangen. Viele kamen zu ihm. Dort erklärte er ihnen das Reich Gottes, das Neue, das jetzt angebrochen ist.
Paulus predigte von Jesus, und zwar aus dem Gesetz des Mose und aus den Propheten. Er sprach von früh morgens bis zum Abend. So viel Zeit hat man heute meist nicht. Doch das zeigt, dass das Alte Testament ausschließlich auf Christus hinweist.
Paulus, der als Rabbiner großen Wert darauf legte, zeigte aus dem Gesetz, wer Christus ist.
Das dritte Buch Mose als evangeliumsdurchzogenes Buch
Ja, was kann man im Alten Testament noch heranziehen? Wissen Sie, welches das evangelischste Buch im Alten Testament ist, das am meisten vom Evangelium durchdrungen ist? Es ist das dritte Buch Mose.
Wenn Sie es einmal ganz lesen – die Opfer, das Versöhnungsopfer, die ganze Sehnsucht danach, wie meine Schuld vor Gott getragen werden kann – dann verstehen Sie, was Paulus dazu angeregt hat zu sagen, dass das Kreuzopfer Jesu allen irdischen Opferdienst unnötig macht und nicht mehr gebraucht wird.
Dies geschah, damit erfüllt würde, was da geschrieben steht. Diese Formulierung „damit erfüllt würde, was da geschrieben ist“ kommt immer wieder vor. Die Theologie hat großen Wert darauf gelegt, die Gegensätze hervorzuheben, und hat dabei oft vergessen, uns die Zusammenhänge zu zeigen.
Ich bin fasziniert: Im Studium gab es nur wenige, die das erkannt haben. Ein Beispiel ist Gerhard von Rath, der als Alttestamentler in Heidelberg sein Lebensziel darin sah, die große Verbundenheit des Neuen und Alten Testaments zu zeigen.
Aber es ist sicher so, dass viele, selbst diejenigen mit theologischer Ausbildung, das überhaupt nie gehört haben. Und darum muss man heute dafür kämpfen und danach suchen.
Die Messias-Verheißungen im Alten Testament
Und wenn man einmal fragt, wo man die Spur Jesu Christi findet, kann man am Ende sagen: Eigentlich überall im Alten Testament.
Das beginnt schon bei den Verheißungen. Wir hatten ja immer die Verheißungen, und jetzt gehen wir sie kurz durch – die Messias-Verheißungen. Wenn wir diese ganz einfach betrachten, haben Ausleger seit Jahrhunderten gesagt, dass die erste Messias-Verheißung uns schon beim Sündenfall begegnet.
In 1. Mose 3 wird beschrieben, wie die Schlange Adam und Eva verführt. Dann heißt es, es gibt einen Kampf zwischen dem Menschen und dem Versucher, der ihn betört. Viele Ausleger haben gesagt: Ist nicht schon diese Bemerkung in 1. Mose 3 eine Sehnsucht danach, wann derjenige kommt, der der Schlange endgültig den Kopf zertreten wird?
Man kennt es aus dem Adventslied: „Dritter Schlange, Kopf in zwei, endlich frei“ – der Kampf gegen die Versuchung, aus dem man sich nicht selbst befreien kann.
Es ist bezeichnend, dass die Geschichte von Jesus mit der Versuchung beginnt – wieder eine Versuchungsgeschichte. Jesus nimmt Bezug auf das Alte Testament und sagt: „Es steht geschrieben.“ Wenn man alle Aussagen Jesu im Neuen Testament, in allen Evangelien, betrachtet, findet man überall, dass Jesu Antwort immer aus dem Alten Testament stammt.
Es gibt niemals auch nur den geringsten Anschein eines Gegensatzes, dass Jesus sich vom Inhalt des Alten Testaments abgewandt hätte. Im Gegenteil, Jesus hat mit großer Deutlichkeit und Klarheit das Alte Testament bestätigt und aufgerichtet – auch in Bezug auf das Gesetz als Ziel.
Das Gesetz ist nicht abgeschafft, sondern wird durch den Geist Gottes in neuer Weise vollendet, so wie Gott es geordnet hat. Das kennen wir aus der Bergpredigt, wo Jesus das Gesetz als Ordnung unseres Lebens bestätigt – mit all den Geboten wie Feindesliebe und Reinheit des Herzens.
Jesus bekräftigt ausdrücklich immer wieder das Alte Testament.
Typologische Bilder und Vorbilder im Alten Testament
Und dann haben wir die nächste Verheißung des Kommenden, die eigentlich in der Geschichte der Sintflut liegt. Noah, der in der Arche gerettet wird, ist bereits in den Briefen des Neuen Testaments aufgegriffen worden. Dort wird es als ein Bild der Errettung verstanden, die uns im Neuen Bund widerfährt.
Das ist wieder typisch – ich habe gerade das Wort „typisch“ verwendet –, dass sich im Grunde ein ähnliches Verhalten zeigt. Die Arche wird zu einem Bild der Errettung, die Christus schafft. Obwohl wir heute kein Schiff mehr brauchen und kein Wasser mehr fließt, handelt es sich um eine bildhafte Übersetzung in der Erfüllung des neuen Bundes.
Wir finden die nächste große Christuserwartung im Abrahams Segen, 1. Mose 12,1-3, wo Abraham gesagt wird: „In dir sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“ Wie soll das geschehen? Wie sollen alle Geschlechter in Abraham gesegnet werden? Diese Verheißung hat sich nur in Christus erfüllen lassen. Der Horizont ist also schon seit Abraham weltweit geöffnet.
Im Neuen Testament wird Abraham häufig als der Vater des Glaubens dargestellt. Paulus beschreibt ihn im Römerbrief Kapitel 4 und an vielen anderen Stellen als den, der vorbildlich glaubt. Was hat Abraham getan? Er war kein fehlerloser Mensch, doch er glaubte dem Herrn, und das rechnete der Herr ihm zur Gerechtigkeit. Er vertraute Gott – und das ist es, was der neutestamentliche Glaube ausmacht.
Die nächsten messianischen Verheißungen finden wir im Jakobssegen. Die Ausleger haben natürlich Recht, wenn sie sagen: Was ist damals eigentlich geschehen, als Melchisedek Abraham begegnet ist und dieser seltsame König Brot und Wein dem Abraham entgegenbringt, der müde von der Schlacht zurückkehrt? (1. Mose 14) Was ist eigentlich geschehen, als Jakob mit dem Herrn rang? Sie müssen jüdische Ausleger lesen – durch die Jahrhunderte hindurch haben unzählige Ausleger gesagt, dass es nicht ein Engel war, sondern der Herr selbst, mit dem Jakob rang.
Wie kann ein Mensch mit Gott ringen? Hier stoßen wir auf ein Geheimnis der Auslegung. Danach folgt der Jakobsegen. Wir können 1. Mose 49 aufschlagen, wo Jakob sich in Ägypten von seinen Söhnen verabschiedet. In Vers 10 heißt es: „Das Zepter wird nicht von Juda weichen, noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis dass der Held komme, und ihm werden die Völker anhangen.“
Dieser Vers steht so mittendrin, sehr eindrucksvoll. Chagall hat ja in der Hasadah-Klinik diese Fenster gestaltet, die herrlichen Fenster der verschiedenen Segenssprüche. Und dieses Wort steht dort irgendwie dazwischen: Warum werden alle Völker der Welt anhangen? Das hat sich ja sonst nirgendwo bei Israel erfüllt. Die ganzen Völker der Welt stehen ja immer gegen Israel, zum Beispiel bei den Abstimmungen in der UNO.
Hier ist jedoch eine Verheißung, dass alle Völker anhangen, wenn der Held kommt. Im Hebräischen steht da das Wort „Schilo“, ein geheimnisvolles Wort, das den Friedensfürsten meint. Es ist kein Kämpferheld. Das sind Worte, die in den messianischen Weissagungen auftauchen und die man am besten nur aus den rabbinischen Traditionen der Jahrhunderte verstehen kann, was im Hebräischen genau gemeint ist.
Bis der Held kommt – also auf gar keinen Fall ein Kämpfer –, sondern bis derjenige kommt, der das Rätsel löst. Wer das Winteroffenbarung wegnehmen kann, der kann dieses Geheimnis lösen. Und dann kommt das Lamm, das es öffnet. Genau so ist es hier gemeint: Bis der eine kommt, der Verheißene. Das ist die Messias-Verheißung.
In Vers 18 heißt es: „Herr, ich warte auf dein Heil.“ Jakob, der so viel in eigener Kraft getan hat, drückt hier seine Erwartung aus. Dann folgt die Vorstellung Gottes am Sinai und alle messianischen Weissagungen: „Ich werde sein, der ich sein werde.“
Es ist überhaupt ganz interessant, dass in der Urchristenheit ganz selbstverständlich der alttestamentliche Gottesname, der unaussprechliche Name, verwendet wurde. Wir wissen nicht genau, wie er ausgesprochen wurde, denn im Hebräischen werden nur Konsonanten geschrieben. Da der Name ohnehin unaussprechbar war, las man ihn in der Bibel immer als „Adonai“, das heißt „der Herr“, um den heiligen Gottesnamen nicht auszusprechen.
Wenn man diese Konsonanten mit Vokalen füllt, entsteht das Wort „Jehova“. Das hat die Zeugen Jehovas zu dem Irrtum verleitet, „Jehova“ sei der eigentliche Gottesname und würde beim Aussprechen selig machen. Das ist jedoch eine Unkenntnis der hebräischen Hintergründe.
„Adonai“ – der Herr – steht etwa 6700 Mal in der Bibel. Dieses Wort des Allerhöchsten, des Heiligen, findet sich auch im Neuen Testament und in der griechischen Übersetzung der Siebzig, der Septuaginta, die schon vor Jesus entstand. Dort steht für „Adonai“ das griechische Wort „Kyrios“, das später als Hoheitstitel Jesu verwendet wird. Jesus wird als „der Herr“ angeredet, besonders als der Auferstandene.
Wir finden diesen Titel bereits bei den Wundern, etwa wenn Petrus am See Genezareth sagt: „Es ist der Herr.“ Die meisten Theologen sind der Meinung, dieser Titel sei Jesus erst später angedichtet worden. Sie kennen ja die Theorien, die beispielsweise Heinz Sarndt vertritt.
Das kann aber aus einem Grund überhaupt nicht sein: In der Urchristenheit war dieser Herr-Titel, dieser Gottesname, schon in der ältesten Form bekannt. Im 1. Korintherbrief erwähnt Paulus zum Beispiel eine Formel, die in der frühen Christenheit üblich war: auf Aramäisch „Maranatha“. Das „Mar“ ist ein aramäisches Wort für „Herr“ oder „Gottesname“. Diese Formel wurde in Korinth in Aramäisch gebraucht.
Der Titel stammt also natürlich aus dem Aramäischen und war in der Urchristenheit bereits lebendig. So war er schon 15 Jahre nach dem Tod Jesu in Korinth in der christlichen Gemeinde traditionell. Deshalb stammt er nicht aus der griechischen Welt, wie viele Theologen glauben.
Diese Übertragung des Gottesnamens auf Jesus Christus ist eine ganz wichtige Sache. Die Identität „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ war für die Urchristenheit völlig klar. In Christus, in Jesus, tritt die ganze Herrlichkeit Gottes entgegen.
In allen Berichten des Neuen Testaments finden wir nichts anderes, als dass Jesus in sich die Fülle Gottes ist. Eine Trennung zwischen einem irdischen Jesus und einem später hinzugefügten Messias ist künstlich und gar nicht möglich. Diese Trennung findet sich in den Berichten nicht.
Mose als Vorbild und typologische Entsprechungen
In der Geschichte steht Mose am Sinai, und Gott offenbart sich ihm mit den Worten: „Ich bin der Herr, der allmächtige Gott. Ich werde sein, der ich sein werde. Sieh mein Handeln, und ich werde mich an dir offenbaren.“
Dann folgt das Erlösungshandeln, bei dem Mose das Volk aus Ägypten führt und durch das Schilfmeer hindurchgeht. Dieses Ereignis ist für die neutestamentliche Gemeinde ein Bild des Erlösungshandelns Jesu.
Wir sehen hier ein Phänomen, das sich häufig in der Bibel zeigt: Gott handelt immer wieder auf ähnliche Weise in der Geschichte. Es gibt typische oder – um es mit einem Fachbegriff zu sagen – typologische Entsprechungen im Handeln Gottes.
So wird beispielsweise erzählt, wie Gott in der Wüste Brot vom Himmel gibt. Später finden wir bei Jesus die Speisung der Fünftausend, bei der er Brot gibt. Im Johannes-Evangelium Kapitel 6 beginnt Jesus eine lange Diskussion mit den Juden, in der er darauf hinweist, dass Mose zwar auch Brot gegeben hat. Jesus sagt aber: „Das Brot, das Mose gab, war ein anderes Brot. Ich bin das Brot des Lebens.“
Jesus macht deutlich, dass die wichtigste Sache er selbst ist, der sich den Menschen gibt. Ähnlich verhält es sich mit dem Wasser, das in der Wüste gegeben wird.
Paulus geht im 1. Korinther 10 sogar so weit, dass er sagt: Auf der Wüstenwanderung ist der Fels, aus dem Mose das Wasser schlug, Christus, der geistliche Fels, der mitfolgte. Das ist eine ganz kühne Deutung des alttestamentlichen Geschehens.
Das Volk Israel hat auf seiner Wüstenwanderung in diesem Ereignis, als Mose auf den Fels schlug und Wasser herausfloss, eine Begegnung mit Christus gehabt.
Das ist nicht leicht zu erklären, aber so steht es in 1. Korinther 10, wo Paulus vom Murrenredet und sagt, dass die Gemeinde nicht murren soll wie das Volk damals.
Weitere messianische Verheißungen und Psalmen
Nun, wenn wir weitergehen, kommen wir zur Verheißung des Bileam. Bileam war der Prophet, der Israel fluchen sollte, doch stattdessen sprach er vom aufgehenden Stern. Diese Verheißung finden wir in 4. Mose 24.
Dann kommen wir zu den herrlichen Messiasverheißungen im fünften Buch Mose. Ich möchte jetzt nicht näher darauf eingehen. Es folgen die Psalmen, darunter Psalm 2 und Psalm 110, die großen Christuspsalmen. Vielleicht lesen wir Psalm 110 einmal.
Jesus hat mehrfach mit den Pharisäern über diesen Psalm gesprochen. „Im Himmel deiner Füße!“ – redet David so kompliziert? „Der Herr sprach zu meinem Herrn“ – welchen Herrn meint David hier? Wer ist über David Herr, wenn der Herr zu meinem Herrn spricht? Jesus sagte, darüber müsste man nachdenken, wenn man ihn verstehen wollte.
„Daher wird das Zepter deiner Macht aus Zion ausgestreckt. Herrsche nun über deine Feinde! Wenn du dein Heer aufbietest, wird dein Volk willig folgen, in Heilung und Schmuck. Deine Söhne werden dir geboren wie der Tau aus der Morgenröte. Der Herr hat geschworen, und es wird ihm nicht gereut: Du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks.“
Melchisedek ist dieser geheimnisvolle König, der Abraham begegnete und Brot und Wein brachte. Melchisedek bedeutet „König der Gerechtigkeit“. Wo residierte dieser König der Gerechtigkeit? In Jerusalem. Der König von Salem wird nur in 1. Mose 13 erwähnt.
Interessant ist, dass David, als er Jerusalem eroberte, eine Tradition aufnahm, die Saul nicht erlaubt war: Er war gleichzeitig König und Priester. Saul wurde verworfen, weil er gleichzeitig opfern wollte. Melchisedek war König und Priester – eine geheimnisvolle Gestalt, die nur kurz auftaucht. Im Hebräerbrief wird das noch einmal erklärt.
„Der Herr zu deiner Rechten wird die Könige zerschmettern am Tage seines Zorns. Er wird richten unter den Heiden, viele erschlagen und Häupter zerschmettern auf weitem Gefilde. Er wird trinken vom Bach auf dem Wege, darum wird er das Haupt emporheben.“
Psalm 110 ist ganz wunderbar. Auch Psalm 118 ist bedeutend: Er handelt von dem Stein, den die Bauleute verworfen haben, der zum Eckstein geworden ist. Dieser Psalm wurde gesungen, als Jesus in Jerusalem einzog.
Die Bedeutung der Personen des Alten Testaments als Typen Christi
Ich möchte Sie jetzt nicht mit der Fülle der Bezüge verwirren. Sie werden selbst an diesen Stellen immer wieder Entdeckungen im Alten Testament machen. Aber vor allem ist jetzt entscheidend, dass das größte Christusgeschehen im Vorbildcharakter der Personen liegt.
Wir sprachen bisher über Aussagen. Jetzt kämen die ganzen herrlichen prophetischen Verheißungen, die wir ja an diesen Adventstagen immer wieder zitieren: Jeremia, Jesaja – es wird nicht dunkel bleiben, Immanuel wird geboren, ein Kind, das Vater heißt, ewig Vater, Friedefürst. Was ist das? Kraftheld? Was ist das, der Spross, der ausgeht aus dem abgeschlagenen Stumpf? Wir finden das Bild vom Spross dauernd im Alten Bund.
Das hat natürlich wieder dazu geführt, dass gerade der Begriff Nazareth, der nirgendwo in der Bibel vorkommt, eine besondere Bedeutung erhielt. Nazareth ist keine Stadt, die alttestamentlich eine Verankerung hat. Aber die Juden haben die Buchstaben von Nazareth genommen und fanden in diesem Wort das hebräische Nozri, den Spross. Deshalb haben sich die Christen ja Nazarener genannt. Nazarener ist im Neuen Testament ein Hoheitstitel Jesu. Das ist der Spross, der Verheißene.
Karsten Peter Thiede, ein Mann, der sehr interessante Veröffentlichungen macht und evangelikaler Theologe ist, hat darauf hingewiesen, dass man im Hebräischen, wenn man die Anfangsbuchstaben von Jesus, Handelsfried, der Spross und König, Wu Melech, der Juden nimmt – man nimmt immer den Anfangsbuchstaben –, dann stehen die vier Konsonanten da, die Yahweh ergeben. Das war der Anstoß am Kreuz, der Gottesname. Das erklärt, warum die Leute so empört waren. Eine mir sehr einleuchtende Erklärung, warum die Empörung der Juden da war und warum das am Kreuz noch einmal so sichtbar wurde.
Es ist ein Geheimnis, das man nur mit Kenntnis des Hebräischen genau erklären kann, anhand der Buchstaben. Für uns ist jetzt viel wichtiger, dass die Personen des Alten Testamentes Vorbilder für Jesus werden, Typen, die auf Christus hinweisen – am schönsten bei Abraham, obwohl Abraham ein fehlbarer Mensch war.
Dann werden Ereignisse aus dem Leben Abrahams auf einmal zu Typen, wie die Opferung Isaks auf dem Hügel Moria. Plötzlich ist dieser Knabe Isak frei (1. Mose 22). Kirchlicher hat unheimlich viel darüber nachgedacht, wie Gott mit Menschen umgeht und was das Evangelium ist. Wir müssen nicht sterben, sondern wir werden unbegreiflich befreit. 1. Mose 22 ist in seinem Bezug so ungeheuer zum Neuen Testament.
Mose ist vielleicht das Vorbild Christi. Und wieder bei Mose haben wir viele Züge, die nicht vorbildlich sind. Wie er den ägyptischen Aufseher ermordet, ist nicht vorbildlich. Er ist ein Mensch mit einer Leidenschaft. Aber dann lässt ihn Gott warten in der Wüste Midian vierzig Jahre, und dann beruft Gott ihn.
Und an welchen Stellen wird Mose zum Vorbild? Als das Volk das goldene Kalb macht und Gott diese Sünde, das abgöttische Wesen des Volkes, tadelt, da kniet Mose nieder und sagt: „Herr, nimm mich und lass das Volk leben.“ Das schuldige Volk soll leben. Mose sagt: „Ich will in die Bresche springen.“ Ein Bild des stellvertretenden Sühnopfers, das Gott jedoch nicht annimmt.
Ganz wunderbar ist auch, wie Mose auf dem Berg Gott sehen darf. Nun, das ist ganz schwierig. Kann man Gott wirklich sehen? Hat Mose wirklich Gottes Angesicht sehen können? „Kein Mensch wird leben, der Gott sieht“, so steht es wörtlich da. Jüdische Ausleger haben gesagt, er hat Gott nur von hinten sehen dürfen. Er hat Gott nur in einer verklärten Weise sehen können, als Abbild.
Wir müssen hier das Geheimnis stehen lassen, weil wir nicht weiter vordringen können aus unserer Distanz zu Gott. Jedenfalls war das Verhältnis Moses zu Gott ein so inniges. Gott redete mit Mose, wie man mit einem Freund redet. Gott war Mose ganz nah, wie sonst niemand mehr.
Dann kommt es zu einem Propheten: „Wie mich wird der Herr erwecken.“ Im 5. Mose, schauen wir mal, 5. Mose 18, Vers 15: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und deinen Brüdern. Den sollt ihr hören.“ Vers 18: „Und meine Worte will ich in seinen Mund geben. Der soll zu ihnen reden alles, was ich ihm gebieten werde.“
Jesus ist der wiederkommende Mose im Judentum. Zur Zeit Jesu wartet man darauf, dass er wiederkommt. Deshalb sind die Vorstellungen des Messias immer wieder auf diese alttestamentlichen Vorbilder ausgerichtet, so wie Elija erwartet wurde. Heute noch wird Elija in den jüdischen Familien erwartet, wie man bei den Festen einen Platz leer lässt, falls Elija zufällig in diesem Haus erscheinen wird.
Jede gläubige jüdische Familie lässt bei jedem Essen einen Platz frei für Elija. Falls er kommt, soll der Platz bereitet sein. Und Jesus wird gefragt: „Muss nicht Elija zuvor kommen?“ Jesus sagt, er ist gekommen – im Johannes dem Täufer.
Eine ganz wunderbare Gestalt, der Vorläufer, ist David. Obwohl David doch so viel Blut an seinen Händen hat und darin nicht vorbildlich war, dass er nicht einmal den Tempel bauen durfte, so ist doch vieles an David Vorbild für das Kommen Jesu.
Und Sie singen es etwa in dem Lied „Welch ein Freund ist uns Jesus“: Jesus ist König, Priester und Prophet. Das sind die drei Ämter Davids gewesen, so wie sie in der Bibel besungen werden und die wir bei Jesus wiederfinden: das königliche Amt, das wir am Sonntag besprachen, das Priesteramt der Versöhnung und das Prophetenamt des Wortes, das er uns sagt.
Und das geht auf David zurück. Jesus ist die Erfüllung dieses alten verheißenen Messiasbildes, das wir in Jesus haben.
Die prophetische Sehnsucht und Wunder der Geburt
Wenn wir all diese Schriftstellen zusammen betrachten – und das ist nur ein kleiner Auszug – haben wir die Propheten bisher überhaupt nicht berührt. Dabei wird dort die Sehnsucht nach Erlösung angesichts des Versagens Israels sehr groß.
Der Herr wird ein neues Herz geben und durch seinen Heiligen Geist Israel erneuern. Wenn man den Propheten Sacharja liest, der vom zerstörten Jerusalem spricht, findet man eine Stelle, in der es heißt: „Ihr werdet sehen, wie man euch durchbohrt“ (Sacharja 12). Dort wird unmittelbar das Geschehen um Jesus angesprochen.
Auch der Prophet Maleachi spricht von der Sonne der Gerechtigkeit, die über euch aufgehen wird und Heil unter ihren Flügeln bringt. Im Lobgesang des Zacharias, den wir am Sonntag hören, wird genau davon gesprochen: Der Aufgang aus der Höhe erscheint, eine Rede, die auf Maleachi zurückgeht.
Die Sehnsucht Israels ist: Wann wird das große Lichtglanzereignis geschehen? Das Volk, das in Finsternis wandelt, sieht ein großes Licht. Es heißt: „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter.“
Die Frage der Geburt Jesu hat für viele Menschen große Bedeutung. Im Alten Testament finden wir jedoch häufig die Erwähnung, dass die Geburt bei den Erwählten Gottes immer durch ein Wunder geschieht. Gott braucht es nicht, aber es wird so dargestellt.
Es ist falsch, wenn heute aufgeklärte Menschen sagen, die Bibel meine Sexualität als etwas Schmutziges. Gott hat auch die Sexualität geschaffen, und das ist kein Problem. Vielmehr hat Gott sich vorbehalten, bei der Geburt Samuels einer unfruchtbaren Frau auf wunderbare Weise Fruchtbarkeit zu schenken.
Das liegt nicht daran, dass Sexualität schmutzig wäre – das ist unser schmutziges Denken – sondern weil die Dinge vielleicht doch ganz anders sind, als wir meinen.
In den Adventstagen haben wir auch gründlich über die Stellen zur Jungfrauengeburt gesprochen und was dort wirklich steht. Wir haben versucht, in unserem Israelführer zu erklären, was hinter der Wendung steckt, warum Joseph Maria nicht in Schande bringen wollte. Das hängt mit dem Eifersuchtsgesetz zusammen.
Man muss das immer wieder genau bedenken, denn wir sind hier im jüdischen Denken sehr weit entfernt. Noch einmal: Nicht weil es schmutzig wäre, sondern weil es Gott gefallen hat, aus der Welt Gottes in das Irdische einzugehen.
Dabei gibt es eine Bruchlinie, denn nicht das Menschliche kann das Göttliche zeugen. Das ist ein Geheimnis, von dem wir leben und von dem unser Heil abhängt.
Diese großen Dinge rühmen wir auch in unserem Glaubensbekenntnis, und sie gehen bereits auf das Alte Testament zurück.
Beispiele für neutestamentliche Auslegungen im Alten Testament
Wir könnten uns nun zeigen: Major Jan Thomas von den Fackelträgern hat ein sehr schönes Buch geschrieben, das sich ausschließlich mit dem Buch Esther beschäftigt. Darin verfasst er eine herrlich neutestamentliche Auslegung über dieses Buch, obwohl eigentlich nichts darin vorkommt. Sie werden viele Bezüge finden. Ich habe Ihnen bereits an der Rahab, der Hure von Jericho, zahlreiche Verbindungen aufgezeigt. Wenn man wirklich Zeit hätte, intensiver in der Bibel zu forschen, würde man noch viel mehr entdecken.
In Israel war das Heiligungsinstrument die Asche der roten Kuh. Es ging kürzlich erneut durch die Zeitungen, dass die Juden wieder eine rote Kuh gezüchtet hätten, um eventuell den Tempelkult wieder zu eröffnen. Die rote Kuh musste abseits von der Stadt, draußen vor der Stadt, verbrannt werden. Wenn Sie das lesen – ich glaube, es steht im dritten Buch Mose –, verstehen Sie, warum in der Passionsgeschichte so viel Wert darauf gelegt wird, dass Jesus vor den Mauern der Stadt gekreuzigt wurde.
Denn der Vergleich geht natürlich zurück auf die Asche der roten Kuh, das Reinigungspulver des alten Bundes, ein Hoffnungszeichen für die Erlösung der Menschen. Je mehr Sie sich damit beschäftigen, desto erstaunter werden Sie sein, wie viele Bezüge uns da entgegenkommen.
Denken Sie zum Beispiel nur an die Ehrenschlange: Mose richtet eine Ehrenschlange auf, und wer diese Schlange ansah, wurde gerettet. Ein ganz merkwürdiges Geschehen, bei dem man sich fragt, ob es Aberglaube war. Doch dann sagt Jesus im Gespräch mit Nikodemus: Wie Mose die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden. Und wer auf ihn blickt, wird gerettet.
Ich persönlich könnte mich mit jedem Bibelkritiker rasch einigen und sagen, dass es nicht wichtig ist, ob man die Geschichte von Noah und dem Fisch glaubt. Aber es ist doch immerhin interessant, dass Jesus sagt: Es wird der Menschheit kein anderes Zeichen gegeben als das Zeichen Jonas. Wie Jonas drei Tage im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn erhöht werden.
Man könnte sich fragen: Herr Jesus, du hast uns so große Wahrheiten erzählt, warum fängst du gerade bei Jonas an? Und Jesus legt Wert darauf, dass Jonas das Zeichen für die Welt ist. Vielleicht ist es töricht, sich manchmal an der Bibel zu genieren.
Ich wollte Ihnen das zeigen, und heute war es auch ein bisschen länger. Ich habe vorher mit der Chorleiterin gesprochen, und sie hat mir diese Zeit eingeräumt. Vielen Dank dafür! Mir war es erst einmal wichtig, Ihnen Appetit zu machen, selbst auf diese Entdeckungsspur im Alten Bund zu gehen und unzählige Dinge zu finden.
Zum Beispiel Elija, der Gott im sanften, stillen Sausen begegnet – und nicht im Sturmwind oder im Gewitter auf dem Berg Horeb. Warum? Nachdem er 450 Priester abgeschlachtet hat, findet er Gott ganz anders, im sanften, stillen Sausen.
Plötzlich merken Sie, dass die Stimme des Evangeliums von Anfang bis Ende und die Barmherzigkeit Gottes im Alten Bund überwältigend hervortreten. Die Einheit der Bibel wird auf einmal in einer ganz wunderbaren Weise sichtbar.
Ich wollte Ihnen heute Abend einfach Appetit machen. Es war nicht vollständig, und hoffentlich habe ich Sie nicht zu sehr verwirrt durch die Fülle an Beobachtungen. Bleiben Sie einfach bei dem, was Sie verstehen konnten.