Einleitung: Die frohe Botschaft des kommenden Königs
Wir haben gerade miteinander gesungen: „Siehe, dein König kommt zu dir, Seele.“ Das sind frohe Worte. Sprich: „Mein König kommt zu mir.“ Siehe, ich öffne dir die Pforte. Zieh mit deiner Sanftmut ein. Was du findest, das ist dein.
Ja, das wollen wir genau jetzt auch bedenken: diesen König, der zu uns gekommen ist.
Um auf diesen König zu schauen, blicken wir im Advent zurück in das Buch der Psalmen, den Psalter. Dort betrachten wir Lieder, die in Erwartung dessen gesungen wurden, der kommen würde. Oft sind sie zugleich eine Rückschau auf den, der schon gekommen ist.
So wird es auch heute sein bei unserem Psalm, Psalm 72. In diesem Psalm wird für einen König gebetet. Es werden große Dinge über einen König verkündet. All das mündet in einem wunderbaren Lobpreis, in dem Gott gelobt wird – interessanterweise erst einmal gar nicht so sehr der König.
Meine Hoffnung für uns ist, dass wir, wenn wir diesen Psalm betrachten, am Ende die Worte, die wir gerade gesungen haben, vielleicht nicht noch einmal singen, aber in unseren Herzen mehr und mehr tragen können. So können wir uns freuen über diesen König, der gekommen ist.
Psalm 72: Das Gebet für den gerechten König
Ich möchte uns den Predigttext vorlesen, Psalm 72, von Salomo:
Gott, gib dein Gericht dem König und deine Gerechtigkeit dem Königssohn, damit er dein Volk mit Gerechtigkeit richte und deine Elenden rette. Lass die Berge Frieden bringen für das Volk und die Hügel Gerechtigkeit.
Er soll den Elenden im Volk Recht schaffen, den Armen helfen und die Bedränger zermalmen. Er soll leben, solange die Sonne scheint und solange der Mond währt, von Geschlecht zu Geschlecht.
Er soll herabfahren wie der Regen auf die Aue, wie die Tropfen, die das Land feuchten. Zu seinen Zeiten soll die Gerechtigkeit blühen, und großer Friede sein, bis der Mond nicht mehr ist.
Er soll herrschen von einem Meer bis zum anderen, von dem Strom bis zu den Enden der Erde. Vor ihm sollen sich neigen die Söhne der Wüste, und seine Feinde sollen Staub lecken.
Die Könige von Tarsis und auf den Inseln sollen Geschenke bringen, die Könige aus Saba und Seba sollen Gaben senden. Alle Könige sollen vor ihm niederfallen und alle Völker ihm dienen.
Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und den Elenden, der keinen Helfer hat. Er wird gnädig sein den Geringen und Armen, und den Armen wird er helfen.
Er wird sie aus Bedrückung und Frevel erlösen, und ihr Blut ist vor ihm wertgeachtet. Er soll leben, und man soll ihm geben vom Gold aus Saba. Man soll immer für ihn beten und ihn täglich segnen.
Voll stehe das Getreide im Land, bis oben auf den Bergen. Wie am Libanon rausche seine Frucht, in den Städten sollen sie grünen wie das Gras auf Erden.
Sein Name bleibe ewiglich, solange die Sonne währt. Blühe sein Name, und durch ihn sollen alle Völker gesegnet sein, und sie werden ihn preisen.
Gelobt sei Gott, der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut. Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden.
Amen, Amen! Zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais.
Gebet um Erkenntnis und Verwandlung
Ich möchte mit uns beten. Himmlischer Vater, danke für diese Worte über einen Gerechten, über einen ewigen, über einen universellen König – einen König voller Barmherzigkeit, einen Gesegneten, der Segen bringt.
Herr, hilf uns, diesen König klar vor Augen zu haben, damit wir ihn immer mehr anbeten – in Worten und durch unser ganzes Leben. So gebrauche dein Wort, um uns zu verwandeln, immer mehr in Menschen, die für dich leben – mit frohem Herzen.
Amen!
Hintergrund und Kontext des Psalms
Dieser Psalm ist gleich zu Beginn interessant, denn die ersten und die letzten Worte scheinen nicht zusammenzupassen. Vielleicht ist euch das aufgefallen. Zu Beginn und am Ende steht: „Von Salomo“. Das bedeutet, dass die Gebete Davids hier zu Ende sind.
David und Salomo waren zwei sehr bedeutende Könige in Israel. David war der König, der das Volk so führte, dass sie viele Kriege gewannen und das Reich zu einem großen Reich wurde – so, wie Gott es versprochen hatte. David war wirklich der Vorzeigekönig Israels.
Sein Sohn Salomo folgte ihm unmittelbar auf den Thron nach. Unter Salomo erlebte das Reich eine Zeit des Friedens. In dieser Zeit durfte Salomo auch den Tempel bauen. Es waren herrliche Zeiten für das Volk. Diese Ereignisse liegen ungefähr zwischen 1000 und 920 v. Chr.
Salomos Leben und Herrschaft werden vor allem in den Büchern des Alten Testaments beschrieben, nämlich im 2. Samuel und im 1. Könige.
In diesem Psalm lesen wir ein Gebet, das wahrscheinlich von David für seinen Sohn Salomo gesprochen wurde. Hier betet also ein König für einen anderen König, ein Vater für seinen Nachfolger.
Das Gebet klingt in vielen Teilen fast mehr wie eine Voraussage als wie ein gewöhnliches Gebet. Es beschreibt, wie dieser König regieren wird. Fünf Aspekte seiner Regentschaft werden erbeten und in gewisser Weise angekündigt.
Diese fünf Punkte sind die Grundlage für den Anfang der Predigt. Danach geht es noch weiter, also seid auf einen längeren Vortrag vorbereitet.
Die fünf Aspekte der Königsherrschaft
Erstens ist er ein gerechter König. Zweitens ist er ein ewiger König. Drittens ist er ein universeller König, also ein König aller Völker. Viertens ist er ein barmherziger König, und fünftens ist er ein segenbringender König.
Wir wollen nun betrachten, wie sich diese Eigenschaften im Leben von Salomo mehr oder weniger erfüllen.
1. Der gerechte König
In den ersten vier Versen lesen wir das Gebet für einen gerechten König: „Gott, gib dein Gericht dem König und deine Gerechtigkeit dem Königssohn, dass er dein Volk richte mit Gerechtigkeit und deine Elenden rette. Lass die Berge Frieden bringen für das Volk und die Hügel Gerechtigkeit.“
Er soll dem elenden Volk Recht schaffen, den Armen helfen und die Bedränger zermalmen. Wie wir sehen, tauchen die Worte Gerechtigkeit und Recht hier immer wieder auf. David, der König, betet für den Königssohn, der nun König ist – für Salomo – und bittet ihn nicht einfach nur darum, irgendwie einigermassen gerecht zu sein. Er bittet Gott: Gib ihm deine Gerechtigkeit, göttliche Gerechtigkeit.
Das ist die Gerechtigkeit, die der König braucht, um wirklich gerecht richten zu können. Nur so kann er als gerechter König für diejenigen eintreten, denen normalerweise nicht Recht gegeben wird. Die Elenden sollen gerettet werden. Er soll Frieden bringen, den Schalom Gottes. Er soll Gerechtigkeit über das ganze Volk bringen.
Er soll ein König sein, der für die eintritt, die keine Gerechtigkeit erfahren, und der denen entgegentritt, die mit Unrecht davonkommen. Das hören wir in diesem Gebet. Aus der Geschichte, aus dem ersten Buch Könige, wissen wir, dass Salomo zumindest am Anfang tatsächlich ein sehr gerecht richtender König war.
Wir kennen das salomonische Urteil, bei dem Salomo mit großer Weisheit ein ganz gerechtes Urteil spricht. Zwei Mütter streiten um einen Sohn. Eine Mutter hatte im Schlaf ihren Sohn erdrückt und wollte dann den Sohn der anderen Mutter als ihr eigenes Kind ausgeben. Die Frage war: Wem gehört das Kind?
Ich werde nicht weiter darauf eingehen, ihr könnt es im ersten Buch Könige Kapitel 3 nachlesen. Was Salomo dann tut, zeigt, dass er vollkommen gerecht und weise ist. Er spricht ein wirklich gerechtes Urteil und tritt gerade für die Elenden und Armen ein.
Später in seiner Regierungszeit sehen wir jedoch, dass es nicht mehr so weit her ist mit seinem Eintreten für die Armen und Elenden. Er verliert das aus den Augen. Er lässt extravagante Paläste für sich und seine Familie bauen und finanziert das durch hohe Abgaben, die er dem Volk auferlegt. Dadurch werden die Armen noch ärmer, und die Elenden leiden unter seiner Herrschaft.
Er regiert später so, wie viele Herrscher regiert haben. So sehnt sich das Volk weiter nach einem wahrhaft gerecht regierenden Herrscher. Diese Sehnsucht nach Gerechtigkeit kennen wir auch, oder? Wir erleben tagtäglich Unrecht und leiden immer wieder darunter, dass uns Unrecht getan wird.
Beim Schreiben dieser Predigt habe ich einmal darüber nachgedacht. In der letzten Woche ist mir Unrecht widerfahren, und mir fielen sofort vier konkrete Dinge ein, die ich erwähnen konnte. Dann habe ich weiter darüber nachgedacht, und mir fielen auch viele Dinge ein, bei denen ich anderen vielleicht ungerecht begegnet bin.
Wir sehen: Mit der Gerechtigkeit ist es nicht so weit her. Mir wurde dabei auch klar, dass allein mein Denken darüber, was gerecht ist, mein Verständnis von wirklicher Gerechtigkeit ziemlich begrenzt ist. Gerade das lässt in uns doch die Sehnsucht nach wirklicher Gerechtigkeit noch größer werden.
Oder wie ist das bei dir? Sehnst du dich nach wahrer Gerechtigkeit?
2. Der ewige König
Hier wird für einen gerechten Herrscher gebetet. Nicht nur soll er gerecht herrschen, sondern auch ewig. Er soll ein ewiger König sein, wie in den Versen fünf bis sieben zu lesen ist. Er soll leben, solange die Sonne scheint und der Mond währt, von Geschlecht zu Geschlecht.
Es geht dann weiter, doch hier wird also von dieser Ewigkeit gesprochen: Solange die Sonne scheint, solange der Mond währt, von Geschlecht zu Geschlecht, immer weiter. Gerechtigkeit und Frieden sollen herrschen, bis der Mond nicht mehr da ist.
Das klingt etwas seltsam: Wie kann König David dafür beten, dass sein Sohn ewig König sein soll? Es klingt zwar ungewöhnlich, macht aber auch Sinn. Denn König David hatte von Gott selbst die Ankündigung erhalten, dass sein Nachfolger auf dem Thron ewig regieren würde.
Das lesen wir im zweiten Buch Samuel, Kapitel sieben, ab Vers zwölf. Dort spricht Gott zu David: „Wenn deine Zeit um ist, auf gut Deutsch, wenn du stirbst und dich zu deinen Vätern legst, will ich dir einen Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird. Dem will ich sein Königtum bestätigen. Er soll meinem Namen ein Haus bauen“ – das heißt, er darf den Tempel bauen – „und ich will seinen Königsthron ewiglich bestätigen.“
So betet David nun für einen ewigen König, einen Herrscher, unter dessen Herrschaft Gerechtigkeit blüht und großer Friede herrscht.
Dann kommt Salomo auf den Thron, und er regiert in einer Friedenszeit. Doch nach Salomos Tod ist seine Herrschaft nicht ewig. Die Nachfolger sind weniger gute Könige, und die Situation verschlechtert sich zunehmend.
So bleibt die Sehnsucht nach einem Herrscher, der gut regiert, unter dessen Herrschaft Frieden herrscht und der ewig bleibt. Ein Herrscher, unter dem das Gute und der Segen nicht enden.
Wenn wir heute auf Israel schauen, sehen wir kein Friedensreich. Wir spüren in uns die Sehnsucht, dass dieser Krieg ein Ende haben möge. Dass all die Kriege dieser Welt, all das Unrecht, ein Ende finden. Dass ein König kommt, der ein für alle Mal Frieden bringt.
Wir leben in unserem eigenen Land, in dem der Frieden, den wir inzwischen fast als ewig betrachten, außer vielleicht bei einigen wenigen, die alt genug sind, um sich an andere Zeiten zu erinnern, nicht mehr so sicher und selbstverständlich ist, wie wir immer dachten.
Plötzlich spricht man davon, aufzurüsten, um im Falle eines Angriffs verteidigungsfähig zu sein.
Natürlich ist das nicht der einzige Frieden, nach dem wir uns sehnen. Wir merken, dass auch in uns selbst, in unseren Herzen, Unfrieden und Unsicherheit herrschen.
Ein ewiges Friedensreich, ein solcher ewiger Herrscher – das klingt fast wie ein naiver Traum. Denn wir sehen, dass die Herrschernationen dieser Welt alle ihre eigenen Ziele verfolgen, die sie gegebenenfalls auch mit Gewalt durchsetzen.
Deshalb erscheint ewiger Friede wie eine Illusion. Es sei denn, es gäbe einen guten Herrscher, der über allen regiert und alles befriedet. Genau dafür betet David in den Versen acht bis elf – für diesen universellen König, den König über allen Königen.
3. Der universelle König
Da heißt es, er soll herrschen von einem Meer bis zum anderen und vom Strom bis zu den Enden der Erde. Vor ihm sollen sich die Söhne der Wüste neigen, und seine Feinde sollen Staub lecken. Die Könige von Darsis und auf den Inseln sollen Geschenke bringen, die Könige von Saba und Seba sollen Gaben senden. Alle Könige sollen vor ihm niederfallen, und alle Völker ihm dienen.
König Salomo herrschte tatsächlich über ein großes Reich. Israel hatte unter seiner Regierungszeit die größte Ausdehnung, und viele feindliche Regenten wurden dem König Israels unterworfen. Manches von dem, was wir hier lesen, scheint tatsächlich geschehen zu sein. So kam ja sogar, wie wir aus dem ersten Könige Kapitel 10 wissen, die Königin von Saba und brachte Gold sowie Geschenke zu Salomo.
Dennoch scheint auch dies nicht ganz erfüllt worden zu sein unter König Salomo. Israel war zwar ein großes Reich, aber kein Weltreich. Es gab noch viele andere Könige, die den Machtanspruch des Königs aus Israel in keiner Weise anerkannten. Deshalb hielt der Frieden unter Salomo nicht lange.
Nun, ich weiß nicht genau, wie es dir geht, aber wenn ich heute von Menschen höre, die von einem universellen König, einem Herrscher über alle sprechen, dann ist das etwas, das bei wenigen mit Sehnsucht, Vorfreude oder Erwartung verbunden ist. Viele denken vielmehr, das sei das Schreckensszenario schlechthin: eine Weltregierung, ein Weltherrscher.
Der britische Historiker Lord Acton hat das in einem sehr bekannten Zitat zusammengefasst: „Macht korrumpiert. Absolute Macht korrumpiert absolut.“ So fürchten sich die Menschen eher vor einem solchen Herrscher.
Doch David betet für einen solchen Herrscher. Er bittet darum, dass dieser Herrscher seine Macht nicht korrupt nutzt, sondern voller Gnade und Barmherzigkeit herrscht.
4. Der barmherzige König
Das ist das Vierte, was wir in den Versen zwölf bis vierzehn sehen: Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und den Elenden, der keinen Helfer hat. Er wird gnädig sein zu den Geringen und Armen, und den Armen wird er helfen. Er wird sie aus Bedrückung und Frevel erlösen, und ihr Blut ist vor ihm wertgeschätzt.
Salomo war in seiner Anfangszeit ein König, der für die Armen, Schwachen und Elenden eingetreten ist. Er war ein barmherziger und gnädiger Herrscher. Doch das hielt nicht lange an. Später wurde er immer egoistischer, diente vor allem sich selbst und lebte auf Kosten der Armen, Elenden und Geringen.
So sehnten sich viele Menschen auch zur Zeit Salomos nach einem wahrhaft gnädigen und barmherzigen Herrscher, einem, der in ihrer Not für sie eintritt. Ich glaube, diese Sehnsucht kennen wir auch. Wir wünschen uns jemanden, der Autorität über uns hat und barmherzig ist. Jemand, der uns mit Gnade begegnet – gerade in den ganz praktischen Dingen des täglichen Lebens.
Wenn bei den Weihnachtseinkäufen etwas länger dauert und dein Parkschein abgelaufen ist, kommst du zu deinem Auto und siehst die Politesse, die kurz vor dir schon bei deinem Wagen ist. Die Parkuhr ist gerade erst abgelaufen, und du appellierst an ihre Barmherzigkeit.
Oder ihr Schüler kennt das auch: Wenn ein halber Punkt zur besseren Note fehlt, stehen die Schüler oft vor dem Lehrertisch und bitten um Barmherzigkeit. „Es war doch gar nicht so falsch, da kann man doch noch einen halben Punkt mehr geben.“
Wir kennen das nicht nur in solchen vielleicht eher lustigen Situationen. Wir erleben es auch in ernsten Momenten, wenn wir Not leiden und denken: Ich brauche Barmherzigkeit.
Diese Welt erscheint oft überhaupt nicht barmherzig zu sein. Wir haben diese Sehnsucht danach. Und ich selbst kann ehrlich sein: Auch hier in der Gemeinde gibt es Situationen, in denen wir uns mehr Barmherzigkeit im Umgang miteinander wünschen. Im Umgang mit uns selbst, vor allem mit unseren Schwächen und Nöten.
Gleichzeitig müssen wir eingestehen, dass wir selbst nicht immer so barmherzig sind. Die Fehler der anderen sprechen wir eher an – vielleicht auch nur sehr fromm, weil wir meinen, dass sie es erkennen müssen, damit wir ihnen helfen können, sich zu verändern. Ihr wisst vielleicht, was ich meine.
Das gilt natürlich besonders im Hinblick auf andere, vielleicht gerade auf die, die uns regieren. Wie unbarmherzig und spöttisch gehen wir mit denen um, die als Autoritäten über uns eingesetzt sind, und wie oft klagen wir über sie. Keine Barmherzigkeit für die, die ein schweres Amt haben? Das gilt umso mehr, wenn wir wahrnehmen, dass unter ihrer Regierung manches in diesem Land vielleicht nicht so gut läuft.
5. Der segenbringende König
Nun hängt das vielleicht auch damit zusammen, dass wir uns nach Herrschern sehnen, unter deren Führung unser Land aufblüht. Das ist das Letzte, was David für diesen König betet, in den Versen 15 bis 17. Er soll leben, man soll ihm Gold aus Saba geben, man soll ständig für ihn beten und ihn täglich segnen. Das Getreide im Land soll voll sein bis hinauf zu den Bergen, und wie am Libanon soll seine Frucht rauschen. In den Städten sollen sie grünen wie das Gras auf der Erde. Sein Name soll ewig bleiben, solange die Sonne scheint, und durch ihn sollen alle Völker gesegnet werden, und sie werden ihn preisen.
Es ist interessant, was er hier betet, denn der erste Aspekt im Gebet ist, dass der König gesegnet werde. Er soll leben, man soll ihm Gold aus Saba geben, für ihn soll man beten und ihn täglich segnen. Dann soll dieser Segen von diesem Herrscher, von diesem König, zu allen weiterfließen. Das Land soll Fülle haben, das Getreide soll voll sein, Frucht soll überall sein, das Land soll aufblühen. Tatsächlich soll dieser Segen weiterfließen zu allen Völkern; alle Völker sollen gesegnet sein.
Dieses Gebet für einen gesegneten König, durch den viele andere gesegnet werden, erinnert an die Verheißung, die einst Abraham von Gott selbst empfing. Im ersten Buch Mose, Kapitel 12, lesen wir davon. Als Abraham noch Abram hieß, wurde ihm verheißen: „Ich will dich zum großen Volk machen, dich segnen und dir einen großen Namen geben, und du sollst ein Segen sein.“ Der Gesegnete soll zum Segen werden. „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen, und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“
Wir fragen uns: Salomo, der Herr, durch den nun alle gesegnet werden sollen – war das wirklich so? Wir müssen feststellen, dass das sicherlich nicht der Fall war. Die Zeit unter Salomo war eine Zeit, in der Salomo selbst viel Segen empfing und das Land zunächst eine gute Zeit unter seiner Herrschaft hatte. Es gab Segen im Volk, aber dieser Segen ging nicht an alle Völker. Seine Herrschaft entsprach nicht dem, was wir in Vers 17 gelesen haben: Sein Name soll ewig bleiben, solange die Sonne währt, und durch ihn sollen alle Völker gesegnet werden, und sie werden ihn preisen.
All das trifft nicht auf Salomo zu. So erkennen wir, dass dieses Gebet für Salomo weit über ihn hinausweist auf einen anderen, einen größeren und besseren König. Der König, den wir hier vor Augen haben, ist ein wenig Salomo, aber vor allem der, der nach ihm kommen sollte – der Nachfolger Davids aus dem Geschlecht Davids: Jesus Christus.
Erfüllung der Verheißungen in Jesus Christus
War dieser Psalm, wenn Israel ihn gesungen hat, nicht nur eine nostalgische Erinnerung an die Königszeit von David oder Salomo, sondern immer auch verbunden mit der Hoffnung auf einen zukünftigen, kommenden König?
Eines Tages erscheint dann der Engel Gabriel einer Jungfrau und verkündet ihr: „Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit. Sein Reich wird kein Ende haben.“
Sollte das nun der König sein, um den es in diesem Gebet geht? War es vielleicht gar nicht Salomo? War es vielleicht dieses Kind, das geboren werden sollte durch die Jungfrau Maria?
Als Maria dann ihren Sohn geboren hatte und er zur Welt kam, erschien der Engel des Herrn Hirten, die des Nachts ihre Herden behüteten. Der Engel des Herrn sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
Dann taucht ein Engelschor auf, singt und verkündet: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“
Ist das der König, der nun den allumfassenden Frieden bringen würde? Der von Gott Gesalbte, Gesegnete, durch den der Segen fließt zu allem Volk, so dass alles Volk sich freut?
Dieses Kind wächst auf, und eines Tages tritt er in die Synagoge in Nazaret. Dort öffnet er das Buch des Propheten Jesaja und liest folgende Verheißung vor: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, das Evangelium den Armen zu verkündigen. Er hat mich gesandt, den Gefangenen Freiheit zu predigen, den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, das Gnadenjahr des Herrn zu verkündigen.“
Dann sagt dieser junge Mann, Jesus von Nazaret: „Heute ist dieses Wort der Schrift vor euren Ohren erfüllt.“
Würde er denn nun tatsächlich als völlig gerechter, barmherziger und segenbringender König für alle Ewigkeit alle Völker regieren?
Tatsächlich erwies sich Jesus immer als genau der, von dem hier die Rede ist: als weise und gerecht. Er war voller Barmherzigkeit. Er forderte sie nicht für sich selbst, sondern gab sie anderen. Er war gesegnet, und durch ihn wurden viele gesegnet. So ahnten viele, er sei der, von dem im Psalm 72 die Rede ist.
Doch dann nahm alles eine fürchterliche Wende. Anstatt den Thron Davids zu besteigen, wurde er verraten, verhaftet, gefoltert und brutal ans Kreuz geschlagen. Er starb.
So schien es fast, als wäre es wieder ein Fehlstart gewesen. So wie Salomo, so war nun auch dieser letztendlich nicht der ewige König aller Völker. Oder doch?
Wir wissen, wie es weitergeht: Am dritten Tag ist er von den Toten auferstanden. Vierzig Tage lang wurde er von den Menschen gesehen. Dann fuhr er auf zu seinem Vater in den Himmel und sitzt dort vor seinem Thron.
Prophetisch spricht der Prophet Daniel davon, wie er vom Vater kommt. In Daniel 7 heißt es: Gott, der Vater, gab ihm Macht, Ehre und Reich, damit alle Völker und Leute aus vielen verschiedenen Sprachen ihm dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.
Seht ihr, jetzt dürfen wir wissen: Unser König ist da. Er regiert für alle Ewigkeit. Er ist der Herr aller Völker.
Tatsächlich erfüllt sich in Jesus Psalm 72 vollkommen.
Die Macht des Königs und die Hoffnung der Gläubigen
Ich habe vorhin den britischen Historiker Lord Acton zitiert, der sagt: "Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut."
Nun, der erste Teil dieses Zitats mag manchmal zutreffen: Macht kann korrumpieren. Aber Gott sei Dank ist der zweite Teil nicht wahr. Lord Acton lag falsch. Absolute Macht gibt es nur bei einem – und dort gibt es keine Korruption, nicht ein bisschen, ganz im Gegenteil.
Der eine, der die absolute Macht hat, besitzt Macht für alle Ewigkeit, Macht über alle Völker. Er herrscht vollkommen gerecht, mit einzigartiger Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Er bringt Segen allen, die sich ihm zuwenden.
Wenn du heute hier bist und Christ bist, dann weißt du, dass das wahr ist. Du weißt, wie er, der eine, der die göttliche Gerechtigkeit tatsächlich hatte, nicht Recht für sich beanspruchte, nicht Gerechtigkeit für sich in Anspruch nahm, sondern Ungerechtigkeit erlitt. So kann jeder, der sich ihm zuwendet, seine göttliche Gerechtigkeit geschenkt bekommen.
Du weißt, dass er nicht zu anderen gerufen hat: "Seid barmherzig mit mir." Stattdessen hat er das unbarmherzige, brutale Tun böser Menschen ertragen. Gerade dadurch erweist er uns seine Gnade und Barmherzigkeit, sodass jeder bei ihm Rettung und liebende Annahme finden kann, der sich ihm zuwendet.
Wir sehen, dass er bereit war zu sterben, damit wir ewig leben können. Psalm 72 bringt all das zum Ausdruck, was Gott uns verheißt.
Eines Tages wird er wiederkommen. Noch nehmen viele nicht wahr, dass er regiert. Er sitzt schon im Regiment. Hier auf Erden erleben wir das nicht immer so, aber er ist bereits der Regent. Eines Tages wird sein Friedensreich, sein ewiges Friedensreich, für alle sichtbar hier auf Erden aufgerichtet werden.
Jeder, der das tut, wovon wir hier in diesem Psalm reden, jeder, der zu ihm um Hilfe schreit, der bei ihm Rettung sucht, jeder, der eingesteht: "Ich bin elend und arm ohne deine Hilfe, weil ich Sünder bin," jeder, der sich so ihm zuwendet, wird dabei sein.
Aber die, die ihn in dieser Welt ablehnen – die Bedränger, die Feinde – denen wird es so ergehen, wie wir es hier im Psalm lesen: Die Bedränger werden zermalmt, die Feinde werden im Staub liegen.
Wir aber, die wir ihn kennen und auf ihn vertrauen, werden uns an der Herrschaft dieses vollkommen gerechten, ewigen, universellen, barmherzigen und segenbringenden Königs erfreuen. Alle unsere Sehnsüchte werden dann ihre Erfüllung finden.
Nur ist er noch nicht gekommen. Noch leben wir in der Zwischenzeit zwischen seinem ersten Kommen, bei dem wir schon erkennen durften, wer er ist, und seiner Wiederkehr, wenn wir erkennen können, dass er tatsächlich der ewige König aller Völker ist.
Es ist gut, dass es so ist. Denn so dürfen wir wissen: Noch ist Gnadenzeit, noch ist Zeit, sich ihm zuzuwenden, ihm im Gebet darum zu bitten, uns vor dem für uns verdienten Gericht zu retten.
Denn uns muss klar sein, dass im Gericht dieses vollkommen gerechten Richters niemand bestehen kann. Wir sind nicht gerecht. Wir haben darüber nachgedacht: Wir leiden nicht nur unter der Ungerechtigkeit, dem Egoismus und der Unbarmherzigkeit anderer. Wir selbst sind oft ungerecht, egoistisch und unbarmherzig.
Weil das so ist und weil Gott so geduldig, barmherzig und gnädig ist, kam er bei seinem ersten Kommen noch nicht zum Gericht. Er trug das Gericht über die Sünde der Welt, indem er die Schuld – unsere Schuld – auf sich nahm und für sie starb, sodass jeder, der sich ihm zuwendet, bei ihm Rettung findet.
Wenn du noch nicht bewusst unter seine Herrschaft gekommen bist, dann ist meine Einladung für dich in dieser Adventszeit, in dieser Zwischenzeit zwischen seinem ersten Kommen und seiner Wiederkehr: Wende dich ihm zu, rufe zu ihm um Hilfe und finde bei ihm die Barmherzigkeit und Gnade, die du in dieser Welt sonst nirgends finden wirst.
Wenn du Fragen dazu hast, komm gerne mit uns ins Gespräch. Ich stehe nachher an der Tür und würde gerne mit dir darüber reden, was es heißt, Jesus als deinen ganz persönlichen König zu kennen.
Lobpreis und Nachfolge des Königs
Und für uns, die wir ihn kennen, für uns, die wir sagen: Ja, er ist mein Herr, er ist mein König – nun, für uns bleibt eins.
Wir sollten mit einstimmen in den Lobpreis der Verse 18 und 19. Dort endet unser Psalm:
„Gelobt sei Gott, der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut! Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden. Amen, Amen!“
Lieber Christ, ich möchte dich fragen: Ist das dein Lobpreis?
„Gelobt sei Gott, der Herr! Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich! Alle Lande sollen seiner Ehre voll werden.“
Das ist ein interessanter Lobpreis, weil er wirklich mit einem Gebet und einem Wunsch verbunden ist: Alle Lande sollen seiner Ehre voll werden.
Wenn das dein Lobpreis ist, dann möchte ich dich ermutigen, dich zu fragen, wie du diesen Lobpreis angemessen zum Ausdruck bringen kannst. Nur wenn Jesus dein König ist, wenn du deinem König dienen willst und anerkennst, dass dieser Lobpreis angemessen ist – dass alle Lande seiner Ehre voll werden sollen –, dann ist es letztendlich auch unsere Aufgabe, daran teilzuhaben.
Nicht nur zu sagen: „Ja, das soll so sein, aber ich mache da nicht mit.“ Nein, weil es so sein soll, weil es gut ist und weil wir möchten, dass alle Menschen erleben, wie gut dieser König und Herr ist, wollen wir ihm dienen.
Als seine Repräsentanten hat er uns hier auf Erden zurückgelassen und mit seinem Geist ausgerüstet. Das haben wir ja im Eingangslied, im Lied vor der Predigt, gesungen, nicht wahr?
„Siehe, dein König kommt zu dir.“ So war der Anfang – Seele, das sind frohe Worte! Und dann endete es mit den Worten vom Heiligen Geist, der in uns wirkt, der uns den Willen des Königs lehrt, damit ich bis auf jenen Tag „Herr Jesus“ rufen mag.
Und das rufen wir nicht nur mit unseren Worten, sondern mit unserem Leben.
Also lasst uns auch ein letztes Mal über diese Aspekte der Königsherrschaft Jesu nachdenken und darüber, wie wir als seine Repräsentanten hier auf Erden, als Botschafter Christi, leben können, um dieser Welt Zeugnis zu geben von unserem König.
Wir können das tun, indem wir selbst in der Gerechtigkeit Gottes handeln und uns für Gerechtigkeit einsetzen – und zwar nicht nur für die, die wir gerne hätten, sondern für die anderen.
Wie wäre es, wenn wir Christen unserem Herrn Jesus dienen, indem wir mehr auf das Recht der Armen, Schwachen und Elenden bedacht sind als auf unser eigenes Recht?
Wie können wir denen helfen, die besondere Not leiden? Den Armen, den Schwachen, den Außenseitigen, den Fremden?
Wie können wir für die Rechte derjenigen eintreten, die vielleicht gar keine Stimme in dieser Welt haben? Sei es für ungeborene Kinder, die in unserem Land oft wenige oder gar keine Rechte haben, sei es für die, die aus fremden Ländern hier sind und elend und arm sind, oder für die, die ausgegrenzt sind in unserer Gesellschaft – wie können wir ihnen dienen?
Mit Barmherzigkeit.
Nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Barmherzigkeit – das hat uns dieser König vorgelebt. Und das heißt nicht in der Erwartung, dass man selbst Barmherzigkeit empfängt, sondern so wie Jesus, der Unbarmherziges ertrug und gleichzeitig voller Sanftmut und Barmherzigkeit war.
Also Barmherzigkeit weniger als ein Anspruch, den ich habe, und vielmehr als eine Herzenshaltung, mit der ich anderen begegne.
Wie wäre es, wenn das unsere Gemeinschaft mehr und mehr prägt? Das wird ein helles Licht sein in dieser Welt, die oft so unbarmherzig ist.
Lasst uns diese Barmherzigkeit weitertragen, dem Menschen, mit dem wir in Berührung kommen, in Barmherzigkeit begegnen.
Und schließlich: Lasst uns Menschen sein, die aus dem Segen, den wir empfangen haben – und die Bibel lehrt uns, dass wir in Christus Jesus allen geistlichen Segen empfangen haben –, diesen Segen weitertragen.
Das tun wir natürlich vor allem, indem wir Menschen diesen König vorstellen, damit sie zu den Gesegneten gehören.
Lasst uns das tun in Wort und Tat!
Und so wird der Lobpreis aus Vers 18 und 19 weiter erklingen, von uns ausgehend mit dem Echo vieler Völker, bis der Herr kommt und sein Friedensreich aufrichtet:
„Gelobt sei Gott, der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut! Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden. Amen, Amen!“
Schlussgebet: Umwandlung und Erwartung
Himmlischer Vater, das ist unser Gebet, und wir wollen dir danken, dass du uns im Psalm 72 unseren König vor Augen malst. Siehe, dein König kommt zu dir, Seele – das sind frohe Worte.
Hilf uns, dass wir uns das immer wieder selbst predigen und uns diese Worte aus der Tiefe unseres Herzens zusingen. Lass uns diesem König mehr Raum geben – zuerst in unseren Herzen und dann in unserem ganzen Leben.
Herr, verwandle uns mehr und mehr in sein Ebenbild, damit wir in dieser Welt so leben, wie er gelebt hat. So sollen Menschen durch uns ihn erkennen, bis er kommt.
Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt, und dein Reich komme. Ja, komm, Herr Jesus. Amen!