Erinnerungen an den Anfang und das geistliche Fundament der Gemeinde
Man kommt nach Rehe und wird mit den wunderbarsten Überraschungen überflutet. Gerade vor wenigen Minuten ist mir ein Schriftstück in die Hand gegeben worden. Oben steht meine Unterschrift, und das Dokument ist 48 Jahre alt. Es stammt aus Berlin, von Jugend für Christus. Außerdem sind die Unterschriften aller Mitarbeiter unseres Teams darauf. Das ist sicherlich ein historisches Stück, da alle Unterschriften dabei sind – einige der Unterzeichner sind inzwischen schon verstorben.
Ich habe darum gebeten, eine Fotokopie davon anzufertigen, damit ich wenigstens diese Kopie mitnehmen kann. Das Dokument stammt aus meinen ersten Wochen in Berlin, im Jahr 1962. Eine Schwester war damals ebenfalls dabei. Wie klein ist diese Welt, oder?
Auf welchem Fundament leben wir? Was ist das geistliche Fundament der Gemeinde? Vor einigen Jahren war ich an der Bibelschule Brake. In den ersten Jahren, als ich dort Gemeindegründung unterrichtete, sprach ich einige Stunden über die geistlichen Werte, das geistliche Fundament. Nach der vierten Stunde kam ein Schüler auf mich zu und fragte: „Wann fangen wir endlich an, über Gemeinde zu reden?“
Lächelnd antwortete ich: „Wir reden doch die ganze Zeit von der Gemeinde. Ihr seid ja die Gemeinde.“
Die größten Fehler, die ich bei der Gründung der Gemeinde in Stuttgart und bei der Gründung der Gemeinde in Winona Lake gemacht habe – ich war insgesamt 13 Jahre in beiden Gemeinden tätig, 13 Jahre in den USA und 15 bis 16 Jahre in Stuttgart, direkt in der Gemeindearbeit – lagen im Bereich des geistlichen Fundaments.
Ich gehe davon aus, dass manche andere Gemeindegründer oder Gemeindemitarbeiter ähnliche Fehler machen. In dieser Woche hörte ich von einer Gemeinde, die einen Fehler von mir wiederholt hat.
Deshalb möchte ich es in dieser Stunde so weitergeben: Das, was wir besprechen, enthält einige Fehler von mir. Macht eure eigenen Fehler, aber bitte wiederholt nicht meine. Ich gebe euch meine Fehler weiter, damit ihr daraus lernen könnt und sie nicht wiederholt.
Ist das eine Abmachung? In Ordnung?
Die Bedeutung der Apostellehre und des Wortes Gottes in der Urgemeinde
Okay, schlagen wir die Bibel auf, Apostelgeschichte Kapitel 2.
Bei der Pfingstpredigt hat Gott mächtig gewirkt. Petrus predigt im Vers 37, Apostelgeschichte 2. Als er aber das hörte, drang es ihnen durchs Herz. Und sie sprachen zu Petrus und den übrigen Aposteln: „Was sollen wir tun, ihr Männer und Brüder?“
Da sprach Petrus zu ihnen: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Denn euch gilt die Verheißung und euren Kindern und allen, die ferner sind, so viele der Herr unser Gott herzurufen wird.“
Und noch mit vielen anderen Worten gab er Zeugnis, ermahnte und sprach: „Lasst euch retten aus diesem verkehrten Geschlecht!“
Diejenigen nun, die bereitwillig sein Wort aufnahmen, ließen sich taufen. Denn es wurden an jenem Tag etwa dreitausend Seelen hinzugetan.
Und sie blieben beständig in der Lehre der Apostel, und sie blieben beständig in der Gemeinschaft, und sie blieben beständig im Brotbrechen, und sie blieben beständig in den Gebeten.
Ich habe bewusst „sie blieben beständig“ wiederholt. Das „sie blieben beständig“ bezieht sich auf die vier Säulen, die Aktivitätssäulen der Urgemeinde, die heutzutage oft nicht berücksichtigt werden.
Sie blieben beständig in der Apostellehre. Damals war das Neue Testament natürlich nicht vollständig, und sie hatten nur die Lehre der Apostel als ihre Grundlage. Denn das Geschriebene war noch nicht vervollständigt, und sie mussten weitergeben, was sie mit dem Herrn gelernt hatten.
Heutzutage würden wir sagen: Sie blieben beständig in der gesamten Bibel. Die Bibel ist unser Fundament, die Bibel ist unser Maßstab. Und wem sage ich das? Wir sind alle in diesem Raum auf diesem Fundament. Wir haben unser Leben diesem Fundament verschenkt, gegeben, verschrieben. Wir haben gesagt: Herr, es ist die Bibel, die ganze Bibel und nichts Zusätzliches zur Bibel. Wir vertrauen der Schrift.
Wir sind nicht Bibelanbeter, aber wir wissen, was es bedeutet, dass die Bibel unser einziges Fundament ist.
Herausforderungen im Umgang mit der Bibel heute
Nun, in der bekennenden Gemeinde Jesu sieht es mit der Bibel nicht allzu gut aus. Entweder wird die Bibel nicht ernst genug genommen oder sie wird vernachlässigt. Sie wird kaum gelesen, schwach ausgelegt und nur sehr mickrig ausgelebt. Und der Teufel sorgt dafür – wenn es den Teufel nicht gäbe, wäre das anders.
Immer wieder frage ich mich: Vielleicht ist es gut, wenn wir einmal darüber nachdenken, was passieren würde, wenn ich der Teufel wäre. Wenn ich der Teufel wäre, würde ich auf jeden Fall die Menschen von der Bibel ablenken. Ich würde dafür sorgen, dass sie keine Zeit dafür hätten und kein Interesse daran zeigten. Das kenne ich ja schon: Ein paar Mal gähnen und dann nicht lesen.
Doch wir wissen um die Macht des Wortes Gottes, das Menschen durch sein Allmachtswort verändern kann. Dieses Wort ist in allen Stücken vertrauenswürdig. Wo immer ich die Bibel aufschlage – sei es vorne, hinten oder irgendwo in der Mitte –, betrachte ich das als Gottes Wort. Natürlich ist nur das Urmanuskript irrtumslos, aber wir haben getreue Übersetzungen, sodass wir keine Entschuldigung haben.
Ab und zu ist es euch sicherlich auch schon so ergangen wie mir: Leute sagen, „Was kann man mit der Bibel anfangen? Sie wurde doch schon so oft übersetzt.“ Wenn Leute das sagen, reden sie Unsinn. Denn wir haben ja die Urtexte, und diese Urtexte können geprüft werden. So wissen wir im Alten Testament bis zu 99 Prozent vom Urtext. Im Neuen Testament ist es ähnlich.
Dass die Bibel oft übersetzt wurde, bedeutet nur, dass sie vom Urtext in andere Sprachen übertragen wurde. Die Leute, die sagen, sie sei „vielmals übersetzt“ worden, meinen damit, dass sie vom Griechischen ins Deutsche, dann vom Deutschen ins Englische und so weiter übersetzt wurde. Sie haben keine Ahnung, was sie sagen, wenn sie solche Behauptungen aufstellen.
Wir haben einen vertrauenswürdigen Text vor uns. Die Urgemeinde wusste um die Notwendigkeit, sich diesem Text hinzugeben.
Die Bedeutung des Gebets und Dienstes im Wort in der Urgemeinde
Es herrschte Spannung in der Urgemeinde, wie in Apostelgeschichte 6 beschrieben. Sie mussten Mitarbeiter bestellen, die sich dafür einsetzten, den Tischen zu dienen und praktische Dienste zu übernehmen. In Vers 4 heißt es jedoch, dass sie beständig im Gebet und im Dienst des Wortes bleiben sollten. Das zeigt, wie wichtig es ist, unsere Aufgabe zu kennen.
Unsere Aufgabe heute besteht darin, im Studieren, Betrachten und Weitergeben des Wortes Gottes zu verharren. In der Urgemeinde gab es eine besondere Leidenschaft für die Treue in der biblischen Auslegung. Die Brüder dort waren edler gesinnt. In Apostelgeschichte 17,11 heißt es, dass sie edler gesinnt waren als die in Thessalonich. Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf und forschten täglich in der Schrift, ob es sich so verhielt.
Was ich beobachte, ist, dass in den allgemeinen Gemeinden, in die ich komme – sowohl in den Vereinigten Staaten als auch hier – eine große Krankheit herrscht, was das Bibelwissen betrifft. Es gibt ein fast totales Desinteresse am Studium des Wortes Gottes, sodass es kaum gelesen wird. Oft beschränkt sich das Bibellesen auf ein Verslein für ein Taglein für ein Christlein – mehr nicht. Das ist in vielen Fällen nicht übertrieben, und das wissen wir alle.
Wir haben alle beobachtet, dass Studenten, die zu uns an Grace kommen, mit magerer Bibelkenntnis ausgestattet sind. Das ist verständlich, wenn sie erst ein oder zwei Jahre zuvor zum Glauben gekommen sind. Doch das Problem ist, wenn sie schon jahrelang in der Gemeinde sitzen – und genau das ist das Problem –, dann sitzen sie dort einfach nur.
Die Notwendigkeit von Bibelkenntnis und praktischem Glauben
Wenn ich anderen von meiner Zeit im Lateinunterricht erzähle, sage ich ganz bewusst Folgendes: Ich saß zwei Jahre im Lateinunterricht. Und ich sage es bewusst so, denn vom Lateinischen blieb so gut wie nichts hängen – Amo, Amas, Amat, und damit ist alles gesagt.
Viele Christen müssten ähnlich sagen: Ich saß zwanzig Jahre in der Gemeinde, aber ich weiß nicht viel von der Bibel. Sie kennen keine Zusammenhänge, sie lesen nicht gierig ein Buch zwanzig Mal, um es wirklich aufzunehmen und zu verstehen, worum es in Matthäus geht. Matthäus ist anders als Markus, anders als Lukas und anders als Johannes.
Was ist der Werdegang in der Apostelgeschichte? Warum ist die Offenbarung an Petrus in Kapitel zwölf so wichtig? Warum gibt es Wiederholungen in Kapitel zehn und elf? Warum das Konzil in Apostelgeschichte fünf? Welche Bedeutung hat das alles? Die meisten Christen wissen nicht einmal, wo die Dinge zu finden sind.
Daher ist es wichtig, dass wir in der Schrift verharren, um sie einmal wirklich zu kennen. So werden wir bibelkundig und können, wenn eine Frage kommt, eine Antwort geben.
Ich unterrichte Seelsorge in einer Klasse. Ich habe sie eine Stunde pro Woche. Die Klasse heißt „Gebet und Seelsorge“. Neulich habe ich gesagt: Jakobus 1, wem Weisheit mangelt, der erbitte sie von Gott. Und Jakobus 3 sagt, wenn er diese Weisheit von oben bekommt, ist sie erstens rein, zweitens friedlich, drittens sanft, viertens voll guter Früchte, fünftens belehrbar und hat den Charakter Jesu. Wenn ich die Weisheit von oben bekomme, hat sie diesen besonderen Charakter.
Dann habe ich folgenden Vorschlag gemacht: Was sie vor vielen Jahren begann, ist die Sprüche zu lesen. Es gibt 31 Kapitel in den Sprüchen und 31 Tage in manchen Monaten. Man kann also jeden Tag ein Kapitel lesen.
Ein junges Paar war in der vorehelichen Seelsorge. Sie hatten diese Woche die Bibel gelesen, es war die dritte Woche, glaube ich. Am Anfang hatte ich gesagt: Gut, bis jetzt habt ihr die Bibel nicht gelesen, aber wir wollen versuchen, dass es in diesen Wochen zu einer Gewohnheit wird.
In der dritten Woche fragte ich: Wie war es mit dem Bibellesen diese Woche? Hattet ihr Hunger nach dem Wort Gottes? Sie antworteten: Oh, wir hatten sehr viel zu tun, es war eine volle Woche, und wir sind nicht dazu gekommen.
Daraufhin habe ich meine Armbanduhr herausgeholt und gesagt: Wenn der Sekundenzeiger oben ist, sagt mal „Start“. Ich schlug die Sprüche auf, irgendein Kapitel. Dann wurde „Start“ gesagt, und ich las langsam ein Kapitel aus den Sprüchen vor.
Als ich fertig war, fragte ich: Wie viel Zeit hat das gekostet? Sie sagten: Ja, drei Minuten und vierzig Sekunden oder so. Ich fragte: Aha, ihr hattet diese Woche niemals drei Minuten und vierzig Sekunden Zeit, um ein Kapitel aus den Sprüchen zu lesen? Habt ihr diese Woche vielleicht an irgendeinem Tag drei Minuten und vierzig Sekunden verschwendet? Sie sagten: Oh ja.
Das müssen wir uns alle fragen, und wir müssen einander helfen. Aber wisst ihr, mein Problem, meine Sorge ist, dass wir hier nicht gesetzlich vorgehen. Gar nicht gesetzlich. Es geht nicht darum, zehn Kapitel gelesen zu haben, nur um sagen zu können, „aha, jetzt habe ich das bei Gott abgehakt“.
Stattdessen soll man mit diesem Gebet beginnen: Herr, erwecke in mir Hunger nach deinem Wort, leidenschaftlichen Hunger nach deinem Wort – das will ich haben. Hier ist das gefährliche Gebet: Herr, tue, was du tun musst in mir, um diesen Hunger nach deinem Wort zu erwecken.
Ich mache den Vorschlag, bei manchen Studenten: Tu, was du tun musst, um ihnen diesen Hunger zu erwecken. Dann sagen sie: „Oh Roger, da habe ich Angst, so ein Gebet zu sprechen.“ Wenn wir Angst haben, so ein Gebet zu sprechen, was ist dann unser Gottesbild? Dass er mir etwas Negatives tut, um mich in Bewegung zu bringen für sein Wort?
Wir haben oft ein verkehrtes Bild von Gott, und das hält uns von der Bibel ab. Übrigens: Beim Bibellesen handelt es sich um einen geistlichen Kampf, denn ein Gegner hält uns vom Lesen dieses Buches ab.
Wenn es darum geht, uns im Wort Gottes zu vertiefen, hineinzugeben, sagt der Feind: „Oh, es gibt andere Dinge, mach das später.“ Und ihr wisst ja aus persönlicher Erfahrung: Alle von uns können sagen, obwohl ich nicht mit euch gesprochen habe: „Später“ kam an manchen Tagen nicht, nicht wahr? „Mach das später“ – und das „Später“ kam nicht, und wir haben die Bibel an dem Tag nicht gelesen. Das müssen wir alle bekennen.
So merken wir, dass der Feind dagegen ist. Deshalb beten wir: Herr, hilf mir, dass ich beständig im Wandeln in der Apostellehre bleibe und dass ich eine Leidenschaft für Bibeltreue habe. Dass ich genau mit der Bibel umgehe, die Zusammenhänge kenne und das Wort Gottes richtig zu Herzen nehme.
Persönliche Erfahrungen mit der Bibel und Demut
Meine Eltern schenkten mir zu meinem sechzehnten Geburtstag eine King-James-Bibel mit dem alten Scofield-Kommentar. Das ist nun 51 Jahre her. Ich bin heute 67, also war ich damals 16 Jahre alt. Ich habe die Bibel immer noch und habe sie natürlich jahrelang benutzt, bis sie schließlich auseinanderfiel. Es war eine sehr hilfreiche Bibel.
Vorne im Buch schrieb meine Mutter eine Widmung, die mit dem Vers 2. Timotheus 2,15 begann. Meine Eltern waren leidenschaftliche Christen, meine Mutter eine Betende. Sie schrieb folgende Widmung: „Strebe, Roger, eifrig danach, dich Gott als bewährt zu erweisen, als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht, der das Wort der Wahrheit richtig teilt.“
Gib dir Mühe, streng dich an, strebe eifrig danach! Es kostet Zeit – eine Menge Zeit. Ich habe schon erzählt, wie ich mich intensiv mit dem Neuen Testament beschäftigt habe, um herauszufinden, an welchen Stellen zwei von den drei, mindestens zwei von den drei Personen der Gottheit genannt werden.
Was passiert dabei? Stundenlang, während einer längeren Fahrt, saß ich am Computer. Meine Frau fuhr, und ich beobachtete stundenlang die Texte. Immer wieder meldete ich ihr: „Du Schatz, das beobachte ich hier, Dinge aus dem Text.“ Es ist immer wieder bewundernswert: Es handelt sich um einen ewigen Text, um einen grenzenlosen Text.
Wir alle haben vor zwei Jahren einen Text gelesen. Zwei Jahre später lesen wir ihn erneut, und wir entdecken nicht neue Dinge, die vorher nie da waren, sondern wir sehen neue Dinge, weil unsere Augen geöffnet werden für den Reichtum dieses herrlichen Textes der Bibel.
Eine meiner Lieblingsstellen im Alten Testament ist in Nehemia. Es geht um Esra, Nehemia und Esther. Sie bauten die Mauern Jerusalems wieder auf. Endlich hatten sie Schutz. Nach der Fertigstellung feierten sie ein Fest, entdeckten die Schriftrollen und lasen sie vor.
In Nehemia 8,7 begegnen wir vielen schwer auszusprechenden hebräischen Namen: Jeshua, Bani, Serebja, Jamin, Akkub, Sabbatai. Die Leviten erklärten dem Volk das Gesetz, während das Volk an seinem Platz blieb.
Vers 8 ist ein Lieblingsvers von mir. Dort heißt es: „Sie lasen aus dem Buch des Gesetzes Gottes deutlich vor. Sie lasen deutlich vor und erklärten den Sinn, so dass man das Gelesene verstand.“
Ich versuche, dies hier ebenfalls zu praktizieren, indem ich laut und deutlich vorlese. Was ich an der Schule mache, ist folgendes: Ich stelle mein kleines MP3-Aufnahmegerät irgendwo hinten auf den Rücksitz. Dann bitte ich den angehenden Prediger, vorne Psalm 23 vorzulesen.
Das ist mein Hirte. Hinten kommt die Stimme allerdings sehr leise an. Ich spiele die Aufnahme vor und lese dann selbst vor. So kann er hinten alles hören. Ich sage: „Ich habe Hörgeräte.“
Wer in einem Saal ist, in dem ältere Menschen sitzen, muss laut genug sprechen. Bald werden es nur noch wenige sein, weil viele ihre Hörfähigkeit durch laute Musik zerstört haben. Die junge Generation wird bald nicht mehr gut hören können.
Deshalb müssen wir unsere Stimme erheben. Wir müssen laut genug sprechen und so, dass der Satz nicht am Ende zerfällt, sondern vollständig zu Ende kommt. Viele sprechen am Anfang eines Satzes gut, aber am Ende geht die Klarheit verloren.
„Sie lasen deutlich vor, so dass alle hören konnten, so dass das Gelesene verstanden wurde.“
Die Relevanz der Verkündigung für das Leben der Menschen
Ich sage hier: „Aus dem Text ins Leben gesprochen.“ Es geht nicht nur darum, technisches Wissen über biblische Stellen weiterzugeben, sondern immer die „Na und?“-Frage zu beantworten. Das heißt: Was ist die Wahrheit? Na und? Wie soll ich das praktisch anwenden? Was geschieht hier im täglichen Wandel?
Ich habe mich oft gewundert, wie irrelevant in manchen Gemeinden gepredigt wird. Viel von meiner Verkündigung wird geprägt durch die Seelsorge an unserer Schule. Dort betreue ich Zwillinge, Pastorentöchter, die acht oder zehn Jahre lang vom eigenen Vater, der Pastor war, geschlechtlich missbraucht wurden – mit Wissen der Mutter. Sie sind aber nicht die Einzigen.
Eine andere Pastorentochter, mit der ich oft durch Mitarbeit Kontakt hatte, war Studentin. Im dritten Studienjahr gab sie bekannt, dass ihr leiblicher Bruder sie acht Jahre lang geschlechtlich missbraucht hat. Als sie es dem Vater nach vielen Jahren erzählte, war seine Bemerkung: „Hast du noch Probleme damit?“ Die Beleidigung, die darin steckt, könnt ihr euch kaum vorstellen.
Vor uns, wenn wir verkündigen, sitzen Menschen, die durch das Schlimmste hindurchgegangen sind. Wenn wir das kostbare Wort Gottes irrelevant predigen, an den Nöten vorbei, so dass die Leute rausgehen und sagen: „Aha, ich sehe, die Bibel hat nichts zu sagen für mein Problem“, dann bleiben wir nicht in der Apostellehre. Wir sind irrelevant.
Es gibt viele Nöte vor uns. Ich gehe davon aus, dass fast die Hälfte des Publikums vor mir durch Scheidung gegangen ist, wenn ich in den USA predige. Dort sind viele geschädigte Kinder von Ehescheidungen. Wenn ich verkündige und von dem großen Tröster spreche, der Gott ist, der diese tiefen inneren Schmerzen tröstet, dann ist das wichtig.
Vor kurzem hat sich eine Absolventin der Brake School zu mir gesetzt. Ich hatte sie vor Jahren im Unterricht. Wir haben ab und zu Mailkontakt und sehen uns öfter, wenn ich komme. Sie setzte sich zu mir und sagte: „Roger, endlich nach vier Jahren bin ich innerlich geheilt.“ Die Zeit an der Brake School hat nicht ausgereicht, die innere Heilung vollständig zu vollziehen. Es brauchte noch Jahre danach, bis sie zur vollen inneren Heilung kam.
Sie hat mir nie erzählt, was die inneren Schmerzen waren. Ich wusste nur, dass es tiefe innere Schmerzen gab. Wenn wir das Wort Gottes weitergeben, dann müssen wir es so ins Leben sprechen, dass die Leute wissen, was sie am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag damit anfangen können – im praktischen, alltäglichen Leben.
Vor uns gibt es eine große Menge von Verbitterten, die bitter sind gegen Eltern, Geschwister, Freunde oder angebliche Freunde, die sie schwer verletzt haben. Wir dürfen immer wieder neu aufrufen zu Versöhnung, Vergebung und Mithilfe bei diesen schwerwiegenden Dingen, die sie erlebt haben.
Es gibt Menschen, die nicht wissen, wie sie mit pornografischer Versuchung umgehen sollen. Wenn wir irrelevant predigen, gehen wir an der Sache vorbei. Umfragen an christlichen Universitäten in den USA zeigen, dass 70 Prozent der männlichen Studenten Probleme mit Pornografie haben.
Bei einer Pastorenkonferenz für Jugendpastoren in Atlanta berichteten Hotels, dass an diesem Wochenende in den Zimmern mit Kabelfernsehen am meisten Pay-per-View-Inhalte konsumiert wurden – und zwar von Jugendpastoren.
Geschwister, wenn ich daran denke, wie viele Pastoren ich persönlich kenne, die in den letzten Monaten und Jahren nicht mehr im Dienst stehen, weil sie sich nicht an das Wort Gottes gehalten haben, dann ist das traurig. Es wurde viel Geld und Zeit in eine tolle Ausbildung investiert, um das aus dem Text der Bibel zu gewinnen – und dann wurde nicht danach gelebt.
Diese Pastoren sind nicht mehr im Dienst und werden nie wieder einer Gemeinde vorstehen können, weil sie sich durch ihre Sünde für diesen Dienst entwürdigt haben.
Geschwister, es geht darum, dass wir das Wort Gottes so treffend weitergeben, dass es ins Leben hineinspricht, genau dort, wo die Menschen leben. Wir müssen wissen, wo sie leben, wenn wir Kontakt mit ihnen haben.
Nicht, dass wir uns in einem Arbeitszimmer verstecken und nur darüber nachdenken, was der Text sagt, um es dann weiterzugeben. Sondern wir müssen genügend Kontakt mit den Geschwistern und Suchenden haben, um zu wissen, welche Lebensprobleme draußen in der Gemeinde und im Publikum vorhanden sind.
So können wir dann, wenn wir den Text vorbereiten, das Wort relevant für das Leben weitergeben.
Leiterschaft und Demut nach dem Vorbild des Paulus
Ich sprach eben vorhin von Gehorsam. Ich möchte uns zu einem Text in Apostelgeschichte Kapitel 20 führen. Apostelgeschichte Kapitel 20 ist ein Lieblingstext über Leiterschaft im Neuen Testament.
Ich habe einmal aus diesem Text eine Liste von fünfundzwanzig, neunundzwanzig, annähernd dreißig verschiedenen Dienstprinzipien erstellt. Allein in diesem Abschnitt erklärt Paulus den Ältesten von Ephesus, wie er gedient hat. Er beginnt dabei mit einer Aussage, die mir etwas problematisch erscheint: Vers 18.
Als sie zu ihm gekommen waren, sprach er zu ihnen: „Ihr wisst, wie ich mich vom ersten Tag an, als ich Asien betrat, die ganze Zeit unter euch verhalten habe.“ Diese zwei Wörter „Ihr wisst“ – woher hatten sie das gewusst? Sie hatten es gesehen. Sie sahen sein Leben, sein Leben war ein offenes Buch.
Dieses Jahr habe ich leider niemanden bei diesem Flug dabei. Ich wollte meinen Sohn, meinen Enkel mitbringen, aber sie konnten nicht. Mein Sohn wurde vor drei, vier Wochen am Knie operiert und kann nicht so gut gehen, daher war Mitfliegen nicht möglich.
Aber ich bringe Studenten mit. Und sie sagen: „Roger, was tue ich dann? Ich kann kein Deutsch, ich kann nicht predigen, was soll ich tun?“ Ich sage: „Deine Aufgabe ist es, zu beten und zu beobachten.“ Beten und beobachten. Ich brauche einen Beter, der ständig dabei ist und betet, während ich diene. Außerdem möchte ich, dass du beobachtest, um zu verstehen, worum es sich beim Dienst an Menschen handelt.
Wir haben tolle Zeiten. Ich habe die besten Freundschaften. Es sind vielleicht zehn junge Männer, die mir wie Söhne mitgekommen sind. In diesen zehn, elf, zwölf Tagen haben wir so viel Positives miteinander erlebt.
Wir fahren auf der Autobahn. Der Onkel Oeni hat gesagt: „In Kanada kann man auf der Autobahn beten, in Deutschland muss man auf der Autobahn beten.“ Ich fahre 130, 140, 150, 160 Stundenkilometer, und die Studenten schauen auf den Tacho. Ich frage: „Willst du beten?“ „Ja, ja.“ Wir beten zusammen während der Fahrt, wir beten über viele Dinge.
Der Letzte, den ich mitbrachte, war letztes Jahr. Wir fuhren von Bibelseminar nach Bonn, nach Brake. Wir fuhren rechts ran für eine halbe Stunde. Wir waren so tief im Gespräch über seine gespaltene Beziehung mit seiner Familie. Auf dem Parkplatz neben der Autobahn geschah etwas in seinem Herzen. Am Schluss des Gesprächs sagte er: „Ich gehe heim und versöhne mich mit meinem Vater.“ Und tatsächlich, am ersten Wochenende ging er nach Michigan heim und versöhnte sich mit seinem Vater. Das geschah hier auf der Autobahn.
Wir sollten Leute mitnehmen, unser Leben öffnen. Paulus öffnete sein Leben. „Ihr wisst, ihr wisst“, sagt er mehrmals in diesem Text. „Ihr wisst“ – und das, weil sie ihn beobachtet hatten.
Was beobachteten sie? Vers 19: „Dass ich dem Herrn diente mit aller Demut.“ Wer hier in diesem Raum als Verkündiger, Prediger, Pastor, Diakonin oder Schwester in der Gemeinde würde in seinem nächsten Rundbrief schreiben: „Ich diene dem Herrn mit aller Demut“? Hände hoch, bitte!
In meiner Jugend haben wir von einem Autor gehört, der das Buch „Die zwei demütigsten Menschen der Welt und wie ich den anderen kennenlernte“ geschrieben hat. Ein anderes Buch schrieb er: „Demütigend, wie ich sie erreicht habe.“ Es war eigentlich das Denken: Wenn man behauptet, demütig zu sein, hat man sie eben verloren.
Und hier ist dieser Text ein Problem. Hier sagt Paulus: „Ich diente dem Herrn mit aller Demut.“ Ist das Angeberei? Ist das Stolz? Kaum, wenn wir andere Stellen kennen, wie zum Beispiel in Philipper 2, wo es heißt: „Ihr sollt so gesinnt sein, wie Christus Jesus auch war.“ Dort ist die Gesinnung die von Demut.
Und hier sagt Paulus: „Ich war unter euch mit aller Demut.“ Ich habe einen Mitdozenten an der Schule kennengelernt, und er hat eine Aufgabe an die Studenten gegeben: einen Aufsatz zu schreiben über Stolz und Demut. Das ist eine wichtige Aufgabe, denke ich.
Eines Tages ging ich zu ihm und sagte: „Ken, ich weiß, dass du diese Aufgabe gibst. Könntest du mir bitte eine gute Definition von Demut geben?“ Er sagte: „Ja, also meine gute Definition von Stolz und Demut ist folgende.“ Das ist wirklich zu Herzen zu nehmen:
Stolz ist, wenn ich meine, meine Wege seien besser als Gottes Wege, und ich bin besser als andere Menschen. Stolz ist, wenn ich meine – das ist ein entscheidendes Wort – meine Wege seien besser als Gottes Wege, und ich bin besser als andere Menschen.
Ich sprach vor etwa dreiviertel Jahr mit einer Frau, die dabei war, ihren Mann zu verlassen. Meine Frau und ich fuhren hin, fanden sie auf der Straße. Sie sah uns kommen und lief weg. Wir fuhren um die Ecke, und sie hielt an. Sie war gezwungen, zu uns zu kommen und „Hallo“ zu sagen.
Ich sagte: „Ich höre, du willst deinen Mann verlassen, du willst die Kinder wegnehmen, aber eure Ehe ist ein Abbild von Christus Gemeinde, und du willst ihn verlassen?“ Sie sagte: „Also, wenn Gott so einer ist, dass er mich in dieser Ehe haben will, will ich mit ihm nichts zu tun haben.“ Das klingt so, als ob sie meint, ihre Wege seien besser als Gottes Wege in ihren Augen. Das klingt nach Stolz.
Demut ist, wenn ich weiß, meine Wege sind nicht besser als Gottes Wege, und ich bin nicht besser als andere Menschen. Nun, ich kann das wissen. Paulus konnte das von sich wissen: Meine Wege sind nie besser als Gottes Wege, und ich bin nie besser als andere.
Er sprach von sich selbst als dem größten der Sünder. „Unwürdig“, sagte er. Paulus kam zu Gott und zum Text der Schrift mit einer Demutshaltung: Ich tue, was ich erfahre, ich setze es in die Tat um, ich bin vor Gott demütig und tue, was er sagt.
Jakobus Kapitel 4, Vers 6: „Gott widersteht den Hochmütigen.“ Willst du, dass Gott gegen dich ist? Dass Gott sich gegen dich stellt? Dann werde stolz! Du rufst seine Gegenarbeit, seine Gegenaktion durch deinen Stolz herbei.
Das ist sehr ernüchternd: zu denken, dass wir Gott in Bewegung setzen können gegen uns durch Hochmut. Den Demütigen aber gibt er Gnade. Demut zu bejahen, Demut zu wollen, kostet oft Kampf.
Persönliche Erfahrungen mit Demut und Gottes Führung
In meiner Highschool-Zeit, wenn ich diese Namen auf dem Jugend-für-Christus-Zettel anschaue, sind das Leute, die ich kannte. Sie waren achtzehn, neunzehn Jahre alt, manche siebzehn. Einer war Kapitän der Fußballmannschaft, ein anderer Präsident oder Leiter verschiedener Gruppen.
Mein Vater war im letzten Schuljahr Schulsprecher, mein Bruder hatte eine große Leitungsfunktion im letzten Schuljahr. Dann sagte ich mir: „Okay, jetzt bin ich dran, Herr, hier hast du deinen Christen.“ Ich ließ mich für die Wahl zum Schulsprecher aufstellen. Danke! Es gab 220 Schüler an der Schule. Sie lag weit draußen auf dem Land. Es war nicht das Ende der Welt, aber man konnte das Ende der Welt davon sehen, irgendwo in der Nähe.
Mein Gegenkandidat bei der Wahl war ein Trinker. Er war jedes Wochenende betrunken, das war bekannt, alle wussten es. Deshalb war ich mir sicher, dass ich gewinne. Am Tag der Wahl wurden die Ergebnisse bekanntgegeben. Ich kam zum Physikunterricht, und der Lehrer fragte: „Hast du vom Ausgang der Wahl gehört?“ Ich antwortete: „Nein, aber ich war mir so sicher.“ Er sagte: „Myron hat gewonnen.“ Das traf mich wie ein Schwert ins Herz, ein Schlag in den Bauch.
Eine Woche nach der Wahl war ein Schulausflug. Myron war dabei und wurde im Hotelzimmer mit Alkohol ertappt. Ein Basketballspieler war ebenfalls dort, dessen Vater im Schulrat war. Myron verlor seine Stelle als Schulsprecher. Mein bester Freund aus unserer Gemeinde und Jugendgruppe rückte vom Vizepräsidenten zum Präsidenten der Schülervertretung auf.
Gott bekam seinen Christen dahin, aber ich war es nicht. Es gab wieder eine Wahl für den Vizepräsidenten. Da der Basketballspieler wegen seines Vaters wieder in die Mannschaft aufgenommen wurde, durfte Myron mir erneut gegenüberstehen – diesmal für die Wahl zum Vizepräsidenten. Und ich verlor ein zweites Mal.
Die Demütigung vor der ganzen Schule kann ich kaum beschreiben. Wenn ich zurückblicke, war es aber das Beste, was der Herr je in meinem Leben hätte tun können. Mit achtzehn, neunzehn begann ich zu fragen: „Herr, was ist Demut? Wie kann ich das lernen?“ Offensichtlich geht es nach deinem Plan und nicht nach meinem. Ich will nicht mehr versuchen, meinen Plan durchzusetzen. Ich will entdecken, was dein Plan ist.
Von da an sagte ich: „Herr, was du willst, will ich.“ Ich wünschte, ich hätte das immer perfekt umgesetzt, aber ich will gehorchen. Im Grunde genommen will ich ihm gehorchen, auch wenn ich es leider nicht immer tue.
Vor ein paar Tagen war ich mit einer Jugendlichen hier in Deutschland, sie ist zwanzig. Letzte Woche war ich mit einer Studentin in den USA. Sie sagte: „Roger, ich habe letzte Woche erfahren, ich kann mein Leben nicht lenken, Gott muss mein Leben lenken.“ Ich antwortete: „Oh Katie, es ist so wunderbar zu hören. Du bist zwanzig Jahre alt und hast diese Wahrheit schon umarmt: Ich kann mein Leben nicht meistern, ich muss die Steuerung an Jesus abgeben und ihm gehorsam sein – nach seinem Willen, nach seinem Wort.“
Wie viele Menschen versuchen es noch mit sechzig, siebzig oder achtzig, ihr Leben ohne Gott zu meistern? Wie viele Christen versuchen, Bereiche ihres Lebens für sich zu behalten und alleine zu regeln? Wenn wir sagen, wir leben nach der Apostellehre, ist es leider viel zu leicht zu denken, es gehe nur darum, was wir wissen. Aber es geht nicht nur um Wissen.
Jesus sagte: „Lehret sie alles halten, tun, umsetzen.“ Es geht darum, das Gelernte in die Tat umzusetzen. Wir müssen lernen: „O Herr, hilf!“ Dabei dürfen wir Vorbilder werden. So wie Paulus sagen konnte: „Folgt mir nach, wie ich Christus nachfolge.“ Er wusste: „Schaut auf mich, ich bin ein viel besseres Vorbild als die falschen Lehrer, die ihre eigenen Wege gehen.“
Es ging nicht darum, sich selbst aus Stolz zur Schau zu stellen, sondern: „Folgt mir nach, wie ich mich Christus unterordne.“ Bleiben wir in der Apostellehre – im Wissen und im Tun.
Gemeinschaft als wesentlicher Bestandteil der Urgemeinde
Die Urgemeinde, wie in Apostelgeschichte 2,42 beschrieben, verharrte in der Gemeinschaft. Dabei ist weit mehr gemeint als nur Kaffee und Kuchen zusammen zu genießen. Kaffee und Kuchen sind zwar etwas Besonderes – das habe ich diese Woche erneut erlebt und genossen.
In den letzten Tagen durfte ich zweimal frühstücken, und zwar Ilse Meier gegenüber. Wir tauschten uns über die Kinder aus, sprachen über Gebetsanliegen und die Dinge, die uns Freude bereiten. Viele Jahre haben wir zusammengearbeitet, und es ist schön zu sehen, was Gott in ihrer Familie tut und zu hören, wie Gott sie segnet.
Gestern Abend saß ich mit Evo Adam und Rolf Benz zusammen. Wir kennen uns viele Jahre und tauschten uns einfach aus. „Komm, wir setzen uns“, sagten wir. Heute Mittag darf ich mit einer anderen Person zusammen essen. Gemeinschaft über eine Mahlzeit ist gut, soweit es eben möglich ist. Sie beginnt, vertieft und erweitert Beziehungen.
Vor einigen Jahren war ich mit jemandem zusammen, und wir merkten, dass wir seit vier Jahrzehnten keinen Kontakt hatten. Doch in fünf Minuten fühlte es sich an, als hätte sich nichts geändert. Wir beide sind in all den Jahren mit dem Herrn gegangen und brachten unsere Erfahrungen mit Jesus zusammen. So war es, als wären wir in wenigen Sekunden wieder wie früher verbunden – trotz der langen Zeit ohne Kontakt.
Diese Art von Gemeinschaft ist kostbar. Doch ich bin überzeugt, dass Gott noch viel mehr will, wenn es um Gemeinschaft geht – weit mehr als nur Kaffee und Kuchen.
Was ich beobachte, nicht nur in Deutschland, sondern auch in unserer Gemeinde in den Staaten, ist folgendes: Viele Menschen tragen Dinge in ihrem Herzen, sagen sie aber niemandem. In vielen Ehebeziehungen – manche von euch haben mich das schon sagen hören – sind die Gespräche oberflächlich, wie Salz- und Pfefferbeziehungen. Man bittet um Salz oder Pfeffer, spricht über Belanglosigkeiten, doch die tiefen Gedanken und Gefühle teilt man kaum mit jemandem.
In der Seelsorge habe ich oft gehört: „Roger, ich bin fünfzig Jahre alt, und heute sage ich das zum ersten Mal jemandem.“ Neulich erzählte jemand in einem Kreis von einer tiefen Not. Meine erste Frage war: „Ist das heute zum ersten Mal, dass du das einer Gruppe von Menschen erzählst, denen du vertraust?“ Er antwortete: „Ja, ich bin seit 40 Jahren Christ, und das ist das erste Mal.“
Tiefe Gemeinschaft bedeutet, bereit zu sein, das eigene Leben zu teilen. In Jakobus 5,16 heißt es: „Bekennt einander die Sünden!“ Dieser Vers steht im Zusammenhang mit Krankenheilung und dem Dienst der Ältesten. Natürlich geht es dabei auch um Salbung und Sündenbekenntnis. Doch das Prinzip ist: Finde jemanden, dem du vertrauen kannst – jemanden, der dich nicht verrät. Erzähle zuerst dem Herrn und dann diesen Menschen von deinen Anliegen. Ich habe das getan und dabei Beistand im Heilungsprozess erfahren.
Da wir heute unter Menschen sind, gehe ich davon aus, dass viele in diesem Raum diese Gemeinschaft gerne hätten. Wie oft war ich mit Dienern Gottes zusammen – Männer und Frauen, die praktisch allein in der Gemeinde stehen und im Gemeindewerk tätig sind. Sie sind Mutterseelen allein und wünschen sich jemanden, mit dem sie sich austauschen und tief Gemeinschaft erleben können.
Gerade in den letzten Tagen wurde mir in vielen Gesprächen genau das gesagt: „Ich weiß nicht, mit wem ich über diese Dinge reden kann.“ Natürlich bin ich nur der Vorbeifahrende, der nicht bleibt. Sie wissen nicht, wem sie vor Ort sagen können, was sie bewegt.
Heute mehr denn je brauchen wir Offenheit und echte Gemeinschaft.
Verantwortung und Offenheit in der Gemeinschaft
Ich stehe wieder vollzeitlich in der Schule. Zuvor war ich auf Halbzeit reduziert, doch seit dem ersten Oktober arbeite ich wieder vollzeitlich. Nachdem ich meinen Unterricht beendet hatte und durch die Tür kam, sagte unser Studienleiter Roger: „Wenn du hier fertig bist, könntest du bitte zu mir ins Büro auf der anderen Gangseite kommen?“ Ich antwortete, dass ich gleich komme.
Ein paar Minuten später saß ich bei ihm. Roger sagte, dass er aus bestimmten Gründen zurücktreten müsse und bat mich, die Stelle zu übernehmen. Innerhalb von zehn Minuten änderte sich mein Leben. Doch all das geschah, weil dieser Mitarbeiter sich abgesondert hatte und nicht offen mit den Informationen umging. Ich weiß, dass er schon Monate zuvor darauf angesprochen wurde. Das Problem war jedoch, dass er Dinge im Geheimen tat.
Die Sprüche sind hier sehr lehrreich, und ein Spruch ist besonders wertvoll: „Wer sich absondert, sucht, was ihn gelüstet.“ (Sprüche 18,1) Man könnte sagen: Wer im Geheimen lebt, sucht, was ihn gelüstet, und wehrt sich gegen alles, was heilsam ist.
Meine heutige Frage, Gottes Frage an uns, lautet: Öffnen wir uns, sodass andere wissen, was wir tun? Sind wir bereit, das zu offenbaren, was wir bisher verheimlicht haben?
Ich schrieb ein Buch zusammen mit einer Frau. Als ich mit dem Schreiben begann, tat ich Folgendes: Ich stellte mich meiner Frau gegenüber in Verantwortung, damit ich nicht sündige. Außerdem setzte ich mich mit allen vier Kindern einzeln zusammen und legte ihnen Rechenschaft ab, dass ich dieses Buch schreibe. Unsere Tochter war zu dieser Zeit Sekretärin der Co-Autorin, Tammy Schulz.
Dann setzte ich mich mit meinem Gebetspartner, Dr. Ken Bickel, zusammen. Ich sagte zu ihm: „Ken, ich schreibe ein Buch, und es ist meine Absicht, dabei nicht in Sünde zu geraten.“ Während wir gemeinsam am Buch arbeiteten, kam die Co-Autorin oft in den Raum. Ich trat zurück.
Ich bin ein Mensch, der gerne umarmt – manche von euch haben mich dabei gesehen –, und ich gebe gerne die Hand. Doch in den Monaten, in denen wir am Buch arbeiteten, habe ich ihr nicht die Hand gegeben und sie nie umarmt. Wir beteten zu Beginn unserer Arbeit zusammen und baten im Gebet: „Herr, gib, dass wir diese Arbeit zu deiner Ehre tun und bewahre uns vor jeglicher Form der Anfechtung.“ Das taten wir jedes Mal.
Als ich letztes Jahr hier in Deutschland war, sprach ich mit einem Paar. Der Mann war untreu gewesen. Ich erzählte ihm gerade, was ihr gehört habt. Er sagte: „Oh, das habe ich nicht gemacht.“ Wir dürfen uns nicht unbedacht mit jemandem des anderen Geschlechts aufhalten, ohne uns der Gefahr bewusst zu sein. Das bedeutet, dass wir in Gemeinschaft leben müssen mit Menschen, die uns helfen, dem Herrn treu zu bleiben. Dazu gehört auch, dass wir uns öffnen und uns nicht abkapseln.
Ich bin sehr dankbar für die Bewahrung des Herrn. Tammy Schulz ist eine gute Bekannte, zu der ich Vertrauen habe. Ich rufe sie immer wieder an. Das Buch ist längst fertig und herausgegeben. Wir sehen uns vielleicht alle zwei Wochen für ein paar Minuten im Vorbeilaufen auf der Schule. Ich bin dankbar für ihren Dienst; sie tut einen guten Dienst. Aber sie ist nicht zu einer Freundin geworden. Wir haben uns nicht näher kennengelernt, sondern nur an einer Sache zusammengearbeitet.
Meine Illustration dazu aus der Gemeinschaft ist folgende Situation: Als unsere Tochter geboren wurde, war unser nächstältester Sohn zehn Jahre alt. Eines Tages kam Lamar in die Wohnung, schlug einfach so die Tür zu und weckte das Baby auf. Die Mütter unter uns wissen, dass es nicht gut ist, ein schlafendes Baby zu wecken.
Ich sagte zu Lamar: „Du hast das Baby geweckt.“ Er antwortete: „Oh Papa, das habe ich nicht beabsichtigt.“ Ich sagte: „Ja, das glaube ich dir. Aber du hast nicht nicht beabsichtigt, das Baby zu wecken.“ Das ist gutes Deutsch.
Wenn ich nicht beabsichtige, dass die Tür zuschlägt und das Baby weckt, dann mache ich Folgendes: Ich nehme die Türklinke in die Hand, drücke sie leise herunter und fahre die Türklinke so weit hinein, dass meine Hand dazwischen ist. Dann schiebe ich die Tür ganz langsam zu und hebe die Türklinke hoch, ohne dass sie klickt. Ich beabsichtige, dass die Tür nicht zuschlägt.
Wir müssen beabsichtigen, in solcher Gemeinschaft zu leben, dass wir durch Gottes Gnade niemals fallen. Herr, gib uns Gnade, dass wir in Gemeinschaft so leben, dass wir einen tiefgründigen Austausch haben.
Bis wann? Bis jetzt? Er hat eben die Hände ausgestreckt. Das bedeutet nicht, dass er fällt, sondern dass er fliegen soll.
Schlussgedanken: Das geistliche Fundament der Gemeinde
Das geistliche Fundament eines Gemeindegründers ist ein lebendiger Umgang mit dem heiligen Wort. Dieses Wort wird angewendet, ausgelebt und in einer tiefgehenden Gemeinschaft erlebt. Diese Gemeinschaft zeichnet sich durch totale Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit gegenüber anderen aus. So sind wir eingebettet in Gemeinschaft und finden Schutz.
Vorhin sprachen wir vom Bild der Familie. Wenn wir dies wirklich begreifen würden, wäre Schutz in der Gemeinschaft vorhanden, die wir in der Gemeinde pflegen. Es ist nicht ein Kommen und Gehen von anonymen Personen, sondern ein sich Miteinander-Integreren von Familienmitgliedern.
Zum Schluss erheben wir uns zum Gebet:
Danke, Herr Jesus Christus, für die Heiligkeit deines wunderbaren Wortes. Danke, dass die Urgemeinde es begriffen hat, in der Apostellehre und in Gemeinschaft so zu leben, dass sie bewahrt blieben und wirksam waren.
Herr, wir wollen in dieser dunklen Welt, in dieser wichtigen Zeit, wirksame Zeugen in deiner Gemeinde sein. Gib uns Kraft, Weisheit, Mut, Entschlossenheit und Hingabe, so zu leben, wie es dir gefällt. Durch deine Kraft, zu deiner Ehre. Amen.