Herr Präsident, liebe Freunde!
Die unausweichliche Religiosität des Menschen
Wir sind als arme Menschen unrettbar religiös – mehr, als manche von uns wollen. Sogar Adolf Hitler, falls Sie als junge Leute überhaupt noch wissen, wer das war, ist das Böse in Person. Er konnte in seinen Reden von der Vorsehung sprechen. Und je weiter der Krieg voranschritt, sprach er sogar vom Allmächtigen.
Doch selbst Menschen, denen Begriffe wie „Allmächtiger“ oder „Vorsehung“ nur schwer über die Lippen gehen, sind religiös. Das hat uns gestern Abend Ulrich Parzany deutlich gemacht. In all dem, wonach wir hungern – nach Sicherheit und Anerkennung –, und in allem, woran wir diese festmachen wollen, zeigt sich eine religiöse Szene. Dort ist unser Gott.
Ulrich Parzany erinnerte uns an die Bergpredigt des Herrn Jesus, in der Jesus sagte: „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz“ – sogar das Geld. Geld ist ein Götze, Mammon!
Als langjähriger Gemeindepfarrer, unvergesslich 14 Jahre in Schörndorf, habe ich viel Wunderhaftes erlebt: Erhörungen von Gebeten, Heilungen, Wunder durch Handauflegung, das Nennen des Namens Jesus über einem Menschen, Freiwerden von Bindungen. Aber nicht einmal habe ich erlebt, dass eine schwierige Erbschaftsgeschichte unter Christen geklärt wurde. Nicht einmal!
„Wo euer Schatz ist, da ist euer Herz.“ Unser Gott!
Ulrich Parzany hat uns mit Recht daran erinnert, die Hände wegzulassen von Wahrsagerei, Okkultismus, von weißen Frauen, von Horoskopen und Astrologie. Der Teufel macht dadurch alles kaputt. Wenn Sie das einmal erleben, wie Menschen, die sich auf solche Dinge eingelassen haben, bitten: „Beten Sie bitte mit mir, aber erwähnen Sie nicht den Namen ...“ Ja, welchen Namen? Sie wissen schon, den Namen: Jesus.
Wer vom Teufel gebunden ist, kann nicht einmal mehr den Namen Jesus hören oder aussprechen. Er kann sagen: „Beten Sie mit mir, aber bloß nicht mit Jesus.“ Seien Sie Gott dankbar, solange Sie noch den Namen Jesus anrufen können – morgens als erstes Gebet, ohne langen Wunschzettel: „Jesus, mit Dir!“
Hände weg von allem Dunklen, das uns von Jesus wegführt!
Gottes Nähe und das Angebot des Glaubens
Ganze Übereinstimmung auch zudem. Ich sage es für diejenigen, die gestern Abend nicht dabei sein konnten, und für uns, die wir uns erinnern wollen, was gestern war: ganze Zustimmung zu dem, was Ulrich Parzany sagte. Gott ist uns so unaussprechlich nahe.
Ulrich Parzany hat uns an die Rede des Apostels Paulus in Athen erinnert, dass Gott jedem von uns nahe ist. In ihm leben, weben und sind wir. Wir sind nicht bloß von seiner Schöpfung umgeben, von Sauerstoff zum Atmen, von der Sonne, die über Böse und Gute scheint. Gott ist uns nahe. Ganze Zustimmung dazu.
Auch wie er sagte: Paulus hat den Menschen in Athen, den klugen Leuten, gesagt, und nun hat Gott selbst für die, die ein bisschen bekloppt waren, die das nicht mitbekommen haben, die unwissend waren, es noch nähergebracht, indem er Jesus auferweckt hat. Uns hat er ihn hingehalten – hier, da ist etwas zum Glauben, der lebt, der ist der Wichtigste.
Gestern Abend hat uns Ulrich Parzany einiges intellektuell zum Mitdenken zugemutet. Aber das kann man noch verstehen: Gott hat uns diesen Jesus zum Glauben hingehalten. Auf den kommt es an, auf den kann ich nicht verzichten.
Die zentrale Bedeutung Jesu im Glauben
Ich habe das ja mal in den Büchlein beschrieben, die außen aufliegen.
Als junger Pfarrer in Ulm durfte ich Konferantenunterricht bei Mitgliedern der amerikanischen Armee halten. Diese wollten, dass ein lutherischer Pfarrer ihren Töchtern lutherischen Konferantenunterricht gibt. Die Mädchen kannten zwar überhaupt keine biblische Geschichte, aber die Eltern waren so strenge Lutheraner, dass sie glaubten, nur ein lutherischer Pfarrer könne hier etwas ausrichten.
Für mich war es außerdem eine Übung, wieder Englisch aufzufrischen. Dabei habe ich gemerkt, dass man mit dem Katechismus dort nicht weit kommt. Stattdessen erzählte ich Jesusgeschichten.
Dann sagte plötzlich Linda Zeyer, eine, die von Jesus noch gar nichts wusste und nur ein paar Jesusgeschichten gehört hatte, staunend: "Everything builds up to the point that Jesus will be important alone." Es strebt also alles dem Punkt zu, dass nur noch Jesus wichtig ist.
Denn oft haben wir, die wir die Jesusgeschichten seit der Sonntagsschule kennen, gar nicht so viel Verständnis dafür, dass die Evangelien genau diesen Zug haben. Es kommt alles nur auf Jesus an. Gott hat uns diesen Jesus hingehalten, und er ist wichtig.
Das alles lässt sich auch gut verstehen im Zusammenhang mit der Erklärung, die Ulrich Parzany gegeben hat: Christsein ist eine fröhliche Sache. Ich wäre dankbar, wenn man eine solche Hilfe zum Glauben bekommt. Schon mein Großvater hat mir auf dem Sterbebett das Vermächtnis gegeben: eine fröhliche Kindheit und ein fröhliches Christsein.
Christsein ist kein Masochismus, bei dem man alle Freude abtöten muss. Es ist ein ganz klares Ja dazu.
Zweifel und das Kreuz als Zeichen des Glaubens
Gestern spät in der Nacht kam noch ein Anruf von einem etwas kritischen Menschen, der sonst manche Rückfragen an den christlichen Glauben hat. Er hatte den gestrigen Abend in einer anderen Stadt miterlebt, bei dem das Rahmenprogramm ein bisschen zu schrill und zu laut war.
Doch was Ulrich Parzany gesagt hat, das saß. Jedes Wort war genau richtig. So hört man das einfach sonst nicht. Das war hilfreich.
Dann kam es etwas zögerlich und ganz verhalten: Er versteht einfach nicht, warum Ulrich Parzany immer sagt, dass er sich nicht verstanden hat. Warum sagt er das immer wieder? Jesus hat sich für diese Sache festnageln lassen. Der gekreuzigte Jesus streckt seine Hände zu dir aus.
Warum werden Menschen, die ihr Leben mit Jesus festmachen wollen, zu dem Zeichen des Kreuzes eingeladen? Und warum ist da nicht auf dem Boden eine Ostersonne gemalt? So hat es ja angefangen – mit dem Sonnenaufgang.
Warum also das Kreuz? Ich könnte mir vorstellen, dass manche von Ihnen das auch beschäftigt, was Ulrich Parzany so wichtig ist. Wahrscheinlich wird es heute Abend auch zur Sprache kommen. Ich weiß noch nicht, ich bin gespannt.
Aber wenn Gott zu Boden geht, will ich gar nicht die paar Stunden bis heute Abend warten. Ich möchte schon heute Morgen versuchen, Ihnen dabei Hilfe zu geben.
Die Geschichte Hofackers: Annahme trotz Unwürdigkeit
Im Jahr 1827 ist in Rielingshausen, einem Dorf in der schwäbischen Pampa, hoffentlich niemand von dort gestorben, gerade einmal dreißig Jahre alt.
Der berühmteste Prediger, den wir hier in Württemberg hatten – von seinen Tagen des Studiums an schon viel früher – war eigentlich durch und durch krank. Sein ganzer Körper war versehrt, auch seine Seele und Psyche litten. Elend ist er eingegangen, an Tuberkulose und Wassersucht, der ganze Körper zerstört. Am Ende konnte er nur noch auf dem Sofa sitzen, weil er sonst keine Luft mehr bekam.
Er besuchte einen Freund, den Wilhelm Roos, und las ihm einige Liedverse vor. Darin kam etwas vom kristallnen Meer der Seligkeiten vor, zu dem Gott uns ruft, wenn wir einmal von dieser Welt scheiden müssen. Im Grunde war in dem Lied die Botschaft enthalten: Bei Gott bist du angenommen. Er gibt dir Sicherheit, er liebt dich, du hast einen Wert in seinen Augen, und er lässt dich ewig nicht los.
Doch der sterbende Hofvater sagte: „Das ist zu flott für mich, dazu habe ich kein Recht. Ich habe tausendmal mehr die Hölle als den Himmel verdient.“ Der Erweckungsprediger Württembergs, der Tausenden zum Segen gewesen war, meinte: „Zu flott für mich, da gehöre ich nicht hin, ich habe tausendmal mehr die Hölle verdient.“
Wilhelm Roos verließ seinen Freund etwas verstört. Nach acht Tagen versuchte er es noch einmal mit einem Krankenbesuch, unsicher, wie wir es oft bei Krankenbesuchen sind. Was soll man sagen, besonders nach dieser Abfuhr? Doch er fand seinen sterbenden Freund geradezu heiter und gelassen vor. Er fragte, wie es dazu gekommen sei.
Da sagte Hofacker keuchend unter Atemnot: „Es ist mir bewusst geworden, was für eine Schande es ist, dass der Heiland nun schon so lange seine am Kreuz für mich durchbohrten Hände nach mir ausstreckt, und ich mich selbst immer noch so wichtig nehme in meiner Unwürdigkeit, in meinem Unglauben, in meinem Zweifel – der Schande. Jetzt habe ich mich einfach entschlossen, es gelten zu lassen, dass der Heiland auch am Kreuz für mich gestorben ist und mich ernehmen wird. Und seitdem ist es mir wohl. Da habe ich einfach beschlossen: Jetzt soll es gelten.“
Persönliche Erfahrungen mit der Vergebung und Würdigkeit
Die andere Geschichte hat kein so langes Herstellungsdatum. Fast vor zwei Jahren war ich ja eigentlich todkrank, geborgen von sehr viel Liebe. Die Fürbitte hat mich, die Fürbitte vieler Geschwister und Freunde, umspült wie ein bergender Mantel. Es gab große, hilfreiche Fürsorge im katholischen Marienhospital in Stuttgart, bis hin zu den Ordensschwestern und guten Ärzten.
Es war mir auch bewusst, dass Jesus schon seit langem mein Leben leitet, segnet, behütet und zurechtbringt. Es gab nie einen Zweifel angesichts des nahen Todes, dass es nach dem Tod weitergeht. Aber die Frage war da, möchte man mit den Worten sagen, die Jesus selbst gebraucht hat, welche aber gewürdigt sein werden: die Auferstehung des ewigen Lebens. Bin ich denn würdig?
Wie habe ich als Sohn meine Eltern enttäuscht, als Ehemann meine Frau, als Vater meine Kinder? Wie habe ich als Schüler meine Klassenkameraden enttäuscht, als Nachbar die Mitbewohner in Schorndorf und in Ulm? Wie habe ich versagt, hinten und vorne? Mit meinem Zorn, mit meiner Ungeduld, mit meiner Streiterei in der Synode? Wie habe ich menschenvorgesetzte Mitarbeiter enttäuscht und verletzt? Wie habe ich die Majestät Gottes beleidigt?
Mir ist auch das aufgegangen: Es gibt ja den Trick für uns Verkündiger, dass wir glaubhaft und überzeugt sehr viel von der Vergebung Jesu reden und meinen, wir hätten sie damit für uns selbst. Wir haben sie aber noch lange nicht, nur weil wir darüber reden. Gott hat alles Recht zu sagen, man würdigt die Auferstehung des ewigen Lebens nicht.
Da hat mein Bruder Klaus mir eine Karte auf das Krankenhausnachtisch gestellt. Darauf stand: "Der Herr spricht dich an: Tilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünden wie einen Nebel. Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich. Jauchzet, ihr Himmel, denn der Herr hat's getan."
Okay, wann hat er es getan? Wie hat er es getan? Auf welche Weise hat er es getan, dass er meine Sünden vertilgt hat wie eine Wolke? Wann? Damals, als in Kraft trat: "Mein Leib wird gebrochen, mein Blut vergossen für euch zur Vergebung der Sünden." So hat es Jesus gesagt. Doch nicht für Gott, weil der in Zorn abreagieren musste, wie manche Theologen heute sagen. Komisch, nicht? Doch nicht für Gott, sondern für euch. Ich habe etwas für euch gemacht, für euch Sünder.
Mir hat damals ein Vers aus einem alten Gesangbuch geholfen, noch aus dem schönen Gesangbuch von 1912, das meine Frau mir hingelegt hatte. Es ist das Hillerlied mit merkwürdigen Formulierungen:
"Wenn ich bei meinem Fehlen auch oft zu glauben scheu,
Wenn ich mich bei meinem Fehlen auch oft zu glauben scheue,
Ich scheue mich zu glauben, ich bin es doch nicht wert
Über den vielen Fehlern mein Leben.
Mach du in meiner Seele die Glaubensgründe neu,
Des Geistes Gnadentriebe,
Des Sohnes blutige Liebe,
Des Vaters ewiggetreu."
Die ewiggetreue Liebe des Vaters hatte ich oft in meinem Leben erfahren, ebenso die Triebe, das Treiben des Heiligen Geistes. Auch dass ich auf diesen Vers gestoßen war, wurde mir wichtig, mit dieser merkwürdigen Formulierung: "des Sohnes blutige Liebe".
Da ist in Kraft getreten, lieber Rolf, das Chefbuch: Für deine Sünden gestorben. Aber jetzt können Sie Ihr Recht behalten. Ich begreife überhaupt nichts. Das kann man nicht begreifen. Das ist eine übernatürliche Rettungsaktion Gottes. Für die gibt es in unserer Welt gar keine Beispiele, keine Vergleiche, keine Begriffe, an denen man es deutlich machen kann.
Das Leiden Jesu und seine menschliche Angst
Was ist denn eigentlich damals geschehen, als Jesus anfing zu zittern und zu zagen? Als Jesus sagte: „Mir ist so bange, bis dieses Leiden vollendet wird“ – wie war ihm da so bange? Sein Schweiß floss wie Blutstropfen, als hätte er eine klaffende Wunde an der Stirn.
Als Jesus betete: „Vater, es ist nicht möglich, dass dieser Kelch von mir geht“ – warum war das so? Jesus hatte keine Angst, als der Sieg in Israel aufgewühlt war durch den furchtbaren Bogen. Er aber schlief in einer geheiligten Stille.
Als die erfahrenen Fischer schrien: „Wir gehen unter“, als die von Dämonen Besessenen, die mit keinen Ketten zu binden waren, auf dem Weg, den die Menschen scheuten, Jesus in Gerasa entgegenkamen – „Ja, wir machen alles kaputt, der uns begegnet“, diese starken, besessenen Männer –, da trat Jesus ihnen furchtlos entgegen.
Als die Hescherbande kam, ein Polizeieinsatzkommando in Garten- und Gemüsenähe, trat Jesus ihnen hoheitsvoll gegenüber und fragte: „Wen sucht ihr?“ War es die Angst vor dem körperlichen Leiden, die Jesus bange machte, dass er anfing zu zittern und zu sagen: „Das gibt es ja“?
Wer je unter uns Schmerzen hatte und hat, der weiß, wie Schmerzen uns kaputtmachen können, auch im Glauben. Da schmilzt der Glaube ganz schnell ab. Aber es war nicht das.
Wenn Sie in den nächsten Wochen, und das ist noch wichtiger als sieben Wochen ohne die Passionsgeschichte, diese noch einmal lesen – wenn Sie sie noch nie gelesen haben –, wird Ihnen auffallen, dass immer wieder, eigentlich gar nicht zu übersehen, der Begriff „der Menschensohn“ vorkommt. Jesus meint damit sich selbst.
Er wird in die Hände der Menschen übergeben werden, in die Hände der Sünder, in die Hände der Römer. Er wird ein Heim gegeben werden den Händen. Jesus wollte doch in den Händen Gottes leben.
Jetzt war das Allerschlimmste, in die Hände von Menschen zu fallen. Der König David hat einmal, als ihm die Wahl gegeben war – möchtest du lieber selbst deinen Feinden preisgegeben sein oder soll Pest über dein Volk kommen? – gesagt: „Nur nicht in die Hände von Menschen fallen.“ Lieber möchte ich in Gottes Barmherzigkeit fallen.
Menschen ausgeliefert zu sein – dem Urteil von Menschen, der Gemeinheit von Menschen, dem Hass von Menschen, der Ungeduld von Menschen – ist für Jesus, der geborgen war in der Hand Gottes („Niemand soll euch aus meines Vaters Hand reißen“), das Allerherrlichste.
Für Jesus war das das Schlimmste: aus der Hand Gottes herauszufallen, in die Hände der Sünder zu geraten.
Die Sünde als Last und das Kreuz als Erlösung
Was ist denn eigentlich geschehen, als Jesus in die Hände der Sünder übergeben wurde?
Man kann viele Vergleiche anstellen, doch oft lenken uns all die Bilder nur noch mehr ab. Wir müssen einfach erkennen, dass in der Passionsgeschichte immer wieder der Ausdruck „in die Hände der Menschen“ auftaucht. Dabei erscheint ein anderer Begriff, den ich Ihnen kurz näherbringen möchte: „Es muss alles erfüllt werden, wie geschrieben steht.“
Jesus wusste, dass alles erfüllt würde, was bereits durch Gottes Propheten angekündigt war. Diese Prophezeiungen waren auf Jesus hin gemünzt. Es gibt viele Stellen, die man entdecken kann. Ein Leben reicht nicht aus, um all das zu erfassen. In einem Büchlein, das ich herausgegeben habe, ist Jesus Christus anschaulich vor unsere Augen gemalt worden. Doch die zentrale Stelle bleibt Jesaja 53.
Diese Stelle spricht so deutlich von Jesus, dass das Volk Israel im ersten Jahrhundert nach Christus beschlossen hat, Jesaja 53 aus den offiziellen Lesungen des Judentums zu streichen. Ein normaler Jude kennt Jesaja 53 nicht, weil die Synode von Jamnia beschlossen hat, diese Stelle nicht mehr zu verlesen. Der Grund: Jesaja 53 weist so klar auf Jesus hin.
Ich lese Ihnen nur einige Verse daraus vor: „Mein Knecht wird es gelingen“, spricht Gott. Viele werden sich über ihn entsetzen, weil er anders war – anders im Aussehen als alle anderen Menschen. Hier taucht ein Begriff auf, der seinen Ursprung hat: der Menschensohn.
Jesus bezeichnete sich selbst als den Menschensohn, den ganz besonderen. Er sagte von sich, dass er der allerhässlichste und verachtetste sei, auf den die Menschheit verzichten könne. Doch wer glaubt dem, was uns verkündigt wurde?
Darüber spricht Ulrich Barzani jetzt acht Tage lang. Es ist unglaublich, so etwas nicht zu glauben, was da geschehen ist. Jesus war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg – wie bei einem schweren Verkehrsunfall, wenn man schnell weiterfährt, weil man es nicht sehen kann oder will.
Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg. „Fürwahr, er trug unsere Krankheit, er lud auf sich unsere Schmerzen.“ Denn der Herr warf unsere aller Sünde auf ihn. Er hat die Sünde der Vielen getragen.
Das war schon siebenhundert Jahre vor Jesus vorhergesagt: dass Gott unsere Sünden auf ihn werfen würde.
Wir sprechen oft schnell von Strafe, wenn es um Sünde geht. Jesus hatte keine Angst vor der Strafe. Sünde ist furchtbar, und das beginnt schon bei kleinen Dingen.
Neulich wurde ich am Ortseingang von Korntal nach langer Zeit mal wieder geblitzt. Mir ist es egal, ob es fünfzig oder hundert Euro kostet. Aber dass ich geblitzt wurde, ärgert mich. Warum war ich so schnell? Ich bin sonst ein guter Fahrer. Die Sünde ist, dass ich ein Versager bin. Wer bin ich denn? Ich denke immer, ich fahre richtig, gut und vorbildlich.
Sünde ist schlimm. Nicht nur in solchen kleinen Dingen, sondern auch in der Familie. Die Geschichte mit meinen Verwandten, dass wir uns nicht über das Kreuz hinweg versöhnen können, belastet mich. Die Tanten sind gestorben, und das belastet mich. Ich habe keine Angst vor der Strafe Gottes, aber die Sünde belastet mich.
Als meine Tochter das Auto frisch gewaschen und gewachst hatte, nahm die dreijährige Tochter den Schwamm und begann von neuem, das Auto zu bearbeiten und hat dabei eine Stelle beschädigt. Bis heute belastet mich das. Nicht, ob Gott mich straft, sondern die Sache selbst – die Sünde.
Sünde ist furchtbar.
Das gilt für Versagen als Mitschüler, als Klassenkamerad, als Lehrer, als Ehemann, Vater, Nachbar oder Gemeindepfarrer.
Wenn Gott uns die Sünde zurechnet, wer kann dann bestehen? König David hat einmal bekannt: „Die Sünde ist mir zu schwer geworden, wie eine schwere Last ist sie nicht mehr zu tragen; sie drückt mich in den Boden hinein.“
Sünde ist nicht nur eine Liste von Fehlern, sondern eine Macht. Und Gott warf unsere aller Sünde auf ihn. Er hat die Sünde der Vielen getragen.
Es wird berichtet, dass als Jesus am Kreuz hing, um die zwölfte Stunde mittags eine große Finsternis über das ganze Land kam. Bis zur dritten Stunde nachmittags verhüllte die Sonne ihr Angesicht.
Die Sonne, die sonst über Böse und Gute schien und viel Böses, aber auch manches Gute in der Welt gesehen hat, verbarg ihr Licht. Es war nur noch pechschwarze Finsternis.
Es war, als ob bis in die Schöpfung hinein, die seit dem ersten Schöpfungstag „Es werde Licht“ erfahren hatte, plötzlich klar wurde: In der Welt ist der Teufel los, geballt!
Dem kann sich niemand entziehen: die Macht der Sünde. Jetzt hat sie Jesus eingehüllt.
Der Künstler Christo hat den Berliner Reichstag mit Plastikfolie eingehüllt – ein schwaches Bild dafür, wie Jesus von allen Seiten umhüllt war: von Hass, Gemeinheiten, Unversöhnlichkeit, Lüge und schrecklichen Phantasien, von allen Schweinereien.
Jesus war so in dieser Pechheit, dass das ganze Heer der Finsternis da war. So nennt die Bibel es: das Heer der Finsternis.
Jesus konnte nicht einmal mehr beten, wie er es sonst tat. Er rief: „Eli, Eli, lema sabachtani?“ – „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Wie eine schwere Last waren ihm die Sünden zu mächtig geworden.
Doch es war nicht das Ende. Nach drei Stunden, als Jesus verschied, sagte er: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“
Es waren die Hände des Vaters, die da waren.
Als Sündenträger hast du all unsere Sünden getragen. Sonst müssten wir verzagen.
All die Sünde hast du getragen.
Das ist unverständlich für unseren schwachen Verstand, der nur mit unseren natürlichen Erfahrungen umgehen kann.
Aber es ist die Wahrheit: Gott warf unsere aller Sünde auf ihn.
Der Umgang mit der Erlösung und die Entscheidung des Glaubens
Und jetzt kann man mit dem, was geschehen ist, auf zwei Arten umgehen. Man kann sagen: Danke, danke, jetzt soll es für mich gelten. Wie Hofhacker sagt: „Jetzt will ich es einfach gelten lassen, für mich.“ Dass mich das nicht mehr in den Boden hineindrücken darf. Mein kranker Leib darf sterben, aber das drückt mich doch nicht. Die Sünde hast du getragen, ich bin frei.
Deshalb spricht Parzati davon, wenn er vom Angenommensein und von Sicherheit spricht, dass man vom Kreuz sprechen muss. Vom eigentlichen, was in unserem Leben ist. Danke, dass du mich angenommen hast, dass du am Kreuz die Sünde getragen hast.
Doch es gehört noch mehr dazu als dieses Danke. Wir haben ja hier im württembergischen Land das große Gottesgeschenk des Hensler Verlags. Das ist ein ganz, ganz kleiner Verlag, fast eine Klitsche. Vater Hensler hat ihn angefangen in Blieningen. Und der Sohn Hensler, der viel Schweres in seinem Leben erlebt hatte – schwere Krankheiten, Berufswechsel –, hat diesen Verlag aufbauen dürfen, zum Segen für viele. Gute geistliche Kost für Hunderttausende.
Und dann kommt die Insolvenz, die Finanzdecke reicht nicht. Das Problem heute, Verleger zu sein: Zuerst investiert man in Platten, in Drillinge, und dann hören mit einem Schlag die Platten auf. Es gibt bloß noch die kleinen Tonbänder, und dann hören mit einem Schlag diese Tonbandkassetten auf. Es gibt bloß noch einen schönen Blick. Es gibt manche Vorträge, aber sie kriegen ja keine Tonbandkassetten mehr mit Bach oder irgendetwas weg. Millionenbeträge, die auf Lager lagen, wurden verscheuert, verbrannt, verramscht, umgeschaltet auf CDs, Discs – und plötzlich Insolvenz. Es reicht nicht.
Und dann ist jemand eingestiegen, ein Finanztag, und hat gesagt: Ich übernehme die Schuld. Und du darfst weiter im Verlag sein. Aber ich habe das Sagen, ganz normal. Du sitzt in deinem Büro, der Vertrag trägt noch deinen Namen, schmeißt dich nicht weg, aber jetzt bestimme ich, wie es läuft.
Und was ist das für ein Beispiel, mit dem ich sagen will: Es ist doch ganz normal. Wenn Jesus unsere Sünde übernommen hat, wenn ich danke sage, dass du mein Herr bist, dass Ulrich Barzani im Übergabegebet gesagt hat: „Von nun an soll mein Leben dir gehören, du sollst bestimmen.“ In der Bibel heißt es mal: Dazu ist Jesus für alle gestorben, damit die, die hinfort leben, nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. Der hat jetzt das Sagen.
Das ist die eine Möglichkeit, damit umzugehen: Herr, mein Leben soll dir gehören. Danke, dass du die Sünde getragen hast.
Die andere Möglichkeit ist, so wie mir ein tüchtiger Rechtsanwalt sagte – und mich hat es geschaudert, aber ich verstehe, dass er es gesagt hat: Wegen mir hätte Jesus nicht sterben müssen. Ich brauche das nicht, ich brauche das nicht.
Und es ist so naheliegend, dass wir sicher oft manchmal auch so denken. Aber es ist die größte Beleidigung Gottes, die schlimmste Zurückweisung der Majestät Gottes, der ausgestreckten Hand Gottes. Du, ich habe dir das Herrlichste zu bieten, dass die Sünde weggenommen wird, und du sagst: „Oh nein, da werde ich schon selber mitfertig.“ Wenn es je Majestätsbeleidigung Gottes gibt, Kränkung Gottes, dann das. Davor bewahre uns lieber Herr und Gott.
Jesus hat sich unheimlich viel kosten lassen. Er fing an zu zittern und zu sagen, in die Hände der Menschen übergeben zu werden, die Sünde der Welt zu tragen. Und jetzt möchte er, der sich in die Hände des Vaters am Schluss bergen konnte, uns auch dorthin mitnehmen.
Verstehen Sie, warum Jesus sagte: „Mit mir kommt man zum Vater, ohne mich nicht.“ Aber ich möchte euch doch mitnehmen zum Vater.
Einladung zur Entscheidung und zum Frieden
Wenn wir jetzt auch hier einladen, für Menschen, die es festmachen wollen, gibt es doch nichts Schöneres, als dass wir es festmachen. Wir laden ein, dass sie nach vorne kommen. Wir bleiben dazu sitzen, damit sie besser aus den Reihen kommen können.
Der Chor wird das Lied singen, das auf unserem Liedblatt als letztes Lied steht: „Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin.“ Ich lade herzlich ein. Ich habe den Eindruck, dass viele in diesen Tagen von Jesus berufen wurden. Komm doch, komm! Jetzt soll es doch auch für mich gelten. Jetzt mach es doch fest – oder mit einem Gespräch nachher.
„Jesus, zu dir darf ich so kommen.“ Jetzt will ich es einfach gelten lassen, dass Jesus am Kreuz zerschlagen wurde, dass er später die Hände schon so lange nach mir ausstreckt und mich bei sich haben will. Seitdem ist mir wohl. Ich möchte, dass uns wohl ist.
Und dann denken Sie an dieses alte christliche Lied: „Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd' der Welt.“ Es ist noch wichtiger als alle Choralgesänge von Paul Gerhardt und wichtiger als alle modernen Lieder. Dieses alte Lied, wir sagen Antiphon dazu – wie heißt das genau? – „Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd' der Welt, erbarme dich unser.“
„Gib mir deinen Frieden.“ Das erbitte ich für uns auch, für die, die nach vorne kommen, und für uns alle: „Jesus, der du trägst die Sünd' der Welt, gib mir deinen Frieden.“