Diese Person, die ihr auf dem Bild seht, ist etwas überlebensgroß dargestellt. Vielleicht könnt ihr schon am Haarschnitt erkennen, dass es sich nicht um das aktuelle Jahrhundert handelt. Es geht um die Person, von der ich euch berichten möchte.
Hat jemand eine Vermutung, um wen es sich bei diesem noch jungen Mann handeln könnte? Er hat eine Hand erhoben, in der anderen hält er eine Bibel, in der ein Finger steckt. Um wen könnte es sich dabei handeln? Ja, das ist gleich der Haupttreffer sozusagen.
Es handelt sich um John Wesley. Das ist ein Abbild aus seiner Jugend. Wir wollen nun einen Einblick gewinnen und miterleben, wie es ihm erging, als er aufwuchs. Wir sehen, wie Gott ihn verändert hat, wie er selbst mit eigener Kraft versucht hat, Christ zu werden, und wie schließlich Gott ihm nachgelaufen ist, damit er wirklich ein echter Christ werden konnte.
Wir befinden uns in der Zeit, in der John Wesley lebte, also im 18. Jahrhundert. Er wurde 1703 geboren. In England gab es damals keine große Religiosität. Die meisten Menschen gehörten zwar zur anglikanischen Kirche, doch kaum jemand hielt viel von der Kirche. Man war weit davon entfernt, regelmäßig in die Kirche zu gehen.
Man versuchte, neue Kirchen in den Industrievierteln zu bauen, um dort Menschen zu erreichen. Doch die breite Bevölkerung wollte davon nichts wissen. Es ist überliefert von Montesquieu, einem bekannten Philosophen und Rechtsgelehrten jener Zeit, dass er sagte: „Es gibt keine Religion mehr in England, höchstens noch vier bis fünf Mitglieder des Hauses der Gemeinden pflegen das kirchliche Gebet. Wenn jemand über Religion spricht, lachen alle.“
Als kürzlich jemand in seiner Gegenwart sagte: „Ich glaube dies, wie ich das Glaubensbekenntnis glaube“, brach die Menge in lautes Gelächter aus. Voltaire, der zur gleichen Zeit lebte und ein französischer Gelehrter war, bemerkte dazu: „Sie sind von allen Religionen in England so angeekelt, dass keine Religion, ob neu oder alt, dort wiederbelebt werden wird oder ihr Glück finden kann.“
Wir müssen uns diese Zeit vorstellen, die ohne weiteres mit der heutigen vergleichbar ist. Stellt euch vor, ihr fangt irgendwo an, über den Glauben zu sprechen, und was passiert? Die Leute lachen euch aus. So war es damals gang und gäbe.
Woran lag das? Einerseits daran, dass sich die Kirche nicht um die Menschen kümmerte. Das war ihnen egal. Die Geistlichen beschäftigten sich mehr mit Jagd, Spiel und Sport. In einem Tagebuch eines Geistlichen aus Südengland findet man Aufzeichnungen darüber, was an einem Tag am Hof des Lords gegessen wurde, dass der Geistliche eine Magenverstimmung hatte und deshalb einen Tag im Bett bleiben musste.
Am nächsten Tag war er auf Fasanenjagd und notierte, wie viele Fasanen er erlegt hatte. Danach setzte er sich mit dem Lehrer des Dorfes zusammen, um einen Frühschoppen zu trinken. Dass er jedoch mit Menschen über den Glauben gesprochen oder Seelsorge ausgeübt hätte, kommt in seinem Tagebuch kein einziges Mal vor. Dabei sollte das eigentlich die Aufgabe eines Predigers und Pastors sein.
In diese Zeit wurde John Wesley geboren. Eine Zeit, in der sogar die höheren Schichten eher dazu angeleitet wurden, wie man Ehebruch gut praktiziert, wie man Frauen verführt und wie man Kinder verhütet, wenn man außerehelichen Verkehr hat.
In den Industriebezirken der großen Städte, in den Slums, lebten die Massen in völliger Entkirchlichung dahin. Keiner interessierte sich für den Glauben oder die Kirche. Vielfach wurden sogar einfache Leute aus der Kirche hinausgeworfen, weil man sie dort nicht haben wollte. Sie störten, wenn einige Bürgerliche sich trafen und auf den vorher markierten Sitzen saßen, auf denen kleine Schilder standen, zum Beispiel: „Hier sitzt Georg Miller.“
Wer will da schon jemanden aus der Straße haben, der nicht dazu passt? Diese Leute hatten ihren Platz, für den sie bezahlt hatten. Verlumpte Gestalten aus der Straße konnte man nicht gebrauchen.
In dieser Zeit spielt auch die Geschichte von Mary Jones eine Rolle, die vielleicht einige von euch kennen. Mary Jones ist bekannt dafür, dass sie dringend nach einer Bibel suchte, aber keine bekam. Sie sparte lange Zeit dafür und machte sich auf eine Reise in eine entfernte Stadt, um dort eine Bibel zu bekommen und zu lesen.
Diese Geschichte wird besonders in der Kinderstunde oft erzählt und berichtet.
John Wesley lebte in einer Familie mit neunzehn Kindern. Ich staune manchmal, wenn ihr mit euren sieben Kindern hier seid, aber neunzehn Kinder – da war zu Hause sicherlich noch einiges mehr los. Er war das fünfzehnte Kind. Das bedeutet, dass er von Anfang an mit einer großen Anzahl von Geschwistern zu tun hatte.
Sein Vater war engagiert und setzte sich auch politisch ein. Samuel Wesley hatte zudem eine theologische Ausbildung genossen und verschiedene theologische Abhandlungen geschrieben. Man sieht also, dass John Wesley in einer Umgebung aufwuchs, in der es selbstverständlich war, sich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig war sein Vater auch politisch aktiv.
Eine prägende Erfahrung machte John Wesley, als er noch recht klein war. Im Jahr 1709, er war sechs Jahre alt, wurde das Haus von Leuten angegriffen, die seinem Vater wegen seiner religiösen Stellungnahmen feindlich gesinnt waren. John Wesley befand sich im ersten Stock am Fenster, während das Haus belagert wurde. Keiner konnte mehr hinein. Im letzten Moment entdeckte einer der Angreifer ihn dort oben. Er kletterte auf das Dach, zog John aus dem Fenster und sprang mit ihm herunter. Gerade noch entkam er so dem Tod.
Diese Erfahrung prägte ihn lebenslang. Er erinnerte sich immer wieder daran und war überzeugt, dass er hier den Schutz Gottes erfahren hatte. Es war für ihn kein Zufall, dass er an dieser Stelle überlebt hatte.
Sehr geprägt wurde er auch durch seine Mutter. Susanna Wesley wird als geistvolle und gebildete Frau beschrieben, die sich stets um ihre Kinder kümmerte und ihnen geistliche Substanz vermitteln wollte. Es wird erwähnt, dass sie einen festen Plan hatte, in dem sie jeder Woche jedem Kind mindestens zwei oder drei Stunden widmete – also jedem einzelnen Kind.
Man kann sich vorstellen, dass in diesem Tagesablauf schon einiges zu tun war. John Wesley wusste zum Beispiel, dass er immer am Donnerstagabend an der Reihe war. An diesem Nachmittag und Abend nahm sich seine Mutter besonders Zeit für ihn. Sie verbrachten zwei bis drei Stunden miteinander, spielten oder sie erzählte ihm Geschichten. An diese Zeit erinnerte er sich noch viele Jahre später.
Nebenbei unterrichtete sie ihn sogar während der gesamten Grundschulzeit. Ich frage mich, wie die liebe Frau das alles bewältigte: den Haushalt ohne Kochherd, ohne Mikrowelle, ohne Waschmaschine, mit neunzehn Kindern – und dann nahm sie sich noch Zeit für ihre Kinder. Ich weiß es nicht.
Jedenfalls muss das sehr beeindruckend für ihn gewesen sein. Später sprach er immer wieder mit großer Hochachtung von seiner Mutter.
1720 kommt John Wesley schließlich an die Universität von Oxford. Dort liest er die Geschichte von Thomas von Kempen, die bis heute in katholischen Kreisen sehr verbreitet ist: „Die Nachfolge Christi“.
Es geht darin darum, wie ein Mensch auf eine sehr gute Weise Jesus Christus nachfolgen kann und was er dafür tun muss. Das Buch will praktische Hilfen geben, etwa wie man zu Gott betet und wie man im Alltag zu Gott lebt – eine durchaus wichtige Sache.
In dieser Zeit setzt sich Wesley auch mit der Prädestination auseinander. Er fragt sich, ob er von Gott erwählt ist oder nicht, ob er etwas dazu beitragen kann und wie man damit umgeht. Für ihn ist auch die Frage der Heilsgewissheit brennend. Er weiß nicht, ob er errettet ist oder nicht, zweifelt ein wenig und engagiert sich sehr stark.
Mit 22 Jahren wird er schließlich an der Universität zum Diakon und später zum Priester der anglikanischen Kirche von England geweiht. Er hat damit ein einträgliches Einkommen, das er bis zum Ende seines Lebens behält. Er bleibt Priester der anglikanischen Kirche, doch sein Innenleben ist durcheinander. Er ist noch nicht klar mit Gott. Zwar ist er Priester, aber er weiß nicht genau, was und wie er das weitergeben soll.
Er versucht, einmal in der Woche am Abendmahl teilzunehmen, weil er das ernst nimmt. Er will Jesus erfahren, ihm nahe sein und empfindet das als einen besonders heiligen Augenblick.
Sein Leben lang führt er ein Tagebuch. Er lebt sehr strikt und teilt sein Leben genau ein. Jeden Tag schreibt er einen Abschnitt, egal was passiert. So sind wir gut informiert darüber, wie er gelebt hat. Ich werde hier und da auch ein paar Ausschnitte aus seinem Tagebuch vorlesen, das bis heute auch auf Deutsch übersetzt zum Nachlesen vorliegt.
Wesley gibt regelmäßig Almosen an Bedürftige und Arme in der Stadt, wo er umhergeht. Auch als sein Gehalt steigt, bleibt er dabei. Oft neigen Menschen dazu zu sagen: „Jetzt bekommen wir mehr, jetzt können wir uns mehr leisten, jetzt können wir mehr Geld ausgeben.“ Bei ihm finden wir im Tagebuch und in Berichten von Freunden jedoch eine andere Haltung.
Sein anfängliches Gehalt betrug 30 Pfund im Jahr. Davon verwendete er selbst 28 Pfund und gab 2 Pfund für Arme und kirchliche Zwecke weg. Man könnte sagen, das sind nicht einmal zehn Prozent, denn zehn Prozent wären mindestens 3 Pfund gewesen. Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen, wie es weiterging.
Als er wenige Jahre später 60 Pfund erhielt, brauchte er immer noch 28 Pfund für sich selbst und gab 32 Pfund als Spenden weg. Gegen Ende seines Lebens bekam er sogar 120 Pfund. Ihr könnt euch vorstellen, wie es da aussah: Er lebte weiterhin bescheiden mit wenig und einfachem Essen und in einer kleinen Kammer.
Von den 120 Pfund im Jahr verwendete er 28 Pfund für sein Leben und gab die restlichen 92 Pfund als Spenden weg. Das zeigt eine ganz andere Einstellung.
Für ihn war das, was er selbst brauchte, das Minimum, mit dem er auskam. Alles andere war Gottes Sache und gab er für Gott weg. Wenn er einmal mit so wenig ausgekommen war, konnte er auch für den Rest seines Lebens mit diesem Geld auskommen. So nahm er die Auseinandersetzung und Hingabe für Gott ernst.
Er trat dort bald dem sogenannten Heiligen Club bei, einer besonderen Organisation, die bald den Spott der anderen Studenten erregte. Sein Bruder Karl, der ebenfalls in Oxford studierte, hatte diesen Club gegründet. Karl war ein sehr musikalischer Mann, der später zahlreiche Lieder dichtete, die bis heute vielfach in den Kirchen Englands gesungen werden – insbesondere in der Methodistischen Kirche. Diese Kirche ist ja durch John und Charles Wesley entstanden.
John Wesley war dort Mitglied und wurde bald eine prägende Figur. So stand er statt seines ruhigen Bruders Karl im Mittelpunkt. Täglich widmete er ein bis zwei Stunden Andacht. Wenn es früh zu den Vorlesungen ging, stand er früher auf oder blieb abends lange wach, um Zeit mit Gott zu verbringen. Bald wurde er auch als Repitent angestellt – so nannte man die jungen Studenten, die den anderen halfen.
Er war auf der Suche nach Gott und wollte Gottes Nähe erfahren. Doch trotz all seiner Bemühungen und obwohl er immer wieder darum kämpfte, Gott zu erfahren, fehlte ihm innerlich die Heilsgewissheit. Er fastete zweimal in der Woche, um sich vor Gott zu demütigen, war aber weiterhin unsicher.
Im Rückblick beschreibt er diese Zeit in seinem Tagebuch: „Mit der Gerechtigkeit Christi, die jeden selig macht, der lebendig an ihn glaubt, wollte ich meine eigene Gerechtigkeit aufrichten und zerarbeitete mich im Schweiß meines Angesichts. Ich war recht eigentlich unter dem Gesetz“, schreibt er. Er war voll auf der Suche. Man könnte sagen, er war ein vorbildlicher religiöser Mensch, vor dem jeder den Hut zog.
Er gab Geld weg, ging zu Armen und versuchte ihnen zu helfen. Er nahm sich viel Zeit zum Bibellesen, fastete, ging zum Abendmahl und selbstverständlich zum Gottesdienst. Er hatte sich auch nichts dabei gedacht, dass er den Spott der Menschen auf sich zog, weil er im Heiligen Club mit dabei war.
Die Bevölkerung um ihn herum beschimpfte ihn und seinen Club als die Methodisten. Und „Methodisten“ steckt ja in dem Wort „Methode“ – diejenigen, die versuchen, nach einer bestimmten Methode Gottes Segen und das Christsein zu erzwingen.
Durch die starke körperliche Beanspruchung begann er nach einigen Monaten, Blut zu spucken. Er brach nachts zusammen und meinte, sein Ende sei nahe. In dieser Situation betete er: „Herr, bereite du mich auf deine Ankunft vor und dann komme, wann du willst.“ Innerlich hatte er mit dem Leben abgeschlossen und dachte, es gehe zu Ende.
Als er sein Studium beendete, hatte er immer noch diese innere Unsicherheit. Er war weiterhin auf der Suche nach Gott und versuchte, ihn zu erfahren, indem er sich in die Mission begeben wollte – sicherlich nicht das beste Motiv dafür.
Ich habe hier auch noch ein anderes Bild von John Wesley, diesmal zur Abwechslung ein Bild, das ihn beim Predigen zeigt. Es stammt aus einer Kirche und zeigt ein Kirchenfenster.
Dann wollte er sich auf den Weg nach Amerika machen. Amerika war damals neu entdeckt und sollte besiedelt werden. Eine Sträflingskolonie sollte dort eingerichtet werden. Wesley wollte mitziehen, um als Pfarrer dort zu arbeiten und vor allem die heidnischen Indianer mit dem christlichen Glauben zu erreichen.
Sein Hauptmotiv, so schreibt er, war die Hoffnung, seine eigene Seele zu retten. Er hoffte, den eigentlichen Sinn des Evangeliums von Christus verstehen zu lernen, wenn er den heidnischen Indianern predigte. Sie hätten keine Kommentare, um den Text wegzudeuten, keine eitle Philosophie, um ihn zu verkehren.
Während der Überfahrt auf dem Schiff waren auch einige Herrenhuter von der Herrenhuter Brüdergemeinde an Bord. Diese hatten ebenfalls eine Kolonie in Amerika und betrieben dort Indianermission. Dann kam ein einschneidendes Erlebnis: Auf dem Meer brach ein riesiger Sturm los. Damals war die See noch etwas gefährlicher, und es drohte das Schiff unterzugehen. Wesley hatte Angst um sein Leben.
Währenddessen sah er, wie die Herrenhuter Brüdergemeinde scheinbar ganz ruhig in der Ecke saß, sang und Gott dankte. Wesley war vollkommen aus der Fassung. Nachher ging er zu dem Prediger dieser Herrenhuter Brüdergemeinde und fragte ihn, ob sie denn wirklich keine Furcht gehabt hätten, als das Unwetter kam.
Der Prediger antwortete: „Nein.“ Dann fragte Wesley weiter: „Aber hatten eure Frauen und Kinder denn keine Angst?“ „Nein“, antwortete Walter, „unsere Frauen und Kinder fürchten den Tod nicht.“ Das beeindruckte Wesley sehr. Er verstand nicht, wie Menschen in solch einer Situation so gelassen sein konnten. Es war nicht nur ein Spruch, sondern man merkte, dass dahinter auch das Leben stand.
Als Wesley schließlich in Amerika angekommen war, sprach ihn einer der Herrenhuter Brüdergemeinde an. Er fragte: „Mein Bruder, darf ich dir zwei Fragen stellen? Hast du in dir das Zeugnis, dass du ein Kind Gottes bist?“ Sehr direkt hatte er ihn gefragt. Er hatte wohl gemerkt, dass mit Wesley etwas nicht stimmte, obwohl dieser ja als Pastor, als geistlicher Lord, ausgereist war.
Wesley war innerlich unsicher und antwortete: „Na ja, ich weiß, was man glauben muss, und ich kenne die Bibel, aber irgendwie nein, eigentlich noch nicht.“ Die nächste Frage lautete: „Kennst du Jesus?“ Wesley antwortete darauf: „Ich weiß, dass er der Erlöser der Welt ist.“ Dann sagte der Herrnhuter: „Das ist wahr, aber weißt du auch, dass er dein Erlöser ist?“
Wesley wusste darauf nicht zu antworten. Er war innerlich unruhig und aufgewühlt. Er versuchte, die Indianermission voranzutreiben. Wie man sich vorstellen kann, klappte das Ganze nicht. Es lief nicht so, denn was sollte er weitergeben, was er selbst nicht hatte?
Schließlich versuchte er mit seiner strengen, methodischen Art, die Menschen zu zwingen, so zu leben, wie er es sich vorstellte. Sie sollten so oft in der Bibel lesen und so oft zum Gottesdienst gehen. Dabei machte er sich einen schlechten Ruf unter den Aussiedlern, die in den USA lebten und ihr Leben machen wollten. Das waren raue Gestalten, die von seinem Glauben nichts wissen wollten.
Schließlich kam es sogar dazu, dass er in eine junge Frau verliebt war, die aber nichts von ihm wissen wollte. Ein anderer befreundete sich mit ihr, und Wesley ergriff kirchliche Mittel, um diesen Mann aus der Kirchengemeinschaft auszuschließen. Dabei waren seine Motive nicht ganz rein, obwohl er sich sicherlich auch etwas zu Schulden kommen ließ.
Schließlich gestand Wesley sich selbst ein: „Ich ging nach Amerika, um die Indianer zu bekehren, und was fand ich? Was ich am wenigsten erwartet hatte: dass ich selbst nie zu Gott bekehrt war.“ Er brach sein Vorhaben ab, resignierte und fuhr zurück nach England.
Dort traf er wieder den Prediger, den er schon auf dem Schiff getroffen hatte. Sein Name war Peter Böhler. Dieser nahm ihn mit zu verschiedenen Versammlungen der Brüdergemeinden in London.
Schließlich sprach Wesley mit ihnen über den Unterschied zwischen dem reinen Verwahrhalten, dass es einen Gott gibt und dass Jesus für ihn gestorben ist, und dem innerlichen Vertrauen darauf, dass Gott auch für ihn persönlich gestorben ist.
Mit der Zeit erkannte Wesley, dass es einen Unterschied gab. Er merkte, dass er sich bekehren und umkehren musste. Das führte schließlich dazu, dass sein Glauben von einem vorformulierten Gebet zu einer freien Beziehung überging.
Am 24. Mai 1738 lernt er Gott persönlich kennen. Er berichtet selbst davon; ich lese aus seinem Tagebuch vor:
Mittwoch, den 24. Mai, gegen fünf Uhr morgens öffnete ich mein Testament mit den Worten, durch welche uns die teuren und allergrößten Verheißungen geschenkt sind, nämlich dass ihr durch ihn teilhaftig werdet der göttlichen Natur. Als ich ausgehen wollte, öffnete ich es aufs Neue, und meine Augen fielen auf die Worte: „Ihr seid nicht ferne vom Reiche Gottes.“
Am Nachmittag ging ich in eine Kirche. Dort hörte ich einen Kirchengesang. Aus der Tiefe rief ich: „Herr, zu dir, Herr, höre meine Stimme, lass deine Ohren merken auf meine Stimme und auf die Stimme meines Flehens. So willst du, Herr, meine Sünden mir nicht zurechnen. Wer kann vor dir bestehen?“ Innerlich erfuhr ich ein großes Widerstreben.
Am Abend ging ich in die Versammlung in der Aldersgate Street, wo jemand Luthers Vorrede zum Brief an die Römer vorlas. Etwa ein Viertel vor neun, als die Veränderung geschildert wurde, welche Gott durch den Glauben an Christus im Herzen bewirkt, fühlte ich mein Herz seltsam erwärmt. Ich spürte, dass ich auf Christus allein für mein Seelenheil vertraute, und es wurde mir die Versicherung gegeben, dass er meine Sünden hinweggenommen habe. Ja, die meinen und mich errettet habe vor dem Gesetz der Sünde und des Todes.
Ich fing mit aller Macht an, für diejenigen zu beten, die mich besonders tief betrübt und verfolgt hatten. Danach bezeugte ich öffentlich vor allen Anwesenden, was ich jetzt zum ersten Mal in meinem Herzen fühlte. Aber es dauerte nicht lange, da gab mir der Feind ein: „Das kann kein Glaube sein, wo bleibt denn deine Freude?“ Ich lernte schnell, dass wohl der Friede und die Überwindung der Sünden verbunden sind mit dem Glauben an den obersten Führer der Seligkeit – und so weiter und so weiter, berichtet er davon.
Hier erfährt er den Durchbruch. Er merkt, wie Gott den ganzen Tag schon vorbereitet hat: Er liest etwas, dann hört er etwas aus der Kirche heraus, geht am Abend in eine andere Versammlung und merkt, dass er angesprochen wird. Nicht seine guten Taten, nicht sein viel Bibellesen, nicht das Hingehen in die Mission oder seine Opferbereitschaft beim Fasten und was weiß ich noch alles, rettet ihn. Sondern nur diese Gnade Gottes.
Er merkt, dass das andere nutzlos dafür ist. Er selbst kann gar nicht gut genug sein, um von Gott angenommen zu werden. Es braucht nur diese Gnade, das Ja zu sagen, sich darauf zu verlassen: „Jesus, du bist für mich gestorben, ich will ein Leben mit dir führen, ich kann gar nichts dafür tun.“
Er verzichtete deshalb nicht darauf, sein Leben weiterhin so zu führen, wie er es bisher getan hatte, weil er es immer noch als wichtig ansah. Er ging nun nach Deutschland zu dem Grafen von Zinzendorf, der die Herrnhuter Brüdergemeinde gegründet hatte.
Er traf ihn, einen Reichsgrafen, der sonst mit Purpur und großen Gewändern herumging, auf dem Feld arbeitend, in einem Leinenanzug, mit anderen Brüdern und Schwestern, mit denen er zusammenarbeitete. Wesley war beeindruckt davon. Er blieb dort mehrere Wochen, wurde geprägt davon und wollte nun die Herrnhuter Brüdergemeinden auch in England verbreiten.
Dazu kam es schließlich nicht. Er hatte sich dann auch mal mit dem Grafen Zinzendorf zerstritten, insbesondere an der Frage der Prädestination: Bestimmt Gott vorher oder müssen wir uns selbst bemühen und so zu Gott kommen? Aber das ist dann noch eine andere Frage.
Er ging zurück nach England und traf dort zahlreiche andere Christen, die schließlich auch für seine Arbeit in England von Belang sein sollten.
Ein Beispiel, das ich hier nur kurz erwähnen möchte, ist George Whitefield. Später führte er in Amerika Tausende von Menschen zum Glauben an Jesus Christus.
Er wuchs in einer sehr schlechten Umgebung auf, in einer kleinen, schlechten Kneipe. Seine Eltern fluchten häufig, dort waren betrunkene Leute, und niemand kümmerte sich wirklich um den Glauben. Whitefield schreibt selbst darüber: „Wenn sich ein Jüngling im Evangelium rühmen konnte, er habe die Gebote Gottes von seiner Jugend an gehalten, so muss ich mit Scham und Reue das Gegenteil bekennen. Die Sünden und Übertretungen meiner Jugendzeit sind mehr denn Haare auf meinem Haupt.“
So erzählt er weiter, und schließlich kommt es dazu, dass er an die Universität nach Oxford geschickt wird. Seine Eltern hatten reiche Unterstützer gefunden. Dort trifft er John Wesley und kommt durch ihn zum Glauben. Whitefield tritt auch dem frommen „Heiligen Club“ bei und wird später ein wichtiger Mitarbeiter von John Wesley.
Soweit nur dazu.
Es entsteht schließlich eine große Bewegung in England. John Wesley versucht, in den Kirchen zu predigen, wird aber häufig aus den Kirchen geworfen, wenn man ihn dort nicht haben will. Er bringt ja alles durcheinander. Plötzlich kommen Leute in die Kirche, die vorher nie dort gewesen sind. In vielen Kirchen wird ihm daher das Predigen verweigert.
So wird er gezwungen, in Privathäusern, in gemieteten Hallen, Räumen oder ganz im Freien zu den Menschen zu predigen.
Ein solches Ereignis, das dort beschrieben wird, findet im Jahr 1739 statt. John Wesley kommt nach Mittelengland zu den Kohlearbeitern in Kingswood. Er wird darauf aufmerksam, als man ihm sagt: „Du willst doch so gern zu den Heiden gehen, dann geh nach Kingswood, dort findest du genug Heiden, die das Evangelium nicht kennen.“
Er zieht also dorthin aus. Man fragt sich, was dort schließlich passieren kann. In Kingswood gibt es eine der befürchtetsten Gruppierungen. Die Leute fürchten weder Gott noch sonst irgendetwas. Religion ist das Letzte, worum man sich kümmert. Die Journalisten schreiben sogar, dass sich die Menschen von Kingswood von den Tieren nur dadurch unterscheiden, dass sie sprechen können – sonst gäbe es keinen Unterschied.
Als Wesley das erste Mal durch die Straßen geht, kommen gerade die Arbeiter von ihrer Schicht aus der Zeche heraus. Er stellt sich auf einen Kohlehaufen und fängt an zu predigen. Zweihundert belustigte Kohlearbeiter bleiben stehen. Sie denken, das sei eine willkommene Abwechslung, hier mal einen Prediger zu hören, und lachen ihn aus. Doch seine Botschaft verbreitet sich, und am nächsten Tag sind bereits zweitausend Kohlearbeiter da.
Wesley predigt eine ganze Woche lang. Am Ende der Woche sind fünftausend Kohlearbeiter gekommen. Schließlich, nach einer weiteren Woche Predigt, versammeln sich bei einer Anhöhe in der Nähe von Kingswood zwanzigtausend Menschen, um John Wesley zuzuhören. Das ist ein Handeln Gottes. Gott verändert diese Menschen, von denen jeder gedacht hatte, sie seien vollkommen areligiös und uninteressiert am Glauben.
Mit der Zeit werden auch andere Geistliche und die Zeitungen auf das Geschehen aufmerksam. Es ist eine vollkommene Veränderung. Wesley berichtet davon, wie die Kohlearbeiter aus der Zeche kommen, ihnen die Tränen herunterlaufen, wie sich auf ihren schwarzen Gesichtern langsam weiße Fäden bilden und Menschen umkehren. So entsteht eine Gemeinde.
Diese Gemeinde wird jedoch nicht von der offiziellen Kirche angenommen. Deshalb müssen sie sich privat treffen, oft in einer Kneipe. Das Leben der Menschen in Kingswood verändert sich völlig. Wesley beschreibt, dass der Geist des Herrn über ihn gekommen sei – so sieht er es –, dass er so predigen konnte, dass die Menschen angesprochen wurden. Er meint, das komme nicht von ihm selbst.
Er teilt nun die Gruppierungen ein. Die Menschen beten dafür, dass andere zum Glauben kommen, und die Gemeindearbeit beginnt. Wesley kauft eine alte Eisengießerei auf, die schließlich die erste Kirche dort wird. Sie heißt Wesley’s Foundry. Jeden Sonntag treffen sich dort 1500 Zuhörer in einem kleinen Saal. Daneben stehen noch 300 Menschen draußen vor dem Haus, weil sie keinen Platz mehr finden.
So entstehen hier und in anderen Städten Englands zahlreiche neue Gemeinden. Besonders einfache Menschen aus der Bevölkerung, keine Intellektuellen oder theologisch ausgebildeten Pfarrer, erkennen, was Gott für sie tut. Eine Massenbewegung entsteht.
In dieser Bewegung bemühen sich die Menschen, ein gutes Leben zu führen. Sie gehen nicht mehr nur davon aus, dass Gott sie errettet, sondern fangen an, ihr Leben zu verändern. Sie verzichten auf Alkohol, schlagen ihre Frauen nicht mehr, misshandeln ihre Kinder nicht mehr und werfen ihr Geld nicht mehr durch Glücksspiele zum Fenster hinaus. Plötzlich sind hier Menschen, die ihr Leben wirklich verändern.
Nun ist es so, dass auch in London eine Gemeinde entsteht. Erst mit 26 Männern und 48 Frauen bildet sich 1740 eine erste Gemeinde in London.
Wesley sagt, als er einmal gefragt wird, welche nun seine Gemeinde sei: „Ich betrachte die ganze Welt als mein Kirchspiel. Deshalb meine ich, dass es sich gehört, wo ich auch in der Welt bin, mein Recht, meine Pflicht und Schuldigkeit zu tun, allen, die es hören wollen, die frohe Botschaft der Erlösung zu verkündigen. Dies ist die Aufgabe, zu der ich sicher von Gott berufen bin, und ich bin überzeugt, dass sein Segen darauf ruhen wird.“
Es ist schließlich so, dass er auch ein Waisenhaus übernimmt, das George Whitfield, sein Kollege, gegründet hatte. Whitfield zog durch ganz Südengland und durch Wales und löste dort eine regelrechte Erweckung aus. Wesley Whitfield fühlte sich dann von Gott nach Amerika berufen. Schließlich übergab er diese Aufgabe an Wesley, der die Arbeit weiterführte.
Es gab dann einige Mitarbeiter, die ebenfalls für ihn wichtig waren. Das überschlage ich jetzt einfach einmal.
Wenn wir das Leben John Wesleys in den nächsten Jahren betrachten, müssen wir uns vorstellen, dass er ständig unterwegs war. Wo immer er hinkam, predigte er vor Menschen. Hier finden Sie etwas Ähnliches: Einmal im Wald wurde eine kleine Tribüne aufgebaut. Manchmal war es auch nur so – ich habe hier ein Bild davon – dass Wesley immer eine zusammenklappbare kleine Kanzel auf seinem Pferd mit dabei hatte. Darauf stieg er hinauf, damit die Leute ihn hören konnten. Dort begann er dann im Freien seine Predigt zu halten, wenn es keine andere Möglichkeit gab.
Hier sehen Sie eine ähnliche Versammlung: Hunderte von Menschen stehen dort, um dem Prediger zuzuhören. So war es, dass er jeden Tag etwa siebzig bis neunzig englische Meilen unterwegs war – und das per Pferd. Also nicht in einem Auto und auch nicht bei den Verkehrsverhältnissen, die wir heute kennen.
Im Durchschnitt legte er etwa viertausendfünfhundert bis fünftausend Meilen zurück. Er las auf dem Pferd, bereitete dort seine Predigten vor und hielt pro Tag zwei bis drei Predigten. Außerdem hatte er sich einen kleinen Schreibpult installieren lassen, auf dem er seine Notizen schrieb. Ich weiß nicht, wie das ging und ob es nicht sehr geschaukelt hat auf dem Pferd, aber so konnte Gott ihn gebrauchen.
Viele Menschen wollten ihn hören, viele kamen hinzu und waren fasziniert von ihm. Es wird berichtet, dass, als er später auch einmal nach Amerika kam, dort Benjamin Franklin, der spätere Präsident, anwesend war. Franklin wollte nur sehen, was es mit Wesley auf sich hatte, warum so viele Leute zu ihm kamen. Er war ein skeptischer Mann und wollte mit Religion nichts zu tun haben.
Es wird berichtet, dass Franklin am Ende der Predigt in Tränen ausbrach. Er nahm das Geld, das er bei sich hatte, und warf es in den Opferstock. So müssen wir uns vorstellen, wie Gott durch diesen Mann wirkte. Menschen, die gekommen waren, um eine solche Sache zu kritisieren, wurden hinterher von der Sünde überführt. Sie kehrten total um und taten das Gegenteil von dem, was sie sich vorgenommen hatten.
Es wird berichtet, dass Wesley etwa 43 Predigten in seinem Leben hielt – also eine ganze Menge. Außerdem sprach er gegen Trunksucht, Fluchen, Schwören und Ähnliches. Die Menschen nahmen das ernst, und es gab Veränderungen in ihrem Leben.
In Thundergate berichtet er von einem weiteren Auszug aus seinem Tagebuch:
Am folgenden Morgen, gerade am Sonntag um sieben Uhr, begab ich mich nach Thundergate, dem ärmlichsten und verachtlichsten Teil der Stadt. Hier stellte ich mich mit John Taylor an das Ende der Straße und begann, den einhundertsten Psalm zu singen. Drei oder vier Leute kamen heraus, um zu sehen, was los war. Bald vermehrten sich diese auf vier bis fünfhundert.
Ich glaube, als meine Predigt vorüber war, waren es wenigstens zwölf- oder fünfzehnhundert Anwesende, die den herrlichen Worten lauschten, die vor meinen Augen geführt wurden: „Aber er ist um unserer Übertretungen willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“
Schließlich blieb ich bis zum Abend um fünf Uhr dort, predigte weiter, und Menschen kamen zum Glauben und ließen sich dort verändern.
An einem anderen Ort verbot der Pfarrer ihm schließlich, zu predigen. Daraufhin ging er draußen auf den Friedhof und begann dort zu predigen. Menschen kamen, am nächsten Tag kam er wieder, und noch mehr Menschen folgten. Schließlich entstand auch dort eine Gemeinde, Menschen kehrten um und bekehrten sich.
Hier ein weiteres Bild von ihm: Man versucht, ihm Steine in den Weg zu legen. Er geht durch Schnee und Stürme, schläft in schmutzigen, dreckigen, kalten Kellern. Manchmal haben sie tagelang nichts zu essen. Einige fragen ihn schon, wie er das nun überleben könne. Er selbst fragte sich das auch. Der Bruder Nielsen, der mit ihm unterwegs ist, beschwert sich, dass es jetzt zwei Tage lang nichts als Brombeeren gab, die sie am Rand des Weges gefunden haben, und sonst nur die schlechteste Nahrung.
Manchmal wird er zum Predigen eingeladen, aber keiner denkt daran, dass er auch leben muss. Niemand bietet ihm Unterkunft an, und niemand will ihm dabei helfen.
Es gibt Verfolgung. Oftmals sind es Leute, die sich gar nicht an seiner Botschaft erfreuen. Sie nehmen ihre faulen Eier mit, bewerfen ihn mit Steinen, verspotten ihn – und manchmal wird es sogar ernst.
Von einer Verfolgung wird berichtet: In einer großen mittelenglischen Stadt predigt er draußen auf der Straße. Die Leute versuchen, ihn zu fangen. Einige werfen Steine nach ihm. Ein dicker Stein trifft ihn an der Stirn, Blut läuft ihm herunter. Schließlich kommt eine große Menge zusammen. Er geht in ein nahegelegenes Haus von Leuten, die ihn eingeladen haben.
Doch die Menge schreit: „Bring den Prediger heraus, wir wollen den Prediger haben!“ Wesley, der Geforderte, ist sich nicht sicher, was er tun soll. Es wird damit gedroht, das Haus anzuzünden. Wesley geht nun freiwillig nach draußen.
Einige der Rädelsführer kommen zu ihm, um mit ihm zu sprechen und ihn fertigzumachen. Sie wollen ihn schließlich töten – so wird zunächst gesagt. Doch als er mit einigen von ihnen spricht, verändert sich plötzlich etwas.
Diese Rädelsführer, mit denen er etwas abseits der großen Menge spricht, merken, dass irgendetwas an seiner Botschaft dran ist. Das geht nicht mehr so einfach vorbei. Schließlich flüstern sie mit ihm und sagen: „Ja, wir werden dir helfen.“
Einige Leute, die noch gerade dabei waren, ihn zu schlagen, werden zurückgehalten. Die riesige Menge ringsherum führt ihn durch die Stadt. Sie wollen ihn auf einen großen Platz bringen, um ihn dort niederzuschlagen.
Wesley versucht, in einen nahegelegenen Laden zu gehen. Der Ladenbesitzer drängt ihn jedoch wieder hinaus und sagt: „Nein, hier kannst du gar nicht rein. Die würden meinen Laden zerschlagen, wenn du hier reinkommst.“ So muss er weiter draußen auf der Straße bleiben.
Plötzlich entsteht ein Tumult. Die drei Leute, die mit ihm gesprochen haben, versuchen, ihn durch eine Nebengasse wegzuführen – mit zerrissenen Kleidern und Blut am Kopf. Doch er entkommt mit dem Leben.
Das gibt es also auch. Nicht alle sind von den Predigten Wesleys begeistert.
Nun, auch hier möchte ich noch einiges zu John Wesley anmerken. Auffällig ist, dass er ein Mann von starker Disziplin war. Morgens stand er meistens um vier Uhr auf. Dann begann er, in der Bibel zu lesen, zu beten und für seine Mitarbeiter sowie für seine Gemeinden zu beten.
Er wollte sich sein Leben lang nicht von der Kirche trennen. Dennoch wurde er sozusagen herausgedrängt, und erst nach seinem Tod entstand schließlich die methodistische Kirche. Wesley hatte nicht nur die Bibel gelesen, sondern auch klassische Schriften des Altertums sowie wissenschaftliche Werke. So setzte er sich mit den Gedanken und Themen der Menschen seiner Zeit auseinander.
Hier sei noch einmal eine Predigt erwähnt, in der er draußen im Freien zu Menschen sprach. Gegen Ende seines Lebens wurde er gefragt, warum er so alt geworden sei und wie er sein Leben gestaltet habe. Darauf antwortete er in seinem Tagebuch:
„Erstens, ohne Zweifel, ist es die Macht Gottes, die mir die nötige Kraft zu diesem Werk verliehen hat, wozu ich berufen worden bin, solange es ihm gefällt, dass es wirklich sein soll. Dann zunächst dem Gebet meiner Kinder. Schließlich möge auch wohl die Mittel einer Ursache meines Wohlbefindens sein: erstens meine beständige Tätigkeit und Luftveränderung; zweitens, dass ich seit meiner Geburt, ob krank oder gesund, zu Land oder zu Wasser, niemals lächerlichen Schlaf entbehrt habe. Der Schlaf steht mir zu Gebote, wenn ich will. So oft ich ermattet fühle, rufe ich ihn herbei und kann mich des Schlafs ausruhen, weil ich seit sechzig Jahren immer um vier Uhr morgens aufgestanden bin, weil ich seit fünfzig Jahren jeden Morgen um fünf Uhr predige, weil ich mein ganzes Leben wenig Schmerzen und ebenso wenig Kummer und Sorge gehabt habe.“
Schließlich wurde er alt und krank, konnte sich nicht mehr so gut bewegen und predigte nur noch wenig. Im Jahr 1790 starb er im Alter von siebenundachtzig Jahren.
John Wesley gab daneben zahlreiche Impulse in England. Die Sklaverei wurde dort unter anderem durch seine Initiative abgeschafft. Er hatte an Abgeordnete geschrieben und sie damit beeinflusst. Außerdem setzte er sich für eine Gefängnisreform in England ein. In Amerika engagierte er sich für die Rechte der Indianer.
Viele Dinge veränderten sich durch sein Wirken. Er versuchte, armen Menschen auf der Straße Nahrung und Arbeit zu geben. Wie wir heute wissen, entstand eine große weitere Konfession, die methodistische Gemeinde, durch ihn.
Nun, wenn wir zurückblicken, gibt es einiges, was wir aus dem Leben von John Wesley als Herausforderung für uns mitnehmen können.
Das erste ist: Nicht durch unsere Taten und nicht durch unsere Bemühungen werden wir gerettet. Wir können uns noch so sehr abmühen oder vielleicht frustriert sein, weil wir wissen, dass wir es eigentlich nicht schaffen. Wir können nicht so gut sein wie die Zehn Gebote oder wie John Wesley es uns vorgelebt hat. Dabei erkennen wir, dass wir nur durch die Gnade Gottes erlöst werden. So können wir erfassen, wie John Wesley es erfasst hat: Wir müssen keine Leistung vor Gott bringen, sondern Gott akzeptiert und nimmt uns so an, wie wir sind.
Das andere, was wir daraus sehen können, ist, dass wir den Platz einnehmen sollen, den Gott für uns vorgesehen hat. John Wesley hatte vorher versucht, in Oxford einen Studentenkreis aufzubauen, und in Amerika die Indianer zu missionieren – doch nichts geschah. Dort, wo er bereit war, auf Gott zu hören, geschah plötzlich etwas unter ungünstigsten Bedingungen. Wo jeder gesagt hätte, das könne nie passieren, kamen plötzlich Tausende von Menschen zu Jesus Christus, kehrten um, wurden erfüllt von der Gnade Gottes und dem Heiligen Geist und begannen ein neues Leben.
Sicherlich kann uns das auch motivieren, die ganze Sache mit Gott zu machen und nicht nur eine halbe Sache. So wie es John Wesley nahegelegt wurde und wie zahlreiche Geistliche ihm immer gesagt haben: „Wenn du nicht so extrem bist, dann kannst du in der Kirche predigen, dann kannst du dort hineinkommen.“ Oder wie man sagen könnte: „Nun, wenn ich keinen Luxus habe, nicht weiß, wo ich mich hinlegen soll, nicht genug Geld verdiene oder unter starken körperlichen Strapazen lebe – warum soll ich das auf mich nehmen? Lass mich doch das Leben genießen, ich kann doch genauso wie andere auch leben.“
John Wesley hätte eine gut bezahlte Pfarrstelle annehmen können. Stattdessen war er bereit, wenn Gott es von ihm forderte, konsequent zu sein und Lasten auf sich zu nehmen. So, wie er es erlebt hat und wie er auch sagt, schreibt er es nicht sich selbst zu, sondern sieht es als die Gnade Gottes, dass er all das tun konnte und Gott so durch ihn gewirkt hat.
Damit wollen wir für heute abschließen. Falls noch mehr Interesse an John Wesley besteht, kann ich sein Tagebuch empfehlen oder einige der Biografien, die über ihn geschrieben sind. Es war ein spannendes, erfülltes und langes Leben, das von Gott geprägt wurde.
Lass uns miteinander beten.
Herr Jesus Christus, vielen Dank, dass du immer wieder Menschen in der Vergangenheit und in der Gegenwart gebraucht hast, um dein Wort zu verbreiten. Danke, dass du einen Plan für diese Menschen hattest und solche Menschen wie John Wesley genutzt hast, um viele zu dir zu führen, viele zur Errettung zu bringen und ihnen die Wahrheiten aus deinem Wort nahezubringen.
Herr Jesus, ich möchte dich bitten, dass du auch uns dafür gebrauchen möchtest, andere Menschen auf dich hinzuweisen. Gib uns Mut und Kraft dafür. Schenke uns auch die Disziplin, die notwendig ist, um an deinem Wort festzuhalten, in deinem Wort zu lesen, uns dir zuzuwenden und konsequent mit dir zu leben.
Ich möchte dich bitten für all diejenigen, die hier sind und dich noch nicht kennen. Zeige ihnen, dass du wie ein guter Vater zu ihnen sein willst. Lass sie erkennen, dass es nicht auf Leistung ankommt, nicht auf fromme Taten, die wir tun können, sondern nur auf deine Gnade, deine Zuwendung und deine Liebe zu uns. Zeige ihnen, dass du uns neues Leben anbieten willst, in dem sich vieles grundlegend verändern kann.
Herr Jesus, geh du mit uns in diesen Abend und zeige uns die Stelle, an der du uns gebrauchen willst und an der wir fruchtbar für dich sein können. Amen.
Damit möchte ich euch in diesen Abend entlassen. Wir sehen uns dann morgen früh spätestens beim Frühstück wieder.