Einführung in die Lehre der Heilszeiten
Wir wollen uns an fünf Abenden mit der biblischen Lehre von den Heilszeiten beschäftigen. Diese Lehre wird auch als Lehre von den Haushaltungen bezeichnet oder, schwäbisch ausgedrückt, als Dispensationalismus. Das ist das theologische Fremdwort dafür: die biblische Lehre von den Heilszeiten.
Einleitend stelle ich die Frage, was wir eigentlich in der Bibel haben. Dabei geht es darum, zu erkennen, welches Bibelwort wo in der Bibel steht, für welche Zeit es gegeben ist und an welche Menschen oder Gruppen es gerichtet ist.
Wir können nicht einfach jedes Bibelwort wie einen Stein aus dem Steinbruch herausbrechen und damit machen, was wir wollen. Wir müssen den Zusammenhang beachten, also wo es steht und zu wem es gesprochen ist.
Stell dir vor, du machst gerade Urlaub in England und wohnst bei einer christlichen Familie puritanischer Prägung. Die Puritaner sind eine besonders strenge Heiligungsbewegung in England. Am Sonntagmorgen sitzt du am Frühstückstisch und verlierst einen Knopf an deiner Bluse. Du hebst ihn auf und sagst: „Kein Problem, den nähe ich schnell nachher wieder an.“
Da antwortet der Hausvater, der Gastgeber, ganz entsetzt mit 2. Mose 31,15: „Sechs Tage soll man seine Arbeit verrichten, aber am siebten Tag ist Sabbat, ein Tag völliger Ruhe, heilig dem Herrn. Jeder, der am Tag des Sabbats eine Arbeit verrichtet, muss getötet werden.“ Punkt!
Beispiel zwei: Du bekommst am Arbeitsplatz in der Sommerhitze einen Schwächeanfall und musst dich kurz hinlegen. Da kommt ein gläubiger Arbeitskollege, der zu einer Pfingstgemeinde gehört, und fragt, ob er unter Handauflegung mit dir um Heilung beten darf. Du bist unsicher.
Er schlägt seine Bibel auf und liest dir Markus 16,17-18 vor: „Diese Zeichen aber werden denen folgen, die glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden, werden Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden. Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.“
Beispiel drei: Du fährst über eine Kreuzung, als es plötzlich kracht. Es entsteht erheblicher Sachschaden, Menschen werden aber glücklicherweise nicht verletzt. Dann stellt sich heraus, dass der Verursacher des Unfalls ein Mann aus dem Irak ist, aus der Stadt Babylon.
Da geht dir das Bibelwort aus Psalm 137,8-9 durch den Kopf: „Tochter Babel, du Verwüsterin, glücklich, der dir vergilt dein Tun, das du uns angetan hast, glücklich, der deine Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert.“
Ja, das sind alles Worte aus der Bibel, die ich vorgelesen habe. Drei Verse aus verschiedenen Zusammenhängen, die in der Heiligen Schrift stehen.
Die Bedeutung des Kontextes in der Bibelauslegung
Frage: Ist jeder Vers der Bibel Gottes Wort?
Ja, uneingeschränkt. Ja, von 1. Mose 1 bis Offenbarung 22, Vers 21. Jeder Vers der Bibel ist Gottes Wort, von Gott eingegeben.
Frage 2: Ist jeder Vers der Bibel für uns Christen heute verbindlich?
Nein. Das haben die drei Beispiele eben gezeigt. Jeder Vers der Bibel ist Gottes Wort, aber nicht jeder Vers gilt uns als neutestamentlichen Christen heute.
Frage 3: Wie können wir dann erkennen, welche Aussage der Schrift für uns heute verbindlich ist und welche nicht? Nach welchem Maßstab, nach welchen Kriterien können wir die Bibel anwenden?
Wir brauchen also Schlüssel zum Verständnis der Bibel. Ich nenne jetzt im Folgenden vier Schlüssel, mit denen wir schon einmal zu einem Grundbibelverständnis kommen können.
Man nennt diese Schlüssel auch in der Theologie die vier hermeneutischen Schlüssel. Hermeneutik ist die Lehre von der Bibelauslegung, also vier Schlüssel zur Auslegung der Bibel.
Ich muss heute hier alles sichern, weil der Ventilator sonst die Sachen wegbläst.
Die vier hermeneutischen Schlüssel
A Die Heilige Schrift legt sich selbst aus. Diesen Grundsatz hat Doktor Martin Luther entdeckt und aufgestellt – und das zu Recht. Die Bibel legt sich selbst aus, das heißt, ich brauche nicht unbedingt theologische Hilfsmittel. Diese können zwar hilfreich sein, aber sie können auch völlig in die Irre führen und auf falsche Fährten locken. Zunächst einmal können wir also sagen: Die Heilige Schrift legt sich selbst aus. Wenn ich nur die Bibel habe, steht darin alles, was ich wissen muss.
Natürlich hatten schon andere Menschen vor uns den Heiligen Geist und haben richtige, gute und wichtige Erkenntnisse erhalten. Diese sind irgendwo niedergeschrieben. Es gibt gute Bücher, in denen wir das nachlesen können. Aber zunächst gilt: Die Heilige Schrift legt sich selbst aus.
Der zweite Grundsatz lautet: Jesus Christus ist die Mitte der Heiligen Schrift. Wenn ich die Zirkelspitze woanders ansetze, wird alles schief. Das sehen wir zum Beispiel an der Lehre der Zeugen Jehovas. Sie setzen die Spitze des Zirkels nicht bei Jesus Christus an, sondern bei Jehova. Ihre Lehre besagt beispielsweise, dass man für immer im Paradies auf dieser Erde leben kann.
Auch die Siebenten-Tags-Adventisten setzen letztlich die Zirkelspitze beim Sabbat an. Das würden sie zwar nicht zugeben oder wahrhaben wollen, aber ehemalige Adventisten, die von dort herausgefunden haben, bestätigen diese Akzentverschiebung. Jesus Christus muss die Mitte der Heiligen Schrift sein – und das ist er auch. Wilhelm Busch sagt: Die Bibel spricht auf jeder Seite von Jesus, schon im Alten Testament, nicht erst im Neuen.
Drittens finden wir in der Heiligen Schrift eine fortschreitende Offenbarung – von 1. Mose 1 bis Offenbarung 22. Was bedeutet das? Fortschreitende Offenbarung heißt, dass Gott zum Beispiel die Lehre von der Entrückung der Gemeinde nicht schon im ersten Buch Mose ausführlich geoffenbart hat. Dort finden wir nur einen Hinweis auf die Entrückung, etwa bei Henoch. Die ausführliche Lehre von der Entrückung finden wir nicht bei Abraham, sondern sie wurde dem Apostel Paulus in ihrer Tiefe offenbart. So finden wir sie in den Paulusbriefen.
Ein weiteres Beispiel ist ein Wort aus Jesu Mund. Am Abend vor seiner Kreuzigung sagt er zu den Jüngern, dass er ihnen noch viel mehr zu sagen hätte, sie es aber jetzt noch nicht tragen könnten. Er verschweigt ihnen also noch wichtige Wahrheiten, weil die Zeit dafür noch nicht reif war. Er konnte mit ihnen noch nicht über das Geheimnis des Mit-Ihm-gestorben-Seins und Mit-Ihm-auferstanden-Seins sprechen, da er selbst ja noch nicht gekreuzigt und auferstanden war. Er sagt: „Ich hätte viel Wichtiges für euch, aber jetzt ist der Zeitpunkt noch nicht da.“ Das steht in Johannes 16,12.
Ein letzter Punkt, ein vierter hermeneutischer Schlüssel zur Bibelauslegung: Der rote Faden, der sich durch die Bibel zieht, ist die Heilsgeschichte, die sich in verschiedene Heilszeiten untergliedert. Es gibt einen unsichtbaren roten Faden, der sich durch die Bibel zieht. Wer die Bibel liest, stellt fest: Sie ist systematisch aufgebaut. Es beginnt mit der Schöpfung, dann wird der Fall berichtet, und es geht weiter über das Alte Testament hin zum Neuen Testament bis zur Offenbarung und zur Vollendung.
Es zieht sich ein roter Faden durch die Heils-Epochen oder Haushaltungen. Damit wollen wir uns in diesen fünf Tagen beschäftigen, auch im Folgenden. Die biblische Lehre von den Heilszeiten.
Die biblische Lehre von den Heilszeiten
Über die Zahl dieser Heilszeiten, dieser verschiedenen Haushaltungen, die wir in der Bibel erkennen, sind sich nicht alle Christen einig. Es gibt sogar einzelne Christen, die gar nicht wahrhaben wollen, dass es solche Heilszeiten gibt, und diese ablehnen. Sie sagen, das braucht man nicht. Man muss die Bibel nicht in Heilszeiten unterteilen; man kann jeden Vers der Bibel nehmen und ihn für sich anwenden.
Das kann man in gewisser Weise auch, in einer seelsorgerlichen Weise kann ich tatsächlich jedes Bibelwort auf mich anwenden. Gott kann sogar durch den Schöpfungsbericht zu mir sprechen: "Es war finster auf der Tiefe, und die Erde war wüst und leer." Darin kann sich ein Mensch erkennen. Gott kann durch das Geschlechtsregister des Esau zu mir reden, wenn er will. Das kann er, er ist souverän. Er kann durch Propheten des Alten Testaments reden oder durch das, was Jesus oder die Apostel gelehrt haben.
Jedes Wort der Bibel kann mich ansprechen, jedes Wort kann seelsorgerlich mir zum Trost werden oder zur Hilfe. Aber lehrmäßig ist nicht jedes Wort der Bibel heute an mich als Christ gerichtet. Es ist die Frage: Wie können wir die Existenz von Heilszeiten von der Schrift her beweisen? Wie können wir wirklich mit der Bibel nachweisen, dass es solche Heilszeiten gibt?
So, da fangen wir mal ganz vorne an. Wir können beweisen, dass es mindestens zwei Heilszeiten geben muss. Ja, wir haben ja in unserer Bibel ein Altes und ein Neues Testament. Und das ist nicht zufällig so.
Wenn wir Johannes 1,17 lesen, wird es anders ausgedrückt. Johannes sagt: „Das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Interessanter Unterschied: Das Gesetz wurde durch Mose gegeben, aber die Gnade ist nicht durch Christus gegeben, sondern in seiner Person geworden. Er ist die Gnade in Person.
Hier haben wir schon zwei ganz grundverschiedene Heilszeiten in der Bibel: die Zeit des Gesetzes von Mose an und die Zeit der Gnade von Jesus Christus an. Das sind zwei ganz verschiedene Paar Stiefel in ein und derselben Bibel. Wir können diese Zeiten auch nennen: Altes und Neues Testament, wenn wir es grob ausdrücken – Gesetz und Gnade, Altes und Neues Testament.
Nun begann aber das Gesetz nicht mit 1. Mose 1, sondern das Gesetz wurde dem Volk Israel erst in 2. Mose 19 gegeben. Was ist mit diesem ganzen Abschnitt davor, von 1. Mose 1 bis 2. Mose 19? Dann müssen wir mindestens eine dritte Heilszeit haben, nämlich diese Zeit bis das Gesetz anfängt.
Das Gesetz hört auf mit dem Zeitalter der Gnade, mit Jesus Christus, aber auch danach kommt noch ein weiteres Zeitalter in der Bibel. In Hebräer 6,5 wird von einem kommenden Zeitalter gesprochen, und dieses kommende Zeitalter meint das sogenannte tausendjährige Reich. Das Reich der tausend Jahre, in dem Jesus Christus sichtbar hier auf dieser Erde leben und regieren wird nach seiner sichtbaren Wiederkunft.
Da haben wir schon mindestens vier Zeitalter von der Bibel her nachgewiesen: Gesetz und Gnade als die beiden großen Hauptzeitalter; vor dem Gesetz muss es etwas gegeben haben; und nach dem Zeitalter der Gnade wird es noch einmal die Zeit des tausendjährigen Reiches geben. Da hätten wir schon vier.
Nun können wir aber die erste Spanne nochmal unterteilen in zwei weitere Gruppen, und dann ergeben sich insgesamt sieben. Dr. Scofield, der die Scofield-Bibel herausgegeben hat mit vielen wertvollen Anmerkungen, listet sieben Haushaltungen auf. Jakob Kröker ebenfalls, Erich Sauer ebenfalls und auch Fritz Hubmer. Das sind Namen, die ich hier einfach mal nenne – Heilsgeschichtler, Lehrer, die sich besonders mit der Aufteilung der Bibel in diese Heilszeiten beschäftigt haben. Sie kommen alle auf sieben Haushaltungen.
Das ist sicher kein Zufall, dass es sieben sind, denn ihr wisst, das ist die biblische Zahl. Hier wollen wir uns nun diese sieben Heilszeiten anschauen. Ich möchte sie zuerst nennen, und danach schauen wir sie uns kurz auf ein paar Dias an.
Die erste Zeit ist die Zeit der Unschuld. Das ist die Zeit von der Schöpfung Adams bis zum Sündenfall, die Zeit der Unschuld, also bevor Sünde in die Welt kam. Ihr wisst ja, dass es nur vier Kapitel in der Bibel gibt, die nicht direkt oder indirekt mit der Sünde zu tun haben: die ersten zwei Kapitel, 1. Mose 1 und 2, und die letzten zwei Kapitel, Offenbarung 21 und 22. Die ersten beiden, da gab es noch keine Sünde, die letzten beiden, da wird es keine Sünde mehr geben. Und der Rest, über 800 Kapitel, hat direkt und indirekt mit der Sünde zu tun. Da sehen wir, was für eine Katastrophe beim Fall unserer Ureltern passiert ist.
Also die Zeit der Unschuld, von Adam bis zum Sündenfall. Dann haben wir danach die Zeit des Gewissens, von nach dem Sündenfall bis zur Sintflut. Das nennen wir die Zeit des Gewissens, weil Gott da noch gar keine Regeln gegeben hatte, keine Gebote. Die Menschen mussten einfach nach ihrem Gewissen leben.
Drittens die Zeit unter der Verwaltung durch den Menschen oder die Zeit der obrigkeitlichen Verwaltung. Das ist von der Sintflut bis zum Turmbau zu Babel. Warum wird diese Zeit nochmal unterschieden von der Zeit vorher, vor der Sintflut, wo eben die Zeit des Gewissens war? Wir können das ganz klar von der Bibel her belegen, dass wir die nochmal unterscheiden müssen.
Als Kain seinen Bruder Abel erschlagen hatte, hat Gott an dessen Stirn, an Kains Stirn, ein Zeichen gemacht, damit er von niemandem, der ihn finden würde, getötet würde. Interessanterweise steht im Hebräischen, dass er ein Taff an die Stirn bekommen hat. Taff ist der hebräische Buchstabe, der dem Kreuz am ähnlichsten ist. Vielleicht war das schon ein erster Hinweis auf das Kreuz. Gott machte also ein Taff, eine Art Kreuz, auf die Stirn.
Nach der Sintflut führte Gott die Todesstrafe ein und sagte: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll durch Menschen vergossen werden.“ Nun schützte er niemanden mehr vor dem Getötetwerden. Danach sagt Gott: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut muss durch Menschen vergossen werden.“ Das heißt, er setzt Menschen als Richter über solche ein, die Blut vergießen. Da sehen wir, dass eine Änderung eingetreten ist. Es ist nicht das Gleiche, hier hat sich etwas verändert in der Verhaltensweise Gottes mit den Menschen.
Dann haben wir ab Kapitel 12 in 1. Mose die Zeit der Patriarchen oder Erzväter. Da beginnt mit Abrahams Berufung so langsam die Vorgeschichte Israels, also von Abraham, Isaak, Jakob und dann den zwölf Stämmen – die Zeit der Patriarchen. Das ist also der Rest des ersten Mosebuches praktisch und der Anfang des zweiten Mosebuches.
Dann kommt fünftens eine sehr lange Heilszeit, die Zeit des Gesetzes, von dem Berg Sinai an, als Mose die Gebote empfing, bis zur Kreuzigung Jesu – die Zeit des Gesetzes.
Danach die Zeit der Gnade, spätestens vom Pfingsttag an – die Zeit der Gnade oder die Zeit der Gemeinde.
Und dann eben am Ende die Zeit des Königreichs oder das tausendjährige Reich Christi auf dieser Erde.
Man könnte auch zwischen diesen letzten beiden Zeiten noch eine weitere einfügen, denn zwischen der Hinwegnahme der Gemeinde und dem tausendjährigen Reich wird ja die sogenannte Trübsalszeit liegen. Manche nehmen die noch als Extrazeit, aber das ist eigentlich nicht ganz korrekt. Sie gehört normalerweise noch zur Zeit Israels dazu. Vom Alten Testament her knüpft Gott da wieder an. Von daher muss man da nicht noch eine Extraheilszeit einfügen und könnte es so bei dieser Siebener-Aufzählung belassen.
Gottes verändertes Handeln in den Heilszeiten
Jetzt wollen wir uns das Ganze mal kurz auf den Dias anschauen. Wir haben gesehen, dass Gott im Lauf der Geschichte verschiedene Zeitalter oder Haushaltungen eingeplant hat. Innerhalb dieser verschiedenen Heilszeiten hat sich Gottes Handlungsweise verändert.
Gottes Wesen verändert sich jedoch nie. Gott ist und bleibt immer derselbe. Das sagt uns auch der Hebräerbrief: „Der Himmel wird zusammengerollt wie ein alter Mantel, du aber bleibst“ (Hebräer 1). Und weiter heißt es: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.“ Gottes Wesen verändert sich nicht.
Im Alten Testament war Gott der liebende Gott und der Heilige. Im Neuen Testament ist Gott ebenfalls der liebende Gott und der Heilige. Sein Wesen bleibt unverändert. Aber sein Handeln hat sich im Laufe der Geschichte durchaus gewandelt.
Man kann Gottes Handeln innerhalb der Haushaltungen mit einem wirklichen Haushalt, mit einem Familienhaushalt, vergleichen. Wenn am Anfang zwei Menschen heiraten, so wie jetzt Annegret und Johannes, dann sind zunächst nur das Ehepaar da. Das Ehepaar hat eine bestimmte Verhaltensweise, wie es sich im Haushalt verhält, bei ihnen in der Wohnung usw.
Kommt ein Kind oder später dann mehrere Kinder hinzu, verändert sich die Verhaltensweise der Eltern. Sie müssen sich auf die Kinder einstellen, es werden neue Regeln eingeführt, und die Verhaltensweise verändert sich mit jedem Kind. Reifen die Kinder heran, werden die Familienangelegenheiten erneut auf eine andere Weise gehandhabt.
Gehen die Kinder später einmal aus dem Haus, wird es wieder anders. Ein Haushalt verändert sich ständig, es gibt verschiedene Regeln, die einfach aufgestellt werden. Das gleiche Muster finden wir in der Verfahrensweise Gottes mit der Menschheit.
Der Segensbegriff im Wandel der Heilsgeschichte
Und das Ganze, wie sich Gottes Verhalten im Laufe der Zeit verändert hat, möchte ich jetzt in meinem zweiten Teil heute Abend an einem Begriff zeigen, den wir alle gut kennen und den wir ständig im Mund führen: nämlich an dem Begriff Segen. Wir wollen den biblischen Segensbegriff unter dem Aspekt der Heilsgeschichte der verschiedenen Zeitalter Gottes betrachten.
Segen ist ein Zentralbegriff der biblischen Sprache. Das Wort kommt in jedem Gebet vor und in jeder Predigt ungezählte Male. Uns fällt oft gar nicht auf, wie häufig wir das Wort verwenden: Segen, segnet und so weiter. Dieser Begriff hat sich im Lauf der Heilsgeschichte verändert. Das können wir jetzt gleich miteinander in unserer Bibel nachvollziehen.
In den ersten fünf Haushaltungen – seit der Unschuld, seit des Gewissens, seit der Patriarchen bis hin zur Zeit des Gesetzes – hat Segen viel mit Fruchtbarkeit zu tun gehabt. Wir wollen einmal aufschlagen bei der Zeitepoche der Unschuld, ganz am Anfang vor dem Sündenfall. Dort kommt schon das Wort Segen vor, in 1. Mose 1,28. Das kennen wir gut, das ist der Schöpfungsbericht. Da heißt es: Nachdem Gott die Menschen nach seinem Bild gemacht hatte, segnete Gott sie und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt die Erde!“ Segen steht hier im Zusammenhang mit Fruchtbarkeit. Bereits dort, wo das Wort zum ersten Mal in der Bibel vorkommt, ist Segen eng mit Fruchtbarkeit verbunden.
Dann haben wir 1. Mose 9,1. Da springen wir in die Zeit der Obrigkeit, in die Zeit, als Gott durch Menschen verwaltete. Nach der Sintflut segnete Gott Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt die Erde!“ Auch hier wieder: Segen und Fruchtbarkeit hängen ganz stark zusammen.
Im nächsten Zeitalter, das mit Abraham beginnt, finden wir in 1. Mose 12,1-3 die ganz bekannten Verse. Der Herr sprach zu Abram: „Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich will dich zu einer großen Nation machen und will dich segnen. Ich will deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen. Und durch dich sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“ Besonders wichtig ist Vers 2: „Ich will dich zu einer großen Nation machen und will dich segnen.“ Wieder steht Segen im Zusammenhang mit Fruchtbarkeit: „Ich will dich zu einer großen Nation machen.“
Nun lesen wir die wichtigste Stelle zum alttestamentlichen Segensbegriff, die wir in 5. Mose 7 finden. Dort wird in wunderbarer Weise zusammengefasst, was alttestamentlicher Segen bedeutet. 5. Mose 7,12-16: „Und es wird geschehen, wenn ihr diese Rechtsbestimmungen gehorcht, sie bewahrt und tut, wird der Herr, dein Gott, dir den Bund und die Güte bewahren, die er deinen Vätern geschworen hat“, sagt Mose zu dem Volk Israel. „Er wird dich lieben und segnen, dich zahlreich werden lassen. Er wird die Frucht deines Leibes segnen und die Frucht deines Landes, dein Getreide, deinen Most und dein Öl, den Wurf deiner Rinder und den Zuwachs deiner Schafe in dem Land, das er deinen Vätern geschworen hat, dir zu geben. Gesegnet wirst du sein vor allen Völkern. Kein Unfruchtbarer und keine Unfruchtbare wird bei dir sein, noch bei deinem Vieh.“
Merkt euch, wie hier ganz stark die Fruchtbarkeit betont wird. Segen heißt zuerst einmal Fruchtbarkeit – und zwar bei Frau, Mann und beim Vieh. Das war im Alten Testament ganz wichtig: Fruchtbarkeit.
Das zweite Kennzeichen alttestamentlichen Segens ist Gesundheit. Im nächsten Vers, 5. Mose 7,15, heißt es: „Und der Herr wird jede Krankheit von dir abwenden.“ Stellt euch vor, wenn das heute noch so wäre! Der Herr würde jede Krankheit von dir abwenden. Da wäre unser Bruder Ralf Euler von heute auf morgen arbeitslos. „Keine der bösen Seuchen Ägyptens, die du kennst, wird er auf dich legen, sondern er wird sie auf alle deine Hasser bringen.“ Im Volk Israel bedeutete alttestamentlicher Segen also auch: keine Krankheit, wenn das Volk im Gehorsam geblieben wäre.
Ein drittes Kennzeichen alttestamentlichen Segens ist der Sieg über Feinde: „Du wirst alle Völker verzehren, die der Herr, dein Gott, dir preisgibt. Du sollst dich ihrer nicht fürchten und ihren Göttern nicht dienen, denn das wäre ein Fallstrick für dich.“
Drei Kennzeichen alttestamentlichen Segens: Ich bitte euch, das so gut einzuprägen, wie es nur geht, denn es ist sehr wichtig: Fruchtbarkeit – viel Land, viel Vieh, viele Kinder –, dann Gesundheit und Sieg über Feinde. Das war alttestamentlicher Segen.
Da können wir uns schon mal die Frage stellen: Ist das der gleiche Segensbegriff, den wir heute als Gemeinde Jesu haben? Da könnte man fast sagen: Schön wär’s ja, aber das ist nicht so. Das werden wir jetzt schon erahnen.
Im Alten Testament war der Segen Gottes sichtbar. Auf eine kurze Formel gebracht: Fruchtbarkeit, Gesundheit, Sieg über die Feinde.
Nun deutet sich der Wandel des Segensbegriffes schon im Alten Testament an, und zwar bereits im Buch Hiob. Dort haben wir eine Andeutung, dass es nicht immer so bleiben wird mit diesem Segen.
Hiob war zunächst nach alttestamentlichem Verständnis ganz reich gesegnet. Er hatte viel Land, viel Vieh und viele Kinder, also Fruchtbarkeit war da. Er hatte zehn Kinder, war gesund und hatte keine Feinde. Er war also voll gesegnet im alttestamentlichen Sinn.
Eines Tages kommen die Hiobsbotschaften, und er verliert auf einen Schlag seinen ganzen alttestamentlichen Segen. Er verliert alles, was ihm durch Fruchtbarkeit geschenkt war: Land, Vieh, Kinder. Er wird krank, sitzt in der Asche und ist voller Geschwüre. Er bekommt Feinde, sogar seine eigene Frau sagt zu ihm: „Gott ab und stirb!“ und wird ihm damit letztlich zum Feind. Seine Freunde, die sogenannten Hiobströster, setzen ihm mehr zu, als dass sie ihm helfen können.
Hiob erlebt, wie sich auf einmal alles umdreht: Vorher war er reich alttestamentlich gesegnet, dann verliert er den ganzen Segen. Aber in diesem schweren Verlust und in diesen Kämpfen findet Hiob innerlich etwas, das ihn reicher macht als alles, was er vorher gehabt hat. Er ruft aus, mitten in seinem Ringen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ (Hiob 19,25). Dort findet Hiob einen anderen Segen. Das ist der neutestamentliche Segen, der hier schon im Alten Testament aufleuchtet, nämlich in der Gestalt Jesu Christi.
Er sagt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Das ist ihm wichtiger als alles andere, was er verloren hat. Mitten in diesen Ringen, in dieser Depression, in dem Dunkel leuchtet das auf einmal auf (Hiob 19,25): „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Und als der Letzte wird er sich aus dem Staub erheben und so weiter – dieser wunderbare Lobpreis ist das Bekenntnis Hiobs.
Später, am Ende des Hiobbuches, erfahren wir, dass Gott Hiob alles zurückerstattet (Hiob 42). Er bekommt wieder zehn Kinder, noch einmal zehn Kinder. Er wird wieder reich – Fruchtbarkeit –, und die Feinde sind nicht mehr da. Er wird also völlig wiederhergestellt.
Übrigens, hier in Klammern eingeschoben: Das Leben Hiobs ist in einzigartiger Weise ein Vorbild für das Volk Israel. Hiob ist ein einziger Typ, ein Vorbild für das Volk Israel. Israel war zuerst reich gesegnet von Gott, verlor dann alles, wurde über siebzig Jahre verstreut in die Völkerwelt und hatte nichts mehr, nicht mal mehr einen Millimeter Boden, gar nichts – alles verloren. Am Ende stellt Gott sein Volk wieder wunderbar her, eben im Reich der tausend Jahre, genau wie im Leben des Hiob vorgeschattet.
Wir haben gesehen: Bei Hiob deutet sich der Wandel des Segensbegriffes an. Zuerst alttestamentlicher Segen, dann verliert er den, findet einen neuen Segen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, und dann gibt ihm Gott das andere noch dazu.
Eine weitere Andeutung der Wandlung des Verständnisses von Segen finden wir im 73. Psalm, diesem bekannten Psalm von Asaph. Asaph, der Beter des Psalms, hat rasende Schmerzen, wahrscheinlich Nierenkoliken. Wer das schon mal gehabt hat, weiß, was das bedeutet. Nach alttestamentlichem Verständnis ist hier dieser Psalmbeter Asaph ungesegnet, er ist krank, er hat Nierenkoliken. Er spricht davon: „Als es mich stach in meinen Nieren, da war ich wie ein Tier.“
Dann betet er, ich lese das mal oder zitiere nach der Luther-Übersetzung, die mir hier noch besser gefällt: „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, alle Zeit meines Herzens Trost und mein Teil.“
Merkt ihr? Genau wie bei Hiob hat er alles verloren, er ist ungesegnet, er ist krank, und jetzt findet er etwas: einen Halt, einen Trost, einen Teil, der ihm so köstlich wird, dass er sagen kann: „Wenn mir Leib und Seele verschmachtet, wenn ich nur dich habe, frage ich nichts nach Himmel und Erde.“ Das ist letztlich wieder neutestamentlicher Segen, das ist Jesus Christus, wenn wir ihn gefunden haben.
Nach alttestamentlichem Verständnis war Asaph ungesegnet und krank, aber innerlich reich gesegnet. Nur hier ist das noch angedeutet, noch nicht im vollen Sinn. Es kommt gleich noch. Aber wir sehen schon angedeutet im Alten Testament, wie Menschen ihren alttestamentlichen Segen verlieren, aber doch reich gesegnet sind. Sie finden etwas Neues, etwas anderes, etwas Tieferes, als sie vorher hatten.
Die Wende des Segensbegriffes am Kreuz
Die Hauptwende im Blick auf den biblischen Segensbegriff geschah am Kreuz von Golgatha. Wir müssen dies vor diesem Hintergrund betrachten. Als unser Herr Jesus angenagelt zwischen Himmel und Erde hing, war er nach alttestamentlichem Verständnis völlig ungesegnet. Warum? Er besaß weder Land, noch Vieh, noch Kinder – also keine Fruchtbarkeit.
Er war krank; alle unsere Krankheiten, Schmerzen und Leiden legte Gott auf ihn (Jesaja 53). Er war krank vom Scheitel bis zur Sohle, es war nichts Gesundes mehr an ihm. Unter dem Kreuz standen seine Feinde und verhöhnten ihn gerade wegen dessen, was nach alttestamentlichem Verständnis Fluch bedeutet: keine Fruchtbarkeit, keine Gesundheit, dafür viele Feinde.
Genau das Gegenteil des alttestamentlichen männlichen Segens finden wir hier bei Jesus am Kreuz: Fluch! Er war der Verfluchte am Kreuz und trug nicht zufällig eine Dornenkrone. Die Dornenkrone war das Zeichen des Fluches. Dornen treten zum ersten Mal nach dem Sündenfall auf. Als Adam und Eva gefallen sind in die Sünde, heißt es: „Dornen und Disteln soll dir der Acker tragen“ – Dornen als Zeichen des Fluches.
Hier finden wir Jesus als den Dorngekrönten. Er ist der, der am Kreuz zum Fluch gemacht wurde. Der Apostel Paulus schreibt das so wörtlich an die Galater: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist“ (Galater 3,13). Jesus wurde ein Fluch, er wurde Fluch in Person.
Doch nun kommt das Großartige: Indem er dort am Kreuz zum Fluch wird und als Verfluchter hängt, wo Gott sich abwenden musste, vollbringt er dort die Erlösung für alle Menschen. Von Gott her gesehen ist er reich gesegnet. Von Menschen her gesehen – alle Juden, die dort standen – sahen ihn als verflucht. „Verflucht ist, wer am Holz hängt.“ Aber von Gott her gesehen ist er gesegnet, denn er bringt den größten Segen in die Welt, den es je gab: die Erlösung durch sein Blut.
Das geschah dort am Kreuz. Hier kippt das Ganze um, hier wendet sich das Blatt. Da hängt der Verfluchte und wird zum Segensträger für die Welt und bringt den größten Segen.
Nun ist es nur noch ein letzter Schritt in dieser Kette. Nach Jesu Tod und Auferstehung begann an Pfingsten eine neue Heilszeit – die Zeit der Gnade oder die Zeit der Gemeinde. In dieser Haushaltung gilt nun ein ganz neues Segensverständnis. Es ist nicht mehr wie im Alten Testament Fruchtbarkeit, Gesundheit und Sieg über Feinde. Als neutestamentliche Christen haben wir ein ganz neues Segensverständnis: Wir sprechen von geistlichem Segen in Christus.
Dazu müssen wir noch eine letzte Stelle aufschlagen, den Epheserbrief, Kapitel 1, Vers 3. Paulus schreibt diesen Brief aus der Gefangenschaft in Rom. Äußerlich ist er in einer elenden Situation, aber er schreibt voller Freude an die Epheser. Dort heißt es: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in der Himmelswelt in Christus“ (Epheser 1,3).
Hier muss uns auffallen: Er hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung. Im Alten Testament gab es materielle Segnungen, sichtbare Segnungen – Fruchtbarkeit, Gesundheit, etwas Greifbares und Sichtbares. Jetzt aber hat Gott uns gesegnet mit jeder geistlichen, unsichtbaren, immateriellen Segnung in der Himmelswelt, nicht greifbar hier irdisch wie beim Volk Israel, sondern in der Himmelswelt in Christus.
Wenn wir Zeit hätten und das Kapitel Epheser 1 weiter durchgehen könnten, würde in den folgenden Versen dieser geistliche Segen in Christus entfaltet: Er wählt in Christus vor Grundlegung der Welt, erlöst und erkauft durch sein Blut hier in dieser Zeit und versiegelt mit dem Heiligen Geist. Das sind die Dinge, die geistlicher Segen bedeuten.
Auch bei Paulus gilt das Gleiche, wie wir es eben schon bei unserem Herrn Jesus sahen. Als Paulus im Gefängnis sitzt oder in der Gefangenschaft in Rom und diesen Brief schreibt, ist er nach alttestamentlichem Verständnis völlig ungesegnet. Er war ja auch Jude, aber er war nicht gesegnet. Er hatte weder Land, noch Vieh, noch Kinder, keine Fruchtbarkeit.
Er war nicht mehr der Gesündeste. Er hatte mindestens ein Augenleiden, von dem wir im Galaterbrief erfahren: Er hatte ganz schwache Augen, weshalb er so große Buchstaben mit eigener Hand schrieb, weil er einfach kurzsichtig war. Das muss nicht unbedingt der Pfahl im Fleisch gewesen sein, von dem er an die Korinther schreibt, aber er litt mindestens an einem Augenleiden.
Wahrscheinlich war er auch um die sechzig Jahre alt und hatte vielleicht noch andere Gebrechen. Er war nicht mehr der Gesündeste und hatte viele Feinde um des Evangeliums willen – sonst wäre er nicht in Gefangenschaft. Also war er wieder ganz ungesegnet, alttestamentlich gesehen.
Neutestamentlich aber war er reich gesegnet. Er war voller Freude, voller Frieden und voller geistlichem Segen. Sonst hätte er nicht diesen wunderbaren Brief schreiben können.
Schlussfolgerung: Der Segensbegriff heute
Und so wollen wir heute Abend eine ganz wichtige Schlussfolgerung ziehen. Wir haben gesehen, dass sich der Segensbegriff im Lauf der Heilsgeschichte verändert hat. Wir dürfen das alttestamentliche Segensverständnis nicht einfach so in unsere Zeit übertragen. Das tun heute leider viele Verkündiger.
In der sogenannten Pfingst- und charismatischen Bewegung wird viel vom alttestamentlichen Segensbegriff in das neutestamentliche Christenleben hineingetragen. Dort heißt es oft: Du bist Christ, also brauchst du nicht mehr krank zu sein. Du bist Christ, also brauchst du keine Feinde mehr zu haben. Du wirst erfolgreich sein im Beruf, in deiner Familie und so weiter. Du wirst keinen Misserfolg mehr erleben, und als Christ wirst du viel Fruchtbarkeit im Sinne von Erfolg haben.
Dieses Verständnis wird sehr auf dieser Ebene in die neutestamentliche Zeit hineingetragen. Biblisch gesehen ist das aber nicht haltbar. Da kommen wir in Schwierigkeiten, denn viele Dinge gehen dann nicht mehr auf. Hören wir heute Abend: Am äußeren Wohlergehen kann ich nicht ablesen, ob jemand Christ ist oder nicht.
Am äußeren Wohlergehen, also ob jemand gesund ist, Erfolg im Beruf hat, reich ist oder Wohlstand besitzt, kann ich nicht erkennen, ob jemand Christ ist. Wenn man das alttestamentliche Verständnis einfach übertragen würde, müsste man heute sagen: Alle, die reich und gesund sind und viel Land, Vieh und Kinder haben, sind reich gesegnet. Und diejenigen, die das nicht haben, sind nicht gesegnet oder gar verflucht. Da wären einige von uns auch ganz schön arm – ich eingeschlossen. Aber so können wir das eben nicht machen, und so wollen wir es auch nicht machen.
Am äußeren Wohlergehen kann ich heute in unserer Zeit nicht ablesen, ob jemand unter Gottes Segen steht. Denn jemand kann reich, gesund und erfolgreich sein, aber trotzdem unter Gottes Fluch stehen. Sein irdisches Glück steht auf tönernen Füßen. Wenn Gott ihn wegnimmt, geht er ewig in die Hölle, weil er Christus abgelehnt hat.
Das wäre ein ganz, ganz schiefes Bild, wenn wir Menschen nur nach dem Äußeren, Vordergründigen und Diesseitigen beurteilen wollten. Aber es kann auch ein Gläubiger sein, in dessen Leben äußerlich viel schiefgelaufen ist, der aber innerlich reich gesegnet ist in Christus, im geistlichen Segen.
Da kann jemand wie unser Bruder Ralf Pohle krank sein. Jemand könnte zu Ralf kommen und sagen: „Was, Ralf, du bist Christ? Das lohnt sich ja gar nicht, du bist krank, musst Schmerzen und Leiden ertragen. Warum hilft dir dein Gott nicht? Warum macht er dich nicht gesund? Was bringt dir dein Glaube?“ Dann kann Ralf antworten: „Du hast ein falsches Verständnis. Du darfst nicht denken, dass Christentum eine Gesundheits- oder Wohlstandsreligion ist.“
Christentum hat damit zu tun, dass ich mit Gott im Reinen bin, dass ich innerlich Frieden habe und einen Halt, der durch alles hindurchträgt.
Da kann jemand zu unserer Schwester Siggi Beach kommen und sagen: „Du, Siggi, du bist Christ, und jetzt ist deine Beziehung so unter einem dunklen Stern.“ Jemand könnte zu Siggi sagen: „Das hat mit dem einen oder anderen nichts zu tun.“ Aber Siggi kann antworten: „Ich bin trotzdem gesegnet in Christus, ich bin trotzdem ganz reich gemacht in Christus.“
Und so kann jemand zu dir kommen – ich kann nicht alle aufzählen, aber wahrscheinlich zu jedem von uns kommt jemand und findet etwas, wo wir noch leiden oder wo Dinge nicht so sind, wie wir es uns wünschen. Und wir können ihm antworten: „Du bringst da etwas durcheinander. Ich bin reich gesegnet in Christus. Selbst wenn ich in der Führerscheinprüfung durchgefallen bin, oder im Krankenhaus oder zuhause krank liege, oder wenn ich einen lieben Menschen verloren habe, dann bin und bleibe ich doch gesegnet in Christus, weil der Friede Gottes in meinem Herzen regiert.“
Ich vergleiche das gerne mit Sahne und Kuchen. Wenn uns der Herr zusätzlich Gesundheit und Wohlergehen schenkt, dann ist das die Sahne auf dem Kuchen. Aber es geht auch ohne Sahne. Hauptsache ist der Kuchen, also das felsenfeste Wissen: Christus hat mich mit ewiger Liebe geliebt, er hat mich ohne Vorleistung angenommen und wird mich nie mehr loslassen. Das ist der Kuchen, das Entscheidende.
Mit diesem Wissen kann man in die Krisensituationen des Lebens gehen. Man kann mit diesem Wissen auch in eine Operation geschoben werden, mit diesem Wissen kann man auf dem Friedhof stehen. Mit diesem Wissen kann man die Stürme des Lebens wirklich meistern.
Wenn ich weiß: Ich bin mit ewiger Liebe geliebt, ich bin ohne Vorleistung angenommen und ich werde nie mehr losgelassen, dann ist das der Kuchen. Wenn dann obendrauf die Sahne kommt – dass ich auch noch gesund sein darf, vielleicht über viele Jahre meines Lebens, und dass ich auch noch etwas Besitz, eine Wohnung, Kinder und all die Dinge habe –, dann ist das großartig.
Aber das Entscheidende ist: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Oder mit Asaf gesprochen: Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Zusammenfassung und Ausblick
An diesem Beispiel mit dem Segen sehen wir, dass es in der Bibel verschiedene Heilszeiten oder Haushaltungen gibt. Wir müssen genau hinschauen, in welcher Heilszeit das, was wir lesen, steht. Wem ist es gesagt? Dem Volk Israel oder der Gemeinde? Das sind zwei ganz unterschiedliche Bereiche.
Auch die Bedeutung verschiedener Begriffe, wie zum Beispiel Bekehrung oder Segen, hat sich im Laufe der Bibel verändert. Das ist keine komplizierte oder hochgradige Theologie. Jeder kann das beim Bibellesen entdecken, wenn er einfache Prinzipien beachtet.
Wichtig ist, dass man darauf achtet, dass sich durch die Bibel ein roter Faden zieht – die Heilsgeschichte. Diese lässt sich vielleicht in sieben Heilszeiten unterteilen, wobei besonders die beiden großen Zeitabschnitte Gesetz und Gnade hervorzuheben sind. Wenn ich diese beiden unterscheide, werde ich schon das meiste richtig verstehen. Vielleicht kommen noch ein paar weitere dazu.
Der Herr möchte uns dabei helfen, das praktisch umzusetzen. So wie Johannes in der Einleitung sagte, sollen wir das Wort der Wahrheit in gerader Weise schneiden können. Das bedeutet, dass wir es richtig teilen und aufteilen, um zu wissen, was in welche Heilszeit gehört.
Wenn wir das beachten, werden wir nichts durcheinanderbringen und auch nicht in Schwierigkeiten geraten.