Einen schönen guten Morgen im Namen Jesu Christi!
Ich erinnere daran: Wer musizieren will, muss sein Instrument auf das A abstimmen. Geht's? Bisschen leise! Ich brauche kein Grün dazu. Noch einmal: Wer musizieren will, muss sein Instrument auf das A abstimmen.
Ungestimmte Chöre oder Orchester erzeugen krankmachende Akkorde. Wer musizieren will, muss sein Instrument auf das A abstimmen – und zwar nicht irgendein A, das gerade aus einer Harmonika oder einem Harmonium kommt, sondern den Kammerton A, der von der Stimmgabel stammt und im Jahr 1939 auf 440 Hertz festgelegt wurde.
Wer musizieren will, muss sein Instrument auf dieses A abstimmen.
Und wer jubilieren will – darum geht es doch heute bei einer Absolvierungsfeier, bei einem Jahresfest, bei diesem fast unverdient schönen Wetter – wer jubilieren will, der muss sein Herz auf das A und O abstimmen.
Nicht irgendein A und O, das gerade aus einer religiösen oder ideologischen Ecke kommt, sondern der Herrenton A, der aus der Bibel stammt und der im Jahr Null seinen Klang erhalten hat, als Jesus Christus geboren wurde. Er konnte von sich sagen: „Ich bin das A und das O.“
Ihm geben wir die Ehre, ihn ehren wir mit unseren schwachen Worten. Er segne unseren Dienst. Deshalb ist es am besten, wenn wir uns auf all das einstimmen – mit einem Text.
Das Gleichnis vom Weinbergarbeiter als Bild für das Himmelreich
Mitarbeiter gesucht – eine Geschichte, die die meisten von uns sehr gut kennen. Ich lese sie aus dem zwanzigsten Kapitel des Matthäusevangeliums.
Das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Als er sich mit den Arbeitern über einen Silbergroschen als Tagelohn einig wurde, sandte er sie in seinen Weinberg.
Dann ging er um die dritte Stunde hinaus und sah andere müßig auf dem Markt stehen. Er sprach zu ihnen: „Geht ihr auch hin in den Weinberg! Ich will mit euch gehen und euch geben, was recht ist.“ Sie gingen hin.
Abermals ging er um die sechste Stunde, um die neunte Stunde und um die elfte Stunde hinaus. Er fand andere und sprach zu ihnen: „Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?“ Sie antworteten: „Es hat uns niemand eingestellt.“ Er sagte zu ihnen: „Geht ihr auch hin in den Weinberg!“
Als es Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: „Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn. Fang bei den Letzten an bis zu den Ersten!“ Da kamen die, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.
Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen. Doch auch sie empfingen jeder einen Silbergroschen. Als sie ihn empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sagten: „Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.“
Er antwortete einem von ihnen: „Mein Freund, ich tue dir nicht unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Habe ich nicht Macht zu tun, was ich will? Oder ist dein Auge böse, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ (Matthäus 20,1-16)
Die Bedeutung des Himmelreichs und seine Darstellung im Gleichnis
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
was es im Tierreich gibt, wissen wir. Hunde und Katzen, Hasen, Affen und Nashörner – das Tierleben ist vielfältig. Vom Tierreich haben wir eine Ahnung.
Auch das Pflanzenreich ist uns vertraut. Wälder und Felder, Blumen, Salat und Kohlköpfe – Bücher sind voll davon. Auch vom Pflanzenreich haben wir eine Vorstellung.
Was es im Märchenreich gibt, wissen wir ebenfalls. Hexen, Gnome und Riesen – Grimms Märchen sind immer noch führend, selbst vor Harry Potter. Vom Märchenreich haben wir also auch eine Vorstellung.
Was es im Königreich, Kaiserreich und Zarenreich gibt, wissen wir selbstverständlich. Aber wissen wir noch, was es im Himmelreich gibt?
Der Begriff „Himmelreich“ kommt einundzwanzig Mal im Neuen Testament vor, hauptsächlich in den Reden Jesu. Das Himmelreich ist ein zentrales Wort im Neuen Testament.
Doch was ist das Himmelreich? Es ist kein Sternreich, in dem ein paar Sternschnuppen durch die Äonen fliegen. Es ist auch kein Engelreich, in dem gefiederte Wesen durchs Ozonloch flattern. Es ist erst recht kein seliges Reich, wie Herr Valentin in München es sich im Himmel vorstellt.
Das Himmelreich, das Reich des Himmels, genauer: die Herrschaft des Himmels, hat an Weihnachten die Barriere zwischen sichtbarer und unsichtbarer Wirklichkeit durchbrochen. In Bethlehem wurde ein Brückenkopf gebildet, und danach entstanden Stützpunkte bis hin nach Rom.
Heute gibt es Operationsbasen dieser Macht rund um den Globus. Eines Tages werden alle Mächtigen dieser Macht untertan sein. Das Himmelreich ist das Reich Jesu Christi – das ist es.
Die Gleichnisse, die Bildgeschichten, setzen uns ins Bild über dieses Reich. Deshalb beginnen sie oft mit dem stereotypen Satz: „Das Himmelreich ist gleich wie ein Schatz im Acker“ oder „ein Senfkorn“. Hier heißt es: „Das Himmelreich ist gleich einem Weinberg.“
Das kennen wir, besonders im Herbst. Das Himmelreich ist gleich einem Weinberg, so wie drüben am Roten Berg oder im Remstal. Aber die besten Tropfen wachsen natürlich am Fuß der Schwäbischen Alb bei Hülben. Der Wein dieser Tropfen ist ganz besonders schön und gut, weil man ihn nicht nur als Wein benutzt, sondern auch als Essig.
Ein Weinwerk – das ist wie ein Weinwerk. Und...
Drei zentrale Gedanken zum Weinberg als Bild für das Reich Gottes
Drei Dinge sind uns zu merken, nämlich einmal: Das Reich Gottes ist wie ein Weinberg, denn Arbeit gibt es, Arbeit gibt es im Weinberg. Der Weinberg ist groß, zu groß, als dass ein paar Leute ihn bewältigen könnten. Der Weinberg ist reif, zu reif, als dass man die Lese aufschieben könnte. Der Weinberg ist zur Lese bereit, und deshalb werden Arbeiter gesucht.
Da dies nicht durch eine Anzeige im Hebroner Stadtanzeiger oder durch einen Gang zum Hebroner Arbeitsinstitut, zur Arbeitszentrale möglich ist, ging der Herr höchstpersönlich in aller Frühe hinunter auf den Marktplatz. Dort standen sie, lungerten herum, mit der gleichen Angst vor morgen, mit der Furcht vor der Zukunft, alle miteinander mit Hoffnung auf bessere Zeiten. Übrig waren sie, einfach abgestellt. Arbeitslos. Die Arbeitslosenquote betrug wahrscheinlich 85 Prozent.
Dieser Herr sucht Leute, er sucht Leute – Mitarbeiter gesucht. Skeptisch erwarteten sie seine Fragen. Wie alt? Sechzig – zu alt. Wie jung? Zwanzig – zu jung. Etwas gelernt? Buchhalter – unbrauchbar. Von Beruf Metzger – unbrauchbar. Vorbestraft? Einmal. So verhandelte dieser Herr nicht. Da wurde kein einziger abqualifiziert, da wurde mit jedem diskutiert, und schließlich wurde jeder engagiert.
Bei mir gibt es Arbeit. Im Weinberg gibt es einen Job. Mit einem Silberling seid ihr dabei. Da wurde nicht länger gefackelt und gezögert, da wurde eingeschlagen, und ab ging es in den Weinberg.
Dasselbe wiederholte sich um neun Uhr, um zwölf Uhr und um fünfzehn Uhr. Ja, noch einmal um siebzehn Uhr erschien der Big Boss auf dem Marktplatz. Dort lungerten immer noch ein paar herum, mit der Zigarette im Mundwinkel.
„Ja, Entschuldigung“, fragte er, „habt ihr nicht gearbeitet?“ – „Wir wollten schon.“ – „Ja, warum hat es nicht geklappt?“ – „Uns wollte niemand, uns wollte niemand.“ – „Wollt ihr noch?“ – „Ja, natürlich!“ Sie stürmten die Kutsche, und ab ging’s in den Weinberg.
Eine Stunde vor Schluss mischten sie sich darunter und fingen an, nach all den Musestunden eine Arbeitsstunde einzuhängen. Denn Arbeit gibt es im Weinberg des Herrn. Weinarbeit gibt es immer im Weinberg des Herrn.
Die Erde ist groß, zu groß, als dass ein paar Leute sie beackern könnten. Der Weinberg ist reif zur Lese, die Erde ist reif zur Lese – reif. Doch es ist Lesezeit, es werden Trauben geerntet, es müssen Menschen geerntet werden. Und dazu braucht es Leute – Mitarbeiter gesucht.
Weil dies nicht durch irgendeine Anzeige im Internet möglich ist, auch nicht durch andere Kommunikationsmöglichkeiten, kommt dieser Jesus höchstpersönlich auf diese Erde. Jesus kommt zu uns, um Arbeiter zu suchen. Er kommt zu mir, um wieder in den Weinberg zu gehen.
Und hier, auf dieser Erde, stehen wir mit der gleichen Angst vor morgen, mit der gleichen Furcht vor der Zukunft, mit der Hoffnung auf bessere Zeiten. Aber dieser Gott sucht Leute. Das Alter spielt keine Rolle, er kennt keine Pensionsgrenze und keine Volljährigkeit. Der Konfirmand ist ihm genauso lieb wie der Senior.
Gott sucht Leute. Die Vorbildung spielt keine Rolle. Wir erfreuen uns an denen, die jetzt ihren theologischen Rucksack gepackt und aufgesetzt bekommen haben und hineingehen mit ihrer theologischen Ausbildung. Aber nicht nur sie sind gemeint, nicht nur die mit theologischer Ausbildung, sondern alle – auch die, selbst die Analphabeten.
Gott will alle. Gott spricht jeden an, auch den, der kein gutes Leumundszeugnis oder kein Führungszeugnis hat. Gott sucht alle.
Er tut dies in der Frühe des Lebens, wenn die Schatten, wenn die Familie, wenn der Beruf noch vor einem liegt. Er tut es in der Mittagszeit, in der Mitte des Lebens, wenn die Hitze ganz besonders groß ist. Und er tut es am Abend des Lebens, wenn die Schatten immer länger werden.
Doch bei ihm ist es nie zu früh, ihm sein ganzes Leben zu geben. Es ist nie zu spät, auch noch einen Auftrag zu übernehmen. Mitarbeiter gesucht – Gott sucht Leute.
Und wenn einer sagt: „Ich bin nicht gesucht, ich bin nicht gewollt, ich bin nicht erwünscht. Schon damals nicht bei meinen Eltern, auch nicht bei meiner Klasse und auch nicht im Geschäft. Nein, ich bin nicht gewollt.“ Wer so sagt, wer diese schweren Gedanken hat, dem habe ich heute Morgen einen Gruß dieses Gottes auszurichten: Gott mag dich, Gott will dich, Gott sucht dich als Mitarbeiter.
Beispiele großer Mitarbeiter im Weinberg Gottes
Ach, denk doch an William Carey. Er war Schuster in London, ein armer Schuster. Eines Tages hörte er, dass Mitarbeiter für die äußere Mission gesucht wurden. Daraufhin schob er seinen Dreifuß beiseite und ging zur Kirchenbehörde. Diese sagte ihm, wenn Gott so etwas wie die Mission gewollt hätte, dann bräuchte er nicht den Schuster Carey dazu.
William Carey ging nach Hause, verkaufte seinen Laden, kaufte eine Karte und wurde einer der ganz großen Missionare. Ein Hauptsatz von ihm war: „The world is my parish“ – die Welt ist meine Parochie. Nicht Ruhig ist meine Parochie, nicht Württemberg ist meine Parochie, nicht Europa ist meine Parochie, sondern die Welt ist meine Parochie. Das sind die großen Herzen von Gottes Mitarbeitern.
William Carey oder Johannes Siegenbalg – ach, das waren schwache Typen. In der Schule hatten sie schlechte Abschlusszeugnisse. Sie waren schwach an Leib und Seele. Das war ein Gesamtdurchschnitt von vier bis fünf. Und doch ließen sie sich nicht beirren. Sie fuhren nach Indien und schrieben eine Grammatik für die Tamolen, wohl die schwierigste Grammatik, die es überhaupt gibt. Das war Ziegenbalg.
Er will alle, er will heute Morgen Sie. Er schließt keinen aus. Er sucht Vollzeitmitarbeiter, Teilzeitmitarbeiter, Kurzzeit- und Kurzmitarbeiter. Er sucht einfach Mitarbeiter, denn Arbeit gibt es im Weinberg. Aber auch der andere Lohn gibt es im Weinberg.
Der Lohn im Weinberg des Herrn
Tolle Geschichte.
Um 18 Uhr ertönt es über den Weinberg: Feierabend, Feierabend! Die Messer werden weggesteckt, die Eimer ausgekippt, und die Butten donnern auf den Boden. Alles bewegt sich Richtung Ausgang, wo der Mann vom Lohnbüro bereits einen Tisch aufgestellt hat und mit Geldrollen bereitsteht. Es ist klar: Jeder soll seinen Lohn bekommen.
Dieser Weinbergbesitzer ist kein Geistkragen, der seine Leute für einen Mindestlohn arbeiten lässt. Er ist kein Ausbeuter, der seine Leute ausnimmt, und kein Menschenschinder, der die miese Lage für sich ausnutzt. Nein, er ist ein großer und gütiger Herr – und das ist er bis heute geblieben. Er lässt keinen Zweifel daran: Geld gibt es, Lohn gibt es, Zahltag gibt es im Weinberg des Herrn. Freunde, Zahltag gibt es im Weinberg des Herrn!
Plötzlich brüllt eine Stimme durch die Reben: „Kurzarbeiter, nach vorne!“ Da war ein leibarmer Mann, der sich an der Schlange vorbeidrückte und nach vorne ging. Er hatte noch im Ohr den Schrei seiner Kinder vom Morgen: „Papa, Hunger! Mama, Hunger!“ Aber er hatte nichts. Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Er lief durch die Stadt, konnte keine Arbeit finden, stundenlang. Schließlich landete er auf dem Marktplatz, dort gegen Abend. Dann erschien der Weinbergbesitzer noch einmal und fragte: „Willst du nicht auch arbeiten?“ Natürlich wollte er. Er nahm ihn mit, und eine Stunde vor Schluss arbeitete der Mann mit.
Um sechs war Schluss, und nun kam er nach vorne. Er streckte seine Hand aus und bekam einen Silberling. Der Mann war wie erstarrt. Das kann doch nicht wahr sein! Eine ganze Münze! Mit einem Satz war er draußen, lief zum Weinberg, die Straße hinunter, hinein in den Wachshahn. Er kaufte drei, vier, fünf Tüten und ging dann nach Hause. Die Treppe hinauf schlug er mit dem Knie die Tür ein. Dann kippte er alles auf den Boden: Brot, Butter, Sunnela und alles. Die Kinder hüpften bis an die Kalkdecke, und die Mutter wurde weiß wie Kalk. „Aber du hast doch nicht…“ – „Ich habe nicht! Ich habe alles ehrlich erworben!“
Der Herrmann ist ein Großzügiger. Er gibt mehr, als man verdient. Er lässt sich nicht lumpen. Nein, Gott lässt sich nicht lumpen. Er gibt mehr, als man verdient. Bei ihm geht es nicht danach, wie viel man gearbeitet hat, sondern dass man gearbeitet hat und sein Knecht und Weinbergarbeiter war. Doch, er war es, und er war dabei.
Gott sei Dank geht es bei ihm, bei diesem Gott, nicht nach Tarifordnung, sondern nach Gnadenordnung. Und wer genau hinsieht, der erkennt: Das ist ja gar nicht mein Lohn, das ist ja der Lohn Jesu Christi. Die Lohntüten wurden getauscht. Das, was er am Karfreitag in der Nacht für uns alle erworben hat, wird mir gegeben.
Oh, seliger Tausch! Wer hat das erschaffen? Wer hat das erwirtschaftet? Wer hat es jemals ihm gegeben? Wer hat es jemals verdient?
Mir ist das eingefallen, damals als Student. Als Theologiestudent arbeitete ich in den Semesterferien in der berühmten Waffenfabrik Heckler & Koch in Oberndorf, meiner Heimatstadt. Der Meister erkannte sofort: „Der hat zwei linke Hände, den kann ich an keine wertvolle Maschine stellen.“ So wurde ich einem einfachen Geschäft zugewiesen, an einer Bohrmaschine. Ich musste gusseiserne Teile einfach durchbohren – und das im Akkord. Ein Geschäft, das mir direkt auf den Geist ging.
Deshalb war ich froh, als mir ein Arbeiter sagte: „Du schaffst die Nachtschicht. Wenn der Meister weg ist, besorgst du dir ein Rohr, steckst es auf deinen Bohrhebel, dann wird es besser, dann geht es schneller, und du bist mit dem Akkord viel besser fertig.“ Das nahm ich auf wie ein Evangelium.
Kaum war der Meister fort, besorgte ich mir das Rohr, setzte es auf und bohrte und bohrte. Die Späne flogen nur so durch die Gegend. Zwei Stunden vor Schluss war ich fertig mit meinem Akkord. Ich ging in die Kantine und genoss bei aufgehender Sonne das Frühstück. So weit, so gut.
Aber als ich am nächsten Morgen wieder zur Arbeit kam, standen schon drei Kisten Wurtheile da, und der Meister hatte ein saures Gurkengesicht. Als er mich sah, erkannte ich es sofort: Seine Nase sah aus wie eine Spreegurke – sauer! Er zeigte auf die Kisten und sagte: „Alles verbohrt, alles verbohrt!“ Durch die Schnelligkeit waren die Gewinde kaputt.
Dann war noch Freitag, und der Lohn kam in Tüten. Die Lohnarbeiterin gab auch mir meine Tüte. Ich überflog sie: Da fehlte nichts, da war alles drin, mir wurde alles gegeben. Ich vergesse diesen Augenblick nicht. Dann schaute ich hinüber – ach, da stand der Meister.
Ich schaute hinauf auf meine drei Kisten und wusste: Das ist’s, Geld für meinen Dreck, Geld für meinen Schrott. Geld für meinen Schrott!
So ist es auch bei meinem Herrn. Ich schaue hinüber, und da steht mein Herr. Er zeigt nicht auf meinen Schrott, sondern er hat sogar ein Lachen für mich. Aber dann schaue ich auf das, was ich geleistet habe.
Rückblick und Vertrauen auf Gottes Gnade
Freunde, mit achtzig schaut man zurück und betrachtet, was man über Jahrzehnte im Dienst geleistet hat. Am Ende hat man nicht Kittel und Titel, nicht Sterne und Abzeichen. Am Schluss trägt man eine Kette von Versäumnissen. Das ist es, was man schwer mit sich herumträgt.
Vieles ist im Leben nicht gelungen. Vieles habe ich nicht erarbeitet, vieles hat nicht geklappt. Deshalb, am Ende meines Lebens, Freunde – und das ist auch dieser glücklichste Beruf – schaue ich zu dem Herrn, der dort steht und selbst auf das Kreuz zeigt.
Dann blicke ich auf das, was ich in meinem Leben geschafft habe. Trotz allem, was nicht gelungen ist, gibt es Lohn für meinen Schrott, Lob und Lohn für meine Schuld, Lob und Lohn für meine Sünde.
Deshalb ist es mein Lieblingslied, und ich gebe es gerne weiter. Ich gebe es gerne weiter, weil es ausdrückt, was an diesem Morgen mein Herz erfüllt. Ich freue mich, dass Sie in den Dienst Jesu treten wollen.
Der Herr ist gut, und Sie treten in den Dienst der Gnade ein – den armen Dienst der Knechte, die ihn lieben, den armen Dienst. Nichts bleibt unvergolten. Er gibt mehr Lohn, als man erwarten kann. Freunde, eine Lebenserfahrung: Er gibt mehr Lohn, als das, was man erschaffen hat.
Wenn ich zurückblicke, habe ich nichts erschaffen. Aber der Herr hat es geschafft. Er hat es mit mir geschafft, er hat mich durchgebracht. Lohn gibt es, denn der Herr ist gut.
Nehmen Sie nur das mit: Der Herr ist gut.
Konflikte und Gerechtigkeit im Weinberg
Noch ein letztes: Es gibt nicht nur Lohn, sondern auch Krach, Streit – Krach gibt es im Weinberg. Kaum hat dieser Kurzzeitarbeiter seinen Silberling bekommen, da springt hinten ein Ganztagsarbeiter auf. Er tanzt wie der Weltmeister und sagt: „Ach, wenn der schon einen Silberling kriegt, dann kriegen wir ganz bestimmt zehn.“
Er klopft dem Vatermann auf die Schulter, und der dreht sich um und sagt: „Aber du, es war doch nur ausgemacht.“ – „Ach Quatsch, ein Ausgemachtes! Wir haben das Mehrfache gearbeitet, und du wirst sehen, wir kriegen zehn. Dann gehen wir nach Hause, liefern der Frau die Hälfte ab und mit der anderen Hälfte gehen wir einen trinken. Oh Tag, so wunderschön wie heute!“
Dann kam die Bescherung: Er streckte die Hand aus und bekam einen Silberling. „Das kann nicht wahr sein! Das sind doch keine Methoden, das ist doch himmelschreiendes Unrecht. Wir haben das Vielfache eingebracht, viel, viel mehr als diese Schlümpfe, die gegen Schluss hereingeschliffen sind und ein bisschen abgesandt haben. Und jetzt werden sie volle Kanne bezahlt? So geht das doch nicht!“
Ruben, du kannst lesen und schreiben. Du musst dem Alten sagen, dass das so nicht geht. Du musst fraktur mit ihm reden, du musst ihm ins Herz hinein sprechen und sagen: „Das ist nicht recht. Das ist Unrecht!“
So formiert sich ein Demonstrationszug, der quer durch die ganzen Flecken zieht. Vor dem Gutsbesitzerhaus geht es ab wie bei einer Bahnhof-21-Demonstration: „Wir wollen mehr! Wir wollen mehr!“
Doch dieser Gutsbesitzer, der Weinbergbesitzer, bringt keine Wasserwerfer. Er macht kein Arbeitsgerichtsverfahren und ruft nicht die Polizei. Stattdessen geht er aus dem Haus, ohne Angst, auf den ersten Schreier zu. Er packt ihm einen Rock und sagt: „Mein lieber Freund, mein lieber Freund, du hast so einen Silberling. Der war ausgemacht, den hast du in der Tasche. Das ist doch Gerechtigkeit! Bei mir geht es nicht nach Stunden und Minuten, sondern nach Treue und Hingabe. Warum fängst du an zu rechnen? Warum fängst du an zu vergleichen? Warum fängst du an zu schielen?“
„Durch Schielen wird alles schief, Freunde, durch Schielen wird alles schief. An dieser Augenkrankheit leiden wir alle. Solange das Geld in meine Tasche fließt, ist es okay. Solange die Prämie meinem Konto überwiesen wird, ist es okay. Solange ich ein Glück genieße, das ich verdient habe, ist alles okay. Doch das ist alles okay. Aber dann, wenn dieses Geld dem Nachbarn zufließt, wenn dann die Karriereleiter derer an mir vorbeigleitet, wenn der in seiner Familie ein Glück genießt, von dem ich nur träumen kann, dann versaure ich, dann bekomme ich Komplexe, dann wird das Liedchen angestimmt: ‚Die Treue Gottes hat den Falschen erwischt, weil es mich nicht erwischt hat.‘“
Und Jesus sagt all diesen Neidhammeln – und dieser Neidhammel ist auch in uns: „Lieber Freund, du bist von mir gerecht behandelt. Wenn du rechnen willst, dann rechne deine Sünden zusammen. Wenn du messen willst, dann messe deine sündigen Maße. Und wenn du vergleichen willst, dann vergleiche doch das mit dem, was du getan hast, mit dem, was ich dir getan habe.“
Liebe Freunde, vergessen Sie nicht: Messen Sie nicht, rechnen Sie nicht! Er hat Ihnen unheimlich viel geschenkt – dass Sie dieses Studium durchleben und durchleiten konnten, dass wir heute hier sitzen, dass wir alle hier sind, dass wir am Leben sind und darauf warten können, dass er eines Tages kommt und uns holt. Er gibt uns die Fülle seines Lebens, auch an solch einem Herbsttag. Er gibt uns die Fülle seines Lebens.
Es geht hier keiner mit leeren Händen weg, es geht hier keiner mit leerem Herzen weg. Es geht hier jeder mit dem weg, was er ihm schenkt, nämlich das Übermaß an Liebe und Barmherzigkeit. Doch Arbeit gibt es im Weinberg, und Lohn gibt es im Weinberg, und Krach muss es nicht mehr geben. Amen!
