Es ist Ferienzeit, und ich habe für euch eine vierteilige Reihe zum Thema Gebet vorbereitet.
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es ums Gebet.
Rückblick auf das Gebetsleben Jesu und seine Bedeutung für uns
Ja, wir wollen mit dem Thema Gebet weitermachen, und ich möchte zunächst einen kurzen Rückblick geben, damit wir wieder in das Thema hineinkommen.
Mir war gestern vor allem eine Sache wichtig: Jesus. Ich hätte beinahe gesagt, er war ein Beter, aber ich muss sagen, er ist ein Beter – denn er betet immer noch. Jetzt im Himmel betet er für uns. Das finden wir an verschiedenen Stellen im Neuen Testament. Der Sohn betet jetzt vor Gott für uns. Er ist die ganze Zeit Beter geblieben.
Wenn wir in die Bibel hineinschauen, stellen wir fest, dass von all den Gewohnheiten, die aus dem Leben des Herrn Jesus beschrieben werden, das Gebet als die eine Gewohnheit heraussticht. Wir lesen nichts über seinen Umgang mit der Bibel, und nur an ganz wenigen Stellen über den Besuch der Synagoge. Aber das Gebet taucht immer und immer wieder auf.
Gestern haben wir uns die Stellen dazu angeschaut. Wir haben gesehen, dass Gebet den Himmel öffnet, den Dienst vorbereitet, schwierige Entscheidungen vorbereitet, Lehrgespräche vorbereitet und die Begegnung mit Gott vorbereitet. Es hat eine Vorbildfunktion.
Das Fürbittgebet beeinflusst das Leben von Gläubigen so sehr, dass sie ihren Glauben nicht verlieren. Außerdem können wir, wenn wir Fürbitte für unsere Feinde tun, ihnen Sünde vergeben.
Wir haben auch Gethsemane betrachtet. Dort haben wir erkannt, dass es Momente im Leben gibt, die so niederschmetternd sind, dass man ohne Gebet und ohne ein gesundes Gebetsleben nicht durchkommt.
Deshalb war es mir wichtig, dass wir begreifen: Gebet ist nicht noch eine Sache, die man irgendwann mal ein bisschen macht, weil man ja christlich ist. Versteht ihr? Gebet ist etwas ganz anderes, etwas viel Zentraleres.
Gebet ist etwas, das man lernen muss. Deshalb haben wir uns Lukas 11,1 folgende angeschaut, wo die Jünger kommen und sagen: Herr, lehre uns beten.
Gebet ist so wichtig, weil – und jetzt werde ich etwas sagen, das euch vielleicht kurz irritiert – du ohne Gebet Gott nicht lieben kannst.
Die Kraft der Gewohnheit für das Gebetsleben und das Herz
Ich kann das hier nur kurz anreißen und ein bisschen Werbung für meinen Podcast machen. Im August wird es wahrscheinlich einen Podcast zum Thema gute Gewohnheiten geben. Darin werde ich formulieren, dass gute Gewohnheiten unser Herz ausrichten.
Du kannst durch das, was du an guten Gewohnheiten in dein Leben integrierst, dein Herz prägen. Es ist, als hättest du einen Kompass, vor den du einen Magneten legst. Die gute Gewohnheit wirkt wie dieser Magnet, der dein Herz ausrichtet.
Jeder von euch kann das ganz einfach selbst überprüfen. Wenn du etwas lieb gewinnen möchtest, nimm es als gute Gewohnheit in dein Leben auf. Nach ungefähr sechs bis acht Wochen wirst du es lieb gewinnen.
Ich erlebe das gerade selbst sehr deutlich. Seit drei Wochen mache ich mit meiner Frau morgens sieben Minuten Bauchmuskeltraining. Ich habe es noch nicht ganz lieb gewonnen, aber ich merke, dass der Widerstand und der Widerwille langsam nachlassen.
Ich habe mir sogar eine Yogamatte gekauft, auf der man die Übungen macht. Das zeigt schon, dass eine grundsätzliche Offenheit in meinem Herzen für gymnastische Übungen entstanden ist. Übungen, die ich 56 Jahre meines Lebens bewusst verdrängt habe.
Ihr seht also, nach drei Wochen tut sich etwas. Ich bin überzeugt, dass ich, wenn ihr mich nächstes Jahr fragt, wie es mit dem Bauchmuskeltraining läuft, euch zehn verschiedene Übungen zeigen kann und total begeistert bin, dass mein Herz für Bauchmuskelübungen gewonnen wurde.
Wodurch ist mein Herz gewonnen worden? Nicht durch einen Vortrag, den ich gehört habe, und auch nicht, weil meine Frau gesagt hat, wir müssten das mal machen. Mein Herz wurde durch die Gewohnheit gewonnen.
Ob dir das nun passt oder nicht: Wenn du dein Herz auf etwas ausrichten willst, das du positiv emotional in deinem Leben verankern möchtest, musst du eine Gewohnheit implementieren. Dann wirst du feststellen, dass sich das irgendwann einstellt.
Das gilt auch fürs Gebet. Wenn du sagst, du würdest ja gerne mehr beten, aber dich nicht danach fühlst, kann ich dir jetzt schon versprechen: Du wirst nicht mehr beten. Denn du wirst dich nie danach fühlen.
Es ist einfach so. Man fühlt sich nicht nach Gebet – außer man steckt in tiefen Krisen. Dann kommt das Gebetsbedürfnis von alleine. Aber nur in Krisen zu beten, kann es ja auch nicht sein.
Deshalb brauchst du eine Gewohnheit. Auf diese Gewohnheit nimmt Jesus Bezug, wenn er im Matthäusevangelium sagt: „Und wenn ihr betet…“ – also immer, wenn ihr betet. Beten gehört ganz normal zum geistlichen Leben dazu.
Das Vaterunser als Modell und Struktur des Gebets
Als seine Jünger zu ihm kamen und ihn darum baten, dass sie doch bitte auch das Gebet lernen dürften, brachte der Herr Jesus ihnen das Vaterunser bei. Ausgehend davon, dass das Vaterunser in der frühen Kirchengeschichte nie gepredigt oder gebetet wurde, ist es interessant, dass man nirgendwo in der Apostelgeschichte lesen kann, dass die Gläubigen sich in Jerusalem trafen und das Vaterunser beteten. Das steht dort nicht. Trotzdem sagte der Herr Jesus: So sollt ihr beten.
Kurz davor sagte er auch, dass man nicht plappern soll wie die Heiden. Es kann also nicht darum gehen, das Vaterunser gebetsmühlenartig oder mantramäßig immer wieder herunterzuleiern. Das bedeutet, wir müssen uns das Vaterunser genau anschauen und begreifen, was es ist.
Meiner Ansicht nach hat das Vaterunser eine doppelte Bedeutung. Zum einen ist es eine Struktur, die unser Gebet prägen soll. Um das ganz deutlich zu sagen: Wir reden über das, was der Herr will, und nicht über das, worüber wir noch mitreden könnten. Wir sind hier in einem Bereich der Nachfolge angekommen, wo jemand sagt: Das will ich. Punkt.
Egal, was wir jetzt damit machen, wir müssen uns überlegen, ob wir Menschen sein wollen, die ihr Gebetsleben nach dem Vaterunser strukturieren oder nicht.
Der zweite Punkt, der sich daraus automatisch ergibt, ist folgender: Wenn wir das tun, werden wir merken, dass Gott unser Gebet gar nicht so sehr braucht, sondern dass wir das Gebet für uns selbst brauchen. Gebet ist nicht dazu da, Gott zu informieren, und auch nicht, um Gott zu manipulieren. Gebet ist dazu da, dass meine Seele etwas bekommt.
Ich weiß nicht, ob dir das klar ist: Wer wenig betet, geht nicht nur das Risiko ein, dass er wenig bekommt, weil Gott gebeten werden will. Vielmehr verhungert die Seele dessen, der wenig betet. Sie wird nicht auf Gott ausgerichtet, man entwickelt keine Liebe zu Gott, und die Seele wird am Ende verhungern. Denn Gebet ist das, was deine Seele braucht.
Beginn der Betrachtung des Vaterunsers: Anbetung und Ausrichtung auf Gott
Wir gehen jetzt einmal das Vaterunser durch, und ich möchte euch zeigen, warum das Vaterunser eine so wichtige strukturelle Rolle im Leben eines Gläubigen spielt.
Dazu schlagen wir Matthäus Kapitel 6 auf. Dort steht das Vaterunser in seiner längeren Fassung. Ich möchte ganz kurz darauf eingehen. Wenn ihr mehr dazu wissen wollt, könnt ihr euch nächstes Jahr einen anderen Referenten einladen, der nur darüber Vorträge hält. Das wäre überhaupt kein Problem, kann ich euch gleich sagen.
Über die einzelnen Punkte könnte man jeweils problemlos eine ganze Stunde sprechen. Hier heißt es in Matthäus 6, wir starten in Vers 9: „Betet nun so: Unser Vater, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name.“
Damit fangen wir an. Das heißt, das Gebet, wie der Herr Jesus es von seinen Jüngern möchte, beginnt mit dem, was ich Anbetung nenne: „Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name.“
Wir starten das Gebet damit, dass wir uns gedanklich von dieser Welt verabschieden und uns auf Gott ausrichten. Warum ist das wichtig? Es ist wichtig, weil uns dieser erste Blick auf Gott davor bewahrt, in den Götzendienst abzudriften.
Ganz wichtig: Wenn wir nicht lernen, Gott anzubeten und ihm an dieser Stelle die Ehre zu geben – und zwar auf eine intelligente Weise –, dann wird sich unser Denken nach anderen Götzen ausstrecken. Es ist mir dabei ganz wichtig zu betonen, dass ich nur wenige Christen kenne, die an dieser Stelle genug Zeit investiert haben, um eine intelligente und abwechslungsreiche Form der Anbetung zu kultivieren.
Wenn du das nicht tust, wirst du andere Dinge finden, die dir wichtig sind. Das kann dein Urlaub sein, dein Auto oder das Essen. Solche Dinge bekommen dann eine Präsenz in deinem Kopf. Denn Götzen sind nun mal unglaublich attraktiv.
Damit das nicht passiert, müssen wir eine tiefe und qualitativ hochwertige Form der Anbetung kultivieren. So können wir uns immer wieder jeden Tag neu in der Gewohnheit des Betens auf den Gott ausrichten, den wir fürchten, der uns heiligt und dem wir dienen wollen.
Das war’s für heute. Die Predigt wird in der nächsten Episode fortgesetzt. Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
