Einführung in das Thema Freiheit und Wahrheit
Und nun hinein genau in das Thema dieses Gottesdienstes. Das Thema steht im Johannesevangelium, im achten Kapitel. Dort sprach Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: „Wenn ihr an meiner Rede bleibt, so seid ihr in Wahrheit meine Jünger. Und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“
Da antworteten sie ihm: „Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knechte gewesen. Wie sprichst du denn: Ihr sollt frei werden?“
Jesus antwortete ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sündeknecht. Der Knecht aber bleibt nicht ewiglich im Hause; der Sohn bleibt ewiglich. Wenn euch nun der Sohn freimacht, so seid ihr rechtfrei.“
Das ist das Thema: „Wenn euch nun der Sohn freimacht, so seid ihr rechtfrei.“
Ich gestehe, ich fürchte mich etwas. Keiner der vorhin genannten Großen Persönlichkeiten, die meinen Namen tragen, hat diese Kirche lebendig verlassen. Wenn es eine automatische Vorrichtung gibt, die der Mesner bedienen kann, und die diesen Deckel hier auf diese Kanzel fallen lässt, fürchte ich, werde ich sie auch nicht lebendig verlassen.
Ich habe mir von Eingeweihten sagen lassen, das sei die Abschlussvorrichtung für Pfarrer, die die Predigt nicht pünktlich zu Ende bekommen. Ich werde dann in die Hocke gehen, aber länger kann ich nicht riskieren, Zeit zu vergeuden, weil das sonst runterkommt.
Schwierigkeit mit dem Begriff Freiheit
Als Schüler habe ich mir den Magen an den Begriffen Freiheit und frei gründlich verdorben. Seitdem habe ich Schwierigkeiten, Grundsatzreden zu diesem Thema zu halten. Das war immer so: Wenn wir Deutschaufsätze schreiben mussten, gab es immer ein paar Themen, bei denen man wirklich Ahnung haben musste, um etwas Sinnvolles schreiben zu können. Dazu gehörten zum Beispiel Gedichtinterpretationen und Ähnliches.
Da ich meistens wenig Ahnung hatte, wählte ich immer das Thema, das unendlich hemmungsloses Reden zuließ. So etwa nach dem Motto: „Sind wir im freien Westen wirklich frei?“ Das war ein typisches Abiturthema aus den 1960er Jahren. Man konnte dazu schreiben: Natürlich sind wir frei, und auch wieder nicht. Und in diesem und jenem Sinne. Je mehr man redete, desto besser wurde der Aufsatz bewertet. Das habe ich so gründlich getan, auch aus Not natürlich, dass ich eigentlich fünfzig Jahre lang nicht mehr das Wort Freiheit in den Mund nehmen möchte.
Übrigens glaube ich, dass es insgesamt auch kein großer Schaden wäre, wenn man sich darauf einigen würde, 50 Jahre lang nicht mehr darüber zu reden. Die Sache ist ja sowieso unbekannt. Es würde sich gar nichts ändern, wenn wir die Vokabeln einfach streichen würden.
Jeder Diktator beginnt seine Herrschaft mit dem Versprechen, dass er Freiheit schenkt. Adolf Hitler kam und versprach die Freiheit von der Arbeitslosigkeit. „Arbeit macht frei“ ließ er über die KZ-Tore schreiben, nicht wahr? Ich habe den Verdacht, dass uns bei steigenden Arbeitslosenzahlen wieder ein paar Sprüchemacher dieser Sorte ins Haus stehen könnten.
Der Alkohol verspricht, dass ich frei werde von Sorgen. Und so beginnen die Diktaturen.
Jesus und das Versprechen der Freiheit
Und Jesus? In der Bibel steht schwarz auf weiß, dass Jesus gekommen ist, um eine Herrschaft aufzurichten und dass er der Herr ist.
Und was tut er anders als die anderen? Er verkauft uns seine Herrschaft doch auch mit dem Etikett Freiheit. Dabei sind wir skeptisch geworden, ob das nicht ein Schwindeletikett ist. Da muss man doch skeptisch sein, und mir fällt dazu Grundsätzliches nicht mehr ein.
Deshalb habe ich für heute eine Notlösung gefunden. Ich möchte euch einfach eine Geschichte erzählen, und zwar die Geschichte von einem sehr interessanten Typen. Einem, wie soll man sagen, einem Emanzerich.
Ich habe lange nachgedacht: Das gibt es ja so. Bei den Damen nennt man das Emanze, wenn jemand ganz auf Freiheit eingestellt ist. Bei den Männern haben sie die Freiheit noch nicht entdeckt, deshalb präge ich jetzt den Begriff... Da müsst ihr aber den Ersten erst mal treffen!
Deshalb prägen wir heute, an einem historischen Ort, den Begriff offiziell: emanzerisch.
Die Geschichte eines radikal freien Menschen
Ich wollte euch gerne die Geschichte von einem solchen Typen erzählen, der sich wirklich – und das hatte ihn eine Menge gekostet – von allen gesellschaftlichen Zwängen freigemacht hatte. Er lebte wirklich alternativ zu der Spießergesellschaft der Kleinstadt, aus der er kam.
Ich möchte euch erzählen, wie er das gemacht hat. Ehe und Familie, diese Gefängniszellen des Kleinbürgertums, hatte er gesprengt. Ausbildung und Beruf, diese Zwangsjacken der Leistungsgesellschaft, hatte er sich verweigert. Er tat nur, wozu er Lust hatte, er tat, was ihm Spaß machte.
Er hatte zugegeben einen etwas ausgefallenen Geschmack. Er schlug sich selbst mit Steinen, war Masochist. Dabei hatte er Spaß und Lust, sich selbst zu quälen. Aber auch darin war er eben Individualist. Man muss sich ja so seine besonderen Späße suchen, um sich noch abgrenzen zu können.
Er hatte auch seine Eigenarten bei der Kleiderfrage. Er verweigerte sich überhaupt jedem Kleiderzwang. Er mochte nicht diese Einheitsjeans, die von China bis wohin auch immer getragen wurden. Er mochte nicht die Bankeruniform – so viele Sicherheitsnadeln konnte er gar nicht auftreiben. Er mochte nicht den Popper-Verschnitt. Und schon gar nicht Opas Zivilisationsstrick, den ich aus lauter Ehrfurcht vor dieser Kirche mit Mühe um meinen Hals gebunden habe. Wenn mir die Luft ausgeht, wüsste er wenigstens, wo der Grund dafür liegt.
Außerdem war er ausgesprochen gegen repressive Lautstärkeregulierung im sozialen Wohnungsbau. Er schrie laut, so wie ich. In dem Bericht, in dem über ihn erzählt wird, heißt es: „Er schrie laut.“ Was die Wohnkultur angeht, war sie ausgesprochen alternativ und, was sehr wichtig ist, angstfrei. Er wohnte in Grabhöhlen auf dem Friedhof.
Begegnung mit Jesus und die Befreiung
Die Geschichte könnt ihr im Neuen Testament nachlesen. Sie steht im Markus-Evangelium, Kapitel 5. Die Bibel sagt, dass niemand diesen Mann binden konnte, er war frei.
Man hat oft versucht, ihn mit moralischem und gesellschaftlichem Druck einzuschüchtern, doch das hatte überhaupt keine Wirkung. Dann ging man mit Gewalt vor, fesselte ihn. Doch, so heißt es wörtlich in der Bibel, zerrieb und zerriss er diese Fesseln immer wieder – ein Mann, der die Freiheit wirklich konsequent lebte.
Dann trifft dieser Mann auf Jesus. Das geschah nicht zufällig: Jesus war mit dem Boot zusammen mit seinen Freunden über das See Genezareth gefahren und an der Schweizer Seite ausgestiegen. Ich meine, es war der See Genezareth, aber sozusagen die andere Ecke. Ohne dass er es wusste, setzte er seinen Fuß auf den Boden der Friedhofsrepublik Freies Gadara.
Dieser Mann lebte nämlich etwas außerhalb von Gadara, in den Höhlen des Friedhofs, die man dort hatte. Dort wurden die Toten nicht in die Erde gebuddelt, sondern man schlug Höhlen in den Fels und setzte die Verstorbenen dort hinein – ganz hoch vornehm, so wie hier in der Kirche im Keller.
Jesus und dieser Mann treffen also zusammen. Der Mann sieht Jesus kommen, den Eindringling in die Friedhofsrepublik, stürzt auf ihn zu, wirft sich ihm zu Füßen und sagt etwas sehr Merkwürdiges: „Was willst du, Jesus, du Sohn des Allerhöchsten? Warum bist du gekommen, mich zu quälen?“
Diese Tonart kenne ich von vielen, wenn unsere Sehnsucht nach Freiheit mit Jesus in Berührung kommt. Egal, was wir wissen oder nicht wissen – eines ist klar: Jesus versteht von Freiheit nichts. Das hatte schon der Opa Karl, ich meine Max, gesagt. Er meinte, alle Unterdrückung des Menschen fängt mit dem Gottesglauben an und wir werden nie frei, wenn wir nicht irgendwann mit dem religiösen Kram aufhören. Er wusste, dass Jesus in dieser Sache Freiheit nur zur Qual werden könnte. „Was quälst du mich?“
Jesus sieht diesen Mann ganz anders. Er schaut ihn an, analysiert seine Situation, durchschaut sie und stellt fest, dass dieses Menschenleben absolut besetztes Gebiet ist. Voller Besatzungstruppen, voll im Griff von Fremdherrschaft.
Jesus zwingt es heraus und sagt: „Der Dämon, der zerstörerische Geist in dir, wie heißt du?“ Dann antwortet der Mann: „Legion.“ Legion war die Bezeichnung für einen Armeeteil der Römer. Viertausend bis sechstausend Soldaten gehörten dazu – eine ganz schöne Truppe, eine unheimliche Macht, die diesen Menschen im Griff hatte.
Die Bibel spricht hier von der Wirklichkeit dämonischer Kräfte.
Skepsis gegenüber biblischen Dämonengeschichten
Nun ja, nun sehe ich im Geiste in euren Gehirnen den aufgeklärten Geist klicken und sagen: Also, das sind ja nun wirklich mittelalterliche Geschichten, die uns nicht mehr angehen.
Vor ein paar Wochen konntet ihr im Spiegel das Ergebnis einer Umfrage lesen, einer Untersuchung. Das hat mich doch erstaunt.
In Deutschland gehen ja nicht sehr viele Leute in die Kirche. Weiß ich, ob ihr das wisst: Es sind so zwischen vier und sechs Prozent der gesamten Kirchensteuerzahler, die überhaupt nur regelmäßig in einen Gottesdienst gehen. Stellt euch bitte vor, von diesen wenigen – das sind etwa 1,9 Millionen, glaube ich – ich weiß nicht, die Prozentrechnung war bei mir immer noch ein bisschen schwach.
Ich habe mir das mal gemerkt: Es sind genauso viele wie maximal zur Bundesliga gehen und genauso viele, wie wir Alkoholkranke haben. Das ist so etwa der Pegel. Die Statistik hilft einem da, Eselsbrücken des Gedächtnisses zu bauen.
Und von dieser Minderheit der Leute, die in die Kirche gehen, lesen nur wieder sechs Prozent – so die Umfrage – täglich die Bibel. Also von einer kleinen Minderheit von solchen, die überhaupt in die Kirche gehen, nur eine ganz kleine Minderheit, die täglich die Bibel lesen.
Jetzt kommt es: Aber 54 Prozent aller Bundesbürger lesen jeden Tag ihr Horoskop. Ja, da fragt man sich, wo wir leben.
Habt ihr jemals jemanden getroffen – es ist doch garantiert keiner in der Kirche hier –, der ein Amulett trägt oder sein Horoskop liest oder sich hat besprechen lassen, pendelt oder Blei gießen an Silvester – all so ein Kram? Ich habe noch nie einen getroffen, der das tut.
Nur, das ist die eigentliche Religion unseres Volkes. Glauben wir uns das selber nicht: Die Wirklichkeiten dämonischer Mächte haben unser Leben voll im Griff – unter der Maske der Harmlosigkeit.
Aber das will ich eigentlich nur in Klammern dazu sagen.
Die raffinierte Sklaverei der zerstörerischen Mächte
Die Sklaverei dieser zerstörerischen Macht ist raffiniert. Sie folgt einem ganz bestimmten Prinzip. Es ist nicht so, dass man Gefangenschaft oder Knechtschaft immer als schmerzlich empfindet. Man kann sich dabei pudelwohl fühlen – oder besser gesagt, wohl wie eine Kuh. Denn das ist eigentlich die Lebensphilosophie vieler Menschen.
Ihr wisst wahrscheinlich, wie das mit manchen Kühen funktioniert. Ich bin kein Landwirt, aber wir hatten bei uns im Ruhrgebiet die letzte Kuh, die gerade am Schwefeldioxid gestorben ist. Ich habe mir das in Büchern durchgelesen und mir sagen lassen, dass es irgendwo Kühe gibt, die auf grünen Wiesen weiden. Damit sie nicht auch die Blumen im Vorgarten abfressen, gibt es einen Zaun, der mit einem kleinen Stromstoß von etwa 24 Volt geladen ist.
Die Kuh ist ja gar nicht so dumm, wie sie aussieht. Sie frisst sich langsam durch das grüne Gras, kommt an den Draht, bekommt einen Stromstoß und merkt: Das schmeckt überhaupt nicht. Sie zuckt zurück. Auf der anderen Seite bekommt sie wieder einen Stromstoß. So gewöhnt sich diese kluge Kuh langsam daran, dass das Gras dort gut schmeckt, wo der Stromzaun nicht ist.
Viele Menschen in Westeuropa leben im 20. Jahrhundert nach einer ähnlichen Philosophie. Sie sagen: Gut ist immer das, wenn ich mich gut fühle. Wenn ich mich schlecht fühle, kann das, was passiert, nicht gut sein. Deshalb weichen sie immer zurück, wenn sie einen kleinen Schmerz empfinden. Sie tun immer das, wozu sie sich gut fühlen.
So kann man Kühe dressieren. So haben wir unseren Dackel dressiert. Wahrscheinlich kann man auch Schweinen das Klavierspielen beibringen – mit Zuckerbrot und Peitsche, also mit Belohnungen, die lecker und süß schmecken. Das nennt man Gehirnwäsche. Und am Ende fühlt man sich wohl.
Ein Gefängnis kann wirklich etwas Komfortables sein. Es hat auch seine Vorteile. Man kann im Gefängnis nicht unter ein Auto kommen und nicht aus dem Fenster fallen. Viele Gefahren des täglichen Lebens bleiben einem erspart, wenn man im Gefängnis ist.
So gewöhnt man sich mit der Zeit daran, sich in seine Gefangenschaft zu verlieben und die Gefangenschaft für Freiheit zu halten. Auch unsere Wünsche werden umgepolt. Es fesseln uns nicht nur äußerliche Ketten, sondern auch unsere Bedürfnisse werden so gesteuert und umgepolt, dass wir das wollen, was die zerstörerische Macht des Feindes, Satans, uns zugedacht hat.
Es schmeckt süß im Mund – und es vergiftet uns.
Jesus erkennt die innere Zerrissenheit des Menschen
Jesus sieht diesen Mann vor sich, dieses Symbol der Freiheit, der sich von allem losreißen kann, und erkennt einen Menschen, der voll besetzt ist von der Zerstörungsmacht Satans. Dieser Mensch ist eine zerrissene Kreatur.
Ihr solltet das mal in der Bibel nachlesen. Es heißt dort, er fiel vor die Füße Jesu – das ist die Bewegung der Unterwerfung und der Bitte. Doch aus seinem Mund kommt keine Bitte, kein Flehen wie „Herr, hilf mir, mach mich heil“. Stattdessen kommt Ablehnung und Feindschaft.
Kennst du diese Zerrissenheit? Mensch, wie oft kennt man das, dass man manchmal gar nicht richtig weiß, wer man selbst ist und was man eigentlich denkt. Irgendwo in unserem Leben gibt es eine Sehnsucht nach Hilfe. Aber unsere Worte sind voller Gift, Galle und Kritik gegenüber Jesus. Irgendwo in unserem Herzen schreit etwas, wenn er lebt und helfen könnte: „Ich möchte diese Freude erfahren!“ Und unser Verstand produziert lauter Geschosse gegen ihn.
Dann fragt man sich: Was will ich denn eigentlich? Ich weiß selbst nicht, was ich will, ich bin völlig zerrissen.
Mir war es immer unheimlich tröstlich, dass Jesus diesen Mann durchschaut, dass er ihn kennt in seiner ganzen Zerrissenheit. Der Mann kann Jesus keine klaren Motive präsentieren, er kann kein klares, durchschaubares Denken vorweisen. „Das bin ich, das will ich“ – nichts davon. Er ist eine zerrissene Kreatur.
Es braucht keinen Propheten, um zu sagen, dass in dieser Kirche eine ganze Reihe von Leuten sitzt, die innerlich so zerrissen sind. Die in sich spüren, dass sie auf der einen Seite so gern die Hilfe von Jesus bräuchten und sich nach der Befreiung sehnen, die er schenken kann. Auf der anderen Seite gibt es so viele Kräfte in ihnen, die sie von Jesus wegziehen. Und sie werden überhaupt nicht mehr schlau aus sich selbst.
Sie denken: „Ich kann doch gar nicht anfangen, als Christ zu leben. Jesus kann mit mir nicht anfangen, wenn ich noch nicht mal selbst weiß, was ich will.“
Ich will dir sagen: Du darfst so mit der ganzen Zerrissenheit kommen. Jesus durchschaut das Chaos, das du loswerden möchtest. Den Teufelskreis der Lüge, den du so oft versucht hast zu durchbrechen, aus dem du aber nicht herauskommst.
Du möchtest loskommen, raus aus dem Teufelskreis von Habgier, Hass und Krach zu Hause. Wie oft hast du das gewollt, dass endlich wieder Frieden zu Hause ist? Und dann sind die Pferde mit dir durchgegangen, und du hast deine Mutter wieder angeschrien, als wäre sie irgendjemand.
Jesus kennt dich. Du brauchst keine schicke religiöse Haltung einzunehmen, wie ein japanischer Kunstturner. Jesus sieht mit voller Barmherzigkeit diese zerrissene Kreatur – und dann spricht er ein Machtwort.
Das Machtwort der Befreiung
Ich sage es wörtlich: Er sagt, fahre aus, du unsauberer Geist von diesem Menschen! Wie viel Schmutz, wie viel Trübe war im Leben dieses Mannes. Wie viel Krampf nur, um sich selbst zu drehen. Wie hatte er in diesem Wahn seine eigene Freiheit zu leben zerstört, ringsum eher Menschenleben zerstört und zur Hölle gemacht. Wie viel Trümmer, wie viel Schmutz – fahre aus, du unsauberer Geist von dem Menschen!
Dann heißt es einfach von dem Mann, dass er plötzlich vernünftig war. Ja, manche Leute meinen ja, wer glaubt, der sei doof. Wer mit Jesus in Kontakt kommt, wird vernünftig – ganz schlicht vernünftig.
Nein, das Ziel ist nicht, dass man plötzlich anfängt, religiös die Augen zu verdrehen und die Seele aufzupumpen und sozusagen immer in Halleluja-Höhlen schwimmt. Vernünftig wird ein Mensch, er bekommt einen klaren Kopf, durchbaubare Verhältnisse. Da weiß man, woran man ist. Das hat plötzlich Hand und Fuß.
Einfach mit einem Machtwort. Ja, kann der das? Mensch, ich sage dir: Hinter diesem Wort, das Jesus spricht, steckt die Allmacht der Liebe des Gekreuzigten. Was konnte der alles einstecken, als sie ihm die Hände annagelten? Was konnte er aushalten? Wo hat er alles standgehalten – um deines und meines Willens?
Es ist die Allmacht der Liebe des Gekreuzigten, die in diesem Machtwort steht: Du bist frei, dir sind deine Sünden vergeben. Kommt, folgt mir nach! Es ist diese Urgewalt vom Ostermorgen!
Damals am Ostertag lagen die Handvoll römischer Legionäre flach auf dem Boden, als wären sie tot. Die Gewalt der Auferstehung steckt in diesem Machtwort Jesu. Niemand kann dich freimachen, niemand hat diese Gewalt in sich. Er allein hat das Recht und die Fähigkeit, ein Machtwort zu sprechen – und du bist frei.
Deshalb ist die große Chance dieses Abends, dass wir, so zerritten und gefesselt wir auch sind und ganz gleich, wovon wir gefesselt sind, hinkommen und sagen: Herr, hier! Und wenn du dich ihm zu Füßen wirfst und dein Herz noch gegen Jesus schreit, so erkennt er deine Geste der Bitte, der Anerkennung seiner heilenden Kraft – und er spricht sein Machtwort.
Die größten Stunden meines Lebens sind die gewesen, in denen ich für mich und für andere erfahren habe, wie das ist, wenn er ganz einfach durch das Wort eines anderen Menschen mir zusprechen lässt: Dir sind deine Sünden vergeben. Du bist frei.
Die zerstörerische Kraft der Dämonen und die Reaktion der Menschen
Und dann passiert in dieser Geschichte noch etwas Merkwürdiges. Jesus demonstriert noch einmal, welche ungeheure Zerstörungsgewalt in diesem Mann steckte. Er setzt sie frei. Da ist eine Herde von zweitausend Säuen, und diese Zerstörungsmacht fährt hinein. Die Herde wird den Abhang hinuntergetrieben, sie machen Kopfsprünge von den Felsvorsprüngen ab in den See Genezareth. Wahrscheinlich fühlten sie sich sauwohl dabei, waren ja auch Schweine.
Das war die Freiheit, nicht wahr? Noch einmal der Wahn der Freiheit – saumäßig frei zu sein, auf keinen Hirten mehr zu hören und ab ins Verderben. Der Rausch dieser Schweineherde von Gadara, die sich ins Verderben stürzte, war ein Freiheitsrausch.
Hier werden die Tendenzen offenbart. Persönlich hat man das Gefühl der ganz großen Freiheit. Tatsächlich gibt es aber einen rasanten Absturz in die Zerstörung unseres Lebens – durch Lüge, durch Hass, durch Habgier, durch Ehebruch.
Und da sitzt der Mann. Das heißt, er war bekleidet, normal bekleidet – das war schon unvernünftig. Ich stelle mir vor, dass die Leute aus Gadara aufatmeten, weil nun ihre Umgebung wieder sicher war. Man konnte nach fünf Uhr wieder durch den Park spazieren gehen, ohne Angst zu haben, dass er einen umlegte. Sie waren vom Terror befreit und sagten: Jesus, jetzt musst du hier bleiben und uns den Frieden sichern. So können wir gut leben.
Aber denkste, denkste. Die Freiheit war unerwünscht. Ihr müsst es mal nachlesen, es ist nicht zu begreifen – oder vielleicht allzu gut zu begreifen. Sie bitten ihn: Geh weg von hier! Geh doch weg, die anderen kommen.
Sie sehen den geheilten Menschen, sehen, was an ihm neu geworden ist, und bitten Jesus: Geh doch weg von hier, irgendwo anders hin, aber weg! Wenn es an die heiligen Säulen geht, wenn es an die heiligsten Säue der Nation geht – Bruttosozialprodukt, Zuwachsraten –, wenn es ans Geld geht, hört der religiöse Spaß auf!
Da sagen sie: Bitte, so haben wir uns die Freiheit nicht vorgestellt. Geh doch ein paar Kilometer weiter. Wir möchten nicht mehr, wir möchten nicht mehr!
Und so tönt der Chor bis heute: Jesus, du verstehst nichts von Freiheit. Wie soll er auch? Der Mann, den sie angenagelt haben, wehrlos, bewegungslos, die Hände und die Füße – versteht er etwas von Freiheit?
Die wahre Freiheit in den angenagelten Händen Jesu
Ich sage dir: Er ist der Einzige, in dessen Hände man sich begeben kann, ohne zerbrochen zu werden. Es sind die einzigen Hände vom Kreuz, die uns nicht zerbrechen. Es sind die einzigen Füße, die unser Leben nicht zertreten, sondern den Freiraum schaffen, in dem unser Leben aufblühen, wachsen und gebaut werden kann. Das sind die Füße, die angenagelt sind am Kreuz.
Wir leben nicht auf einem Spielplatz, sondern in dieser Welt in einem Minenfeld. Man kann sich die selbstmörderische Freiheit leisten, hinzulaufen, wohin man will, und mit seinem Leben an der Stelle in die Luft zu gehen, die man wählt.
Wenn du aber Leben suchst, dann hör auf den mit den angenagelten Händen und Füßen. Er zeigt dir, wo man den nächsten Schritt setzt in dieser Welt, die wie ein Minenfeld ist. Er zeigt dir, wie Leben erhalten, geschützt, geblüht und aufgebaut wird.
Ich glaube niemandem das Wort Freiheit mehr – niemandem außer dem Gekreuzigten. Er ist gekommen, und das ist Grund zur Freude.