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Halleluja

Offenbarung 19,6-9
Das Halleluja im Himmel ist die Hoffnungsmelodie des Glaubens und die Sehnsuchtsmelodie der Christen. Auf diese Melodie sollen sich Christen einspielen. - Predigt aus der Stiftskirche Stuttgart

Das Halleluja ist ein Gotteslob. Das Halleluja bedeutet so viel wie "Gott sei Lob und Dank".

Das Halleluja wird in verschiedenen Lautstärken gesungen.

Das kleine Halleluja erklingt im Haus, wenn etwa das neugeborene Kind mit seiner Mutter aus dem Krankenhaus zurückkommt und von den Geschwistern mit heller Freude begrüßt wird: "Halleluja". Oder wenn der Bub sein nicht gerade mitreißendes Schulzeugnis präsentiert und trotz zwei Fünfen in die nächste Klasse versetzt ist: "Halleluja". Oder wenn die Familie die Koffer gepackt hat und nun in die Ferien abfahren kann: "Halleluja", Gott sei Lob und Dank. Das kleine Halleluja wird im Haus gesungen.

Und das große Halleluja erklingt in der Kirche, wenn eine heiße Woche geschafft ist und die Gemeinde das Morgenlied anstimmt: "Halle­luja". Oder wenn der Psalm aufgeschlagen ist und die Gottesdienst­besucher miteinander beten: "Halleluja". Oder wenn der Messias aufgeführt wird und die Sänger am Schluss des zweiten Teils so jubeln, dass man am liebsten aufstehen würde, wie einstens König Georg II. bei der Londoner Erstaufführung im Jahre 1724: "Halleluja", Gott sei Lob und Dank. Das große Halleluja wird in der Kirche gesungen.

Nun aber gibt es noch ein viel größeres und mächtigeres und gewaltigeres Halleluja, das der Seher an einem Sonntagmorgen auf der Gefangeneninsel Pathmos hört und davon so überwältigt ist, dass er umfällt wie ein Toter. Er steht wieder auf, holt sich ein Stück Papyrus und schreibt es nieder. Das mächtige Halleluja erklingt im Himmel, wenn die alte Welt mit ihrem Leid vergeht und das Alte nicht mehr sein wird: "Halleluja". Und wenn die neue Welt mit ihrem Licht heraufzieht und alles neu macht: "Halleluja". Und wenn der Herr der alten und neuen Welt, unser Gott, der Allmächtige sein Reich einnimmt: "Halleluja", Gott sei Lob und Dank.

Dieses Halleluja im Himmel ist laut. Johannes kommt bei der Beschreibung ins Stottern. So wie der Schall eines Massenchores, nein stärker: so wie die Kaskaden eines Wasserfalles, nein stärker: so wie der Hall eines Donnerschlages, crescendo und fortissimo. Keiner kann es überhören.

Und dies Halleluja im Himmel ist rein. Unser Halleluja ist immer vom Kyrie begleitet, "Herr, erbarme dich unser". Das Kind ist geboren, Halleluja, aber darf es auch gesund aufwachsen? "Kyrie eleison, Herr erbarme dich". Die Krankheit ist überstanden, Halleluja, aber kehren die alten Kräfte noch einmal zurück? "Kyrie eleison, Herr erbarme dich". Die Ferienzeit ist da, Halleluja, aber wird sie auch die erhoffte Erholung bringen? "Kyrie eleison, Herr erbarme dich". Das Halleluja im Himmel kennt kein Kyrie dieser Erde mehr. Alles Leiden, Bangen, Zagen gehört der Vergangenheit an.

Und dieses Halleluja im Himmel ist ewig, nicht auf Zeit, sondern für die Ewigkeit.

So ist dieses laute, reine und ewige Halleluja im Himmel die Hoffnungsmelodie des Glaubens, die Sehnsuchtsmelodie der Christen, noch genauer, die Hochzeitsmelodie der Gemeinde Jesu, denn "die Hochzeit des Lammes ist gekommen und seine Baut hat sich bereitet".

Weil wir uns auf diese Melodie einspielen sollen, deshalb wird sie in diesem Textabschnitt näher erklärt.

1. Der Hochzeitstag kommt

Johannes auf Pathmos macht sich nichts vor. Er sitzt nicht wegen Kinkerlitzchen hinter Gittern. Als Staatsfeind Nr. 1 ist er auf diese KZ-Insel im ägäischen Meer verbannt worden. Zuhause, in Ephesus, wurde ihm als geistliches Oberhaupt und Bischof der Kirche eine Vorladung zum Kaiserkult überbracht. Wie jeder normale Bürger des großrömischen Reiches sollte er vor der Behörde erscheinen, zu Ehren des göttlichen Herrschers in Rom eine Prise Weihrauch vebrennen und sagen: "Der Kaiser ist Herr." Johannes aber warf die Vorladung in den Papierkorb. Er hatte sich für Gott und gegen die Götter entschieden. Man kann doch nicht zu Domitian mit Weihrauch und zu Christus mit Weihwasser kommen! Entweder dieser blutrünstige Wolf oder dieses blutende Lamm. Und Johannes ändert auch dann seine Meinung nicht, als die geheime Staatspolizei mit dem Haftbefehl erschien und ihn per Schub auf Pathmos verfrachtete.

Dort ist er trotz politi­scher Gehirnwäsche seinem Herrn treu geblieben, und deshalb macht er sich nichts vor. Er weiß: Es kommt kein Entlasstag, an dem mir die Fußeisen abgenommen werden. Es kommt kein Reise­tag, an dem ich wieder Richtung Heimat segle. Es kommt kein Festtag, an dem ich wieder ins Amt eingesetzt werde. Nein, es kommt der Gerichtstag, an dem ich zum Tode verurteilt werde. Es kommt der Abschiedstag, an dem ich meine letzten Worte nieder­schreiben werde. Es kommt der Sterbetag, an dem ich zur Exekution geführt werde.

Aber Johannes weiß auch das andere, dass dann dieser Tag nicht sein letzter Tag sein wird. Es kommt der Hochzeitstag, an dem der Herr als der Bräutigam seine Gemeinde als die Braut heimführen wird. Sicher ist das Warten lang und das Sehnen groß und das Verlangen stark, so wie die Brautzeit nicht die Glanzzeit im Leben ist. Aber weil sie auf die Hochzeit hinführt, liegt auf ihr die Vorfreude des kommenden Tages.

Warum ist denn uns so bang vor den kommenden Tagen, liebe Freunde? Der eine fürchtet den Prüfungstag, der darüber entscheidet, ob fünf Jahre Studium für die Katz' waren. Der andere fürchtet den Abschiedstag, an dem man seine eigenen vier Wände aufgibt und ins Heim umzieht. Der dritte fürchtet den Leidenstag, an dem einen die Schreckensnachricht erreicht. Der Vierte fürchtet den Krankheitstag, der so viel Schmerzen bringt. Und wir alle miteinander fürchten den Sterbetag, der uns endgültig das Leben nimmt.

Warum wissen wir nicht mehr, dass dann auch dieser Tag nicht unser letzter Tag sein wird?
Warum freuen wir uns nicht mehr auf den Hochzeitstag, an dem Gott seine Leute ruft und mit ihnen feiern will?
Warum sind wir so blind für morgen?

Sicher ist das Warten lang und das Sehnen groß. "Ach wie lang, ach lange, ist dem Herzen bange, und verlangt nach dir." Aber weil dies alles auf das letzte Fest hinführt, prägt nicht dunkle Vorahnung, sondern helle Vorfreude unsere Tage. Dieser Hochzeitstag kommt, Halleluja!

2. Die Hochzeitskleidung passt

Johannes auf Pathmos weiß es genau. Sein Outfit als Zuchthäusler passt nicht in die hochzeit­liche Kleiderordnung. Mit seinen Fetzen kann er sich auf keinem Fest sehen lassen. Zuhause im Schrank hing zwar ein Sonntagsanzug. Damit hätte er eine gute Figur abgegeben. Und in der Sakristei in Ephesus wäre ein weißes Priestergewand aufbewahrt. Mit diesem Talar wäre ihm kein Zutritt zum Fest verwehrt worden. Aber Johannes steht jetzt vor dem Spind. Dieses schwarz-weiß gestreifte Tuch ist schlicht zu schmutzig.

Alles, was wir besitzen, ist nicht sauber genug. Alles, was wir tragen, trägt den Schmutz dieser Welt. Alles, was durch unsere Hände geht, hat die Fingerabdrücke des alten Adams. Ob als Bub in der Jeanshose oder als Erwachsener im Maßanzug, ob als Arbeiter im blauen Anton oder als Diplomat im Frack, ob als Häftling im Drillichanzug oder als Pfarrer im Talar, Gottes Hochzeiter sind wir nie. Es braucht schon eine andere Bekleidung, die nicht aus unseren Werkstätten kommt. Unser Text nennt sie das schöne und reine Leinen.

Unser schönes und reines Leinen wurde in früheren Zeiten auf der Schwäbischen Alb gewebt. Droben in Laichingen zum Beispiel standen die hölzernen Webstühle. Das Schifflein ging hin und her. Unter Mühen, Schweiß und oft genug blutenden Händen entstand das kostbare Leinen der Älbler.

Gottes Webstuhl war das hölzerne Kreuz, das droben auf Golgatha stand. Wie ein Weberschifflein gingen die Hohn- und Spottsalven hin und her. Mühe hat es gekostet und Schweiß, und Blut floß nicht nur aus Händen, sondern auch aus Füßen und Seitenwunden. So entstand das kostbare Leinen Jesu, dies­e Leinwand der Gerechtigkeit. Damit will er seine Leute einkleid­en und damit gerecht machen.

So wie der Vater in der bekannten Geschichte vom verlorenen Sohn. Als diese abgerissene Gestalt zur Hofeinfahrt hereinschlich, rief der Vater nicht nach Seifen­brühe, um den Schweinehirten gründlich abzuschrubben. Er rief auch nicht nach Fleckenwasser, um wenigstens die gröbsten Flecken zu entfernen. Er rief erst recht nicht nach einem Parfüm, um diesen penetranten Stallgeruch nicht ertragen zu müssen. Der Vater rief: "Bringet das beste Kleid hervor". Aus seinem eigenen Kleiderschrank stammte der Sonntagsanzug, mit dem sich der davonge­laufene Schlawiner in Schale warf. Er selber machte ihn schick zum Fest.

So ist unser Herr. Wenn er uns zur Hochzeit einlädt, dann schenkt er uns auch die passende Hochzeitskleidung dazu. Wir müssen nur zu ihm gehen und ihn um diesen Kleiderwechsel bitten. "Herr, nimm meine schweren Kleider der Schuld, nimm meine schmutz­igen Kleider der Sünde, nimm meine zerrissenen Kleider des Unge­horsams, nimm meine engen Kleider der Unfreiheit, nimm meine schwarzen Kleider der Trauer, nimm mein ganzes Gelumpe und schenk mir das weiße Kleid der Gerechtigkeit, denn 'Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, darin werd ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehn.' Verdient habe ich es nicht, und bezahlen kann ich es auch nicht, aber du, Herr, gibst alles umsonst."

Wenn Gottfried Kellers "Kleider machen Leute" stimmt, dann hier. Diese Hochzeitskleidung passt, Halleluja!

3. Das Hochzeitsfest beginnt

Johannes auf Pathmos denkt hinüber. Vor seinem Auge stehen die Leute seiner Gemeinde. Sonntag für Sonntag war er mit ihnen zusammen. Werden sie ihren Glauben bewahr­en, wenn sie als christliche Minderheit an den Rand der Gesell­schaft gedrängt werden? Werden sie standhaft bleiben, wenn die Vorladung zum staatlichen Kaiserkult kommt? Werden sie ihrem Gott abschwören, wenn die Verhaftung droht? Sie brauchen den Durchblick auf das Fest. Auch für sie steht ein Stuhl bereit. Auch für sie ist die Tafel gerichtet. Auch für sie gehen die Lichter an. Auch für sie ist diese Hoffnung auf das Fest der Sauerstoff des Lebens.

Deshalb sagt eine Stimme: "Du Johannes, denk nicht nur an sie, bet' nicht nur für sie, leid' nicht nur um sie, sag’s ihnen, schreib ihnen, geb’s ihnen schriftlich." Und so schreibt er es den Traurigen, die nach einem Menschen Heimweh haben: Glücklich seid ihr. Er schreibt es den Verlassenen, die einsam ihres Weges ziehen: Glücklich seid ihr. Er schreibt es den Beladenen, die eine Last mit sich herumschleppen: Glücklich seid ihr, weil ihr zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen seid.

Und wer daran zweifelt, der lasse sich wieder zum Abendmahl einladen. Diese Feier ist Vorfeier des großen Festes. Diese Freude ist Vorfreude auf das große Abendmahl. Dieser Geschmack ist der Vorgeschmack auf den kommenden Tag. Das Hochzeitsfest beginnt, Halleluja!

Liebe Gemeinde, ich kenne eine Familie, die hat eine Erkennungsmedlodie. Sie stammt von Johann Sebastian Bach. Nur vier Töne sind es, nämlich b-a-c-h. Wenn sie sich auf der Straße rufen wollen, brüllen sie nicht den Namen, sondern pfeifen b-a-c-h. Wenn sie sich vor dem Haus bemerkbar machen wollen, läuten sie nicht die Glock­e, sondern singen: b-a-c-h. Wenn sie sich telefonieren und melden, summen sie nur: b-a-c-h. Das ist ihr Pfiff. Das ist ihre Melodie.

Wissen Sie, dass die Christen auch einen Pfiff haben, eine Erkennungsmelodie? Sie stammt aus der Bibel. Nur ein Wort ist es, nämlich "Halluja". Wenn sie zusammenkommen, wenn sie zusam­men beten, wenn sie zusammen singen, dann lässt sie diese Melodie nach oben und nach vorne blicken:

Halleluja singst auch du,
wenn du Jesum siehst,
unter Jubel ein zur Ruh,
in den Himmel ziehst.
Gelobt sei er,
der vom Kreuz zum Throne stieg,
hilft auch dir zu deinem Sieg.
Gelobt sei er.

Amen

---- [Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme]