Einführung: Ein Ort der Heilung und Neuanfänge
Wir sind hier, das muss ich den Gästen sagen, die heute zum ersten Mal da sind, eher in einem Rehabilitationszentrum. Es ist für diejenigen, die den Hang hinuntergefahren sind und unten die Kurve nicht rechtzeitig bekommen haben. Sie sind in den Planeistuben gelandet, ohne dass sie einen großen Schaden anrichten wollten. Doch dort haben sie sich die Reste ihrer Knochen zerschmettert.
Nach einer viermonatigen Behandlung mit verschiedenen Operationen und Nägeln lernen sie dann in der Rehabilitationsklinik wieder das Gehen. Es kommt vor, dass man im Leben noch einmal das Gehen lernen muss, weil man es nicht mehr kann. Vielleicht nach einem Unfall, nach einer Lähmung oder auch gelähmt vor Angst – so wie manche wache Zeitgenossen in diesen Tagen.
Gestern und heute habe ich mit großer Erschütterung in den Nachrichten und Zeitungen verfolgt, dass euer schönes Land nun auch nicht mehr von brutalen Morden verschont bleibt. In der Bundesrepublik gewöhnen wir uns langsam daran. Wenn noch ein offenes Gespür vorhanden wäre, würde es plötzlich wie gelähmt vor Angst sein. Jeder weiß, dass man gerade jetzt besonnene und mutige Schritte tun müsste.
Doch die Angst ist kein guter Ratgeber. Die Angst, die uns lähmt, oder die Panik, die uns antreibt, haben noch nie zu guten Schritten geführt. Wir brauchen jemanden, der unsere Füße wieder setzt, Schritt für Schritt. So lernen wir langsam das Gehen, das sinnvolle Gehen.
Die Sehnsucht nach Aufrichtung und Selbstbewusstsein
Und ich sehne mich danach, dass Menschen, deren Rückgrat gebrochen ist, die Kriecherei und Anpassung zu ihrer Fortbewegungsmöglichkeit gemacht haben, wieder das Gehen lernen. Den aufrechten Gang, der in unseren Gesellschaften viel unbekannter ist, als manche naive Zeitgenossen annehmen.
Ein Mädchen sagt mir morgens, nachdem ich aufgestanden bin, bis zum Frühstück, erzählt mir meine Mutter, dass ich nicht zause, dass ich zwei linke Hände habe und alles, was ich anfasse, misslingt. Dann komme ich in die Schule, und der Mathematiklehrer sagt mir, dass ich dumm wie Bodenstroh sei und dass hier kein Rätselraten sei.
Dann kommt die Lateinstunde, und man fragt mich, warum ich überhaupt da rumsaß mit meinen blöden Augen. So geht es bis mittags halb zwei weiter. Dann komme ich nach Hause, und die Litanei mit der Mutter fängt wieder an, wie sie mir um fünf Uhr nachmittags sagt.
Dann glaube ich, dass ich nichts kann, nichts tauge und frage mich, warum ich überhaupt auf dieser Welt bin. Ich sage Ihnen, es gibt Tausende von jungen und alten Menschen, die gelähmt sind, deren Rückgrat gebrochen ist und die von Minderwertigkeitsgefühlen gebeutelt werden.
Die Kehrseite der Minderwertigkeitsgefühle ist die Angeberei, diese Wichtigtuerei, die als Führung dieses Luftballons die Angst hat. Die Angst, morgen weg vom Fenster zu sein, überhaupt nicht mehr wichtig zu sein. Haben Sie beobachtet, dass das Pensionsalter ein lebensgefährliches Alter ist? Wie viele wichtige Menschen es nicht überstehen, wenn sie keinen Schreibtisch mehr vor sich haben mit fünf Quadratmetern, zwei Vorzimmern und fünfzig Untergebenen, sondern nur noch zu Hause die Milch einkaufen und mit dem Hund Gassi gehen?
Nach drei Wochen solcher „Erholung“ bekommen viele einen Herzinfarkt. Die Ärzte können Bände darüber schreiben. Der Sinn des Lebens war dadurch gestärkt, dass man etwas geleistet hat, dass man Bedeutung hatte, dass man jemand war. Und plötzlich wird einem der Boden unter den Füßen, der Schreibtisch vor dem Bauch weggezogen, und dann bricht das Leben ins Nichts zusammen.
Wer heute den Sinn seines Lebens darauf gründet, was er tut, was er leistet und was er kann, soll sich nicht wundern, dass er morgen nur noch Schrottwert hat in unserer Gesellschaft. Das ist ein gefährliches Spiel: Minderwertigkeitskomplexe und Selbstüberschätzung.
Da lobe ich mir dieses gesunde Selbstbewusstsein, das zu soliden Schritten die Kraft gibt, von dem ich beim Paulus lese: „Durch Gottes Geschenk bin ich, was ich bin, und seine Gnade ist an mir nicht vergeblich gewesen.“
Sage mir keiner, ich sei der letzte Dreck! Dieser Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, hat sich festnageln lassen am Kreuz, um dir und mir zu sagen, dass wir ihm teuer sind. Er hat einen Preis gezahlt. Du brauchst nicht mehr ängstlich nach rechts und links zu schauen, ob du noch hoch im Kurs stehst.
Du brauchst dich nicht von der Angst unterwandern zu lassen, morgen könntest du out sein. Dort, am Kreuz Jesu Christi, zahlt Gott den Preis – um dich. Weil wir so schlecht begreifen, geht er einen harten, brutalen Weg, um uns zu beweisen: So sehr hat Gott dich geliebt, so sehr!
Da setzt er uns die Füße neu.
Die Voraussetzung für das Gehenlernen: Das Leben als Geschenk
Na ja, gehen will gelernt sein, gehen will gelernt sein. Doch bevor man anfängt, das Gehen zu lernen, gibt es eine wichtige Voraussetzung: Man muss das Leben geschenkt bekommen.
Man kann sich im Leben eine ganze Menge erwandern, zum Beispiel mit mutigen Schritten die goldene Towerwandernadel. Flachlandtiroler, wie wir es sind, sind ganz stolz, wenn sie von einem Verkehrsverein jeden Stempel in den Pass bekommen und am Ende eine Nadel erhalten. Das ist unheimlich erhebend. Bei uns in den Hügeln sind es maximal einhundertachtzig Meter Höhe, und ab hundert zweiundachtzig bekommt man schon einen Schwindelanfall.
Hier bei euch habt ihr die Psychologie schon erkannt: So eine goldene Nadel stärkt unser Selbstbewusstsein für Jahre, als wäre man einmal hier im Urlaub gewesen. Man kann sich viel im Leben erwandern und viele mutige, raumgreifende Schritte tun. Doch das Leben selbst kann man sich nicht erwandern, vorausgesetzt, es wird einem vorher geschenkt. Man wird geboren und bekommt das Leben geschenkt.
Wir sind hier nicht zusammen, um christliche Aufziehmännchen zu basteln, die wir ein bisschen religiös aufziehen, damit sie wie Spielzeugfiguren über den Tisch gehen. Wir sind auch nicht hier, um christliche Roboter zu konstruieren oder gar Hampelmänner. Kennt ihr diese schönen Spielzeuge aus Holz? Sie sind wie kleine Figuren gebaut, mit einem Strick unten, der die Glieder verbindet. Zieht man daran, hampelt der ganze lustige Kerl.
Doch diese Figuren leben natürlich nicht. Wir wollen keine christlichen Hampelmänner konstruieren, die nichts vom Leben erfahren haben, das Gott schenkt, sondern nur christlich hampeln. Natürlich kann man sich so verhalten, als bekäme man das Leben geschenkt.
Die Begegnung mit Nikodemus: Die neue Geburt als Anfang
Da kam eines Tages ein Minister, der ein echter Glücksfall war. Er war etwas ganz Besonderes, ein sehr nachdenklicher Mann und einer der religiösen Führer des Landes. Er war Mitglied des Kabinetts in Jerusalem. Eines Nachts kam er zu Jesus.
Nachts kam er, weil man im Orient nachts Gespräche führt, wenn man ernsthaft reden will. Tagsüber ist es heiß und laut, aber nachts ist es kühl, und er wollte ernsthaft und konsequent sprechen. Er kam also zu Jesus und sagte: „Meister, Rabbi, wir wissen, dass du von Gott bist, du bist ein großer Lehrer.“
Er erwartete nun ein Gespräch, in dem Jesus ihm sagen würde, welche Schritte man tun soll, um das Leben besser und sinnvoller zu gestalten. Doch Jesus wischte das Kompliment, das er gerade erhalten hatte, vom Tisch und sagte: „Nikodemus, es sei denn, dass jemand von neuem geboren wird, kann er nicht in Gottes Herrschaft kommen.“
„Wie bitte?“, fragte der alte Herr erstaunt. „Wie sagten Sie, Herr Rabbi, Herr Theologie-Professor, von neuem geboren? Ich bin jetzt neunundfünfzig und kann nicht mehr in den Leib meiner Mutter kriechen.“ Das fand er ganz amüsant.
Jesus wiederholte einfach: „Es sei denn, dass jemand von neuem, das heißt von oben geboren wird, kann er nicht ins Reich Gottes kommen.“ Hier war nichts von Schritten oder Engagement die Rede. „Was können wir noch tun? Was müssen wir noch tun?“ Man müsse geboren werden wie ein Baby. Dabei ist man höchst aktiv, aber es geschieht mit einem.
Dann erklärt Jesus, was das bedeutet. Er wählt das krasse Bild der neuen Geburt, um zu zeigen: Man bekommt das Leben geschenkt, man schafft es nicht selbst, man erwandert es sich nicht. Man bekommt es geschenkt, so wie ein Baby das Leben geschenkt bekommt.
Er erklärt weiter, dass es ein drastisches Bild ist. Es sind zwei Elemente, die man nicht selbst tun kann, die Gott an einem tun muss, die er schenkt. Das erste ist: „Von neuem geboren durch Wasser und Geist.“ Wasser ist hier das Bild für den Akt der Vergebung der Schuld, den Gott allein vollbringt.
Es geht nicht darum, dass wir sagen: „Ach, wir haben alle Fehler und müssen uns bemühen, es besser zu machen.“ Wir können nichts von dem, was wir gelebt haben, zurücknehmen. Meine Schuld ist nicht wie ein schmutziges Taschentuch, das ich in die Wäsche tue. Sie können mir meine Schuld nicht abnehmen, und ich Ihnen die Ihre nicht. Sie müssten mir selbst meine Schuld abnehmen, wollten Sie mir meine Schuld nehmen.
Jeder von uns ist geprägt von dem, was geschehen ist. Nichts wird rückgängig gemacht: die schuldig gebliebene Liebe, das verletzende Wort, der Ehebruch, der Diebstahl – nichts wird zurückgenommen.
Jesus sagt: Neu kann man das Leben nur geschenkt bekommen durch Vergebung. Ich gehe zu ihm und sage: „Herr, hier bin ich, ich kann nicht anders. Ich möchte leben, ich möchte gehen, ich möchte einen sinnvollen Weg gehen, aber ich kann nicht. Ich bin gelähmt, ich bin zerstört. Ich bitte dich, vergib mir!“
Der Mann, der am Kreuz für uns gestorben ist, lädt unser Leben auf sich. Er nimmt nicht etwas von uns, sondern nimmt mich ganz, nimmt dich ganz in seinen Tod hinein. Er stirbt meinen Tod. „Ich gehöre dahin, du gehörst dahin, sie gehören dahin!“ Und er stirbt meinen Tod. Mein Todesurteil wird an ihm vollstreckt, und ich darf frei ausgehen.
Nur er kann das geben. Keiner kann es sich verdienen, keiner kann es schaffen. Er kann es schenken, deshalb kann es jeder haben. Deshalb kann keiner sagen: „Die einen haben es, die anderen nicht. Ich bin eben nicht so fromm.“ Es ist geschenkt, und deshalb ist es für jeden. Deshalb kann keiner in dieser Halle hier sagen, er könnte es nicht haben.
Dann sagt Jesus noch etwas: Vergebung der Schuld und durch den Geist Gottes. Bitte denken Sie nicht, Jesus rede hier von dem Geist im Sinne von frommen Gedanken oder ein bisschen mehr religiösen Gedanken. Er redet vom Schöpfergeist des lebendigen Gottes, der in unser Leben hineinkommt.
Ein Licht geht an, sodass ich erkennen kann: Christus ist für mich gestorben. So begreife ich, dass er lebt und mich als sein Eigentum haben will. Der Geist Gottes zündet das Licht der Erkenntnis an, sodass ich weiß, woran ich mit mir selbst bin: in meinem kaputten Leben, wo ich mit Jesus dran bin, mit seiner Liebe, mit der Vergebung Gottes.
Der Geist Gottes zündet das Licht an, aber er wird auch zu einem Motor in uns. Er treibt uns zu einer neuen Leidenschaft. Er treibt uns dazu, dass wir gerne möchten, dass Gottes Wille in unserem Leben geschieht.
Die schöpferische, aufbauende Kraft Gottes soll in uns wirksam werden, verspricht Jesus. Zerstören können wir selbst. Jeder 14-jährige Junge ist in der Lage, eine Familie in eine Hölle zu verwandeln. Und eine Oma, die kaum noch aus dem Bett steigen kann, ist noch in der Lage, mit ihren giftigen Worten Unfrieden zu stiften.
So schwach wir auch sind – zerstören, da sind wir Naturtalente. Aber aufbauen können wir nicht. Gottes Geist möchte als ein aufbauender Schöpfergeist in unser Leben hineinwirken. Er möchte Antrieb sein, damit etwas Sinnvolles geschaffen wird.
Jesus lädt ein. Dies soll geschenkt sein. Die Voraussetzung, dass man anfängt, Schritte zu gehen, ist, dass man das Leben geschenkt bekommt.
Die Bedeutung der neuen Geburt festhalten
Bevor wir den anderen Gedanken noch kurz anschneiden, bitte ich euch, bitte ich Sie, einen Moment innezuhalten. Nichts kann in unserem Leben gelingen, wenn wir uns nicht zuerst diese neue Geburt aus Vergebung der Schuld und dem Geschenk des Geistes Gottes gefallen lassen.
Das braucht der 14-jährige Junge und das 14-jährige Mädchen genauso wie der 70-jährige erfahrene Mann, dem Jesus diesen Tipp zuerst gab. Er war ein Minister einer jüdischen Regierung und eine reife Persönlichkeit mit hohem Niveau.
Jesus sagte: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren wird, kann er nicht in Gottes Herrschaft kommen.“
Herausforderungen und Missverständnisse beim Glaubensbeginn
Aber wie geht es dann weiter?
Wir haben oft so seltsame Erwartungen, künstliche, automatische, fast roboterhafte Vorstellungen von dem Leben, das Gott schenkt. Wir denken dabei gar nicht organisch.
Dann höre ich Leute sagen: „Na ja, ich habe mich jetzt entschlossen, irgendwie Christ zu sein, aber es hat nicht geklappt. Ich dachte, jetzt müsste alles funktionieren. Ich habe gebetet, aber nach dem zweiten Satz fiel mir nichts mehr ein. Dann habe ich versucht, mich zu engagieren, aber ich bin in den guten Vorsätzen stecken geblieben.“
Wissen Sie, wie mir das vorkommt? So töricht, als wenn Eltern nach der Geburt ihres Kindes im Krankenhaus gehen, hier in Schattming einen Blumenstrauß abholen, und der Vater zu seiner Frau sagt: „Nun nimm mal den Jungen bei der Hand, dann gehen wir die Treppe runter. Ich habe unten drei Fahrräder stehen – für dich, für mich und für den Filius – und dann wollen wir nach Hause fahren. Zu Hause habe ich schon drei Steaks im Kühlschrank, was der Braucher ist, und sattes Essen. Richtig schön zum Nachtisch, Palatschinken oder Kaiserschmarrn.“
So sitzen sie dann zuhause fröhlich vereint, der Junge, frisch geboren, acht Tage alt, dem Geschmack des Kaiserschmarrns ausgesetzt – „wie er mir schmeckt“. Nach dem Essen macht der Vater den Vorschlag: „So jung, du bist noch so lebensfrisch und unverbraucht und gut gestärkt durch die gute Mahlzeit, jetzt gehst du mal einkaufen.“
Das ist doch völliger Wahnsinn! Was kann so ein Baby? Lebt es oder lebt es nicht? Es lebt. Lebt es halb, lebt es nur zu zehn Prozent? Nein, es lebt ganz. Aber was kann es? Es kann drei Dinge: schreien, saugen und in die Windeln machen. Das sind wesentliche Beschäftigungen, aber keines von den dreien verändert die Welt.
Nur, wenn man jetzt sagen würde: „Was ist das denn für ein Leben? Zum anständigen Leben erwartet man doch, dass jemand vernünftig über die Straße geht, den Zebrastreifen beachtet und eine richtige, sinnvolle Arbeit tut.“ Das ist doch kein Leben!
Nun, verzeihen Sie mir diese Karikatur. Im Blick auf das Leben, das Gott schenkt, denken wir oft so karikaturenhaft. Wenn jemand von neuem geboren wird, wenn jemand heute Abend sagt: „Herr, ich möchte mein Leben dir öffnen, bitte vergib mir meine Schuld, komm mit deinem Geist hinein“, dann ist er ein neugeborenes Kind dieses Herrn.
Das ganze Leben ist ihm geschenkt – nicht fünf, nicht nur achtzig Jahre, sondern das ganze blühende Leben. Und daran kann man sich freuen, man kann sich ein Loch in die Backe freuen.
Aber jetzt kommt das Problem: Wenn man an den ersten oder zweiten Tagen dieses neugeborene Leben nicht richtig versorgt, nicht richtig pflegt, wenn es nicht richtig ernährt wird – es ist doch völlig hilflos allein –, dann wird es nach zwei Tagen, spätestens vielleicht am gleichen Tag, schon tot sein.
Und dieses Tragische habe ich so oft gesehen. Da meinen Leute, wenn sie den Entschluss gefasst haben und Christus in ihr Leben eingelassen haben, müsste der Rest jetzt roboterhaft und automatisch laufen. Dabei missachten sie, dass Gehen und Sprechen mühevoll, langsam und liebevoll in Gemeinschaft gelernt werden.
Das langsame Lernen des Glaubenslebens
Wenn Sie sagen, ich kann gar nicht beten, dann haben Sie schon etwas Wichtiges begriffen.
Stellen Sie sich vor, ich habe drei Kinder, und das ist eine große Freude. Ich erinnere mich noch, die älteste Tochter war ein Jahr alt, als sie zum ersten Mal ein Wort sagte. Vorher war das immer so: Sie kennen ja diese Gespräche, die Mütter mit ihren Kindern führen, zum Beispiel an der Wickelkommode. Da denkt man manchmal: „Wenn ich das Kind wäre, würde ich sagen, kannst du nicht mal vernünftiges Deutsch reden?“ Wie soll das Kind Grammatik beigebracht bekommen, wenn die Mütter immer so babbeln, und die Großmütter auch nicht anders sprechen?
Dann fing das Kind natürlich an, das zu sagen, was es immer gehört hatte. Was soll es auch anders sagen? Es hatte ständig so „aya popaya“ gehört, also fing es eben auch an, so ein „aya popaya“ zu reden: „a a a ä ä ä“. Die ganze Verwandtschaft stand dabei und verstand gotische Gedichte. „Hast du gehört? Hast du gehört?“ Und jeder schaute zuerst ganz genau hin.
Ich habe immer behauptet, das erste Wort, das meine Tochter sagen würde, hieße „Profangräzität“. Das hat sich nicht erfüllt. Ich weiß nicht, was sie zuerst gesagt hat, aber irgendetwas war es jedenfalls. Dann kamen so halbe Worte, und die zwei Jungen sagten wir noch nicht. Dann stammelten sie so einen halben Satz und ein halbes Wort, alles durcheinander.
Stellen Sie sich mal vor, ich wäre als Vater hingegangen und hätte gesagt: „Hör mal, kannst du nicht einen vernünftigen Satz bilden? Wird Subjekt, Prädikat, Objekt und Punkt oder ein Relativsatz dazu? Sonst halt bitte den Mund!“ Meinen Sie, Gott wäre so? Meinen Sie, Sie müssten niemals einen theologischen Vortrag im Gebet halten, damit er zufrieden ist? Meinen Sie, dass Sie ihm Gedichte aufsagen müssten, möglichst noch in der Sprache des sechzehnten Jahrhunderts?
Gott freut sich wie ein Vater über das gestammelte Wort eines neugeborenen Kindes. Er möchte mit Ihnen reden durch sein Wort in der Bibel. Damit Sie die Töne hören, die Töne, die Sie selbst dann zum Sprechen lernen. Wenn ein Kind nicht gebadet wird in den Worten der Mutter oder der anderen, lernt es nie sprechen, lernt es sich nie zu entwickeln.
Wir lernen nur langsam, mit Gott zu reden, wenn wir hören, was er sagt. Deshalb hat er uns die Bibel gegeben. Deshalb führt er uns hinein in Gemeinschaft mit anderen Christen.
Wenn Sie heute Abend anfangen, Christus in Ihr Leben aufzunehmen und von neuem geboren werden, dann ist die erste Entscheidung, dass jeder Sonntag, der auf dieser Welt passiert, Sie in die Gemeinschaft der Christen führt. Sagen Sie mir nicht, Ihr Glaube habe Schwierigkeiten, wenn Sie meinen, Sie müssten sonntags morgens bis halb zwölf schlafen, anstatt in den Gottesdienst zu gehen.
Das ist die Stunde, in der Sie hingehören, wo andere sind, die Christus kennen, ihn loben und auf sein Wort hören, wo man Gemeinschaft miteinander hat. Klagen Sie nicht über die mickrigen Gemeinden. Gehen Sie hin! Wo zwei oder drei sind – hat der Herr Bischof vorhin zitiert – wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, hat Jesus gesagt, bin ich in ihrer Mitte.
Es müssen nicht zweitausend sein wie in großen Kirchen. Gehen Sie hin am Sonntag und in die Bibelkreise. Reden Sie miteinander über Gottes Wort, lassen Sie sich ernähren. Nur so kann das Leben sich entwickeln.
Die Entwicklung des Lebens: Vom Krabbeln zum Gehen
Wie ist es mit dem Gehenlernen? Wann lernt man gehen, wann kann man die ersten Schritte machen?
Hier gibt es unter den Müttern einige Experten. Die Unterschiede bei den Kindern sind groß, sowohl bei Buben als auch bei Mädchen. Man muss schon eine Menge vorbereiten. Zuerst strampeln sie, dann kriechen sie. Danach können sie so hoch greifen, dass sie die Tischdecke vom Tisch ziehen – das ist schon prima. Meist fällt dabei noch Porzellan herunter.
Dann können sie schon an die heiße Herdplatte oben greifen. Das macht sie ganz munter. Schließlich können sie plötzlich freistehen. Bis dahin werden sie von der Mutter so am Schürzenzipfel unter der Hand geführt und wackeln ein bisschen auf krummen Säbelbeinen durch die Weltgeschichte.
Es geht noch nicht. Sie sitzen immer noch. Zum Glück ist die Entfernung bis zum Po noch kurz, sodass die Fallgeschwindigkeit nicht so groß ist. Das ist alles ganz weise eingerichtet. Und dann stehen sie plötzlich alleine.
Ich erinnere mich noch gut: In unserer Wohnung saß sie plötzlich am Schreibtisch im Arbeitszimmer. Plötzlich hörte ich Rums, Rums, Rums, Rums, Rums, Rums, Rums, Rums – dann Stille! Mir standen die Haare zu Berge, und dann folgte ein gellender Schrei. Da war Oliver die Treppe hinaufgeklettert, etwa zwei Drittel hoch. Ich weiß nicht, ob er sich nicht angeseilt hatte oder die Haken nicht richtig befestigt waren. Jedenfalls kam er Stufe für Stufe mit Rums, Rums, Rums herunter. Jede einzelne Treppenstufe war für mein Vaterherz wie ein Messerstich.
Unten lag er, hatte Beulen am Kopf und weinte. So lernt man laufen. Wer nicht hinfallen will, wird nicht laufen lernen. Wenn man Kinder nicht hinfallen lässt, werden sie nie selbstständig.
Unser Herr ist ein barmherziger Vater. Seinen Willen zu erkennen und zu tun und dann Schritte zu wagen – erst kriechen wir, dann krabbeln wir. Dann richten wir uns auf und versuchen, unser Leben in seine Gebote und hilfreichen Wegweisungen zu übersetzen. Wir trainieren, die Beine werden stärker, und wir fallen hin.
Glauben Sie nicht, ein Kind kann mit anderthalb Jahren sicher gehen. Glauben Sie nicht, dass es im Leben so einfach geht. Man lebt Jahre und Jahre in der nachfolgenden Gemeinschaft mit Christus, fällt aufs Gesicht und aufs Kreuz, stellt anderen die Beine und bekommt selbst welche gestellt.
Dann greift der Herr wie eine Mutter nach dem Kind – in seiner Vergebung nimmt er uns unter die Arme, wischt uns die Tränen vom Gesicht und stellt uns wieder auf die Beine. Und nun geht es weiter.
Seid euch nicht zu schade zu lernen! Gehen will gelernt sein. Halten Sie bitte beides auseinander. Das ist ganz wichtig: Sie können das Leben nicht einfach durch Schritte erwandern. Die Voraussetzung ist, dass ich es geschenkt bekomme durch eine neue Geburt.
Deshalb braucht heute niemand diese Halle zu verlassen, ohne dieses Leben geschenkt zu bekommen. Aber dann fängt es an: Man braucht Versorgung und Ernährung in der Gemeinschaft der Christen. Dann beginnt das Training des Strampelns, Kriechens, Gehens und Sprechens, sodass sich das Leben gesund entwickelt.
So ist es in Gottes Schöpfung – auch im geistlichen Leben.
Die Gefahr der Vernachlässigung und die Einladung zur Heilung
Und vielleicht ist mancher unter uns, mancher ist Christ und leidet akut an Hospitalismus. Wisst ihr, diese Krankheit, diese schreckliche Krankheit entsteht, wenn ein Kind in seiner frühen Lebensphase nicht genügend Zuwendung erhält. Dann werden die Bewegungen so stereotyp und monoton, der Blick starrt an die Decke.
Ich kenne das, das ist schlimm. Es bedarf unheimlich viel Mühe, um solche Schäden wieder zu überwinden. Und manchmal schafft man es einfach nicht mehr.
Ich kenne viele Christen, bei denen ich nicht bezweifle, dass sie mit Christus angefangen haben zu leben. Doch sie sind gelähmt, ihre Muskeln sind nicht entwickelt. Sie haben nicht die Gemeinschaft mit anderen Christen gesucht und sind dadurch verkümmert.
Wenn das deine Situation ist, dann komm zurück zu dem Arzt deines Lebens. Sag ihm heute, dass er dich heilen soll und dass du gerne wieder in seine Rehabilitation möchtest. Bitte ihn, dir die Füße zu richten. Das steht geschrieben: Er ist dazu gekommen.
Lies das nach in Lukas 1, Vers 79: "Er wird kommen, unsere Füße zu richten auf den Weg des Friedens." Da sehe ich Jesus, wie er unsere lahmen Füße nimmt und Schritt für Schritt neu setzt, damit wir es langsam lernen.
Einladung zum Gebet und zur persönlichen Begegnung
Ich möchte Sie einladen, einen Moment in der Stille zu beten. Jesus will auf Sie hören. Er bittet Sie, sich Leben schenken zu lassen.
Sprechen Sie in dieser Stille mit ihm. Bitten Sie ganz konkret um Vergebung für Ihre Schuld. Bitten Sie ihn, Herr über Ihr Leben zu werden und mit seinem Geist in Sie einzukehren, um ein neues Leben zu schaffen.
Dann sagen Sie ihm, dass Sie gerne Schritte auf seinem Weg lernen möchten. Wir wollen das stille Beten üben.