Übergang von Psalm 79 zu Psalm 80: Das Bild des Hirten und der Herde
Wir kommen jetzt zu Psalm 79.
Psalm 80 möchte ich nur kurz ansprechen. Der Übergang von Psalm 79 zu Psalm 80 findet sich im letzten Vers von Psalm 79. Dort heißt es: „Wir, dein Volk, und die Herde deiner Weide werden dir ewiglich Lob bekennen.“ Hier wird das Volk als eine Schafherde dargestellt, und Gott ist der Hirte.
Damit beginnt Psalm 80: Israels Hirte wird angerufen: „Der du Joseph leitest wie Schafe, der du thronst über den Cherubim, strahle hervor!“ Hier besteht die Verbindung zu Psalm 79.
Psalm 80 ist wieder ein Gebet, in dem der Herr darum gebeten wird, die Gefangenen aus Babylon zurückzuführen. Vers 4 ist der Refrain: „Gott, bring uns zurück und lass leuchten dein Angesicht, so werden wir gerettet.“
Auch in Vers 8 heißt es: „Gott der Heere, bring uns zurück, lass leuchten dein Angesicht, so werden wir gerettet.“
In Psalm 80 kommt erneut die Frage nach dem Warum und dem Bis wann vor. In Vers 5 heißt es: „Jahwe, Gott der Heere, bis wann zürnst du beim Gebet deines Volkes?“
In Vers 13 wird gefragt: „Warum hast du seine Mauer niedergerissen, so dass ihn berauben alle, die des Weges vorübergehen?“
Hier wird das Bild eines Weinstocks verwendet. Israel wird als Weinstock betrachtet. Es heißt: „Warum hast du seine Mauer niedergerissen?“ Die Mauern des Weinbergs sind zerstört, sodass alle, die des Weges vorübergehen, ihn berauben.
In Vers 15 heißt es erneut: „Gott der Heere, kehre zurück, blicke vom Himmel und sieh, suche diesen Weinstock heim.“ Im positiven Sinne bedeutet „suche ihn heim“ so viel wie „besuche ihn“ und „führe uns wieder zurück“.
Vers 16 lautet: „Und schirme den, der deine Rechte gepflanzt hat, und den Sohn, den du dir hast stark gemacht.“ Hier wird Israel als Sohn Gottes bezeichnet. Israel ist der Sohn, den Gott aus Ägypten geführt hat.
In Vers 17 heißt es: „Schon wird er vom Feuer versenkt und abgehauen, vor dem Schelten deines Angesichts kommen sie um. Es sei deine Hand über den Mann deiner Rechten!“ Der Mann der Rechten ist Israel. Hier wird dieses Bild verwendet.
Über den Sohn des Menschen, den du dir hast stark gemacht – den Sohn des Menschen Israel – heißt es: „So werden wir nicht von dir weichen, belebe uns, dann wollen wir deinen Namen anrufen, Jahwe, Gott der Heere, bringe uns zurück.“ Hier wird zum vierten Mal darum gebeten: „Lass leuchten dein Angesicht, so werden wir gerettet.“
Übrigens ist dieser fünfstrophige Psalm 80 so aufgebaut, dass das Zentrum die dritte Strophe ist, also die Verse 9 bis 12. Dort wird das Bild des Weinstocks besonders hervorgehoben.
Psalm 81: Gottes Ruf zur Umkehr und Erinnerung an den Exodus
Psalm 81, also der Achtziger, ist ein Psalm, der Israel in einer ähnlichen Situation zeigt wie Psalm 79 und Psalm 74. Israel befindet sich in der Gefangenschaft, und Gott möchte es gerne zurückbringen.
Man muss die Verbindung zwischen Psalm 80 und Psalm 81 beachten, denn sie ist wirklich interessant. In Psalm 81 wird viermal das Gebet „kehre zurück“ ausgesprochen: dreimal „bring uns zurück“ und einmal „kehre zurück“. Es klingt fast so, als ob Gott derjenige wäre, der nicht zurückkehren will. Will er das wirklich nicht? Psalm 81 gibt darauf eine Antwort.
Der Psalm beginnt mit einem Jubelruf: „Jubelt Gott zu unserer Stärke! Ruft dem Gott Jakobs laut zu! Stimmt ein Lied an, lasst die Pauke ertönen, die liebliche Laute zusammen mit der Harfe. Stößt am Neumond in das Horn, am Vollmond zum Tage unseres Festes!“ Denn dies ist eine Satzung für Israel, eine Verordnung des Gottes Jakobs, die er als Zeugnis in Joseph einsetzte, als dieser gegen das Land Ägypten auszog.
Das ist die Einleitung, ein Reden, das ich nicht kannte, aber jetzt höre ich es. Es ist eine Rede an die Nation, ein Reden, das ich nicht kannte. Was sagt Gott? „Ich entfernte seine Schulter von der Last, seine Hände wurden des Lastkorbs los.“ Das ist eine Erinnerung an den Exodus. „In der Bedrängnis riefst du mich an, und ich rettete dich. Ich antwortete dir in der Verborgenheit der Wetterwolke, ich prüfte dich am Wasser von Meriba.“ Noch einmal wird an den Exodus und die Wüstenwanderung erinnert – Vergangenheit oder Gegenwart?
Dann folgt der Aufruf: „Höre, mein Volk, ich will dich wieder zeugen, Israel, wenn du doch auf mich hörtest! Kein fremder Gott sei bei dir, und vor einem unbekannten Gott verbeuge dich nicht! Ich bin Yahweh, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten herausgeführt hat. Mache deinen Mund weit auf, ich fülle ihn.“
Was bedeutet das? Wenn du betest, werde ich antworten. Öffne deinen Mund wie ein Vogel – und ich werde ihn füllen. Hier heißt es also: Öffne deinen Mund und bete, ich werde dir geben, was du bittest.
Doch das Volk hörte nicht auf Gottes Stimme. Israel war Gott nicht willig. Deshalb gab Gott es dahin in den Widerstand ihrer Herzen, damit sie nach ihren eigenen Plänen wandeln. Aber wenn doch nur sein Volk auf ihn hörte und Israel seinen Wegen ginge! Wie schnell würde Gott ihre Feinde beugen und seine Hand gegen ihre Gegner wenden! Diese müssten ihnen schmeicheln, und ihre Zeit würde ewig dauern.
Gott würde sie vom besten Teil des Weizens essen lassen und sie mit Honig aus dem Felsen sättigen. Liegt es daran, dass Gott nicht will? Oh nein! Gott ringt, Gott ringt um die Liebe seines Volkes, damit sie wieder mitmachen.
Die Antwort auf die Fragen des Volkes: Gehorsam als Schlüssel zur Rettung
Schauen wir uns diesen Text etwas genauer an. Er ist eine Antwort auf die Frage aus Psalm 74, Vers 1, Psalm 74, Vers 11, Psalm 79, Vers 10 und Psalm 80, Vers 13. Diese Frage haben wir immer wieder gehört.
Dieser Psalm gibt die Antwort: „Aber mein Volk hörte nicht“, heißt es in Psalm 81, Vers 12 und Vers 13. Das ist die Antwort auf die Frage: Warum? Warum sind sie verworfen, warum sind sie verstoßen, warum sind sie im Exil? Weil sie nicht hörten. „Oh, wenn sie doch hörten!“
Die Frage „Bis wann noch?“ findet sich in Psalm 74, Vers 10, Psalm 77, Vers 8, Psalm 79, Vers 5 und Psalm 80, Vers 5. Es sind lauter Asaf-Psalmen, in denen diese Frage immer wieder auftaucht: Wie lange noch?
Die Antwort steht in Psalm 81, Vers 14 und Vers 15: „O, da es doch mein Volk auf mich hörte und Israel auf meinen Wegen ginge! Wie schnell, wie schnell würde ich ihre Feinde beugen!“ Sie beten: „Herr, wie lange noch?“ Und der Herr sagt: „Ach, wie schnell würde ich handeln, wenn ihr mitmachen würdet, wenn ihr gehorsam werden würdet, wenn ihr hören würdet!“
In diesem Psalm haben wir sechs Strophen. Zuerst eine lange Einleitungsstrophe, dann eine Strophe von Vers 2 bis 6, die zweite Strophe von Vers 6 bis 8, die dritte Strophe von Vers 9 bis 11, die vierte Strophe von Vers 12 bis 13, die fünfte Strophe von Vers 14 bis 15 und schließlich noch zwei Verse, Vers 16 bis 17.
Das sind insgesamt sechs Strophen. Die Mittelzeile ist Vers 9b: „Israel, wenn du doch auf mich hörtest!“ Das ist wirklich das Zentrum des Psalms. Ein besseres Zentrum gibt es kaum.
Vers 9b, die Mittelzeile, ist umrahmt von jeweils siebzehn Zeilen – siebzehn Zeilen davor und siebzehn Zeilen danach. Wenn man die Verse zählt, wäre der Mittelvers auch Vers 9, also gerade der Beginn, in dem Gott das Volk aufruft.
Psalm 81: Aufbau und prophetischer Hintergrund
Zur Gliederung dieses Psalms habe ich folgende Struktur gewählt: A ist der erste Teil, Strophe A umfasst die Verse 2 bis 6. B ist der Aufruf zur Anbetung Gottes: „Jubelt Gott zu, unserer Stärke, ruft dem Gott Jakobs laut zu.“
Einleitend möchte ich noch etwas dazu sagen: Dieser Psalm stammt von den Söhnen Koras. Die Söhne Koras sind die Nachkommen jenes bösen Führers, der sich gegen Aaron und Mose aufgelehnt hatte. Sie sagten: „Wir sind auch Priester wie Mose“ und so weiter. Sie waren sehr böse gegen Mose, und der Herr hat dann Korach und seine Rotte vernichtet. Aber nicht seine Söhne – alle, die mit Korach zusammen waren, wurden vernichtet, aber nicht seine Nachkommen.
Diese Söhne Koras, also die Nachkommen der Nachkommen, wurden zu wichtigen Leviten im Tempeldienst. Sie demütigten sich und lernten, sich an Gott zu erfreuen. Von diesen Söhnen Koras stammen einige Psalmen. Oh, Entschuldigung, das stimmt gar nicht. Wir sind ja noch bei Asaf, und niemand hat mich korrigiert. Bitte das nächste Mal alle Hände hoch und sagen: „Herr Lehrer, Sie irren gewaltig.“ Also, vergessen wir die Koras vorerst; die kommen dann in Psalm 84 wieder. Wir müssen noch drei Psalmen warten.
Hier ist der Aufruf zur Anbetung Gottes. Das Erste: Alles klingt positiv. „Jubelt Gott zu, unserer Stärke, ruft dem Gott Jakobs laut zu, stimmt ein Lied an.“ Alles ist wunderbar, eine Satzung für Israel, eine Verordnung des Gottes Jakobs. Es war irgendein Fest – ein Neumondfest, Passafest oder Laubhüttenfest, welches auch immer.
Es heißt hier: „Eine Satzung für Israel ist dies, eine Verordnung des Gottes Jakobs, als Zeugnis setzte er es ein.“ Dieses Fest wurde in Josef eingeführt, als er auszog gegen das Land Ägypten. Damals hat Gott die Feinde gebeugt. In dieser Einleitung wird also gesagt, dass Gott angebetet werden soll. Wen sollen sie anbeten? Den Gott unserer Stärke. Dieser Gott ist unsere Stärke, diesen Gott sollen sie anbeten.
Wir müssen nicht spüren, wie stark er ist – er ist immer stark, auch wenn wir es nicht merken. Die hier Anbetenden, die Asaf zum Beten aufruft, spüren vielleicht auch nicht viel. Wie soll angebetet werden? Wann? Warum?
Hier, beim Fest, soll angebetet werden. Wie? Laut, mit Lied, sogar mit Pauken, lieblichen Lauten und Harfen. Die Pauke übertönt nicht die Harfe; sie wird nur zu bestimmten Stellen im Lied geschlagen, nicht als durchgehender Rhythmus. Die Harfe und die Laute begleiten das Lied.
Wann also? Beim Fest, an besonderen Festtagen. Warum? Weil Gott es so will, er hat es verordnet und eingeführt. Gott will also regelmäßig angebetet werden – hier beim Fest. Es waren regelmäßige Feste, an denen einfach Gott angebetet wurde, egal wie man sich dabei fühlte.
Das war die Einleitung. Jetzt kommt der Hauptteil: B, Verse 6, C bis 8, und auch die weiteren Strophen gehören zum Hauptteil.
Es folgt ein Reden zur Lage der Nation – ein Reden, das ich nicht kannte, höre ich. Der Prophet hier, Asaf, war ein Prophet. Vielleicht war er gewohnt, die Bibel zu lesen und nicht auf eine Stimme zu hören. Aber jetzt hört er eine Stimme, ein Reden, das er bis jetzt noch nicht vernommen hat. Hier wird er zum Propheten.
Sonst hat er wahrscheinlich aus der Tora gelebt, aus dem Wort Gottes. Aber hier spricht Gott zu ihm, zu Asaf, und spricht über das Handeln Gottes beim Exodus. Das Thema ist der Exodus: „Ich entfernte seine Schulter von der Last“, also er befreite die Israeliten vom schweren Tragkorb in Ägypten. „Seine Hände wurden des Lastkorbs los“ – Befreiung, Erhöhung, Prüfung.
„Ich habe dir damals geantwortet, als der Sturm kam, ich prüfte dich am Wasser von Meriba.“ Es geht um die damalige Zeit des Exodus. Damals hat Gott befreit, aber auch geprüft. Man könnte sich fragen: Warum ist das so? Es sollte doch ein Aufruf kommen, an die Nation, auf den Herrn zu hören. Wieso leitet er das so ein?
Es ist ein Reden Gottes über den Exodus, den Auszug aus Ägypten. Gott erinnert sie daran: „Ich habe euch damals aus Ägypten herausgerufen. Aber es gab auch Situationen, wo ich euch geprüft habe – dort am Wasser von Meriba. Da wurdet ihr bitter gegen mich. Habt ihr euch da an mich gewandt? Wart ihr gehorsam?“
Es war eine Prüfung. Jeder Mangel, der auftritt, ist immer wieder eine Prüfung. Sie sollen jetzt daran erinnert werden, dass Gott schon öfter in der Geschichte geprüft hat. Dann ist das, was ihnen jetzt passiert, auch eine Prüfung. Dass sie jetzt im Exil sind, in der Gefangenschaft, zeigt, dass Gott die Liebe seines Volkes prüft.
Lieben sie ihn wirklich? Dann werden sie auch, wenn Gott ihnen einen Mangel schickt, richtig handeln, ins Gebet gehen und demütig bitten. Aber das haben sie in der Wüste nicht getan. Sie forderten und schrien: „Wir brauchen Wasser, Wasser!“ Kühe brüllten, Schafe und Ziegen, Kinder weinten. „Wir brauchen Wasser!“ Kein demütiges Bitten.
Damals schon, in Meriba, hatte Gott sie geprüft. Das war die Einleitung zu der Rede, die Einleitung dieser Rede.
Dann kommt die nächste Strophe, Vers 9: Immer noch das Reden Gottes zur Lage der Nation. „Höre, mein Volk, ich will gegen dich zeugen, Israel, wenn du doch auf mich hörtest.“ Es ist hier eine Warnung.
Entschuldigung, dass ich das so klein geschrieben habe, aber ich lese es vor für diejenigen, die nicht lesen können. Von hinten: Warnung vor Götzendienst.
Zuerst, Vers 10: „Kein fremder Gott sei bei dir, vor einem unbekannten Gott verbeuge dich nicht.“ Gott spricht zum Volk und erinnert sie daran, jeglichen Götzendienst auszurotten.
Das ist interessant: Gott spricht, „höre, mein Volk“. Sie brauchen nicht beten: „Herr, rede! Herr, rede!“ Nein, er bittet das Volk: „Höre, wenn du doch hören würdest!“ Es lag nicht daran, dass Gott nicht redete, sondern daran, dass das Volk nicht hörte.
Sie waren dem Götzendienst verfallen. Dann sagt Gott, wer er ist: „Ich bin Jahwe, dein Gott. Kannst du dich erinnern? Ich bin Jahwe, der den Bund mit dir geschlossen hat. Ich bin der dir bekannte Gott. Bitte tu all die unbekannten Götter weg. Kein fremder Gott soll bei dir sein, und verbeuge dich nicht vor fremden Göttern.“
„Ich bin der dir bekannte Gott, der dich rettete und der dich jetzt füllen wird, sobald du deinen Mund aufmachst und betest.“ Gott sagt: „Jetzt kannst du deinen Mund aufmachen, bete.“ Aber er möchte, dass es ein Mund ist, der betet, weil er auf Gott gehört hat.
„Oh, da ist doch mein Volk auf mich! Wenn du doch auf mich hörtest, sag ihm deine Hilflosigkeit, dann wird dein Gott handeln.“
Die nächste Strophe, Verse 12 und 13, beschreibt Gottes Bedauern über die Einstellung des Volkes. Gott ist traurig. Interessant, wie er redet: Er sagt nicht „Und du hast nicht gehört“, sondern „Und sie, mein Volk, hörten nicht auf meine Stimme.“ Er spricht in der dritten Person.
Die Israeliten haben nicht mehr gebetet. Sie redeten nur noch in der dritten Person: „Er, der Jahwe, hat uns verlassen“ oder „Er hat uns verworfen.“
Gott redet auch in der dritten Person, weil sie von ihm nur in der dritten Person sprechen. Vers 12: „Aber mein Volk hörte nicht auf meine Stimme, Israel war mir nicht zu Willen, sie haben ihren Nacken nicht gebeugt.“
Vers 13: „Da gab ich sie dahin in den Widerstand ihrer Herzen.“ Das ist der Grund, warum sie im Exil sind, warum es ihnen schlecht geht. Weil sie Gott nicht willig waren.
„Ich gab sie dahin in den Widerstand ihrer Herzen. Mögen sie doch wandeln nach ihren eigenen Plänen, bitteschön.“ Wenn du nicht auf mich hören willst und in deinem Herzen Widerstand hast, dann geh nach deinen eigenen Plänen. Aber du musst die Konsequenzen tragen.
Hier das Fazit, das Ergebnis: „Dann gebe ich sie dahin.“ Dann sollen sie halt ins Verderben rennen. Prüfung nicht bestanden.
Die nächsten zwei Strophen habe ich zusammengefasst unter dem Thema „Gottes Sehnsucht, Israel wieder aufzuhelfen“, Verse 14 bis 17.
„Dass doch mein Volk auf mich hörte und Israel auf meinen Wegen ginge! Wie schnell würde ich ihre Feinde beugen und meine Hand gegen ihre Gegner wenden!“
Gott sehnt sich danach, dass alles wieder positiv wird, so wie am Anfang, als alles so gut klang in der Einleitung dieses Psalms: „Jubelt Gott zu, unserer Stärke, ruft dem Gott Jakobs laut zu, stimmt ein Lied an und lasst die Pauke ertönen!“
Alles würde wieder so gut werden, und sie könnten sich wieder freuen bei ihren Festen. Wie schnell würde Gott die Feinde beugen! Hier schwingt ein stiller Vorwurf mit: „Ach, wenn doch mein Volk auf mich hörte und auf meinen Wegen ginge!“
Hier haben wir die Ursache für das Leid des Volkes, für den zertrümmerten Tempel, die zertrümmerte Stadt, für die Gefangenschaft und die Wegführung ins babylonische Exil.
Vers 14 und 15 beschreiben das, und Vers 16 und 17 die Folge, wenn sie Buße täten.
Vers 16 und 17: „Die, die Jahwe hassen, müssten ihm schmeicheln, und ihre Zeit würde ewiglich währen. Er ließe sie essen vom besten Teil des Weizens, und mit Honig aus dem Felsen würde ich dich sättigen.“
Jetzt beginnt Gott wieder in der zweiten Person zu sprechen: „Du.“ Und mit Honig aus dem Felsen würde ich dich sättigen. Hier zeigt er seine Liebe. Er wechselt vom „ihn“ in der dritten Person zu „du“ in der zweiten Person.
Vers 17a: „Ich würde dich sättigen.“ In seiner Liebe wendet er sich ihnen zu und spricht wieder „du“ an.
„Wenn du Buße tun würdest, ich würde deine Feinde unterwerfen. Die Zeit würde ewig werden.“ Das heißt, Gott würde ihnen ein ewiges Bestehen geben.
„Du würdest wieder Genuss und Sättigung haben. Gott würde wieder dein Held, dein Kriegsmann und dein Ackermann werden, der dich nährt mit gutem Acker, schönem Weizenfeld, Honig und so weiter – Milch und Honig.“
Welche Liebe spricht hier aus diesen Versen! Es ist nichts, als hätte Gottes Liebe sie im Exil verlassen.
Ich denke, diese Psalmen, die hier geschrieben wurden – das sind Lieder, die jahrhundertelang gesungen wurden. Auch Psalm 81, wenn sie im Exil waren, konnten sie immer wieder diesen Psalm singen, den Asaf ihnen geschrieben hatte.
Sie konnten genau in dieser Situation durch das Lied wissen, was sie zu tun haben, und sie konnten durch das Lied die Liebe Gottes zu seinem Volk spüren.
So ist Psalm 81 eine ganz wichtige Erinnerung für das Volk im Exil – und auch für uns.
Wir sind vielleicht nicht im Exil, aber vielleicht sind wir auf einem Abweg, und dann geht es uns schlecht. Dann ist es gut, Psalm 81 zu lesen.
„Oh, wenn doch mein Volk auf mich hören würde! Wenn es doch wieder seine Bibel aufschlagen und seine regelmäßige Stillzeit einhalten und wieder anfangen würde zu beten! Wenn es Buße täte, dann würde ich die Feinde unterwerfen und dem Volk ein bleibendes Bestehen geben. Es würde wieder geistlichen Honig schmecken, wie in Psalm 19, und satt werden.“
Ein schöner Psalm.
Die Bedeutung des Wechselns der Anrede in Psalm 81
Eine Frage: Warum spricht Gott in Vers 16 in der dritten Person?
Gott spricht in Vers 16 in der dritten Person, weil die Israeliten auch von ihm in der dritten Person gesprochen haben. Ja, aber er spricht dann auch von sich selbst in der dritten Person. Das ist eine allgemeine Aussage: Die, die Yahweh hassen, müssten ihn schmeicheln, und ihre Zeit würde ewiglich währen.
Ich denke, der Wechsel in die dritte Person ist ganz bewusst gewählt. Er zeigt den Abstand. Wenn Gott von sich selbst in der dritten Person spricht, drückt das einen Abstand aus. Da ist keine Beziehung vorhanden, kein Ich-Du-Verhältnis. Ich glaube, das ist der Grund.
Aber in Vers 17b spricht er ja auch noch: "Er, Yahweh, lässt Israel essen" – beides dritte Person, oder? Er, lässt, essen. Er sagt nicht „Ich lasse dich essen“, sondern „Er lässt ihn essen“. Im nächsten Vers, in Vers 17b, sagt er jedoch: „Mit Honig aus dem Felsen würde ich dich ...“ Ich dich und er ihn – zweimal dritte Person im Vers 17a, und ich dich zweimal, also einmal erste Person, Gott von sich selbst in der ersten Person, und Israel in der zweiten Person, ich du. Da wechselt er die Person.
Ich denke, das ist ganz bewusst gemacht, weil er hier die Liebe zeigt. Er sagt: Ich bin einer, der die Beziehung nicht aufkündigt. Wir sind uns gar nicht fremd.
Könnte es auch sein, dass der Psalm von verschiedenen Sprechern vorgetragen wurde? Dann wäre es ein Wechselgesang. Das könnte natürlich gut sein. Durch den Wechselgesang würde das dann noch stärker ausgedrückt.
Ja, ich weiß es nicht. Wir wissen nicht, ob das ein Wechselgesang war oder wie das gesungen wurde. Theoretisch kann das sehr gut sein. Aber der Wechsel, der da stattfindet, ändert nichts an der Tatsache, dass dieser Wechsel anzeigt, dass Gott sich hier in Vers 14b in Liebe zuwendet. Sprich: „Ich würde dich sättigen.“
Es wäre interessant zu wissen, wie die Juden damals so etwas gesungen haben und auch, wie sie es gedeutet haben. Es kann natürlich gut sein, dass es ein Wechselgesang war.
Ja, dort war ja Meriba, oder? Massa und Meriba. Massa und Meriba, wo das Wasser aus dem Felsen kam. Und jetzt sagt Gott: Ich würde dich nicht noch einmal mit Wasser aus dem Felsen versorgen, ich würde dir sogar Honig aus dem Felsen geben.
Das Land, das mit Milch und Honig fließt, war der Ausdruck für die Fülle des Landes. Und jetzt sagt Gott: Ich würde dir also diesen Honig sogar aus dem Felsen herausgeben. Das wäre ein Sättigungsgeschenk.
Es ist also nicht ganz aus mit Israel. Dieses Ich-Du-Verhältnis kann wiederhergestellt werden.
Die praktische Anwendung für den neutestamentlichen Gläubigen, für uns, ist es auch so: Gott ruft immer wieder zur Erneuerung der Beziehung auf.
Psalm 82: Gottes Gericht über die Richter Israels
Das war jetzt Psalm 81. Psalm 82 schließt sich hier an mit einer Bitte Gottes an die Richter Israels. Ich muss gerade nachsehen, ob ich das noch hier habe. Psalm 82 – oder bin ich zu schnell? Wollt ihr die Bitte hören? Gut, dann bitte Psalm 82.
„Richte die Richter Israels!“ – Eine Bitte an Gott, die Richter Israels zu richten.
Gott steht in der Gottesversammlung, inmitten der Götter – das sind die Richter. Er hält Gericht.
Bis wann wollt ihr ungerecht richten und das Angesicht der Ehrfurchtslosen erheben?
Schafft Recht dem Geringen und der Weise, dem Gebeugten und dem Armen!
Lasst Gerechtigkeit widerfahren, lasst dem Geringen und Bedürftigen Recht widerfahren!
Befreit ihn aus der Hand der Ehrfurchtslosen!
Die Mitte des Psalms 82 ist Vers 5:
„Sie erkennen nicht und verstehen nicht, im Finstern wandeln sie einher.“
Dieser Vers 5 besteht aus sechs Wörtern und ist eingerahmt von 26 Wörtern davor und 26 Wörtern danach. Welch ein Zufall!
„Es wanken alle Stützen des Erdlands“ oder des Landes Israels.
Ich selbst habe gesagt: Ihr seid Götter, Söhne des Höchsten seid ihr alle.
Doch wahrlich, wie ein Mensch werdet ihr sterben, und wie einer der Fürsten werdet ihr fallen.
Erhebe dich, Gott, richte das Land, denn dir wird zum Erbteil alle Völker gehören.
Übrigens: Der erste Teil, Vers 1 bis 4, besteht aus 26 Wörtern.
Der zweite Teil, wenn man den fünften Vers dazunimmt, sind 26 plus 6, also 32 Wörter.
32 ist die Zahl der Herrlichkeit im Dezimalsystem, der dezimale Zahlenwert von „Herrlichkeit“.
Damit hat der Psalm sogar Yahweh und die Herrlichkeit darin versteckt.
Also, dieser Psalm hier – Gott, hier haben wir eine kurze Gliederung (ihr müsst es nicht aufschreiben, es ist nichts Besonderes):
A – Vers 1: Gott steht auf, bereit zum Gericht über diese Götter.
B – Vers 2: Die Frage an die Richter, bis wann wollt ihr ungerecht richten?
C – Vers 3 und 4: Der richterliche Aufruf: Schafft Recht dem Geringen und der Weise, und so weiter.
Das sind A, B, C im ersten Teil.
Im zweiten Teil haben wir Vers 5, die Verurteilung:
„Sie erkennen nicht und verstehen nicht, im Finstern wandeln sie einher.“
Dann folgt die fünfte Strophe, der eigentliche Spruch:
„Ich selbst habe gesagt: Ihr seid Götter, doch wahrlich, wie ein Mensch werdet ihr sterben.“
Hier kommt die Verurteilung: Ihr werdet sterben, wie einer der Fürsten werdet ihr fallen.
Das ist die Verurteilung Gottes. Er verurteilt diese Richter Israels.
Zum Schluss folgt eine Bitte an Gott: Gott möge aufstehen zum Gericht über das Land.
Man merkt, dass hier A und A parallel sind: Anfang und Ende sind parallel.
Am Anfang steht: Gott steht auf, Gott steht in der Gottesversammlung.
Am Ende heißt es: Gott, bitte steh auf zum Gericht über das Land.
Hier haben wir also Anfang und Ende entsprechend ernannt.
Das ist ein Psalm der Konfrontation Gottes mit den jüdischen Richtern, die ungerecht waren.
Und was war Psalm 81?
„O dass sie doch auf mich hörten!“ Aber sie hören nicht – nicht einmal die Richter, nicht einmal die Führer des Volkes hören auf mich.
Zur Zeit Jesu war es auch so. Psalm 81 passt gut auf die Zeit Jesu:
„O dass doch mein Volk hörte, wie gern würde ich jeden Feind beugen!“
Übrigens haben wir auch in Psalm 81 einen Chiasmus.
Da heißt es zuerst, Gott zerschlägt die Ägypter und so weiter, er beugt die Feinde.
Und zum Schluss: „Und wenn ihr Buße tätet, wie gern würde ich die Feinde beugen!“
Auch hier sind Anfang und Ende entsprechend gestaltet.
Beides passt also gut auf die Zeit Jesu und auf die Situation Israels zu jener Zeit:
Ungerechte Richter, das heißt ungerechte Führer des Volkes, und ein Volk, das nicht auf die Stimme Jachweis hört.
Gott würde so gern diesem Volk Heil bringen, Friede, Fülle, Sättigung und Genuss – aber sie verwerfen ihn.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
In Psalm 82, Vers 2, kommt die Frage „Bis wann?“ – aber jetzt nicht die Frage „Bis wann, Herr, wirst du endlich eingreifen?“, sondern Gott fragt sie: „Bis wann?“
Im Psalm 81 hat Gott gesagt: „Wie schnell würde ich euch retten!“
Im Psalm 82 fragt Gott: „Wie lange muss ich noch warten, bis ihr aufhört mit eurem ungerechten Handeln und ungerechten Richten?“
Die Psalmen Asafs enden mit Psalm 83.
Man merkt, dass hier wirklich eine Linie besteht. Die Asaf-Psalmen passen thematisch eng zusammen.
Psalm 83: Die Klage über die Feinde Israels
Und wie endet das Ganze?
Psalm 80: Gott, schweige nicht, verstumme nicht, sei nicht still, mächtiger und edler Herr Bösch! Siehe, deine Feinde toben, deine Hasser erheben das Haupt gegen dein Volk. Sie machen listige Anschläge und beraten sich gegen deine Schutzbefohlenen. Sie sagen: "Komm, wir wollen sie vertilgen, vertilgen aus den Völkern, dass nicht mehr gedacht werde des Namens Israels."
Wieder die Situation im Exil oder vielleicht knapp vor dem Exil: "Komm, wir wollen sie vertilgen, damit Israel ausgerottet wird."
Zweite Strophe:
Denn sie beraten sich mit einmütigem Herzen und schließen einen Bund gegen dich: die Zelte Edoms, die Ismaeliter, Moab, die Hagariter – Hagar, das ist Ägypten, oder? Die ägyptische Magd Hagar, die Hagariter, die Gebal, Ammon und Amalek, Philistäer samt den Bewohnern von Tyrus – das sind die Finister und die Phönizier – auch Assur, die Assyrer, schließen sich ihnen an.
Also alle Feinde auf einem Haufen. Aber schön, dass Gott all die Feinde kennt, jeden mit Namen. Gott kennt auch unsere Feinde, jeden mit Namen.
Diese Assuriter wurden zu einem Abend den Söhnen Lots. Die Söhne Lots sind auch noch dabei: Moab und Ammon, die Moabiter und Ammoniter. Alle zusammen.
Wie viele Feinde sind das? Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn – und die Söhne Lots noch dazu. Haben wir elf Feinde.
Vers 10:
Die Bitte an Gott: Tue ihnen wie Midian! Midian waren, glaube ich, damals zur Zeit von Gideon, oder? Tue ihnen wie Midian, schlag sie nieder wie damals zur Zeit von Gideon. Wie Sisera zur Zeit von Deborah und Barak – der Feldherr, Entschuldigung – der Jabin war der König der Kanaaniter zur Zeit von Deborah und Barak am Bach Kishon, wo der Herr einen Sieg schenkte über die Kanaaniter.
Damals wurden sie vernichtet zu Endor, die dem Erdboden zum Dünger wurden – makaber ausgedrückt die Leichen.
„Mache sie ihre Edlen wie Oreb und Seheb“ – das ist zur Zeit von Gideon, oder? Oreb und Seheb und ihre Fürsten wie Zebach und Salmuna, auch aus der Zeit von Gideon. Diejenigen, die sagen: „Wir wollen für uns in Besitz nehmen die Wohnungen Gottes.“
Die Wohnungen Gottes, der Tempel in Jerusalem, besteht aus vielen Wohnungen, aus vielen Kammern usw. Wahrscheinlich ist das gemeint.
„Mein Gott, mache sie gleich der Raddistel!“ Also er bittet hier wieder um Gericht. Mache sie gleich der Raddistel, wie Stroh vor dem Wind, wie Feuer, das den Wald verbrennt, und eine Flamme, die Berge umlodert. So verfolge sie mit einem Unwetter und mit einem Sturmwind. Schrecke sie, fülle ihr Angesicht mit Schande, damit sie deinen Namen, Jahwe, suchen.“
Das ist die Bitte um das gerichtliche Eingreifen Gottes an diese erbitterten Feinde Israels. Das muss man richtig verstehen.
Diese Feinde waren jahrhundertelang Feinde, zum Beispiel Amalekiter, Assyrer und andere, Moabiter sowieso, die Söhne Lots, Moab und Ammoniter – große Feinde Israels.
Herr, wann greifst du ein mit deinem Gericht? Mögen sie beschämt und bestürzt sein für immer, zu Schanden werden und umkommen, damit sie erkennen, dass du allein Jahwe bist, dein Name, dass du allein der Höchste bist über alles Erdland.
Damit endet die Psalmreihe von Asaf. Es geht immer um die Bedrückung durch die Feinde. Israel ist im Exil oder knapp vor dem Exil oder knapp im Exil. Immer wird dieser Zustand angesprochen, jedenfalls in diesen Psalmen.
Und damit endet diese Asaf-Reihe gar nicht so positiv, oder? Nur eine Bitte um Gericht, keine wirkliche Lösung. Genauso wie Psalm 89 endet auch nur mit einer Bitte: „Wie lange denn noch?“ und „Bis wann?“ usw.
Aber es liegt nicht an Gott, es liegt am Volk – wie wir aus Psalm 81 gehört haben. Es liegt an den Richtern des Volkes, wie wir aus Psalm 82 gehört haben, an den Führern des Volkes.
Das ist jetzt schon mehrfach angeklungen und hat einen prophetischen Hintergrund. Wenn wir Vers 6 anschauen, dann verraten sie sich mit einigem Herzen, und dann werden die Völker aufgezählt.
Herr Präsident! In der Heiligen Stadt, wo all diese Völker sich plötzlich verraten gegen Israel – was könnte damit gemeint sein?
Ich kann mir nur vorstellen, dass das Poesie ist. Er tut ja alle Feinde aus verschiedenen Zeiten zusammen. Denn die Assyrer und die Sisera, und Jabin, und Oreb, und Seheb, und Zebach, und Salmuna – das passt zeitlich überhaupt nicht zusammen.
Eine Erinnerung, eine Tatsache durchläuft den Psalm. Von Vers sieben bis neun scheint es schon sehr konkret zu werden, denn diese Feinde, wir wissen ja, dass sie untereinander sich auch nicht grün waren. Jetzt ist es aber so, dass sie hier irgendwie einen Wunsch äußern. Gibt es so eine Situation?
Meines Wissens nicht, aber ich kenne mich auch zu wenig aus. Wir wissen nicht viel vom Hintergrund, um das genau sagen zu können.
Moabiter und Ammoniter waren beständige Feinde. Die Ismaeliter sind eigentlich Midianiter, die kennen wir aus der Zeit von Gideon. Da kann ich auch nichts sagen. Hagariter werden sonst nicht erwähnt, dürften wohl Ägypten sein.
Tyrus und Philistäa, also Phönizier und Philister, ja gut, Tyrus bestand lange Zeit als Feind Israels. Die Philister wurden natürlich immer wieder zurückgeschlagen, aber in dieser Gegend könnten sich einige gehalten haben.
Und Assyrer, das war besonders um die Zeit von Jesaja. Das war von 750 v. Chr. bis 700 v. Chr. waren die Assyrer sehr stark.
Aber hier, wo es um den Hund geht – geht es darum, dass die Völker sich zusammenschließen? Oder geht es darum, dass die einzelnen Völker gegen Gott einen Bund eingehen oder gegen dein Volk?
Aha, hier steht „gegen dich“, gegen dich, Jahwe.
Nun, wenn sie natürlich gegen das Volk Gottes vorgehen, ist es auch ein Kampf gegen Gott.
In der Bibel ist es öfter so: Wenn ein Volk gegen Gottes Volk vorgeht, ist es auch ein Kampf gegen Gott.
Zum Beispiel Nebukadnezar – ich habe es nicht mehr genau im Sinn – es gibt ein paar Stellen, wo von Nebukadnezar die Rede ist, dass er sich gegen Gott gestellt hat.
Herr, sie stehen gegen Israel. Ja, klar. Aber wenn sie gegen Israel gehen, gehen sie auch gegen Gott, oder?
„Gott, schweige nicht, sei nicht still! Deine Feinde toben, deine Hasser, aber diese deine Feinde und deine Hasser – das sind die Feinde Israels und die Hasser Israels. Gegen dein Volk machen sie Anschläge.“
Wenn man gegen das Gottesvolk vorgeht, geht man gegen Gott vor. Auch heute, wenn Menschen gegen Gottes Volk vorgehen, gehen sie gegen Gott vor.
Ich denke, das dürfen wir so annehmen. Und wenn sie den Namen Israel vertilgen wollen, also das Gottesvolk, dann wollen sie damit auch Gott vertilgen.
Also die Frage von Bruder Erich bleibt noch im Raum stehen: Geschichtlich, wann gab es schon einen Bund, dass sie sich alle miteinander gegen Israel verbündet haben?
Ja, das wäre für mich auch die einzige Lösung, dass hier übergeschichtlich gesprochen wird. Ich würde es trotzdem auf die damalige Zeit beziehen, aber auf die damaligen Jahrhunderte, nicht nur auf ein paar Jahre.
Aha, ja, das ist also die Zeit der syrischen Zeit, also die Zeit im siebten oder achten Jahrhundert vor Christus.
Den letzten Satz habe ich nicht verstanden. Die Söhne Lots waren die Ammoniter und die Moabiter, und die waren schon recht früh Feinde Israels, schon ab dem Exodus. Auch die Edomiter waren schon ab dem Exodus Feinde Israels. Die Amalekiter sowieso, schon beim Auszug durch die Wüste.
Vielleicht hat der Asaf korrekt mit diesen Zahlen die zehn Stämme gemeint.
Was die zehn Stämme betrifft, lesen wir, dass Teile aus den zehn Stämmen noch vor der babylonischen Gefangenschaft und der Zeit Hiskias zurückkamen. In den Chronikbüchern lesen wir, dass sich viele aus dem Nordreich – ich meine jetzt die Zeit Hiskias, das war ja knapp vor 722 v. Chr., der Gefangennahme der nördlichen Stämme – den Juden anschlossen.
Ich habe die Stellen jetzt nicht parat, könnte sie aber nachher suchen, dann können wir konkreter sprechen.
Jedenfalls haben sich die zehn Stämme ansonsten vermischt mit heidnischen Völkern und sind dann verschollen. Die restlichen, die dann weggeführt wurden, kamen bei der Rückführung aus Juda zurück.
Allerdings gab es im Land noch einige Leute aus Assur, zum Beispiel wer war die Hanna? Entschuldigung, Assur, Asser, Asser. Ich denke Hanna oder? Und es werden manchmal noch andere Stämme erwähnt.
Paulus spricht von „unserem zwölfstämmligen Volk“ in Apostelgeschichte 26 oder 24. Er sagt: „Unser zwölfstämmliges Volk.“
Also sie verstanden sich als das zwölfstämmlige Volk, die zurückgekehrt waren, auch wenn die meisten von ihnen aus Juda und Benjamin waren.
Aber diese Erlösung könnte schon stimmen, dass hier übergeschichtlich gesprochen wird. Vor allem sprechen dann die letzten Feinde ja von den Assyrern und später von den Babyloniern.
Wenn das jetzt prophetisch von Asaf gesprochen ist, kann man sich vorstellen, dass er hier beispielhaft die schlimmsten Feinde nennt, die man damals kannte.
Auch in Vers 10: „Tue ihnen wie Midian, Sisera, Jabin, am Bach Kishon.“ Es spricht aus der Geschichte ihres Richterbuches.
Wir lassen es mal offen. Wir machen hier die Pause und dann heute Abend noch Psalm 84.
Beten wir noch zum Abschluss.
Rückkehr der Stämme und die Einheit Israels nach der Gefangenschaft
Noch ein kurzer Nachtrag zur letzten Frage aus der letzten Stunde. Ich hatte erwähnt, dass ich nachschauen muss, wo die betreffenden Stellen sind. Die zwei Stellen, die ich gesucht hatte, sind 2. Chronik 30,11 und 2. Chronik 30,18. Diese Stellen zeigen, dass zur Zeit von Hiskia vor der Wegführung der Nordstämme schon viele aus Manasse, Sebulon, Asser und Issachar zurückgekehrt waren.
Diese Rückkehrer kamen ins Südreich, sodass im Südreich nicht nur zwei Stämme vertreten waren, nämlich Juda und Benjamin, sondern auch alle, die sich demütigten und zurückkamen. Hiskia handelte dabei wie ein Missionar: Er sandte Leute ins Nordreich aus und schrieb Briefe an Ephraim und Manasse, damit sie zum Haus Jachweis in Jerusalem kommen, um Jachwe, dem Gott Israels, das Passa zu feiern.
Männer aus Asser, Manasse und Sebulon demütigten sich und kamen nach Jerusalem. Es scheint also, dass sich zur Zeit von Hiskia tatsächlich viele vom Götzendienst, der im Nordreich herrschte, abgewandt und sich bekehrt haben. Sie kehrten zurück, um wieder in Jerusalem Gott anzubeten. Das hatten sie vorher nicht mehr getan.
Das Nordreich hatte sein eigenes Heiligtum in Bethel errichtet und praktisch ein goldenes Kalb, also einen Götzendienst, eingeführt. Dieser Götzendienst geht zurück auf die Zeit der Reichsteilung unter Rehabeam und Jerobeam, als dieser Götzendienst im Nordreich etabliert wurde. Trotzdem kehrten einige um, bekehrten sich und kamen zurück.
So hatten wir im Reich Juda, im Südreich, auch Vertreter aus den anderen Stämmen. Wie viele es waren, wissen wir nicht genau. Als dann die Gefangenschaft kam und die Juden nach Babylon weggeführt wurden und später zurückkehrten, hatten wir Nachkommen von Leuten aus Asser, Issachar, Manasse, Sebulon und anderen Stämmen, die ebenfalls zurückkamen. So war das zurückgekehrte Israel ein vereinigtes Israel.
Die entsprechenden Stellen sind 2. Chronik 30,11 und 2. Chronik 30,18. Das heißt, als die Israeliten zurückkamen, hatten wir ein vereinigtes Israel. Juda und Benjamin, also zwei Stämme, waren vereinigt. Das hatten die Propheten vorausgesagt. Sie sagten, es werde keine Zweiteilung mehr geben, sondern sie würden ein Volk sein.
Natürlich wird der große Hirte, der zweite David, kommen und sie vollständig einen. Das war die Verheißung auf den zweiten David, auf den Messias. Dennoch können wir nicht sagen, dass es nötig gewesen wäre, dass alle aus den zehn Stämmen, die von den Assyrern verschleppt wurden, zurückkehren müssten. Das wurde auch nie verheißt, dass die sogenannten verlorenen Stämme wieder zurückkehren müssen.
Alle Rückkehrverheißungen galten denen, die nach Babylon weggeführt wurden. Diese Gruppe hatte die Rückkehrverheißungen und die Sammlungsverheißungen erhalten: „Ich werde mein Volk sammeln.“
Ich kann das hier nur kurz beantworten, weil es sonst ein großes Thema wird. Man kann das gerne im persönlichen Gespräch vertiefen. Die Prophezeiungen, die man dazu liest – vor allem in Jeremia und Hesekiel – betreffen jene Juden aus jener Zeit. Die Rückführung begann im großen Stil unter Nebukadnezar. Jerubabel und Josua waren die Führer des Volkes, die das Volk zurückführten. Das ist die Erfüllung der Sammlungsverheißungen.
Natürlich sind sie nicht restlos erfüllt. Restlos erfüllt werden sie erst durch den Messias. Hesekiel hatte nämlich vorausgesagt, dass die Rückführung so vollständig sein wird, dass kein einziger draußen bleibt, sondern alle hereinkommen. Das steht am Ende von Hesekiel 39, falls das jemanden interessiert.
Aber das ist ein eigenes Thema, über das wir gern privat sprechen können. Hier möchte ich nicht zu viel Zeit verlieren.
Eine weitere Stelle ist 2. Chronik 11,16. Dort wird gezeigt, dass sogar schon früher, zur Zeit Rehabeams, andere Stämme im Südreich waren. Das war nur eine Nebenfrage.
Psalm 84: Die Sehnsucht nach Gottes Haus und Gemeinschaft
Jetzt zurück zu Psalm 84. Der erste Psalm nach den Aserfreien stammt von den Söhnen Korach. Ich darf an dieser Stelle wiederholen, was ich bereits über die Söhne Korach gesagt habe: Sie waren diejenigen, die sich gedemütigt hatten. Ihr Vater war ein Rebell gewesen, der Ahnherr dieser Korachiten. Doch sie hatten sich demütig gezeigt und lernten, als Leviten im Tempel zu dienen. Weil sie demütige Diener waren, interessierten sich diese Korachiten offensichtlich sehr für jedes Detail des Tempels.
Ist es nicht interessant, dass sie in dem Psalm, den wir jetzt lesen werden, so aufmerksam waren, dass sie sogar die Vogelnester im Tempel entdeckten? Es ist schön, wenn man so interessiert ist an Gottes Haus, nicht wahr? Dass man sogar die Vogelnester entdeckt. Sind wir auch interessiert an Gottes Haus? Vielleicht gibt es auch irgendwo Vogelnester zu entdecken.
Wir lesen nun den Psalm. Ich spreche hier nicht vom Versammlungssaal, sondern von der Gemeinde Jesu – das ist Gottes Haus.
Psalm 84 enthält 108 Wörter. Die Zahl 108 entspricht dem Zahlenwert des zweiten Wortes im Psalm: "Wie sind deine Wohnungen geliebt?" Wenn man das im hebräischen Zahlenwert ausdrücken würde, käme man genau auf 108. Ich glaube, dass die Dichter manchmal Freude daran hatten, die Anzahl der Wörter mit einem bestimmten Wort zu verbinden, vor allem am Anfang oder am Schluss, sodass sie genau den Zahlenwert des Wortes in der Gesamtanzahl der Wörter unterbringen konnten. Vielleicht ist es auch Zufall, doch ich halte es für Poesie.
Siebenmal finden wir in diesem Psalm Ausdrücke für die Wohnungen. Wir werden ihn gleich lesen. "Wie sind deine Wohnungen geliebt" – Vers 1, Vers 3 die Vorhöfe Jachwes, Vers 4 deine Altäre, Vers 5 dein Haus, Vers 11 deine Vorhöfe, Vers 11 das Haus meines Gottes. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs – und "zu wohnen in Zelten" ist die andere Formulierung. Mir ist es lieber, an der Schwelle im Haus meines Gottes zu weilen als zu wohnen in Zelten. Wohnungen, Vorhöfe, Altäre, Haus, Vorhöfe, Haus sind sechs Mal erwähnt. Wenn wir das Wort "wohnen" noch hinzunehmen, wären es sieben. Also sechs Mal plus eventuell noch ein Verb. Wir lassen es dabei.
Siebenmal kommt Yahweh vor, das ist sicher kein Zufall. Siebenmal Yahweh, Gott der Heere, also Yahweh der Heere, Yahweh oder Jahwe, Vers 2, Vers 3, Vers 4, Vers 9, Vers 12 zweimal und Vers 13. Dreimal vor dem Zentrum, dreimal nach dem Zentrum, einmal im Zentrum. Siebenmal Elohim, Gott, und einmal El, der Mächtige. El steht in Vers 3, und sonst noch siebenmal Gott, Elohim in diesem Vers.
Wir haben hier drei Abschnitte oder drei Teile, kann man sagen. Der Zentrumsteil geht von Vers 6 bis Vers 9 und hat 32 Wörter. 32 ist der Zahlenwert von "Herrlichkeit". Wenn es um den Tempel geht, die Wohnungen des Herrn, dann könnte man Herrlichkeit erwarten. Das nur zur poetischen Stilmittel, noch ein Stilmittel als Poesie.
Wir haben hier einen kleinen Chiasmus, nicht stark, aber ein wenig. Dieser Ausdruck "Jachwe der Heere" steht ganz am Anfang und ganz zum Schluss. Natürlich kommt er auch noch zweimal in der Mitte vor, aber nur, um den Chiasmus zu verstärken: ganz am Anfang, ganz zum Schluss.
Dann das Wort "selig". Die erste Strophe endet mit "selig die in deinem Hause wohnen", und die dritte Strophe endet mit "selig der Mensch, der dir vertraut". Die zweite Strophe beginnt mit "selig der Mensch, dessen Stärke in dir ist". Also dreimal "selig": Ende erste Strophe, Ende dritte Strophe und Anfang zweite Strophe. Ein bisschen bringt das den Texten ihren Klang.
Wir sind eine Wohnung in Geliebt. "Jachwe der Heere, meine Seele hatte heiße Sehnsucht, ja, sie war erschöpft vor Verlangen nach den Vorhöfen Jachwes. Mein Herz und mein Fleisch jubeln dem lebenden Gott zu. Ja, der Sperling hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für sich, wo sie ihre Jungen hingelegt hat, deine Altäre, Jachwe der Heere, mein König und mein Gott. Selig die, die in deinem Haus wohnen, sie preisen dich noch und noch."
"Selig der Mensch, dessen Stärke in dir ist, die gebahnten Straßen sind in ihren Herzen. Wenn sie durch das Bachertal ziehen, machen sie es zur Quelle. Auch bedeckt der Frühregen es mit Segnungen. Sie gehen von Kraft zu Kraft. Jeder erscheint vor Gott in Zion. Jachwe, Gott der Heere, höre mein Gebet, nimm zu Ohren, Gott Jakobs, Gott unser Schild. Schau her, blicke auf das Antlitz deines Gesalbten, denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend. Mir ist es lieber, an der Schwelle im Haus meines Gottes zu weilen, als zu wohnen in Zelten der Ehrfurchtslosigkeit. Denn Jachwe, Gott ist Sonne und Schild. Jachwe gibt Anmut und Herrlichkeit. Kein Gutes versagt er denen, die in Lauterkeit wandeln. Jachwe der Heere, selig der Mensch, der dir vertraut."
Es geht hier also um die Liebe – um die Liebe zu Gott und zur Gemeinschaft mit ihm. Ein Psalm von der Liebe zu Gott und zur Gemeinschaft mit ihm, zu seiner Wohnung.
"Wie sind deine Wohnungen geliebt?" Verse 2 bis 5, also diese erste Strophe oder der erste Teil, beginnt mit einem Ausruf: "Wie sind deine Wohnungen geliebt, Yahweh der Heere!" Man muss sich ein bisschen hineinversetzen in so einen Israeliten der damaligen Zeit. Für ihn war das Haus Gottes das Schönste, was es geben kann, weil Gott hier wohnt – wegen der Gegenwart des lebendigen Gottes.
Yahweh der Heere – die Heere Yahwes sind einerseits die Krieger Israels, die Soldaten Israels, die Menschen Israels. Andererseits können auch die Engel Heere sein, Jacht, wie sie genannt werden, oder einfach die Erlösten.
Zweitens, also erstens der Aufruf in Vers 2, zweitens die Tiefe der Liebe des Beters zum Haus Gottes, die in Vers 3 ausgedrückt wird: "Meine Seele hatte heiße Sehnsucht, ja, sie war erschöpft vor Verlangen nach den Vorhöfen Jachwes." Allein schon in den Vorhöfen Jachwes zu sein, war diesen Söhnen Korachs das Anliegen, dort in den Vorhöfen dienen zu dürfen, in der Nähe Jachwes.
Warum ist diese Wohnung so beliebt? Wegen der Person, die dort wohnt. Wenn man eine geliebte Person hat, dann wird die Wohnung, in der diese Person wohnt, zur schönsten Wohnung. Je lieber man diese Person hat, desto schöner wird es dort, wenn die Person dort ist.
Vers 4 ist hier der dritte Unterpunkt: die Geborgenheit in Gott. Das muss so eine schöne Geborgenheit sein in diesem Haus, dass sogar die Vögel die Nestwärme spüren und sich dort niederlassen. Wir wissen, dass wir mit den Arten diesen Ort für die Nester zur Schweige gebracht haben. Bitte noch einmal: Hier steht ja "deine Arten", und dieser Ort, wo die Schwalbe ihr Nest gebaut hat. Mir scheint, dass er genau das meint.
Es gab Brandopfer, und es gab Rauchopfer dort. Letztlich ist Gott dieses Nest für uns, oder? Die Nestwärme und Nahrung, die er gibt, ist im übertragenen Sinne für uns der Herr selbst. Aber es ist schon schön, wenn sich selbst die Vögel dort geborgen fühlen.
Dann die Seligpreisung für die, die bei Gott wohnen. Übrigens nennt er hier den Gott seinen Gott und seinen König. Die Korachiter hatten zwar einen König namens David, aber ihnen war klar, dass der eigentliche König Yahweh selbst, Yahweh der Heere, ist.
Selig sind die, die in deinem Hause wohnen. Selig sind die, die mit Gott enge Gemeinschaft pflegen. Sie preisen dich, sie preisen dich immer, sie preisen dich immer wieder, noch und noch. Das wollen wir auch tun. Gott darf man immer wieder loben, und man soll es. Er soll unser Thema werden.
Wir wollen uns Zeit nehmen, über Gott selbst nachzudenken. Wir wollen über das Wesen Gottes nachdenken. Wir wollen uns nicht zu sehr von anderen Fragen ablenken lassen.
Im Neuen Testament gab es die Fragen von den Geschlechtsregistern. Dort haben sie Geschlechtsregister studiert. Ich weiß nicht, wozu sie das tun wollten. Vielleicht wollten sie schauen, ob sie von Abraham abstammen. Aber wir sollen nicht Geschlechtsregister studieren, wir sollen Gott studieren. (1. Timotheusbrief)
Sie preisen dich. Die, die in seinem Haus wohnen, preisen dich. Sie haben auch einen Grund, denn sie haben Gott vor Augen. Immer wieder preisen sie ihn.
Das Nächste ist dann die zweite Strophe, die Mittelstrophe und natürlich auch das Zentrum des Psalms, die Verse 6 bis 9: "Selig ist der Mensch, dessen Stärke in dir ist."
Psalm 84: Die Freude der Pilger auf dem Weg zum Tempel
In den Versen sechs bis neun geht es um die Seligkeit derer, die zum Hause Gottes unterwegs sind. Es handelt sich hier um einen Weg, den man geht. Wir werden das gleich genauer betrachten.
Selig ist der Mensch, dessen Stärke in dir ist. Die gebahnten Wege oder Straßen sind in ihren Herzen. Diese Menschen wissen den Weg zum Tempel auswendig. Sie brauchen kein Navi, um ihn zu finden. Die gebahnten Wege dorthin ziehen in ihren Herzen. Auch wenn sie weit weg wohnen, wissen sie genau, wie sie zum Tempel kommen.
Wenn sie durchs Bachertal ziehen, wissen sie genau, dass sie durch dieses Tal müssen, um zum Tempel zu gelangen. Sie machen das Bachertal zu einem Quellort. Vielleicht machen sie dort eine Pause, trinken etwas, feiern, sind fröhlich oder erquicken sich.
Vielleicht ist es ein bisschen schwer zu verstehen, was hier gemeint ist. Ist der Bachertag ein besonderer Tag? In den Schlachtern zum Beispiel steht, dass es ein Tag der Tränen ist. Ja, Bachertal könnte vom Wort „Tränen“ stammen. Ich muss das gerade kurz nachschauen.
Im Jammertal, Psalm 84 Vers 7, wird vom Bachertal gesprochen. Das Bachertal ist ein dürres Tal, das nach den Bachersträuchern benannt ist (2. Samuel 5,23-24). Wahrscheinlich ist es ein Tal, in dem bestimmte Sträucher wachsen, die Bachersträucher genannt werden. Deshalb hat das Tal diesen Namen.
Das Wort „Bacher“ könnte im Zusammenhang mit Tränen stehen. Vielleicht sind das Sträucher, die einen bestimmten Duft verströmen oder die Tränen hervorrufen. Ich habe das nicht eingehend studiert, aber es scheint hier ein Eigenname zu sein.
Das dürre Tal war ein Tal mit wenig Wasser. Diese Menschen machen es zu einem Quellgrund, also zu einem fruchtbaren Tal.
Was sind das für Menschen, die da unterwegs sind? Wenn sie das brauchen – erstens, was sind das für Menschen? Vers 6 sagt: Sie vertrauen auf Gottes Stärke.
Hier sind Leute unterwegs zum Hause Gottes. Sie gehen dorthin, und es wird gesagt, dass sich jemand freut, mit diesen Menschen zu ziehen. Das erinnert an Psalm 122: „Ich war fröhlich, als sie zu mir sagten: Komm, lasst uns zum Haus des Herrn ziehen.“
Es ist wieder Festzeit, und sie ziehen hinauf nach Jerusalem. Unterwegs wird gesungen. So werden auch die trockensten Täler zu schönen Orten, weil man mit Gott unterwegs ist und weiß, wohin man geht.
Ein so trockenes Tal kann Elend bedeuten, weil dort kein Wasser ist. Doch diese Menschen machen das trockene Tal zu einem Ort, an dem man gern ist, zu einem Quellort, an dem viel Wasser ist. Dort hält man gerne Rast.
Warum? Weil sie Gott im Auge haben, ihn loben und in seine Richtung ziehen. Die gebahnten Straßen sind in ihrem Herzen. Das heißt, sie haben die Wege wirklich genommen, sie kennen sie genau und haben sie im Herzen.
Im übertragenen Sinne bedeutet das vielleicht noch mehr: Sie sind im Herzen schon unterwegs und in diese Richtung ausgerichtet. Es ist alles gebahnt, kein Hindernis mehr. Sie wollen zum Haus des Herrn.
Auch hüllt der Frühregen das Tal in Segnungen ein. Vermutlich ist hier wieder das Tal gemeint. Die Verse 7 und 8 geben Zusagen für solche Menschen.
Sie machen ein trockenes Tal zu einem fruchtbaren Ort. Vielleicht ist es besser zu sagen: Sie machen ein Tal, in dem man gern weint, zu einem Ort der Freude.
Der Frühregen bezieht sich wohl auf das Tal. Es ist das Tal, durch das man muss, um nach Jerusalem zu kommen. Der Herr segnet dieses Tal mit seinem Regen, wo es sonst trocken ist.
Vielleicht ist hier der Regen zum Passafest gemeint, der Frühlingsregen. Doch wahrscheinlich ist es der Regen im Herbst. Der Frühregen fällt im Herbst, der Spätregen im März.
Das Passafest war im März, aber es könnte auch das Laubhüttenfest oder ein anderes Fest sein, wenn man dorthin zieht. Dreimal im Jahr mussten die Israeliten nach Jerusalem kommen: zum Passa, zum Pfingstfest und zum Laubhüttenfest.
Diese Menschen gehen von Kraft zu Kraft. Sie sind voller Kraft und schreiten voran. Sie haben ein Ziel: das Haus des Herrn.
Für uns bedeutet das: Wenn wir ein Ziel haben, wird der Herr uns auch innerlich beflügeln. Sie erscheinen vor Gott in Zion, in Jerusalem.
Sie erreichen den Ort auf dem Zionsberg. Zion steht für Jerusalem. Sie erscheinen vor Gott auf dem Berg des Tempels.
Selig sind solche Menschen, die dorthin unterwegs sind.
Im übertragenen Sinn bedeutet das für uns: Selig sind diejenigen, die gerne unterwegs sind in die Gegenwart des Herrn.
Wir brauchen gar nicht weit zu wandern, um Gemeinschaft mit dem Herrn zu pflegen. Wir können das persönlich tun, sofort, wenn wir uns im Kämmerlein zurückziehen.
Wir können die Gemeinschaft auch gemeinsam pflegen, wenn wir uns mit Christen treffen, Versammlungen besuchen und gemeinsam den Herrn loben.
Diese Mittelstrophe endet mit einem kurzen Gebet um Erhörung: „Jahwe, Gott der Heere, höre mein Gebet, nimm zu Ohren, Gott Jakobs.“
Das ist bereits die Einleitung zu dem, was in der dritten Strophe gesagt wird.
Psalm 84: Das Gebet der Liebe zu Gottes Gemeinschaft
Was will er denn beten? Das erfahren wir in der dritten Strophe.
Dritte Strophe
Das Gebet eines Menschen, der Gott liebt und gerne Gemeinschaft mit ihm haben möchte.
„Gott, unser Schild, schau her, blick auf das Antlitz deines Gesalbten!“
Hier spricht ein Gesalbter – das könnte ein Priester oder ein König sein. „Blick auf das Antlitz deines Gesalbten, denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.“
Wir hören also nun das Gebet dieses Korachiten: Ein einziger Tag in Gemeinschaft mit Gott ist besser als drei Jahre Urlaub. Würden wir das auch so sagen?
Das Anliegen lautet: „Sieh her, blick auf das Angesicht deines Gesalbten!“ Das heißt: Wende dich mir zu. Gott wird es gerne tun. Die Begründung lautet: „Denn mir ist es so viel wert!“ Deshalb bitte ich: Bitte wende dich mir zu, denn mir ist es so viel wert, Gemeinschaft mit dir zu haben.
Wir dürfen beten: „Herr, öffne mir die Augen für dein Wort, denn mir ist es so viel wert, dein kostbares Wort zu lesen, zu erkennen und darüber nachzudenken – vielleicht sogar in Gemeinschaft mit anderen. Segne uns, wenn wir zusammen sind, denn du bist uns so viel wert!“
Die Begründung ist die Vorliebe, sich in Gottes Gegenwart aufzuhalten. Vers 11 sagt: „Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.“
Wenn für den Korachiten ein Tag in den Vorhöfen schon so schön ist, wie viel mehr ist es für einen neutestamentlichen Gläubigen, im Allerheiligsten sein zu dürfen! Denn wir haben Zugang zum Allerheiligsten durch das Opfer Jesu Christi.
Wir müssen nicht an der Schwelle des Tempels oder im Vorhof draußen bleiben. Wir dürfen noch näher zu Gott hineingehen durch das Opfer Jesu Christi. Für diese Korachiten war allein schon das Sein im Vorhof etwas Köstliches.
„Ich will lieber an der Schwelle im Hause meines Gottes weilen als wohnen in den Zelten der Ehrfurchtslosigkeit“, als wohnen in Häusern, in denen Respektlosigkeit und Ehrfurchtslosigkeit gegenüber göttlichen Dingen vorherrscht.
Dann folgt das gütige Wesen Jahwes, Vers 12. Das ist die nächste Begründung, warum er so gerne möchte, dass Gott sein Gebet erhört und sich ihm zuwendet zur Gemeinschaft.
Denn Jahwe, Gott, ist Sonne und Schild. Jahwe gibt Anmut und Herrlichkeit. Anmut ist hier das Wort, das wir auch schon in Psalm 45 gefunden haben: Lieblichkeit und Herrlichkeit.
Jahwe gibt Anmut und Herrlichkeit. Hier haben wir das Wort „Herrlichkeit“, das mit der Zahl 32 oder 23 dargestellt wird, hier 32. Das gütige und herrliche Wesen Jahwe ist das, was er ist, was er gibt und wem er gibt.
Er ist Sonne und Schild. Was gibt er? Er gibt Anmut und Herrlichkeit. Wem gibt er das? Denen, die in Lauterkeit wandeln. Also: Was er ist, was er gibt und wem er gibt. Er ist gütig, er gibt Anmut und Herrlichkeit und er gibt es denen, die in Lauterkeit wandeln.
Kein Gutes versagt er. „Wenn der Herr mein Hirte ist, mangelt mir nichts, und er versagt mir nichts.“
Manchmal meinen Christen, sie würden etwas versagen oder verpassen. Sie denken: „Ich kann jetzt nicht in die Versammlung, ich kann jetzt nicht mit euch sein, ich muss unbedingt dies oder jenes erleben.“
Aber wieso muss man das unbedingt erleben? Wir verpassen nichts. Wir verpassen gar nichts, wenn wir mit dem Herrn leben und sagen: „Herr Jesus, du sollst die erste Stelle in meinem Leben haben. Ich möchte nur mit dir leben und tun, was du möchtest.“ Dann werden wir nichts verpassen.
Ich weiß, wie das ist, und ich kenne mich selbst. Ich weiß, wie gerne ich die Dinge dieser Welt streichle.
Oder: „Herr, möge uns die Augen öffnen, Herr, wende dich mir zu, blicke auf das Antlitz deines Gesalbten!“
Jahwe der Heere, wie glückselig ist der Mensch, der dir vertraut! Das ist der Schlusssatz im Gebet, eingeformt, hineingenommen: Die Glückseligkeit dessen, der dir vertraut.
Wir dürfen uns also dieses Gebet zu eigen machen – neutestamentlich. Wir dürfen die alttestamentlichen Dinge ins Neutestamentliche umformen.
Wir brauchen nicht zu beten: „Herr, ich möchte in deinen Vorhöfen sein“, sondern: „Herr, ich möchte in deiner Gegenwart sein. Ich möchte mich in deinem Heiligtum aufhalten, in Gemeinschaft mit dir.“
Denn wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.
Psalm 86: Zentrum des Psalters und Lob Gottes
Es sind dazu noch gedankenreiche Fragen. Die anderen Psalmen werden wir dann überspringen. Vom dritten Buch haben wir uns ja schon Psalm 89 angeschaut.
Psalm 86 ist der einzige Davidpsalm in diesem Buch. Wir haben ihn auch schon ein wenig betrachtet, zwar nicht gründlich, aber doch ein bisschen. Er ist der Mittelpsalm im mittleren Psalmbuch. Der Zentrumpsalm im mittleren Psalmbuch ist Psalm 86, weil er der einzige von David ist. Er ist umrahmt von zwei Chorarchiten und wiederum umrahmt von Asaf auf der einen Seite und Ethan auf der anderen Seite.
Das ist zwar nicht arithmetisch exakt, aber gruppenweise steht er im Zentrum. Wenn wir also das Zentrum vom Zentrum des Psalters bestimmen wollen, dann sind wir bei Psalm 86, genau dem einzigen Davidpsalm in diesem Buch.
Wenn wir in Psalm 86 das Zentrum suchen, dann sind das die Verse 8 bis 10:
"Keiner ist wie du, mein Herr, unter den Mächtigen, und nichts gleicht deinen Werken. Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und huldigen vor dir, mein Herr, und deinen Namen verherrlichen, denn groß bist du und Wunder tuend, du Gott, du allein."
In diesen Versen finden sich siebenmal die Anrede "du" oder "dein". Siebenmal "du bist" im Zentrum. Ich denke, dass Gott es so wollte, dass die Psalmen immer ein Zentrum haben. Er möchte uns damit lehren, dass es auch in unserem Leben so sein soll wie in einem Psalm, dass er im Zentrum steht.
Wir sollen ein Zentrum in unserem Leben haben, und unser Leben soll erklingen wie ein Psalm. "Du, nur du, keiner ist würdig, mein Herr. Du, groß bist du, wundertuend, du Gott, du allein." Das ist auch ein Vers, den man auswendig lernen könnte. So soll es in meinem Leben sein.
Das ist hier also das Zentrum des Zentrums des Zentrums vom Psalter.
Wir wollen hier schließen. Morgen möchte ich gerne mit uns die Stufenpsalmen anschauen, die Stufenpsalmen aus dem fünften Buch. Wir haben ja nicht mehr allzu viel Zeit und werden schauen, wie viel Zeit wir dafür verwenden können. Das sind ja kurze Psalmen. Vielleicht haben wir noch ein bisschen Zeit für Psalm 110. Mal sehen, wie weit wir kommen.
Wollen wir hier schließen? Es kommt noch ein Bruder, der uns abschließen wird: Herr Ruben.
Persönliche Erfahrungen mit Gott und Psalm 42 als Trost in der Fremde
Die Erfahrung des Einzelnen mit Gott ist keine Privatsache. Diese Aussage haben wir am ersten Tag gehört. Dazu wollte ich ein Erlebnis erzählen und auch einen Psalm vorlesen.
Es ist schon etwas länger her, genauer gesagt 32 Monate – wobei das jetzt Zufall ist. Damals war ich für längere Zeit im Ausland. Wenn man von zu Hause weg ist, hat das zunächst einen besonderen Reiz. Es ist das Unbekannte, man erlebt vieles Neues. Vielleicht ist es auch das erste Mal, dass man von zu Hause weg ist und auf sich allein gestellt.
Die erste Zeit, die erste Woche, empfand ich als sehr gut. Alles hatte noch den Charakter eines Abenteuers. Doch dann ordneten sich die Dinge, die Aufgaben, die ich zu erledigen hatte, und praktische Fragen klärten sich. Es zeichnete sich ab, wie die kommende Woche, die kommenden Monate verlaufen würden.
Ich war in einem muslimischen Land, 13 Kilometer entfernt von zu Hause, mit sieben Stunden Zeitverschiebung. Dabei wurde mir bewusst, was ich zurückgelassen hatte. Es sind drei Dinge, die mir wichtig sind.
Das erste ist die Gemeinde. Deshalb war die regelmäßige Unterweisung, die man dort bekommt, wichtig. Wenn man dann allein ist, ist man erst einmal auf sich gestellt.
Das zweite ist die Familie. Man ist jetzt alleine, hat eine eigene Wohnung. Der Rahmen des Zusammenlebens, den man zu Hause hatte, fehlt. Man muss sich selbst Schranken setzen, weil abends niemand mehr zu Hause ist, der sagt: „Heute bist du vielleicht wieder spät gewesen.“ Auch den Rat der Eltern hat man nicht mehr, die man befragen kann. Man ist in vielen Entscheidungen auf sich gestellt.
Der dritte Punkt sind die Freunde, die man nicht hat. Mit ihnen erlebt man viele schöne Stunden, aber sie sind auch gerade in schweren Zeiten da. Man kann in solchen Momenten sein Anliegen mit ihnen teilen.
An diesem Punkt stellte ich fest, dass diese Zeit eine Gefahr für mich werden kann. Ich nahm meine Bibel zur Hand und dachte: In den Psalmen werde ich bestimmt fündig. Dort werde ich ein passendes Wort finden. Denn die Psalmen sind oft aus einer Lebenssituation heraus geschrieben worden – von den Psalmisten. Sie können ebenso in eine Lebenssituation hineinsprechen, weil sie Erfahrungen weitergeben, die zur Stärkung sein können.
Ich suchte in der Bibel. Ich hatte eine Lutherbibel dabei. Dort sind immer Überschriften über den Abschnitten. Ich blätterte durch die Psalmen und stieß auf Psalm 42 mit der Überschrift „Verlangen nach Gott aus fremdem Land“. Ich dachte: Das passt jetzt genau. Den muss ich lesen. Er spricht genau in meiner Situation. Diesen möchte ich jetzt auch vorlesen.
Psalm 42. Ich lese nach der Schlachter-Übersetzung:
Dem Vorsänger von den Söhnen Koras, ein Maskil.
Wie ein Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele, o Gott, nach dir.
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.
Wann werde ich kommen und vor Gottes Angesicht erscheinen?
Meine Tränen sind meine Speise bei Tag und bei Nacht, weil man täglich zu mir sagt: „Wo ist nun dein Gott?“
Daran will ich denken und meine Seele in mir ausschütten,
wie ich dahin zog im Getränge mit ihnen, feierlich der Hinschritt zum Hause Gottes unter lautem Jubel und Lobgesang in der feiernden Menge.
Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken für die Rettung, die von seinem Angesicht kommt.
Mein Gott, meine Seele ist betrübt in mir, darum gedenke ich an dich im Land des Jordan und der Hermongipfel, am Berg Miza.
Eine Flut ruft der anderen beim Rauschen deiner Wasserstürze, alle deine Wellen und Wogen sind über mich gegangen.
Am Tag wird der Herr seine Gnade entbieten, und in der Nacht wird sein Lied bei mir sein.
Ein Gebet zu dem Gott meines Lebens:
Ich will sprechen zu Gott, meinem Fels:
Warum hast du mich vergessen?
Warum muss ich trauernd einhergehen, weil mein Freund mich bedrängt?
Wie Zermalmung meiner Gebeine ist der Hohn meiner Bedränger,
weil sie täglich zu mir sagen: „Wo ist nun dein Gott?“
Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meine Rettung und mein Gott ist.
Das Wunderbare an den Psalmen ist, wie wir schon erfahren durften, ihr Aufbau. Sie holen einen genau dort ab, wo man steht – bei dem Problem. Gleichzeitig führen sie von diesem Problem weg, zeigen einen Ausweg auf und sagen, wie es werden soll.
Was waren meine Probleme? Zum einen das Verlangen nach Gott und nach Gemeinschaft. Zum anderen das Reden der Menschen, die fragten: „Wo ist nun dein Gott?“ – Menschen, die Gott nicht kannten.
Der Psalm gab mir einen Rat: „Daran will ich denken.“ Zwei Dinge sind das. Erstens die Gemeinschaft mit den Heiligen, an die man sich erinnert. Man weiß, man ist vielleicht weit weg, aber man ist nicht der Einzige und nicht allein.
Viel wichtiger aber ist die Gemeinschaft mit Gott und das Wissen: Gott ist da, ich bin nicht allein, Gott ist bei mir. Diese Aussage: „Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meine Rettung und mein Gott ist.“
Wir hatten gestern den Satz gesagt: „Ich kann die Probleme von heute nicht lösen mit dem Glauben von gestern.“ Ich möchte einen ähnlichen Satz sagen: In den Problemen von heute kann mich die Glaubenserfahrung von gestern stärken.
Das war auch das, was mich in dieser Zeit getröstet und durchgetragen hat. Es wurde mir zum Gebet und zum Anliegen.
Ich kann sagen, dass dieses Gebet erhört wurde und dass ich auf mindestens dreifache Weise Erhörung erlebt habe. Genau das, was ich vermisst hatte, hat sich geklärt. Ich habe diese Zeit unbeschadet überstanden. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es eine gute Zeit war. Nicht gut, weil sie einfach war, aber gut, weil ich in dieser Zeit Erfahrungen mit Gott gemacht habe, die ich nicht missen möchte.
Jetzt stellt sich die Frage: Ist dieser Psalm ein Psalm für uns alle? Die Überschrift lautet „aus fremdem Land“. Man könnte sagen, diese Anwendung sei begrenzt, weil wir nicht so oft „rauskommen“.
Aber ich möchte uns daran erinnern, dass wir Fremdlinge sind und einen Fremdlingssinn haben sollten.
Es ist der letzte Abend heute. Wenn wir morgen vom Hof hier fahren, verlassen wir ein Stück Heimat, weil wir hier Gemeinschaft mit Gott hatten.
Wo beginnt die Fremde? Sie beginnt vielleicht am Montag, wenn wir wieder zur Arbeit gehen, wenn wir im Krankenbett liegen oder am Schreibtisch sitzen. Dort kann es schwierige Situationen geben.
In diesen schwierigen Alltagssituationen dürfen wir wissen, dass Gott uns durchträgt, weil wir ihn bisher immer so erlebt haben und oft erleben durften.
Dieser Trost: „Harre auf Gott, denn du wirst ihm noch danken, dass er deine Rettung und dein Gott ist“ – das wünsche ich uns. Wenn wir in eine schwierige Situation kommen, soll dieses Wort an uns sein und uns durchtragen.
Wenn wir jetzt beten, wollen wir Gott dafür danken, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben dürfen, dass wir seine Gemeinschaft suchen dürfen und dass er uns diese Gemeinschaft anbietet.
Wir danken auch dafür, dass wir gerade in den schwierigen Situationen unseres Lebens zu ihm kommen und uns ihm anvertrauen dürfen. Wir dürfen ihm unsere Anliegen sagen, auch wenn wir den Eindruck haben, es geht vielleicht nicht weiter.
Wir dürfen aus den Glaubenserfahrungen schöpfen, die wir gemacht haben, und weiterhin auf unseren Gott vertrauen.
Wir beten jetzt noch.
