Einführung: Die Verantwortung des Menschen und die Notwendigkeit des Glaubens
Wir wollen zuerst still werden und miteinander beten. Herr Jesus, wir wollen still werden und erkennen, dass du Gott bist. Wir danken, dass wir hier sein dürfen, dass wir dein Wort lesen dürfen, und wir begehren, deine Stimme zu hören. Herr Jesus, lehre uns, du der Lehrer und Meister. Wir haben es nötig. Lass uns deine Stimme hören. Wir danken für deine Treue. Amen!
Es ist gar nicht so leicht, in acht oder neun Stunden das auszuwählen, was notwendig, hilfreich oder wichtig ist. Ich möchte in dieser Stunde zu folgenden drei Punkten etwas sagen, und zwar aus dem zweiten und dritten Kapitel des zweiten Mosebuches.
Der erste Punkt ist die Verantwortung des Menschen zum Glauben. Dann folgt der zweite Punkt: die Notwendigkeit des Glaubensboten. Denn ohne einen Boten wird niemand hören, und ohne zu hören wird niemand glauben. Drittens möchte ich auf die Notwendigkeit der göttlichen Offenbarung und Sendung eingehen.
Diese drei Dinge sind miteinander verknüpft. Es ist kein Zufall, dass sie gerade in den Kapiteln zwei und drei behandelt werden, obwohl das Wort „Glauben“ dort noch nicht verwendet wird. Im Kapitel vier wird das Wort „Glauben“ dann einige Male genannt. Das zeigt uns, dass es darum geht, dass das Volk glauben muss.
Das Neue Testament lehrt uns das hier in Form einer expliziten, direkten Lehre: Die Errettung geschieht aus Gnade. Sie kommt von Gott und ist ganz Gottes Werk – die Errettung aus Gnade durch Glauben. Der Mensch muss glauben, das ist seine Verantwortung.
Gottes Gnade und die Tatsache, dass der Mensch verloren und unfähig ist, entheben den Menschen nicht von seiner Verantwortung. Denn niemand ist außer dem Menschen selbst schuld daran, dass er in der Sünde gefangen ist. Zudem wirkt Gott in denen, die sein Wort hören und ihr Herz auf sein Wort achten. Er weckt in ihnen den Glauben und befähigt uns auch zu glauben.
Der Mensch muss also glauben. Deshalb müssen wir Menschen dazu auffordern. Wir müssen das Evangelium predigen, Christus verkündigen, die Schuld des Menschen klarstellen und die Menschen zum Glauben aufrufen.
Der Mensch muss glauben. Der Apostel hat es getan, der Herr hat es getan, und genau das müssen auch wir tun. Ob wir das ganz begreifen oder nicht, ist dabei egal. Wir wissen alle, dass wir das Evangelium hören und glauben mussten, sonst wären wir nicht gerettet worden.
So sehen wir hier in den Kapiteln zwei, drei und vier die Notwendigkeit des Glaubens und die Verantwortung des Menschen: Der Mensch muss glauben.
Der Glaube der Eltern Mose und die Bedeutung des Glaubens
Ich beginne mit einem Verweis auf die Eltern von Mose. In Kapitel 2, Verse 1 und 2, heißt es: Ein Mann aus dem Hause Levi ging hin und nahm eine Tochter Levis zur Frau. Die Frau wurde schwanger und gebar einen Sohn. Sie sah, dass er schön war, und verbarg ihn drei Monate.
Erst im Neuen Testament erfahren wir im Hebräerbrief, dass dies aus Glauben geschah. In Hebräer 11, Vers 23 heißt es: Durch Glauben wurde Mose, als er geboren wurde, drei Monate von seinen Eltern verborgen, weil sie sahen, dass das Kind schön war, und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht.
Hier wird ebenfalls erwähnt, dass das Kind schön war. Wir fragen uns: Was hat das mit Glauben zu tun? Jede Mutter findet ihr Kind schön, und die Väter meistens auch. Was also bedeutet das im Zusammenhang mit Glauben? Es scheint eine ganz natürliche Reaktion zu sein. Das Kind war schön, und es heißt sogar ausdrücklich: „weil sie sahen, dass das Kind schön war.“
Eine Erklärung dazu finden wir in Apostelgeschichte 7, Vers 20, in der Verteidigungsrede des Stephanus vor dem Hohen Rat. Dort sagt Stephanus über Mose: In dieser Zeit wurde Mose geboren, und er war ausnehmend schön. Er wurde drei Monate im Haus des Vaters aufgezogen.
Das ist die alte Elberfelder Übersetzung. Interessanterweise hat diese Übersetzung an dieser Stelle etwas getan, was sie sonst nicht macht: Sie hat eine Stelle einfach nicht übersetzt. Dazu gibt es eine Fußnote, die leider irreführend ist. Dort heißt es, „schön“ sei ein für Gott bekannter Hebraismus. Erstens ist das kein Hebraismus, und zweitens ist das genau der entscheidende Punkt.
Das ist der Glaube. Der Glaube sieht nämlich die Dinge so, wie Gott sie sieht. Die Eltern fanden ihr Kind nicht nur schön – was richtig ist, denn Eltern sollen sich an den Kindern freuen, die Gott ihnen schenkt. Sie dürfen ihre Kinder schön finden, und sie sind es auch. Aber der Glaube sieht darüber hinaus, dass dieses Kind auch für Gott eine besondere Bedeutung hat.
Das ist das Entscheidende: Das Kind war schön für Gott. So haben die Eltern geglaubt. Sie glaubten, dass Gott ihnen dieses Kind nicht gegeben hat, damit es sterbe, sondern damit es lebe. Deshalb haben sie das Kind auch Gott anvertraut. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als es Gott zu übergeben.
Sie glaubten, weil sie sahen, begriffen und verstanden, dass dieses Kind schön für Gott war. Das ist der Glaube der Eltern.
Nun kann ich hier nicht länger verweilen. Natürlich wären darin sehr wichtige, hilfreiche und schöne Lektionen für Eltern enthalten, wie sie ihre Kinder sehen sollten. Aber das müssen wir jetzt beiseite lassen.
Die direkte Verwendung des Wortes Glauben und die Bedeutung im Volk Israel
Jetzt zum Wort Glauben: Das Wort Glauben wird erstmals in Kapitel 4 direkt verwendet.
In 2. Mose 4,1 antwortet Mose und spricht: „Aber siehe, sie werden mir nicht glauben und nicht auf meine Stimme hören.“ Gott gibt Mose Zeichen, damit sie glauben, dass der Herr zu ihm gesprochen hat.
In Vers 8 heißt es: „Es wird geschehen, wenn sie dir nicht glauben“, am Ende des Verses, „so werden sie der Stimme des anderen Zeichens glauben.“
Und in Vers 9 steht: „Es wird geschehen, wenn sie selbst diesen zwei Zeichen nicht glauben.“
Schließlich lesen wir in Kapitel 4, Vers 31: „Und das Volk glaubte.“ Als sie hörten, dass der Herr die Kinder Israel heimgesucht und ihr Elend gesehen hatte, neigten sie sich und beteten an.
Dieser Abschnitt in Hebräer 11 zeigt uns, dass das ganze Geschehen in Ägypten, bei dem Gott dieses Volk aus Ägypten herausführte, mit Glauben verbunden war. Das ist ein Ausdruck, den der Schreiber des Hebräerbriefes verwendet – in Kapitel 4 spricht er von „mit Glauben vermischt“.
Hier sehen wir in Hebräer 11,23-28 die Bedeutung, die Wichtigkeit und auch die Notwendigkeit des Glaubens.
Durch Glauben weigerte sich Mose, als er groß geworden war, als Sohn der Tochter Pharaos bezeichnet zu werden. Er wählte lieber, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu genießen. Dabei hielt er das Schmachten Christi für einen größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens, denn er schaute auf die Belohnung.
Durch Glauben verließ er Ägypten und fürchtete die Wut des Königs nicht, denn er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren.
Durch Glauben feierte er das Passa und die Besprengung des Blutes, damit der Zerstörer der Erstgeburt sie nicht antaste.
Durch Glauben gingen sie durch das Rote Meer wie durch trockenes Land.
Die biblische Lehre vom Glauben und die Verantwortung des Menschen
Das Neue Testament lehrt ausdrücklich, dass wir glauben müssen.
Der bekannteste Vers über den Glauben ist sicher Johannes 3,16: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“
In Johannes 3,36 heißt es: „Wer an den Sohn glaubt, hat das Leben; wer dem Sohn Gottes nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“
Der Herr hat uns gelehrt, dass Unglaube Gott entehrt. Gott besteht darauf, dass seine Geschöpfe ihm Ehre geben. Er fordert von den Menschen, ihm Ehre zu erweisen.
Der Römerbrief sagt in Kapitel 1, dass die Menschen sich weigerten, Gott die Ehre zu geben. Daraufhin gab Gott sie der Verfinsterung hin, und so wurde ihr Herz immer verfinsterter und verstockter, sodass sie immer tiefer sanken.
Wir können sogar sagen, dass Gott die Menschen deshalb richtet und am Ende in die Hölle sendet, weil sie sich weigern, ihm Ehre zu geben. Wir müssen Gott Ehre geben.
Der Herr sagt, dass Unglaube Gott entehrt. Er spricht zu seinen Zeitgenossen in Johannes 5,44: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt? Ihr könnt nicht glauben, weil ihr Gott nicht ehrt, sondern die Ehre der Menschen sucht.“
Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von Gott allein ist, nicht sucht?
Im Gegensatz dazu sehen wir an Abraham, dass der Glaube Gott ehrt. In Römer 4,20 heißt es von Abraham: „Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde gestärkt im Glauben, Gott die Ehre gebend.“
Dieses Partizip kann man auch so übersetzen: „Er wurde gestärkt im Glauben, durch den er Gott die Ehre gab“ oder „durch Glauben, womit er Gott die Ehre gab.“ Glaube ehrt Gott.
Der Glaube bekennt, dass Gott wahr ist, dass er wahrhaftig und mächtig ist. Genau das hat Abraham mit seinem Glauben bekannt: Gott, du hast verheißen, du bist wahrhaftig und kannst nicht lügen.
Gott vermag das Unmögliche. Ein toter Mutterleib kann nicht empfangen, und jemand, der über das Alter hinaus ist, kann nicht zeugen. Aus Tod kann kein Leben entstehen, aber Gott kann das Unmögliche – und das hat Abraham geglaubt.
Gott tut lauter Unmögliches bei der Errettung, wirklich Unmögliches.
Wir haben uns gestern über das Gleichnis vom Nadelöhr unterhalten. Es ging dabei um die Interpretation dieses Gleichnisses. Wie ist das Nadelöhr zu verstehen? Ein schmales Tor, durch das man das Kamel alles abladen muss, damit es hindurchkommt – das sind schöne Erklärungen.
Ich glaube, der Herr will mit diesem Gleichnis einfach sagen: Errettung ist unmöglich, sie liegt einfach nicht drin.
Das haben auch die Jünger gemerkt und gefragt: Wie soll dann jemand gerettet werden?
Der Herr antwortet genau darauf: Es ist unmöglich. Gerettet zu werden ist unmöglich.
Was aber bei Menschen unmöglich ist, das ist möglich bei Gott.
Der Glaube glaubt dem Gott, der Verheißungen gegeben hat, dass er Dinge tut, die unmöglich sind. Dass er Sünder zu Heiligen macht, Schuldigen die Schuld nimmt und Toten Leben gibt.
Der Glaube schreibt Gott alles zu und bekennt: Ich vermag nichts. Darum ehrt der Glaube Gott.
Das ist die Verantwortung des Menschen: zu glauben.
Ich habe keinerlei Absicht, in irgendeiner Weise zu versuchen, dieses für uns Schwierige und Unbegreifliche aufzulösen oder zu erklären, wie einerseits die Errettung ganz Gottes Werk ist und ganz an Gottes Gnade hängt.
Andererseits müssen wir glauben, auch wenn wir so blind, so gefangen und so gebunden sind, dass wir von uns aus nicht glauben können und auf Gottes Wirken und Hilfe angewiesen sind.
Das sagt die Bibel auch. Aber die Bibel sagt: Ich muss glauben.
Wir müssen darum predigen und den Menschen das verkündigen. Wir müssen sie zur Buße und zum Glauben rufen. Wir müssen glauben.
Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.
Hebräer 11,6 sagt: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.“
Wie sollen sie glauben? Gestern wurde auf einen Vers hingewiesen, und wir lesen ihn jetzt: Römer 10,11-15.
„Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Munde wird bekannt zum Heil. Denn die Schrift sagt: Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden. Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn derselbe Herr ist reich für alle, die ihn anrufen. Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden.“
Welch großartige Verheißung! Wie gibt das uns doch Zuversicht und Freimütigkeit, genau das zu tun, wovon wir in diesen Tagen auch hören: Menschen suchen Gemeinschaft mit anderen, um mit ihnen über den Herrn zu reden.
Wir können ihnen jetzt auch sagen: Wenn du glaubst und den Namen des Herrn anrufst, wirst du gerettet – mit aller Gewissheit.
„Ein jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden.“
Dann folgen die Verse 14 und 15:
„Wie aber werden sie den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger? Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind?“
Hier sehen wir die Notwendigkeit des Glaubensboten.
Darum muss das Evangelium gepredigt werden.
Und Paulus, der gleiche Paulus, der von Gottes Ratschlüssen und seiner erwählenden Gnade spricht, sagt: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige.“
Er meint das genau so.
Darum müssen wir das Evangelium predigen.
Die Notwendigkeit der Sendung und das Beispiel von Mose
Und genau das Gleiche sehen wir im zweiten Mosebuch, in diesem Buch der Errettung, wo die Wahrheit der Errettung von allen Seiten beleuchtet wird. Es wird die Notwendigkeit des Glaubens dargestellt. Damit das Volk jedoch glauben kann, muss ein Bote ihnen Gott und sein Heil verkündigen. Und genau das tut Mose. Es muss jemand gesandt werden.
So müssen auch wir hingehen. Wir müssen uns senden lassen. Wir müssen den Menschen das Evangelium sagen, sonst wird niemand glauben, und ohne Glauben wird niemand gerettet werden.
Hier haben wir sicher ein Beispiel, vielleicht kennst du die Biografie von William Carey. Man nennt ihn den Vater der modernen Mission. Allerdings ist das ein Titel, der vor allem aus der englischsprachigen Welt stammt. Eigentlich stünde dieser Titel oder diese Ehre unserem Zinzendorf zu, der ja fast hundert Jahre vorher mit der Weltmission begann – und zwar in systematischer Weise. Für die englischsprachige Welt steht Carey jedoch am Anfang der Weltmission.
Carey hat zehn Jahre lang einen Kampf geführt und gegen seine eigenen Glaubensbrüder gekämpft, um durchzusetzen, dass das Evangelium gepredigt werden muss, wenn Menschen gerettet werden sollen. Sie sagten: „Ja, das ist Gottes Werk, Menschen zum Glauben zu bringen und zu retten.“ Das hat Carey auch geglaubt.
Doch Carey glaubte auch, dass Gott als Mittel der Errettung den Glauben verordnet hat. Das sagten sie auch: „Ja, ja, ja.“ Aber damit jemand glauben kann, muss man predigen. Und das hat Gott auch verfügt. Darum müssen wir predigen.
Carey war jemand, der ähnlich wie Whitfield, der etwa fünfzig Jahre vor ihm lebte und wirkte, um verlorene Seelen weinte. Carey war Schuster und dann auch noch Dorfschullehrer. Als Schuster, weil er das konnte, nähte er seinen Globus.
Er malte dort die verschiedenen Kontinente – also die Kontinente und all die Gegenden, Regionen und Inseln, die man im achtzehnten Jahrhundert entdeckte und kennenlernte – mit verschiedenen Farben an. Im Unterricht berichtete er von diesen Völkern, von den Menschen, die dort leben, und wie viele es sind. Dann hielt er immer wieder inne und sagte: „Und alle ohne Christus! Und alle ohne Christus!“ Diesen Gedanken ertrug er nicht.
Darum sagte er: „Dann müssen wir hingehen zu diesen Menschen.“ Gott wird sie nicht durch Erdbeben aufrütteln, und auch nicht durch irgendwelche Katastrophen zur Buße bringen, sondern durch die Predigt des Evangeliums. So sagt es einfach die Bibel.
Wir müssen die Bibel in allem, was sie sagt, ernst nehmen – in allem, nicht nur in den Teilen, die uns gefallen oder in unser Denksystem passen. Die Notwendigkeit des Glaubens, die Verantwortung des Menschen – er muss glauben. Die Notwendigkeit des Glaubens erfordert Boten, denn Menschen können nicht an jemanden glauben, den sie nicht kennen.
Wie sollen sie ihn kennen, ohne einen Boten? Sie müssen von ihm hören. Darum muss das Evangelium gepredigt werden.
So sendet Gott Mose mit der Botschaft der Rettung an dieses Volk. Wie aber soll Mose gehen, wenn er nicht gesandt ist? fragt Paulus in Römer 10,15.
Und so haben wir als dritten Punkt die Notwendigkeit der Offenbarung und Sendung. Die Sache geht immer von Gott aus. Er ist es, der Mose erscheint und ihn beauftragt. Wohl dem Mose, dass er ging. Und wehe uns, wenn wir nicht gehen. Gott hat sich uns geoffenbart. Gott hat sich uns ja schon geoffenbart und er hat uns schon beauftragt.
Die Begegnung mit Gott am brennenden Dornbusch
Die Notwendigkeit der Offenbarung und Sendung
Zweiter Mose Kapitel 3
Von Vers 1 an: Mose weidete die Herde Jethros, seines Schwiegervaters, des Priesters von Midian. Er trieb die Herde hinter die Wüste und kam an den Berg Gottes, den Horeb.
Da erschien ihm der Engel des Herrn in einer Feuerflamme mitten aus einem Dornbusch. Mose sah, dass der Dornbusch im Feuer brannte, aber nicht verbrannte.
Mose sprach: „Ich will doch hinzutreten und dieses große Gesicht sehen, warum der Dornbusch nicht verbrennt.“
Als der Herr sah, dass Mose herzutrat, um zu sehen, rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusch zu und sprach: „Mose, Mose!“ Er antwortete: „Hier bin ich.“
Gott sagte: „Nein, nicht hierher. Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.“ Er sprach weiter: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“
Da verbarg Mose sein Angesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
Der Herr sprach weiter: „Gesehen habe ich das Elend meines Volkes, das in Ägypten ist, und sein Geschrei wegen seiner Treiber habe ich gehört, denn ich kenne seine Schmerzen. Ich bin herabgekommen, um es aus der Hand der Ägypter zu erretten und aus diesem Land hinaufzuführen in ein gutes und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig fließt.“
Hier offenbart Gott sich also. Er erscheint Mose und enthüllt ihm seine Absichten.
Vor einigen Jahren hatte Walter im Zusammenhang mit Sendungen über Mose gesprochen. Ich erinnere mich noch gut, wie er damals sagte, dass am Anfang eines Dienstes – und das kann man bei Dienern des Herrn immer wieder feststellen – eine Begegnung mit Gott steht. Es ist wirklich wahr: eine Begegnung mit Gott, bei der wir ihn in einer Weise kennenlernen, wie wir ihn bisher nicht kannten.
Mose war ja schon gläubig, wie Breyer elf sagte. Als Gläubiger verließ er den Hof des Pharao, als Gläubiger floh er aus Ägypten. Er war schon gläubig, aber jetzt gibt ihm Gott eine neue Begegnung, eine Offenbarung seiner selbst.
Und da beginnt der eigentliche Dienst, die Arbeit, der Auftrag des Mose.
Wenn das in deinem Leben geschehen ist, dass du dem Herrn begegnet bist und er dir Dinge aufs Herz gelegt hat, zu dir geredet hat, wird es dich nicht loslassen, bis du es tust. Du wirst es tun. Es wird dir keine Ruhe lassen, und du wirst es tun. Du wirst dann diesem Auftrag gemäß leben.
Einige von uns könnten davon erzählen, auch solche, die im Dienst stehen, die im missionarischen Dienst stehen. Helmut könnte uns sicher einiges dazu sagen, er hat ja schon einiges darüber gesagt.
Der Herr erscheint Mose, und hier erkennt Mose am Herrn etwas, wie der Herr ist und was seine Absichten sind – etwas, das er nie zuvor so erkannt hatte.
Die Art, in der der Herr dem Mose erscheint, und die Absichten, die Gott mit Mose und damit mit seinem Volk hat, hängen natürlich eng miteinander zusammen.
Der Herr ist Mose genau in dieser Weise erschienen – das ist nicht beliebig. Es ging nicht einfach darum, die Aufmerksamkeit des Mose zu wecken, auf irgendeine beliebige Art, durch einen Knall oder ein Feuerwerk oder Ähnliches.
Sondern der Herr hat in dieser Erscheinung Mose sein Herz enthüllt.
Das hat Mose so beeindruckt, dass er es sein Leben lang nicht vergessen hat.
Vierzig Jahre später nennt Gott sich immer noch den Gott, der im Dornbusch wohnte.
Das steht in 5. Mose 33,16.
Im Segen, den Mose über die zwölf Stämme ausspricht, sagt er Folgendes über Joseph: „Das Wohlgefallen dessen, der im Dornbusch wohnte, komme auf das Haupt Josephs.“
Er muss also begriffen haben, was das eigentlich bedeutet. Das muss ein Ausdruck ganz außergewöhnlicher Gnade sein.
Die Bedeutung von Dornbusch und Feuer in der biblischen Sprache
Nun, was bedeutet Dornbusch und was bedeutet Feuer? Wenn wir diese Fragen beantwortet haben, dann verstehen wir das Wunder: Gott im Dornbusch. Er wohnt im Dornbusch; der Dornbusch brennt und wird nicht verzehrt.
Wofür steht der Dornbusch in der Sprache des Alten Testaments, in der Sprache vieler Propheten und auch in der Sprache des neutestamentlichen Propheten, nämlich Jesu Christi? Der Dornstrauch wird immer wieder als Bild für den sündigen Menschen verwendet, der nur Nutzloses hervorbringt.
Ein oder zwei Stellen aus dem Alten Testament: In 2. Samuel 23,6 sagt David: „Die Söhne Belial sind allesamt wie Dornen, die man wegwirft, denn mit der Hand fasst man sie nicht an.“ Dann Hesekiel 2,6: „Und du, Menschensohn, fürchte dich nicht vor ihnen, fürchte dich nicht vor ihren Worten, denn Nesseln und Dornen sind bei dir, bei Skorpionen wohnst du.“ Auch die Ungläubigen, die Hesekiel umgeben, werden mit Dornen verglichen.
Besonders im Neuen Testament denken wir an die Vergleiche, die der Herr selbst machte. In Lukas 6,43-45 heißt es: „Denn es gibt keinen guten Baum, der faule Frucht bringt, noch einen faulen Baum, der gute Frucht bringt. Denn ein jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt. Von Dornen sammelt man nicht Feigen, noch liest man von einem Dornbusch Trauben.“ Im Vers 45 erklärt der Herr, dass damit Menschen gemeint sind: Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor, der Böse bringt aus dem Bösen das Böse hervor. Dornen bringen keine Trauben.
Der Dornbusch brennt nun. Mose hatte oft Dornbüsche gesehen und auch oft ein Feuer darin gemacht, um sich in den kalten Wüstennächten die Hände zu wärmen. Er war dankbar für dieses Gesträuch, denn es war gut zum Brennen. Es taugte eigentlich nur dazu, verbrannt zu werden. Die Dornsträucher brannten gut, aber schnell, denn sie waren trockenes, hartes Holz.
Jetzt aber sieht Mose einen Dornbusch, der brennt, brennt und brennt – und doch wird er nicht verzehrt. Das will Mose näher betrachten.
Was bedeutet Feuer? Es heißt hier, dass der Herr, der Engel des Herrn, in einer Feuerflamme erscheint. Warum erscheint Gott in einer Feuerflamme? Was bedeutet das? Es bedeutet Gericht, tatsächlich Gericht.
Wir lesen zum ersten Mal vom Wort „Feuer“ in der Bibel. Weiß jemand, wo das Wort Feuer vorher schon vorkommt? Nein, vorher wird Feuer nicht verwendet. Dort heißt es einfach „die Flamme des kreisenden Schwertes“, etwa bei der Vertreibung aus dem Garten Eden. Dort steht „Flamme“, nicht „Feuer“. Auch bei den Opfern wird das Wort Feuer nicht verwendet.
Das Wort Feuer wird zum ersten Mal im Leben Abrahams gebraucht, in 1. Mose 19, beim Gericht Gottes über Sodom und Gomorra. Dort heißt es in 1. Mose 19,24: „Und der Herr ließ aus Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, von dem Herrn aus dem Himmel.“
Wenn Gott in seiner Heiligkeit mit Sünde zu tun hat, dann erscheint er als eine Feuerflamme, als Feuer. Ofen – ja, Ofen – aber im Hebräischen steht dort nicht das Wort „Feuer“, im Deutschen wird es so übersetzt. Der Sinn ist jedoch derselbe. Es geht mir nur um das Wort.
Dort ist auch Opfer, ist auch Gericht, stellvertretendes Gericht. Wenn Gott, der heilige Gott, mit Sünde oder Sündern zusammentrifft, dann ist das Ergebnis Feuer.
Darum ist auch der Feuersee der einzige Ort, an dem ein gerechter Gott sich an Sündern ewig verherrlichen kann. Das ist ein erschütternder, aber wahrer Gedanke. Gott kann sich dort, wo Sünde ist, nur durch Gericht verherrlichen, weil er heilig ist.
Tatsächlich sagt Gott zu Abraham: „Ich werde jetzt diese Stadt besuchen.“ Gott sagt: „Ich werde diese Stadt heimsuchen, denn das Geschrei dieser Stadt ist zu mir gekommen.“ Das Ergebnis ist unausweichlich: Gott besucht die Stadt – und das Ergebnis ist Feuer, Gericht.
Hier sehen wir einen Dornbusch, ein Bild für den sündigen Menschen, und Gott im Dornbusch, der lebendige Gott bei, mit und unter sündigen Menschen. Wie soll das möglich sein? Das Ergebnis ist Feuer.
Aber das Wunder ist, dass der Dornbusch nicht verzehrt wird. Genau das ist Gottes Absicht. Es ist Gottes Absicht, ein Volk heimzusuchen. Er sagt: „Ich bin herniedergekommen.“ Gott kommt wieder hernieder, wie damals in Sodom und Gomorra.
Er kommt unter ein Volk, das nicht sündlos ist, unter ein Volk von lauter Sündern – in seiner ganzen Heiligkeit – und das Volk wird nicht verzehrt. Es bleibt am Leben, es lebt.
Im fünften Mosebuch wird das mehrfach erwähnt, fünf, sechs, sieben Mal heißt es dort, dass ihr am Sinai, am Berg Horeb, Gottes Stimme aus dem Feuer gehört habt und am Leben geblieben seid.
Wie ist das möglich, dass ein heiliger Gott unter Sündern wohnen kann und sie nicht verzehrt? Mose wird das hier wahrscheinlich noch nicht verstanden haben. Doch er hat es nach nicht allzu langer Zeit begriffen.
Einige Wochen oder Monate später – wir wissen nicht genau, wie viel Zeit verstrichen ist – spricht Gott in 2. Mose 12 mit Mose über das Passah. Ich lese diesmal nur von Vers 6 an, 2. Mose 12,6:
„Und ihr sollt in Verwahrung haben bis auf den vierzehnten Tag dieses Monats, und die ganze Versammlung der Gemeinde Israel soll schlachten zwischen den zwei Abenden. Sie sollen von dem Blut nehmen und es an die beiden Pfosten und an die Oberschwelle tun, an den Häusern, in welchen sie es essen. Sie sollen in derselben Nacht das Fleisch essen, gebraten am Feuer, und ungesäuertes Brot mit bitteren Kräutern. Ihr sollt nichts roh davon essen, keineswegs in Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten, seinen Kopf samt seinen Schenkeln und seinen Eingeweiden. Und ihr sollt nichts davon übrig lassen bis zum Morgen; was bis zum Morgen übrig bleibt, sollt ihr mit Feuer verbrennen.“
Dreimal wird das Wort „Feuer“ genannt. Gott besteht darauf, dass das Fleisch im Feuer zubereitet wird.
Da muss Mose verstanden haben, warum das Feuer der Heiligkeit Gottes das Volk Gottes nicht verzehrt. Ein Stellvertreter hat Gottes Zorn getragen. Ein Stellvertreter ging durchs Feuer.
Hier haben wir das Herz der Erlösung. Gott gibt seinen Sohn dahin. Gottes Sohn wird Mensch und stirbt für die Schuld der Menschen. Inmitten des Thrones ist ein Lamm wie geschlachtet.
Das ist wirklich das Herz der ganzen Erlösung. Das wird Mose hier geoffenbart, und Gottes Absicht wird ihm mitgeteilt. Im Vers 8 steht: „Ich bin herabgekommen.“
In der Fülle der Zeit wird Gott wirklich herabkommen, im vollkommenen Sinn herabsteigen. Wie Paulus sagt in Epheser 4, wird er herabsteigen in die unteren Örter der Erde, in den Tod. Tiefer hinab kann man nicht steigen.
„Ich bin herabgekommen, um es aus der Hand der Ägypter zu erretten, um es herauszuführen.“ Ja, das ist der Retter, Gott.
Mose fragt nach seiner Sendung und Gottes Selbstoffenbarung
Und dann wollen wir in diesem Kapitel weiterlesen. Mose fragt zuerst im Vers 11: Mose sprach zu Gott: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und die Kinder Israel aus Ägypten herausführen sollte?“ Das ist eine gute Frage. Diese Frage zeigt, dass Mose begriffen hat, dass es etwas Unmögliches ist. Also: Wer bin ich? Das kann ich ja gar nicht.
Der Herr antwortet darauf: „Weil ich mit dir sein werde.“ In den Versen 13 und 14 spricht Mose zu Gott: „Siehe, wenn ich zu den Kindern Israel komme und zu ihnen spreche: ‚Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt‘, und sie zu mir sagen: ‚Welcher ist sein Name?‘, was soll ich zu ihnen sagen?“ Da sprach Gott zu Mose: „Ich bin, der ich bin.“
Das ist die zweite Selbstoffenbarung Gottes in diesem Kapitel. Zuerst im Dornbusch, im Dornstrauch, als der, der sich erniedrigt hat, der herabstieg, der zu uns kam, der unseren Platz einnahm. Hier sagt er: „Ich bin, der ich bin.“ Er ist der ewige, der unwandelbare, der souveräne Gott.
Die Erkenntnis der Souveränität Gottes, der Unumschränktheit Gottes, der Erhabenheit Gottes ist das notwendige Gegengewicht zur Erkenntnis seiner Erniedrigung. Diese beiden Seiten hängen miteinander zusammen. Wenn wir nur daran denken, dass Gott Mensch wurde und unter uns lebte, und nur das betonen, dann wird Gott am Ende auf unsere Ebene heruntergezogen. Gnade verkommt dann nur noch zur Sentimentalität, wird nur noch etwas Süßes.
Wenn wir Gottes Liebe loslösen von seiner Allmacht, Gerechtigkeit und Heiligkeit, dann wird seine Liebe, dass er uns sucht und zu uns kommt, bestenfalls zu Freundschaft oder Kumpanei. Darum müssen wir auch diese Seite beständig vor Augen haben: Einerseits die Erniedrigung, dass er Mensch wurde, unseren Platz einnahm, uns gleich wurde und wirklich zu uns kam — näher konnte er uns nicht kommen.
Aber gleichzeitig ist er der unumschränkte, allmächtige Gott, der von sich sagt: „Ich bin der, der ich bin.“ Das bedeutet, dass er keinen Anfang hat. Früher war es üblich, wenn man jemanden fragte, zum Beispiel ein Kind, „Wem gehörst du?“ oder „Von wem bist du?“ — man ordnete sofort die Eltern zu. Wir alle haben eine Herkunft.
Gott aber ist, der er ist. Er hat keine Herkunft, keine Ursache, keine Abstammung. Zudem ist er der, der er ist, unabhängig davon, ob wir ihn erkennen oder ehren oder nicht. Er ist mehr als das, was wir von ihm erkennen können. Er braucht nichts, bedarf keiner Sache. Niemand hat ihm zuvor etwas gegeben, und es wird ihm auch nichts zurückgezahlt, sagt Paulus. Niemand ist sein Mitberater gewesen. Ihm fehlt nichts.
Ich habe gerade gestern in einem Andachtsbuch von Wilhelm Busch gelesen, das im Bücherregal von Andreas stand. Es war eine kurze Andacht, die das so schön ausdrückt: „Ja, Gott braucht uns wirklich nicht. Er kommt ganz gut ohne uns aus, ist nicht auf uns angewiesen. Er ist, der er ist.“
Paulus sagt an einer Stelle — ich habe das immer schwierig gefunden, das zu verstehen — 1. Timotheus 1,11: Hier verwendet Paulus den Ausdruck „nach dem Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes“. Der „selige Gott“ ist ein eigenartiger Ausdruck, im Griechischen „makarios, ho makarios theos“, der glückselige Gott.
Ich denke, Paulus will hier Folgendes sagen: Gott ist in sich glückselig. Ihm fehlt wirklich nichts. Er ist in sich vollkommene Ruhe. Er bedarf keiner Sache und keiner Person. Trotzdem hat er einen solchen wie mich berufen. Das ist für mich völlig unerklärbar.
Ich danke Christus Jesus, unserem Herrn, der mir Kraft verliehen hat und der mich treu erachtet hat, indem er mich in den Dienst gestellt hat, obwohl ich vorher ein Lästerer war. Das ist mir unbegreiflich. Dieser große glückselige Gott hat aus dem Nichts Willen Paulus zum Diener gemacht — unbegreiflich, unbegreiflich.
„Ich bin, der ich bin“ heißt auch, dass er unausforschlich ist. Es heißt, er ist Wirklichkeit, er ist nicht nur Gedachtes, nicht eine Projektion. Das ist ja diese öde Erklärung der Ungläubigen. Die Ungläubigen, die gar nicht an ihn glauben, wollen uns sagen, wer Gott ist. Was wollen die wissen über Gott? Sie behaupten, Gott sei nur eine Projektion, eine Wunschvorstellung — so etwas Ödes.
Nein, Gott ist nicht einfach Gedachtes. Er ist. Er ist der Urheber aller Wirklichkeit, und zwar in einem noch viel höheren Sinn als das, was wir als Wirklichkeit mit unseren Sinnen wahrnehmen. Er ist der Unveränderliche. „Ich bin, der ich bin“ — „ehje ascher ehje“, das drückt dauerhaftes Sein aus.
Die italienische Bibel „l’Eterno“ übersetzt das immer so: „der Ewige“. Oder in der französischen Bibel steht wörtlich: „Der Ewige, der Unwandelbare, der sich nicht verändert.“ Und schließlich, und das sage ich bewusst an fünfter Stelle, er ist den Seinen alles, was sie brauchen. Denn wir sind vollständig auf Gott angewiesen.
Er braucht uns nicht, aber wir brauchen ihn. Er ist nicht auf uns angewiesen, er schuldet uns nichts. Aber wir sind auf ihn angewiesen, und wir schulden ihm alles. Er ist der Große: „Ich bin.“ So sagt er hier: „Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: ‚Ich bin‘ hat mich zu euch gesandt.“ Griechisch: ego eimi.
Dieser Ausdruck kommt an einigen Stellen in den Evangelien vor. Die Jünger sind im Sturm in der Nacht, dann kommt der Herr und sagt: „Habt keine Angst, ego eimi“, also „Ich bin.“ Das ist im Griechischen ein unvollständiger Satz. Das kann man auf Griechisch so wenig sagen wie auf Deutsch.
Wenn auf Deutsch jemand kommt und sagt: „Ich bin“, dann fragt man: „Ja, was denn? Ich bin ein Trottel, gut, jetzt wissen wir es, das habe ich sowieso gedacht.“ Man muss etwas dazu sagen, etwa „Ich bin fertig.“ Aber einfach zu sagen „Ich bin“ — das ist im Deutschen wie im Griechischen ein unvollständiger Satz.
Das sagt man nur, wenn eine ganz bestimmte Person es sagt: „Ich bin.“ Und das heißt dann einfach so viel wie „Ich bin, der ich bin.“ Ich bin ohne Ursprung, ohne Herkunft. Ich bin, der ich bin. Er ist der Ewige.
So ist Jesus von Nazareth der ewige Gott, der hier Mose erschien — die gleiche Person, der gleiche Herr, der gleiche Gott. Im Johannesevangelium sagt der Herr von sich immer wieder: „Ich bin.“ Wenn Menschen kamen, um ihn gefangen zu nehmen, sagte er zu ihnen: „Wen sucht ihr? Jesus von Nazareth?“ Und dann sagte er: „Ego eimi.“ Da ließ er nur für einen kurzen Augenblick seine Gottheit aufblitzen, und die Menschen wichen zurück.
In seinen Reden sagte er immer wieder „Ich bin.“ Dort wird deutlich, dass er dem Glaubenden alles ist, was der Glaubende braucht. Wir brauchen ihn wirklich. Er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens“, „Ich bin das Licht der Welt“, „Ich bin die Tür“, „Ich bin der gute Hirte“, „Ich bin die Auferstehung und das Leben“, „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, „Ich bin der wahre Weinstock“, „Ich bin.“
Aber das kommt erst zuletzt.
Ich wiederhole: Die Erkenntnis der Erhabenheit, der Souveränität und der Größe Gottes bildet das notwendige Gegengewicht zur Erkenntnis seiner Erniedrigung und seiner Menschwerdung. Darum ist es eigentlich ein Skandal — und ja, ich sage es ganz offen — es ist wirklich ein Skandal, dass es eine Bibelübersetzung gibt, die diese Stelle so übersetzt:
2. Mose 3,14: Da sprach Gott: „Ich bin der Gott, der für euch da ist.“ Und danach steht: „Ich bin für euch da.“ Das hat nichts gesagt. Es bleibt also nur noch diese eigentlich unterste Wahrheit und Tatsache: „Ich bin für euch da.“ Das ist geradezu gottlos.
So denken ja die Gottlosen: „Ja, ja, Gott muss für uns da sein.“ Er muss überhaupt nicht. Dass er für uns da ist, für die, die an ihn glauben, ist ein unbegreifliches Wunder. Aber bei alledem ist er der Große: „Ich bin, der ich bin.“
In der „Hoffnung für alle“ steht im Vers 8 übrigens auch: Wo wir gelesen haben „Ich bin herabgekommen“, dort steht nur „Ich bin gekommen“, nicht „herabgekommen“. Wir sollen ja nicht daran erinnert werden, dass Gott hoch oben ist und wir tief unten. Das sollen wir nur vergessen. Er ist einfach gekommen, herbeigekommen, aber nicht herabgekommen.
Das hat System in jener Bibelübersetzung. Es hat wirklich System. Das geht durch die ganze sogenannte Bibelübersetzung hindurch. Dort, wo der Herr ruft — und das würde den Wald wahrscheinlich besonders freuen — spricht er über das Leben des Herrn.
Gestern hat er davon gesprochen, wie wir ihm nachfolgen. In der „Hoffnung für alle“ steht immer: „Kommt mit mir.“ Bei den Berufungen der Jünger steht einfach „Kommt mit mir“, und dann steht: „Und sie gingen mit Jesus.“ Das ist skandalös, wirklich skandalös.
Das ist ein Betrug — ein Betrug am Höchsten — und auch eine Irreführung der Leser. Denn in der Einleitung zu dieser Übersetzung steht, man habe einfach so übersetzen wollen, dass man besser versteht. Das stimmt einfach nicht.
Oder inwiefern versteht man „Ich bin gekommen“ besser als „Ich bin herabgekommen“? Ist das eine Verständnishilfe? Nein, es ist eine systematische, wirklich eine systematische Absicht, die sich durch diese ganze Übertragung hindurchzieht. Gott soll klein gemacht werden, der Mensch groß.
Das hat System. Ich denke, wir müssen das einfach ganz deutlich sehen. Darum würde ich diese Bibel auch nicht für evangelistische Zwecke empfehlen. Denn der Mensch muss ins Licht Gottes gestellt werden, um zu erkennen, wer Gott ist — und dann erkennt er sich selbst, wie er ist.