Vertrauen auf die helfende Hand Gottes
Fürchte dich nicht an der Hand unseres Gottes, an der Hand des Herrn Jesus – so lautet die Überschrift über unserer ganzen Tagung. Fürchte dich nicht, denn unser Gott kann trösten.
In der Bibel heißt es, dass der Trost einer Mutter etwas ganz Besonderes ist. Doch die Hand unseres Gottes kann noch viel mehr als nur trösten.
Von Matthias Claudius stammt das Wort: „Wer ohne Christus leben will, muss sehen, wie er ohne ihn auskommt.“ Er sagt zu seinem Freund Andres: „Ich und du können das nicht.“ Wir brauchen jemanden, der uns hebt und hält.
Und wenn es zum Sterben geht, legt dieser Jemand die Hand unter unseren Kopf und lässt uns wissen: Ich bin dein. Das ist noch mehr als Trost – eine Hand, die hebt und hält und uns bis ins Sterben hinein festhält.
Jesu Gegenwart in der Not und das Ergreifen seiner Hand
Das Evangelium berichtet, dass die Jünger unseres Herrn Jesus einmal allein auf dem galiläischen Meer unterwegs waren. In der Nacht kam ein Sturm auf, die Wellen waren aufgewühlt. Als Jesus sie sah, bemerkte er ihr Notleiden in den Wellen.
Unser Herr Jesus sah seine Jünger nur aus der Ferne und kam zu ihnen. Als er zum Schiff kam, schrien sie vor Furcht, denn sie meinten, sie sähen ein Gespenst oder einen Klabautermann.
Jesus sagte: „Ich bin es doch, fürchtet euch nicht.“ Daraufhin sagte Petrus: „Wenn du es wirklich bist, dann gib mir ein Zeichen.“ Er forderte Jesus auf: „Dann sag doch mal ‚Komm‘.“ Das war das untrügliche Wort, das Jesus so oft gesagt hatte: „Komm, folge mir nach.“ Petrus wollte sicher sein und sagte: „Komm, dann merke ich, dass du es bist und nicht ein Gespenst.“
Jesus antwortete: „Komm.“ Daraufhin stieg Petrus über Bord und ging auf den Wellen. Er machte Schritte auf Jesus zu. Doch als eine große Welle kam, erschrak er, begann zu sinken und rief: „Herr, hilf mir!“
Jesus ergriff seine Hand. Wissen Sie, was die Hand Jesu bedeutet? Sie ist nicht nur ein Trost, der uns nahe ist. Es ist nicht nur die Hand, die unter unseren Kopf gelegt wird, wenn wir sterben. Es ist die Hand, die uns ergreift, die uns packt und nicht mehr loslässt.
Gottes Führung und Erbarmen in schweren Zeiten
Davon spricht schon das Prophetenwort im Auftrag Gottes, gesprochen aus Jesaja 49, das heute Abend ein bisschen viel verlangt, selbst in Israel ist der Sabbat jetzt vorbei, und bei uns ist Samstagabendstille. Jetzt wollen wir auf dieses Wort hören, auf dieses tröstliche Wort Jesaja 49, Vers 10.
Gott spricht zu den Gefangenen, zu den Elenden, zu den Unterdrückten: Sie werden weder Hunger noch Dürsten, sie wird weder Hitze noch Sonne stechen, denn ihr Erbarmer wird sie führen und an die Wasserquellen leiten. Das sind nun drei biblische Grundbegriffe, dicht beieinander, die unser Herz bewegen können: führen und leiten.
Psalm 23 sagt: Er führt mich auf rechter Straße, er leitet mich nach seinem Rat. Fällt Ihnen sonst noch ein Wort ein? Er wird mich mit seinen Augen leiten, ich will dich mit meinen Augen leiten, spricht Gott. Dennoch bleibe ich stets an dir, Psalm 73, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat.
Jesus hat das aufgenommen: Ich bin der gute Hirte, ich will die Schafe herausführen, nicht bloß an eine sichere Stelle, sondern ich will sie herausführen auf die frische Weide. Führen und Leiten sind biblische Stichworte bis hin zur Offenbarung 7. Da ist es aufgenommen von denen, die aus der großen Trübsal gekommen sind. Sie wird nicht mehr Hunger noch dürsten, es wird auf ihnen auch nicht Lastensonne oder irgendeine Hitze sein, denn das Lamm mitten auf dem Thron, der Herr Jesus, wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers (Offenbarung 7).
Führen und Leiten sind biblische Grundbegriffe: Ihr Erbarmer wird sie führen und leiten. Ich habe eigentlich einen kleinen Test mit Ihnen vor heute Abend, damit Sie merken, wie viele Lieder der wohlvertrauten Choräle auf dieses Erbarmen unseres Gottes gestimmt sind. Jetzt summe ich einfach – meine Frau erschrickt wahrscheinlich, weil ich so unmusikalisch bin – und Sie kriegen ein rausfähiges Lied, das ist:
Da da da da da da da
Da da da da da
Sind Sie drauf? „Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad“ aus dem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“.
Da da da da da da da
Herr, erbarme dich, auch uns komme, Herr, dein Segen!
Vielleicht wird es jetzt schwieriger: Ein Lied, das bis in die Usambaraberke von Afrika getragen wurde durch die Missionare:
„Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert.“
Erbarmung ist weiter nichts. Gott, der du reich bist an Erbarmen, reiß dein Erbarmen nicht von mir! In dein Erbarmenhülle mein schwaches Herz und mach es endlich still!
Also, Sie merken, wie viele – vielleicht kommen Sie auf viel mehr Lieder, die auf den Erbarmer gestimmt sind. Es ist erstaunlich. Eigentlich müssen wir Theologen ja auch beweisen, dass wir mal Hebräisch und Griechisch gelernt haben. Deshalb sagen wir meist: Im Urtext steht hier ein Wort, nicht in Submar, zeigen unsere ganze Weisheit. Aber jetzt muss ich es wirklich mal sagen: Im Urtext steht eigentlich gar nicht ein Titel, ein Begriff, ein Name, sondern „erbarmend wird sie“ – steht das Verb.
Wir merken, das ist nicht bloß ein Name, ein Begriff, ein Titel, sondern ein Handeln Gottes, eine Tätigkeit, dass Gott sich herabneigt zu den Elenden. Jesaja 49 sind die Gefangenen, die Verachteten, die Vergessenen der Weltgeschichte, der verlorene Haufen. Zweiter Weltkrieg – und wir denken jetzt am Vorabend des Jubiläums, dass der Zweite Weltkrieg begonnen ist – ist es ja dran an diesem furchtbaren Zweiten Weltkrieg. Viele Soldaten, wenn sie im Kessel von Demjansk waren oder eingekesselt auf der Krim und erst recht in Stalingrad, konnten sagen: Wir sind ein verlorener Haufen, unsere Führung lässt uns im Stich.
Der Erbarmer neigt sich besonders zu den Verlorenen: Ihr seid kein verlorener Haufen, ich kenne euch. Es geht quer durch das Alte Testament, ob das der Joseph ist, der vergessen war von den Seinen, im Neuen Testament der Zöllner Zareus, verachtet von den Inirio. Jesus sieht ihn, versteckt hinter den Blättern des Maulbeerbaums, den verachteten kleinen Zareus. Das erbarmende Handeln Gottes – er sieht ja auch vorher haben wir gehört, wie seine Jünger sich ablagerten auf den Wellen mitten in der Nacht im Sturm, und Jesus sah sie, und es jammerte ihn, und er erbarmte sich seiner Leute, die gehören zu ihm. Er schämt sich nicht.
Auch dieses Gefangenenhäuflein in Babel – er hat doch Israel gestraft: Ihr wolltet mich nicht hören, ihr habt mir den Rücken zugewandt durch Jahrzehnte, durch Jahrhunderte. Jetzt wende ich euch den Rücken zu. Und dann kam die babylonische Gefangenschaft. Da hätte Gott ja sagen können: Jetzt habt ihr es, jetzt seht ihr, wohin ihr kommt ohne mich. Nein, er erbarmt sich seiner Elenden.
Das, was wir gestern Abend gehört haben von der Frau, die einst dem Herrn Jesus gehören wollte und sich dann durch die Philosophie abgewandt hat, ist doch Hoffnung beim erbarmenden Gott, dass er auch Leute von den Umwegen, selbst wenn sie ferner sind, erholt.
Königliches Handeln: Wenn ein Herrscher im Altertum eine Stadt erobert hat und als Triumphator eingezogen ist durch die Straßen der Stadt, dann haben die Besiegten gerufen: Kyrie eleison – ein Wort, das wir vielleicht aus der Liturgie kennen: Herr, erbarme dich! So wie es die Blinden und Lahmen wurden, die Jesus gerufen haben: Du Sohn Davids, erbarme dich, eleison!
„Erbarme dich über uns“ – und zwar königliche Gnade, dass er sein Zepter über ihnen ausgestreckt hat, so wie der König Ahasverus über Esther, die eigentlich doch gar keinen Zutritt hatte zum König, das Zepter ausstreckte: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden.
Bei den Sprüchen heißt es einmal: Fürsten sollen fürstliche Gedanken haben – die fürstliche Souveränität unseres Herrn Jesus, dass er sich seiner Elenden erbarmt und die Elenden leitet zu den Wasserquellen. Er kann seine Hand ausstrecken, zugreifen, halten und führen.
Jesaja wird sich zu dem Volk Israel wenden, das gezweifelt hat: Der Herr hat mich vergessen? Kann auch ein Weib ihr Kindlein vergessen? Siehe, da ist euer Gott! Und dann steht: Jesaja wird sich, er wird die Lämmer im Bausch seines Gewandes tragen, gesichert und die Mutterschafe führen.
Es hat mal ein Seelsorger gesagt: Wenn er die Mutterschafe führt, dann gehen die Lämmer hintendrein. Unser Gott ist noch größer, er führt die Mutterschafe und birgt die schwachen kleinen Lämmer. So ist Gott, Jesaja 40, so ist unser Gott, in seiner Hand bergend und führend, zupackend.
Es ist ja ein schöpferisches Handeln, wenn seine Hand eingreift. Wie oft heißt es in den Psalmen: Schaut die Werke seiner Hände, die ganze Schöpfung, seine Hand geschaffen. „Ehe ich durch deine Hand gemacht, so hast du schon bei dir bedacht, wie du mich wolltest.“ Während die schöpferische Hand Gottes – Gott beginnt ein neues Kapitel.
Jetzt übersetzen Sie es für ihr Leben: Wenn wir meinen, das meiste unseres Lebens sei gelebt, wahrscheinlich ist es rein jahresmäßig so. Gott kann auch noch im hohen Alter ein neues Kapitel aufschlagen über Ohnmächtigen das Werk seiner Hände, eine Neuschöpfung. Er kann etwas beginnen und kann seine Leute führen zu den Wasserquellen.
Jetzt würde ich am liebsten mit Ihnen einige dieser biblischen Wassergeschichten durchgehen. Da spielen die Wasserquellen so eine Rolle: Als Israel sich lagerte in der Wüste, da spaltete er den Fels, da plötzlich Wasser herauskam, was selbst Mose nicht für möglich hielt. Sie lagerten sich in Raffidim, da waren siebzig Palmbäume und Quellen.
Wassergeschichten der Bibel: Hagar, die Frau Sarahs, verstossen von ihrer Herrin in der Wüste mit ihrem Sohn Ismael, am Verdursten, „ich kann nicht sehen des Knaben sterben“, da öffnete Gott vor ihr eine Quelle, und sie nannte die Quelle den Brunnen „Der Herr sieht mich“, der sieht mein Elend und öffnet für meinen Sohn und mich eine Wasserquelle.
Die Achsa, Frau des Othniel, die als Morgengabe wunderbare Äcker bekommen hat, aber dann plötzlich merkte: Da fehlt das Wasser, da verdorrt alles. Sie begegnet ihrem Vater, dem alten Kaleb, und er sagt: „Was ist dir, meine Tochter?“ Sagt sie: „Du hast uns Mittagsland gegeben, das gut in der Sonne liegt, aber keine Quellen.“ Da gab er ihr Quellen oben und unten. Ein Bild für den himmlischen Vater: Wenn wir sagen, mein Leben ist verdorrt, ich kann nicht mehr, ich kann einfach nicht. Vater, ich bin am Ende. Da gab er ihr Quellen, er würde sie führen zu lebendigen Wasserquellen.
David, als er mit seinen Männern in der Wüste war, verfolgt von Saul, gejagt wie ein Floh, so heißt es in den Psalmen, da dürstet ihn in der Wüste – ach, zuhause in Bethlehem, in dem Brunnen in Bethlehem gibt es frisches Wasser. „Wie habe ich Durst nach dem Heimatwasser!“ Und da gingen drei seiner Getreuen durch die feindlichen Heere und Heerscharen hindurch nach Bethlehem und brachten dem David in ihrem Helm frisches Wasser. Er goss es aus vor dem Herrn, er wollte es nicht trinken, das so unter Lebensgefahr geholt war.
Aber dann im Psalm 110 steht das Wort, das so schwer verständlich ist: Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten. Am Schluss heißt es: Er wird trinken vom Bach am Weg. Da brauche ich nicht durch die Feinde bis nach Bethlehem, da brauche ich nicht meine Getreuen, sondern mein Gott wird parallel an meinem Weg sprudeln die Wasserquellen. Gott versorgt mich, dass ich nicht dürsten muss.
Elija, der für Gott geeifert hat: „Herr, ich habe für dich geeifert und ich bin allein übrig geblieben, es ist genug. Nimm meine Seele, ich kann nicht mehr, aua!“ Da kam ein Engel und stärkte ihn: „Steh auf, iss, du hast noch einen weiten Weg vor dir, da ist ein Krug mit Wasser.“ In Kraft dieser Speise geht Elija bis an den Berg Horeb.
Wassergeschichten: Gott erquickt seine Leute und auch unseren Herrn Jesus. Da kam ein Engel und stärkte ihn, da als sein Schweiß geflossen ist wie Blutstropfen. Die Stärkungen unseres Gottes, auf die selbst unser Herr Jesus nicht verzichten wollte und nicht verzichten musste. Verstehen Sie, da ist das plötzlich erfüllt, was der Prophet im Auftrag Gottes gesagt hat über die Elenden: Der Herr Jesus, der sich krümmte unter der Last unserer Schuld, „meine Seele ist betrübt bis an den Tod“, und es kam ein Engel und stärkte ihn. Er wird die Elenden führen und leiten zu den Wasserquellen, der erbarmende Gott.
Nun können Sie ja sagen: Das ist alles schön, was du uns erzählst aus der Bibel, wie sieht das denn heute in unserer Welt aus, dass Gott leitet? Oh ja, das kann man erfahren.
In Englisch gibt es das schöne Lied: „He leads me, he leads me with his both hands, he leads me.“ Er führt mich mit beiden Händen, er packt mich und führt mich, nicht nur so ein bisschen mit dem kleinen Finger, wie ich meine Enkel einst geführt habe, mit beiden Händen. Komm, wie ein Bergführer, der sagt: Kommt, die nächste Stufe!
Wenn man Martin Luther gefragt hat: Wie bist du denn dazu gekommen? Und wenn er selbst angefochten war von der Frage, ob er nicht die ganze mittelalterliche Kirche durcheinandergebracht hat, konnte er sagen: Ich bin geführt worden wie ein blinder Gaul. Es ist doch nicht meine Erfindung gewesen, die Reformation. Ich bin geführt worden von einem Schritt zum anderen. Ich wollte eigentlich doch am Anfang bloß den Papst überzeugen, dass das mit dem Tetzel nicht richtig ist. Und dann bin ich Schritt um Schritt zur Erkenntnis des Evangeliums gekommen, dass Gott Sünder gerecht macht.
Dabei ging es nicht mehr um Tetzel und Ablass, sondern um ihn, dass er vor Gott nicht bestehen kann. „Mein Sünd ist schwer und übergroß und trifft mich von Herzen.“ Gott macht den, der glaubt, gerecht. Gott führte mich wie ein Blindengaul zu dieser Erkenntnis. Davon konnte er dann von dieser Wasserquelle reden. Da jammert Gott in Ewigkeit: „Mein Elend ohne Maßen.“ Er dachte an seine Barmherzigkeit, er wollte mir helfen lassen, er wandte zu mir sein Vaterherz. War bei ihm fürwahr kein Scherz, er ließ sein Bestes kosten. Er sprach zu mir: Halt dich an mich, der Herr Jesus, es sollte dir jetzt gelingen, ich gebe mich selber ganz für dich.
Luther hat erkannt, konnte davon reden. Davon hat er gelebt und konnte das weitersagen. Daher führt er zu den Wasserquellen, er führt.
Wir dürfen ja, meine Frau und ich, seit 14 Jahren unseren Ruhestand in Korntal verbringen. Da sind auf dem Friedhof – neulich hat sogar frontal die Fernsehsendung das kritisch aufgenommen – die Gräber der Missionspioniere unterhalb der Akademie für Weltmission: Krapf, fast fünf Jahrzehnte im Dienst der Mission, gut, er hat den Mount Kenya als erster Europäer gesehen, aber er war Missionar geworden, damit arme Seelen in Afrika das Heil gewinnen.
Und als die Basler Mission die Parole ausgegeben hat: „In Afrika ist nichts mehr zu holen, wir haben uns in Äthiopien blutige Köpfe geholt, in Sierra Leone, wir müssen unser ganzes Gewicht auf Indien verlegen“, da hat dieser Krapf die Parole ausgegeben: „Ostafrika, vergesst uns nicht“, obwohl er keinen einzigen taufen konnte.
Vor vier Wochen war eine Delegation aus Ostafrika in Korntal und hat beinahe eine Stunde lang am Grab von Krapf, von seinem Gefährten Rebmann, Choräle gesungen und gebetet, dass Gott diese Missionare trotz scheinbarem Misserfolg festgehalten hat, sie nach Ostafrika geführt hat, dort festgehalten hat. Er führt mich!
Und heute haben wir vielleicht neben Indonesien die lebendigste Christenheit in Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda, Burundi, Ostafrika. Er führt mich!
Ja, wie kam es dazu? Der verehrte Rebmann konnte noch einen verkrüppelten Afrikaner taufen, den im Ringe, aber als er mit 52 Jahren beinahe erblindet, ein menschliches Wrack, nach Europa ging, stand eine Gemeinde da in Mombasa und in Piarambay Wieden.
Die Engländer hatten es unternommen, die englischen Evangelikalen, die vielgeschmähten Evangelikalen, dass sie gegen die Sklaverei plötzlich aufgetreten sind. Da haben wir ein Gesetz erlassen, dass sogar englische Kriegsschiffe die Sklavenschiffe kapern dürfen, um die Sklaven zu befreien.
Auf dem Indischen Ozean haben die englischen Kriegsschiffe solche arabischen Sklavenschiffe aufgebracht und die Erwachsenen wieder zurückgebracht nach Ostafrika, in ihre Heimat. Aber die Kinder – wohin sollte man die bringen? Die konnten nicht sagen, woher sie stammen, wem sie gehören.
Da haben die Engländer gesagt: Dann bringen wir sie nach Bombay, da gibt es einen Missionar Issenberg, vielleicht kann der etwas mit anfangen. Das war ein gescheiterter Missionar, in Äthiopien gescheitert, krank, schwach. Seine Missionsgesellschaft hat gesagt: Gib in Bombay eine Zeitung heraus, das ist so ein bisschen Beschäftigung für dich.
Jetzt bringen die Engländer ihm diese afrikanischen Sklavenkinder, und er baut 27 Heime auf für Burschen und Mädchen, Lebensarbeit. Viele von denen haben Handwerk gelernt, sind Christen geworden, und als sie erwachsen waren, da wurden sie auf ihren eigenen Wunsch hin zurückgeschickt in ihre ehemalige Heimat Ostafrika.
Und als sie zum ersten Mal einen Choral angestimmt haben in der Swahili-Sprache, die eigentlich Rebmann erforscht hat, da sind dem halbblinden Rebmann die Tränen heruntergelaufen – nicht vergeblich.
Der Plan Gottes, der uns geführt hat, den Krapf und mich, und wir dachten, wir sind in die Irre gelaufen. Wir wollten doch nicht Berge entdecken, nicht geografische Entdeckungen machen, wir wollten etwas für den Herrn Jesus tun, und Herr Isenberg hat gemeint, es war alles umsonst. Und plötzlich geht der Plan Gottes zusammen bei allen dreien: Er führt.
Vor vier Wochen waren meine Freunde und ich eingeladen beim 80. Geburtstag von Edwin Kelm, dem Bundesvorsitzenden der Bessarabiendeutschen, langjähriges Mitglied unserer württembergischen Synode, aktiv auch bei den bessarabischen Gemeinschaften.
Die waren ja 1941 umgesiedelt worden mit der deutschen Armee zurück. Sie kamen dann in Wartegau in Höfe, die vorher Polen gehört haben. Edwin Kelm, er war damals 14 Jahre alt. Wir kamen in Betten, die noch warm waren, die Polen hat man vertrieben, und sie durften in die Höfe.
Und dann, als 1944 die russische Armee kam, ging es auf den Treck wieder vom Wartegau in Richtung Westen. Der Edwin hat erlebt, 14 Jahre alt, wie sein Vater vorne von der Deichselstange vor dem Treck der Pferde von polnischen Partisanen erschossen wurde.
Einer dieser Partisanen sagt: Lauf, Junge! Dann ist er in die Wälder, halb verhungert. Nach zwei Tagen hat er ein Licht gesehen in einem Haus. Eine polnische Bäuerin hat ihn aufgenommen, ihm eine Suppe gegeben und Brot. Da hat er gesagt: Wenn ich noch einmal davonkomme, will ich etwas für die Versöhnung der Völker tun.
Am 1. September ist die deutsche Armee in Polen einmarschiert. Bloß darf man das im Hintergrund haben, dass einer, der so viel Furchtbares erlebt hat, sagt: Ich will was für die Versöhnung tun.
Sie haben dann als Flüchtlinge diese vaterlose Familie in Möglingen bei Ludwigsburg gelebt, in einem Pferdestall. Und der erste Besuch, der ihnen als Flüchtlingen zuteilwurde, war unser späterer Landesposaunenwart Merkenthaler, damals Jungenschaftsleiter in Möglingen, der den Edwin eingeladen hat in den CV und M. Das war der Weg hinein zu Jesus.
Und dann ist er mit 17 nach Amerika, Kanada gegangen, ganz in den Norden, wo die großen Uranlager sind, hat als Maurer dort vier Jahre gearbeitet und so viel Geld verdient, dass er zu Hause der Mutter und den Geschwistern ein Haus bauen konnte und einen Betrieb aufbauen als Bauunternehmer.
Und die bessarabischen Gemeinschaften und das Heim in Schörndorf und 27 Kirchen im ehemaligen Bessarabien, verlassene, zerstörte Kirchen und Gemeindehäuser, die er den baptistischen Gemeinden oder orthodoxen Gemeinden zur Verfügung stellte.
Er war noch dabei, als er den Ehrendoktor von Moldawien bekam für seine Verdienste. Ein Leben voll von Führungen Gottes. Mitten in den Schrecken des Krieges Führungen.
Wahrscheinlich könnten Sie alle aus Ihrem Leben von Führungen erzählen. Ich habe gerade die Lektüre abgeschlossen von der Lebensbeschreibung von Paul Schneider, dem Märtyrer der Bekennenden Kirche, Pfarrer auf dem Hunsrück.
Als der Ortsgruppenleiter am Grab eines Hitlerjungen gesagt hat, er ist nun im Sturm von Horst Wessel – das war der führende SA-Mann –, hat er als Pfarrer gesagt: Es gibt im Himmel keinen Sturm Horst Wessel, sondern man gehört Jesus oder sonst niemand. Und hat die Verfolgung begonnen. Er hat das nicht zurückgenommen.
Er war eigentlich ein liberaler Theologe gewesen, der gesagt hat, was ich mit den Wundergeschichten des Neuen Testaments anfangen soll, ob Beten einen Wert hat. Und dann über dem Martyrium ist er zu Jesus geführt worden, der mal gesagt hat: Wer von diesem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, es wird in ihm eine Quelle des lebendigen Wassers werden, das ins ewige Leben quillt.
Und noch im Konzentrationslager Buchenwald, noch im Bunker, fast zu Tode geprügelt, hat er sich durchs Zellenfenster hochgehangelt und hinausgeschrien zu den Tausenden auf dem Appellplatz: Jesus ist die Auferstehung und das Leben.
Und durch die ganze schauerliche Geschichte wird deutlich: Da ist die Führung unseres Herrn Jesus dahinter. Aus der liberalen Theologie heraus zu einem lebendigen Jesusglauben und zu einem Zeugnis, das sich nicht tot machen lässt.
Er führt seine Leute nicht los – immer heilsam, wie wir bei Paul Schneider sehen. Es kann auch eine Führung ins Martyrium sein.
So wie schon 1918 bei jenem Märtyrer Traugott Hahn, den die Bolschewisten in Dorpat inhaftiert hatten als Christen. Am Tag vor der Erschießung hat man dem feingliedrigen Theologieprofessor Traugott Hahn zugemutet, dass er morgens den übel riechenden, überschwappenden Koteimer hinaustragen musste aus der Zelle, in der vierzig Gefangene waren.
Und als der orthodoxe Priester Plotin gesehen hat, wie es den Professor ekelt, hat er nur gesagt: Rada Christi – um Christi willen.
Wir sind geachtet wie Schlachtschafe, Römer 8, um seinetwillen, weil wir ihm gehören. Er führt auch ins Martyrium.
Sie können Johannes 21 nachlesen: Petrus, als du jung warst, gürtest du selbst und führtest du, wohin du willst. Aber jetzt wird dich ein anderer führen und leiten dorthin, wo du gar nicht willst. Das gibt es auch diese Führung. Und trotzdem erlebt er: Er ist da, es ist seine Führung.
Führen – ja, Sie können heute fragen: Wo habe ich es erlebt? Gestern Abend, als ich hinten saß, habe ich gemerkt, als unser lieber Bruder zwei Geschichten aus seinem Leben erzählte, von Wildbad auf der Kanzel, mit den Weinen und wie er seinen Kopf in Worms hingeschlagen hat, sind plötzlich bei ihnen die Köpfe hochgegangen, waren sie noch am Abend hellwach.
Deshalb lasse ich mich einfach ein paar Geschichten erzählen, so wie ich es erlebt habe, mit dem Führen und Leiten.
Zuerst mal bewusst: Es hat mich einfach getrieben, in meiner Gemeinde Schörndorf unseren ehemaligen Küster, den Mesner Berthele zu besuchen. Als ich zu ihm hineinkam ins Haus, hat er gesagt: „Hat er es Ihnen gesagt?“ „Ja, wer?“ „Hat der Jesus?“ „Vor einer halben Stunde war die Frau Doktor da und hat gesagt, ich habe Schwerkrebs, ich muss sofort ins Krankenhaus.“ Da habe ich gesagt: „Herr Jesus, ich habe gar keine Zeit mehr zu telefonieren, schick doch das Chefbuch.“
Geführt, weil die Verbindung über Jesus besser klappt als über Telefunken.
Vor ein paar Wochen, als einem treuen Freund in der Nacht plötzlich seine Frau verstorben war, wusste er um seine Sorgen und wollte ihm am Morgen einen Gruß in den Briefkasten werfen, aber er hat zum Fenster rausgerufen: „Komm doch auf! Vorhin ist meine Frau gestorben.“ Da war ich getrieben dazu: Jetzt musst du zum Wolfgang.
Das ist doch wunderbar. Wir Pfarrer leiden darunter, dass wir gar nicht all die Besuche machen können, wo es Menschen erwarten, aber dass man sagen kann: Jetzt, Herr Jesus, führ du mich dorthin, wo es am nötigsten ist, wo du mich brauchst.
Und das geht nicht bloß bei Pfarrern so, sondern lassen Sie sich doch sagen in der Führung: Herr, zeig mir, wem ich heute einen Brief schreiben soll, wem ich anrufen soll. Geführt bis hin in diese Dinge des Tröstens.
Aber es heißt ja, er führt sie nicht bloß im Leben, auch zu den Wasserquellen.
Am letzten Donnerstag – ich muss offen so bekennen – habe ich gedacht: Jetzt muss ich mal endlich meinem Körper widerstehen, bevor ich nach Langensteinbacher Höhe gehe, und habe eine große Wanderung von Korntal nach Stuttgart gemacht durch die Wälder und war abends rechtschaffen müde.
Am Abend war die kleine hahnische Gemeinschaft, die auf den Gründer Michael Hahn zurückgeht, zu der ich, wenn ich kann, hingehe. Jetzt soll ich hingehen? Ja, ich bin gegangen.
Als ich zurückkam, hat meine Frau gesagt: „Hattest du die Stunde so munter gemacht?“ Es war echt gar nichts Besonderes, nicht dass die Auslegungen fantastisch waren, es war eine übliche Stunde, aber Gott kann die Gemeinschaft seiner Leute segnen, dass das eine Wasserquelle wird.
Selbst am Tag, wenn man körperlich und seelisch eigentlich am Ende ist und sich selber gar nicht bewusst macht – meine Frau hat es gemerkt –, dass da nicht bloß der Adrenalinspiegel gestiegen war, sondern dass sie wieder munter war.
Halten Sie sich auch zu den örtlichen Kreisen und Gemeinschaften, lassen Sie sich führen zu den Wasserquellen.
Am Anfang meines geistlichen Lebens haben viele mitgewirkt: Patentanten und Großeltern und eigene Eltern und die Heimatgemeinde. Aber eines Tages hat im Abiturjahr ein Verwandter gesagt: „Komm mit, wir haben da ein Zeltlager in meiner Gegend, komm doch mit!“ Ich wollte später noch mal diesen Zeltplatz besuchen, der war längst zugewachsen, der existiert nicht mehr.
Aber in meinem Leben war das ein entscheidender Punkt, dass mir deutlich wurde, welch ein Herr, welch ein Herr es ist, ihm zu dienen, welch ein Stand.
Wenn wir seines Dienstes pflegen, lohnt er unserer schwachen Hand schwaches Werk mit reichem Segen – Wasserquelle.
Mitten im Wald vor meiner Gegend, fast zufällig, hat mein Leben sich verändert.
Dann kam das Studium in Bethel, viele gute Vorlesungen, Begegnungen mit Menschen, aber vielleicht das Wichtigste war unser griechischer Professor. Eigentlich musste ich gar nicht mehr hin, weil ich das große Griechisch hatte. Plötzlich hat er gesagt: „Ich möchte Sie auf ein vergessenes Buch hinweisen, von Otto Schmitz, dem Leiter des Johanneums, Professor in der kirchlichen Hochschule Wuppertal. Der hat einst seine Doktorarbeit geschrieben unter dem merkwürdigen Titel ‚Das Jesusverhältnis des Apostels Paulus im Licht seines Genitivgebrauchs‘“ – der Genitiv ist der Westfall, gell, das Jesus-Komische Ding!
Aber der Paul Schmitz hat geschrieben: Wenn Paulus sagt: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes“, ist im Griechischen fast noch kürzer: „Alles euch, Christus des Gottes, ihr des Christus.“ Wir sind so eng mit Jesus verbunden.
Paulus benutzt den Genitiv, den Westphal, dass er gar nicht mehr sagt: Ihr gehört ihm, er hat euch erkauft, sondern ihr seid eng verschmolzen, ihr gehört mit ihm zusammen. Hochinteressant, eine grammatikalische Entdeckung. Und seitdem geht das mit mir, wie oft das in der Bibel auftaucht, die aber Christus angehören.
Wir glauben doch nicht bloß an Jesus. Wir werden doch nicht bloß getröstet von Jesus, er ist uns nicht bloß Vorbild, sondern wir gehören ihm, so wie Christus Gott gehört.
Wasserquelle: Einer meiner Onkel hat einmal geschrieben, der viel im Dienst des Herrn Jesus unterwegs war: Wenn sie schon Tage und Nächte unterwegs sind im Dienst von Jesus, wenn sie viel an Familienleben verzichten und wenn sie oft elendmüde sind, hat doch unser Gott so herrliche Stärkungen bereit, dass ich um dieser herrlichen Stärkungen willen nicht wegen der Bequemlichkeit darauf verzichten möchte, der eigenen Bequemlichkeit willen nicht auf die Stärkungen Gottes verzichten möchte.
Welch ein Herr, ihm zu dienen, welch eine Stadt, er wird sie führen zu den Wasserquellen, auch dann, wenn wir oft meinen, wir können doch nicht noch mehr.
Ich habe oft den Eindruck, die Mitarbeiter in Gemeinden sagen: Jetzt sollen wir das auch noch machen, das auch noch vorbereiten, die Mitarbeiter es und den Brief austragen, von uns wird so viel verlangt, wir können doch nicht mehr.
Unser Herr hat auch Stärkungen bereit. Es wird sie nicht Hunger noch dürsten, er wird sie leiten zu den Wasserquellen.
Es war bei der Vorbereitung eines unserer großen Christustage, früher haben wir Gemeindetage dazu gesagt, im Stuttgarter Stadion. Da hat mein jüngster Bruder gesagt: Nach all den hektischen Vorbereitungen, ich war für die ganze Organisation verantwortlich, nimm dir ein paar Tage Urlaub und geh in die Stille.
Und ich sehe mich noch sitzen, schön, Garten, fast so schön wie hier in Langensteinbach, in unserem Garten hinter dem Dekanatsgebäude in Schörndorf, eigentlich froh, ich konnte den Tag vorbereiten.
Und plötzlich hat mich die Frage angefallen: Bin ich denn würdig überhaupt? Will der Herr Jesus sich herablassen zu deinen Vorbereitungen? Du meinst, du hast alles organisiert, hast du überhaupt ihn gebraucht?
Ich bin ganz große Unruhe geraten und habe dann bei Spurgeon gelesen, zu Deutsch Purgeon, dem großen englischen Erweckungsprediger: Auch wenn dein Glaube so dünn ist wie ein Telefondraht, so kann das doch eine lebendige Verbindung herstellen zwischen ihm, Jesus, und dir.
Wenn er so dünn ist wie ein Telefondraht – habe ich gedacht –, ja, bei mir ist es noch nicht einmal ein Draht, sondern es sind vielleicht noch einzelne Klümpchen, Kupferklümpchen, aber keine lebendige Verbindung mehr. Ich bin so leer gefühlt.
Und dann bin ich in der privaten Bibellese auf das Wort gestoßen aus dem Römerbrief: Gott macht Gottlose gerecht, bei denen der Glaube nicht mal ist wie ein Telefondraht.
Dieses Wort, das war die Wasserquelle: Er macht gerecht, er nimmt es in die Hand, er ist da. Er leitet die Elenden herrlich.
Letzte Geschichte: Vor ein paar Wochen war ich eingeladen zu einem Jahresfest, 50 Jahre Gemeindehaus Simmersfeld im Schwarzwald.
Ach, habe ich gedacht, warum habe ich da je zugesagt? 50 Jahre ein Gemeindehaus, was soll das?
Gut, ich bin hingefahren, es war ein schöner, strahlender Sonnentag, wie es morgen auch wieder einer werden wird.
Und dann war ich gepackt. Gleich zu Beginn hat ein großer Posaunenchor aufgespielt, und zu Beginn haben Sie gesagt: Wir verdanken unser Gemeindehaus dem Rudolf Büttner, der hat die Idee gehabt zu unserem Gemeindehaus.
Dann ist ein Männerchor aufgetreten, der herrlich gesungen hat, fast wie die Donkosaken, und hat gesagt: Das erste Lied, das wir bei Rudolf Büttner gelernt haben, war „Die Sache ist dein, Herr Jesu Christ, die Sache, an der wir stehen. Weil es deine Sache ist, darf sie und kann sie nicht untergehen.“
Dann wurde mir plötzlich deutlich: In meinem rieselnden Gehirn hat plötzlich die Erinnerung hervorgerieselt: Der Rudolf Büttner war die merkwürdige Erscheinung bei unseren großen Jugendtreffen der Nachkriegszeit, der immer sehr korrekt gekleidet im schwarzen Anzug mit einem steifen Hut wie Adenauer, völlig unjugendgemäß gekommen ist.
Er war ein Schneidermeister aus dem Hinterland von Danzig und ist zu einem Schneiderkurs, Zuschneidekurs nach Hildesheim gekommen. Da hatten ein paar CFATM-Freunde eingeladen.
Als er ging, haben sie gesagt: Halt den Herrn Jesus im Herzen und suche Freunde für Jesus. Aber er hat gesagt: Da bei uns in Danzig hat sich niemand dafür interessiert.
Dann ist er mit einem der letzten Prämien nach Dänemark entflohen, und im Internierungslager hat er gedacht: Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, bevor mein Leben zu Ende ist, dass ich etwas für Jesus tue, und hat junge Burschen gesammelt und einen CVatM gegründet im Internierungslager.
Als er dann als Flüchtling und Neubürger nach Simmersfeld in die fremde Welt kam, hat er dort einen Jugendkreis gegründet. Und die Sache ist ein, Herr Jesu Christ, sie kann nicht untergehen.
Als er gesehen hat, die Mädchen brauchen auch eine Arbeit, hat er eine junge Frau, die körperlich so schwach war, dass sie keinen Beruf lernen konnte, gesagt: Du machst Mädchenarbeit. Und es entstand eine gesegnete Mädchenarbeit.
Die ganze Gemeinde auf den Höhen des Schwarzwalds lebt heute noch von den Impulsen, dass da ein kleiner Schneidermeister, von Menschen etwas merkwürdig angesehen, sich vom Herrn zu den lebendigen Wasserquellen führen ließ und andere dazu holte, zu den lebendigen Wasserquellen, die heute noch dankbar dafür sind, dass sie es erlebt haben.
Der Erbarmer führt seine armseligen Leute, die Flüchtlinge, die vergessenen Leute auf dem Schwarzwald zu den lebendigen Wasserquellen. Er führt uns.
Herr Jesus, es sind viele hier, die das schon erlebt haben, dafür danken wir dir. Lass du keinen Tag unseres Lebens, der sich dem Ende neigt, vergehen, ohne dass wir dein Führen haben, dass wir schon jetzt dich erleben dürfen, der du Wasser des Lebens hast, das ins ewige Leben quillt.
Und damit du uns einmal ewig erfahren lässt: Es wird sie nicht hunger noch dürsten, wir dürfen sie auch keine Hitze fallen, denn du wirst sie führen und leiten zu den lebendigen Wasserquellen.
Lass das auch besonders unsere Geburtstagskinder in dem neugeschenkten Lebensjahr erfahren. Amen.
Erbarmen als tätiges Handeln Gottes
Es ist erstaunlich: Wir Theologen müssen ja oft beweisen, dass wir Hebräisch und Griechisch gelernt haben. Deshalb sagen wir meist: Im Urtext steht hier ein bestimmtes Wort – nicht einfach „Submar“ – und zeigen damit unsere ganze Weisheit.
Aber jetzt muss ich es wirklich einmal sagen: Im Urtext steht eigentlich gar kein Titel, kein Begriff, kein Name, sondern das Verb „erbarmend wird sie“. Dabei merken wir, dass es nicht bloß ein Name, ein Begriff oder ein Titel ist, sondern ein Handeln Gottes, eine Tätigkeit. Gott neigt sich herab zu den Elenden.
In Jesaja 49 sind die Gefangenen gemeint, die Verachteten, die Vergessenen der Weltgeschichte – der verlorene Haufen. Wir denken jetzt am Vorabend des Jubiläums daran, dass der Zweite Weltkrieg begonnen hat. Gerade in diesem furchtbaren Zweiten Weltkrieg konnten viele Soldaten, wenn sie im Kessel von Demjansk oder eingekesselt auf der Krim waren – und erst recht in Stalingrad – sagen: „Wir sind ein verlorener Haufen, unsere Führung lässt uns im Stich.“
Der Erbarmer neigt sich besonders zu den Verlorenen. „Ihr seid kein verlorener Haufen, ich kenne euch.“ Das zieht sich quer durch das Alte Testament. Ob es Joseph ist, der von den Seinen vergessen wurde, oder im Neuen Testament der Zöllner Zachäus, verachtet von den Leuten. Jesus sieht ihn, versteckt hinter den Blättern des Maulbeerbaums – den verachteten kleinen Zachäus.
Das erbarmende Handeln Gottes zeigt sich: Jesus sah auch, wie seine Jünger mitten in der Nacht auf den Wällen lagen, im Sturm. Er sah sie, und es jammerte ihn. Er erbarmte sich seiner Leute, denn sie gehören zu ihm. Er schämt sich nicht.
Auch diesem kleinen Gefangenenhäuflein in Babel gilt seine Barmherzigkeit. Er hat Israel gestraft, weil sie ihn nicht hören wollten. Sie haben ihm über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinweg den Rücken zugewandt. Nun wendet er ihnen den Rücken zu. Dann kam die babylonische Gefangenschaft.
Gott hätte sagen können: „Jetzt habt ihr es, jetzt seht ihr, wohin ihr kommt ohne mich.“ Doch nein, er erbarmt sich seiner Elenden.
Das, was wir gestern Abend gehört haben – von der Frau, die einst dem Herrn Jesus gehören wollte und sich dann durch die Philosophie abwandte – ist doch Hoffnung beim erbarmenden Gott. Er holt auch Leute von den Umwegen zurück, selbst wenn sie fern sind.
Königliches Erbarmen und göttliche Souveränität
Königliches Handeln
Wenn ein Herrscher im Altertum eine Stadt erobert hatte und als Triumphator durch die Straßen der Stadt einzog, riefen die Besiegten „Kyrie eleison“ – ein Wort, das wir vielleicht aus der Liturgie kennen. Es bedeutet: „Herr, erbarme dich!“ So riefen auch die Blinden und Lahmen zu Jesus: „Du Sohn Davids, erbarme dich, eleison!“
„Erbarme dich über uns!“ – das ist königliche Gnade. Der Herr streckt sein Zepter über die Menschen aus, so wie König Ahasverus es über Esther ausstreckte, obwohl sie eigentlich gar keinen Zutritt zum König hatte. Er reichte ihr das Zepter und sprach: „Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden.“
In den Sprüchen heißt es einmal: „Fürsten sollen fürstliche Gedanken haben.“ Diese fürstliche Souveränität unseres Herrn Jesus zeigt sich darin, dass er sich seiner Elenden erbarmt und sie zu den Wasserquellen führt. Er kann seine Hand ausstrecken, zugreifen, halten und führen.
Jesaja spricht zu dem Volk Israel, das gezweifelt hat: „Der Herr hat mich vergessen.“ Doch er sagt auch: „Kann ein Weib ihr Kindlein vergessen?“ – siehe, da ist euer Gott! Jesaja schreibt weiter, dass er die Lämmer im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen wird.
Ein Seelsorger hat einmal gesagt: „Wenn er die Mutterschafe führt, dann gehen die Lämmer hinterdrein.“ Unser Gott ist noch größer: Er führt die Mutterschafe und birgt die schwachen, kleinen Lämmer. So ist Gott, wie es in Jesaja 40 beschrieben ist – in seiner Hand bergend, führend und zupackend.
Gottes schöpferisches Handeln und die Möglichkeit eines Neuanfangs
Es ist ein schöpferisches Handeln, wenn seine Hand eingreift. Wie oft heißt es in den Psalmen: Schaut die Werke seiner Hände, die ganze Schöpfung, die seine Hand geschaffen hat.
Schon bevor ich durch deine Hand gemacht wurde, hast du bei dir bedacht, wie du mich wolltest. Während die schöpferische Hand Gottes wirkt, beginnt Gott ein neues Kapitel.
Jetzt übersetzen sie es für ihr Leben. Wenn wir meinen, das meiste unseres Lebens sei bereits gelebt – wahrscheinlich ist das jahresmäßig so –, kann Gott auch noch im hohen Alter ein neues Kapitel aufschlagen.
Über die Ohnmächtigen zeigt er das Werk seiner Hände, eine Neuschöpfung. Er kann etwas Neues beginnen und seine Leute zu den Wasserquellen führen.
Biblische Wassergeschichten als Bilder göttlicher Führung
Jetzt würde ich am liebsten mit Ihnen einige dieser biblischen Wassergeschichten durchgehen. Dabei spielen Wasserquellen eine besondere Rolle, zum Beispiel als Israel sich in der Wüste lagert. Gott spaltete den Fels, und plötzlich kam Wasser heraus – etwas, was selbst Mose nicht für möglich gehalten hatte. Sie lagerten sich in Raffidim, wo es siebzig Palmbäume und Quellen gab.
Eine weitere Wassergeschichte erzählt von Hagar, der Frau Saras. Sie wurde von ihrer Herrin in der Wüste mit ihrem Sohn Ismael verstoßen und drohte zu verdursten. Sie konnte nicht mit ansehen, wie ihr Kind starb. Da öffnete Gott vor ihr eine Quelle, und sie nannte diese den Brunnen „Der Herr sieht mich“, denn Gott sah ihr Elend und öffnete eine Wasserquelle für sie und ihren Sohn.
Auch Aksa, die Frau des Othniel, bekam als Morgengabe wunderbare Äcker, doch plötzlich fehlte das Wasser, und alles verdorrte. Sie begegnete ihrem Vater, dem alten Kaleb, und sagte: „Du hast uns ein Mittagsland gegeben, das gut in der Sonne liegt, aber keine Quellen.“ Daraufhin gab er ihr Quellen oben und unten. Das ist ein Bild für den himmlischen Vater: Wenn wir sagen, unser Leben ist verdorrt, wir können nicht mehr, wir sind am Ende, dann gibt er uns Quellen. Er führt uns zu lebendigen Wasserquellen.
David, als er mit seinen Männern in der Wüste war und von Saul verfolgt wurde, hatte großen Durst. Zu Hause, in Bethlehem, gab es frisches Wasser im Brunnen. Drei seiner Getreuen durchquerten feindliche Heere und Heerscharen, um ihm frisches Wasser in ihren Helmen zu bringen. Doch David goss das Wasser vor dem Herrn aus; er wollte es nicht trinken, weil es unter Lebensgefahr geholt worden war. Im Psalm 110 steht ein schwer verständliches Wort: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten.“ Am Schluss heißt es, er wird trinken vom Bach am Weg. Das bedeutet, David braucht nicht mehr durch Feinde bis nach Bethlehem zu gehen, noch seine Getreuen zu schicken. Sein Gott wird parallel an seinem Weg sprudelnde Wasserquellen bereitstellen. Gott versorgt ihn, sodass er nicht dürsten muss.
Elija, der für Gott eiferte, klagte: „Herr, ich habe für dich geeifert und bin allein übrig geblieben. Es ist genug, nimm meine Seele, ich kann nicht mehr.“ Da kam ein Engel und stärkte ihn: „Steh auf, iss, du hast noch einen weiten Weg vor dir.“ Ein Krug mit Wasser war dabei. In der Kraft dieser Speise ging Elija bis an den Berg Horeb.
Gott erquickt seine Leute und auch unseren Herrn Jesus. Ein Engel stärkte ihn, als sein Schweiß wie Blutstropfen floss. Die Stärkungen unseres Gottes, auf die selbst Jesus nicht verzichten wollte und musste, erfüllen das, was der Prophet im Auftrag Gottes über die Elenden gesagt hat. Jesus, der sich unter der Last unserer Schuld krümmte, dessen Seele betrübt war bis an den Tod, wurde durch einen Engel gestärkt. Er wird die Elenden führen und leiten zu den Wasserquellen, der erbarmende Gott.
Nun könnten Sie sagen, das ist alles schön, was du aus der Bibel erzählst, aber wie sieht das heute in unserer Welt aus? Dass Gott leitet? Oh ja, das kann man erfahren. Im Englischen gibt es das schöne Lied „He leads me, he leads me with his both hands, he leads me.“ Er führt mich mit beiden Händen, nicht nur ein bisschen mit dem kleinen Finger, wie ich einst meine Enkel geführt habe, sondern mit beiden Händen, wie ein Bergführer, der sagt: „Kommt, die nächste Stufe!“
Wenn man Martin Luther fragte, wie er dazu gekommen sei, und wenn er selbst angefochten war, ob er nicht die mittelalterliche Kirche durcheinandergebracht habe, konnte er sagen: „Ich bin geführt worden wie ein blinder Gaul.“ Es war nicht seine Erfindung, die Reformation. Er wurde Schritt für Schritt geführt. Er wollte eigentlich nur den Papst überzeugen, dass das mit Tetzel nicht richtig sei. Doch dann kam er zur Erkenntnis des Evangeliums, dass Gott Sünder gerecht macht. Es ging nicht mehr um Tetzel und Ablass, sondern darum, dass er vor Gott nicht bestehen kann. „Meine Sünde ist schwer und übergroß und trifft mich von Herzen.“ Gott macht den, der glaubt, gerecht. Luther wurde geführt wie ein blinder Gaul zu dieser Erkenntnis. Davon konnte er reden, davon lebte er und konnte es weitergeben.
Er jammerte: „Gott in Ewigkeit mein Elend ohne Maß.“ Doch er dachte an Gottes Barmherzigkeit. Gott wollte ihm helfen, wandte sein Vaterherz zu ihm, ließ sein Bestes kosten und sprach: „Halt dich an mich!“ Der Herr Jesus sollte ihm gelingen, er gab sich selbst ganz für ihn. Luther erkannte das und konnte davon reden. Davon hat er gelebt und es weitergegeben. So führt Gott zu den Wasserquellen.
Meine Frau und ich dürfen seit 14 Jahren unseren Ruhestand in Korntal verbringen. Dort gibt es auf dem Friedhof Gräber von Missionspionieren unterhalb der Akademie für Weltmission. Krapf war fast fünf Jahrzehnte im Dienst der Mission. Er war der erste Europäer, der den Mount Kenya sah. Er wurde Missionar, damit arme Seelen in Afrika das Heil gewinnen. Als die Basler Mission die Parole ausgab, „In Afrika ist nichts mehr zu holen, wir haben uns in Äthiopien blutige Köpfe geholt, in Sierra Leone, wir müssen unser Gewicht auf Indien verlegen“, gab Krapf die Parole aus: „Ostafrika, vergesst uns nicht!“ obwohl er keinen einzigen taufen konnte.
Vor vier Wochen war eine Delegation aus Ostafrika in Korntal und sang fast eine Stunde lang am Grab von Krapf und seinem Gefährten Rebmann Choräle und betete, dass Gott diese Missionare trotz scheinbarem Misserfolg festgehalten hat, sie nach Ostafrika führte und dort bewahrte. Er führt mich!
Wie kam es dazu? Der verehrte Rebmann konnte noch einen verkrüppelten Afrikaner taufen. Als er mit 52 Jahren fast erblindet nach Europa ging, stand in Mombasa und Piarambay eine Gemeinde. Die Engländer hatten sich gegen die Sklaverei engagiert und ein Gesetz erlassen, dass englische Kriegsschiffe arabische Sklavenschiffe kapern und die Sklaven befreien durften. Die Erwachsenen wurden zurück nach Ostafrika gebracht, aber die Kinder? Sie konnten nicht sagen, woher sie stammten oder wem sie gehörten.
Die Engländer brachten sie nach Bombay zu einem Missionar namens Isenberg, einem gescheiterten Missionar in Äthiopien, krank und schwach. Seine Missionsgesellschaft sagte ihm, er solle in Bombay eine Zeitung herausgeben, um beschäftigt zu sein. Nun kamen die afrikanischen Sklavenkinder zu ihm, und er baute 27 Heime für Jungen und Mädchen auf. Viele lernten Handwerk, wurden Christen und kehrten auf eigenen Wunsch zurück nach Ostafrika. Als sie zum ersten Mal einen Choral in der Swahili-Sprache sangen, die Rebmann erforscht hatte, liefen dem halbblinden Rebmann die Tränen herunter. Es war nicht vergeblich.
Der Plan Gottes, der uns geführt hat, Krapf und mich, wir dachten, wir seien in die Irre gelaufen. Wir wollten keine Berge entdecken oder geografische Entdeckungen machen, sondern etwas für den Herrn Jesus tun. Herr Isenberg meinte, es sei alles umsonst. Doch plötzlich fügte sich der Plan Gottes bei allen dreien zusammen: Er führt.
Vor vier Wochen waren meine Freunde und ich zum 80. Geburtstag von Edwin Kelm eingeladen, dem Bundesvorsitzenden der Bessarabiendeutschen, langjähriges Mitglied unserer württembergischen Synode und aktiv bei den bessarabischen Gemeinschaften. Diese wurden 1941 umgesiedelt und kamen in Wartegau in Höfe, die vorher Polen gehört hatten. Edwin Kelm war damals 14 Jahre alt. Sie kamen in Betten, die noch warm waren, denn die Polen wurden vertrieben. Als 1944 die russische Armee kam, ging der Treck wieder vom Wartegau Richtung Westen.
Edwin erlebte, wie sein Vater vorne an der Deichselstange vor dem Treck von polnischen Partisanen erschossen wurde. Einer der Partisanen sagte zu ihm: „Lauf, Junge!“ Er floh in die Wälder, halb verhungert. Nach zwei Tagen sah er Licht in einem Haus. Eine polnische Bäuerin nahm ihn auf, gab ihm Suppe und Brot. Da sagte er: „Wenn ich noch einmal davonkomme, will ich etwas für die Versöhnung der Völker tun.“
Am 1. September marschierte die deutsche Armee in Polen ein. Man darf nicht vergessen, dass einer, der so viel Furchtbares erlebt hat, etwas für die Versöhnung tun wollte. Als Flüchtlinge lebten sie in Möglingen bei Ludwigsburg in einem Pferdestall. Der erste Besuch, der ihnen zuteilwurde, war von unserem späteren Landesposaunwart Merkenthaler, damals Jungenschaftsleiter in Möglingen. Er lud Edwin in den CVJM ein, was sein Weg zu Jesus war.
Mit 17 ging Edwin nach Kanada, in den Norden zu den großen Uranlagerstätten, arbeitete vier Jahre als Maurer und verdiente so viel, dass er zu Hause der Mutter und den Geschwistern ein Haus bauen und einen Betrieb als Bauunternehmer aufbauen konnte. Er unterstützte die bessarabische Gemeinschaft und das Heim in Schörndorf sowie 27 Kirchen im ehemaligen Bessarabien, verlassene und zerstörte Kirchen und Gemeindehäuser, die er den baptistischen oder orthodoxen Gemeinden zur Verfügung stellte. Er war noch dabei, als er den Ehrendoktor von Moldawien für seine Verdienste erhielt. Ein Leben voller Führung Gottes.
Mitten in den Schrecken des Krieges Führung. Wahrscheinlich könnten Sie alle aus Ihrem Leben von Führung erzählen. Ich habe gerade die Lebensbeschreibung von Paul Schneider, dem Märtyrer der Bekennenden Kirche, gelesen. Er war Pfarrer im Hunsrück. Als der Ortsgruppenleiter am Grab eines Hitlerjungen sagte, dieser sei nun im Sturm von Horst Wessel, dem führenden SA-Mann, antwortete Paul Schneider: „Es gibt im Himmel keinen Sturm Horst Wessel, sondern man gehört Jesus oder sonst niemand.“ Die Verfolgung begann, doch er nahm das nicht zurück.
Er war ursprünglich ein liberaler Theologe, der sich fragte, was er mit den Wundergeschichten des Neuen Testaments anfangen sollte und ob Beten einen Wert habe. Über das Martyrium wurde er zu Jesus geführt, der sagte: „Wer von diesem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, dem wird in ihm eine Quelle des lebendigen Wassers werden, das ins ewige Leben quillt.“ Noch im Konzentrationslager Buchenwald, fast zu Tode geprügelt, kletterte er zum Zellenfenster und rief zu den Tausenden auf dem Appellplatz: „Jesus ist die Auferstehung und das Leben.“
Durch diese schaurige Geschichte wird deutlich, dass die Führung unseres Herrn Jesus dahintersteht – vom liberalen Theologen zu einem lebendigen Jesusglauben und einem Zeugnis, das sich nicht zum Schweigen bringen lässt. Er führt seine Leute nicht immer heilsam, wie wir bei Paul Schneider sehen. Es kann auch eine Führung ins Martyrium sein, so wie schon 1918 bei dem Märtyrer Traugott Hahn, der von den Bolschewisten in Dorpat inhaftiert wurde.
Am Tag vor seiner Erschießung musste der feingliedrige Theologieprofessor Hahn morgens den übel riechenden, überschwappenden Koteimer hinaustragen, in dem vierzig Gefangene waren. Als der orthodoxe Priester Plotin sah, wie es den Professor ekelte, sagte er nur: „Rada Christi“ – um Christi willen. Wir sind geachtet wie Schlachtschafe, heißt es in Römer 8, um seinetwillen, weil wir ihm gehören. Er führt auch ins Martyrium.
Sie können Johannes 21 nachlesen: Petrus, als du jung warst, gürtetest du dich selbst und führtest, wohin du wolltest. Aber jetzt wird dich ein anderer führen und leiten dorthin, wo du gar nicht willst. Es gibt auch diese Führung, und trotzdem erlebt er, dass es seine Führung ist.
Führen – ja, Sie können heute fragen: Wo habe ich es erlebt? Gestern Abend, als ich hinten saß und unser lieber Bruder zwei Geschichten aus seinem Leben erzählte – von Wildbad auf der Kanzel, mit den Weinen und wie er seinen Kopf in Worms hingeschlagen hat – da gingen plötzlich bei ihnen die Köpfe hoch, und sie waren noch am Abend hellwach.
Deshalb lasse ich mich einfach ein paar Geschichten erzählen, so wie ich es erlebt habe, mit dem Führen und Leiten. Zuerst einmal bewusst: Es hat mich einfach getrieben, in meiner Gemeinde Schörndorf unseren ehemaligen Küster, den Mesner Berthele, zu besuchen. Als ich zu ihm ins Haus kam, sagte er: „Hat er es Ihnen gesagt?“ – „Ja, wer?“ – „Hat der Jesus?“ Vor einer halben Stunde war die Frau Doktor da und sagte: Ich habe Schwerkrebs, ich muss sofort ins Krankenhaus. Da habe ich gesagt: Herr Jesus, ich habe gar keine Zeit mehr zu telefonieren, schick doch das Chefbuch. Geführt, weil die Verbindung über Jesus besser klappt als über Telefunken.
Vor ein paar Wochen, als einem treuen Freund in der Nacht plötzlich seine Frau verstorben war, wusste er um seine Sorgen und wollte ihm am Morgen einen Gruß in den Briefkasten werfen. Aber er rief zum Fenster hinaus: „Komm doch auf! Vorhin ist meine Frau gestorben.“ Da war ich getrieben, jetzt musst du zu Wolfgang. Das ist doch wunderbar. Wir Pfarrer leiden oft darunter, dass wir nicht alle Besuche machen können, wo Menschen uns erwarten. Aber man kann sagen: Jetzt, Herr Jesus, führe du mich dorthin, wo es am nötigsten ist, wo du mich brauchst. Und das gilt nicht nur für Pfarrer.
Lassen Sie sich doch sagen in der Führung: Herr, zeig mir, wem ich heute einen Brief schreiben soll, wen ich anrufen soll. Geführt bis hin zu diesen Dingen des Tröstens. Aber es heißt ja, er führt sie nicht nur im Leben, sondern auch zu den Wasserquellen.
Am letzten Donnerstag muss ich offen bekennen, habe ich gedacht, jetzt muss ich mal endlich meinem Körper widerstehen, bevor ich zur Langensteinbacher Höhe gehe. Ich habe eine große Wanderung von Korntal nach Stuttgart durch die Wälder gemacht und war abends rechtschaffen müde. Am Abend war die kleine hahnische Gemeinschaft, die auf den Gründer Michael Hahn zurückgeht, zu der ich, wenn ich kann, hingehe. Sollte ich hingehen? Ja, ich bin gegangen.
Als ich zurückkam, sagte meine Frau: „Hattest du die Stunde so munter gemacht?“ Es war wirklich nichts Besonderes, nicht dass die Auslegungen fantastisch waren, es war eine übliche Stunde. Aber Gott kann die Gemeinschaft seiner Leute segnen, sodass das eine Wasserquelle wird. Selbst am Tag, wenn man körperlich und seelisch eigentlich am Ende ist und es sich selbst gar nicht bewusst macht. Meine Frau hat es gemerkt, dass da nicht nur der Adrenalinspiegel gestiegen war, sondern dass sie wieder munter war.
Halten Sie sich auch an die örtlichen Kreise und Gemeinschaften. Lassen Sie sich führen zu den Wasserquellen.
Am Anfang meines geistlichen Lebens haben viele mitgewirkt: Patentanten, Großeltern, eigene Eltern und die Heimatgemeinde. Aber eines Tages, im Abiturjahr, sagte ein Verwandter: „Komm mit, wir haben da ein Zeltlager in meiner Gegend, komm doch mit!“ Ich wollte später noch mal diesen Zeltplatz besuchen, der längst zugewachsen ist und nicht mehr existiert. Aber in meinem Leben war das ein entscheidender Punkt, an dem mir deutlich wurde, welch ein Herr, welch ein Herr es ist, dem ich diene, welch ein Stand das ist.
Wenn wir seines Dienstes pflegen, lohnt er unserer schwachen Hand schwaches Werk mit reichem Segen – eine Wasserquelle. Mitten im Wald vor meiner Gegend hat mein Leben sich fast zufällig verändert.
Dann kam das Studium in Bethel, viele gute Vorlesungen und Begegnungen mit Menschen. Aber vielleicht das Wichtigste war unser griechischer Professor. Eigentlich musste ich gar nicht mehr hin, weil ich das große Griechisch hatte. Plötzlich sagte er: „Ich möchte Sie auf ein vergessenes Buch hinweisen, von Otto Schmitz, dem Leiter des Johanneums, Professor an der kirchlichen Hochschule Wuppertal. Er hat einst seine Doktorarbeit unter dem merkwürdigen Titel geschrieben: ‚Das Jesusverhältnis des Apostels Paulus im Licht seines Genitivgebrauchs‘.“ Der Genitiv ist der Wesfall, wissen Sie.
Das ist ein komisches Ding! Aber Paul Schmitz schrieb, wenn Paulus sagt: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes“, dann heißt das im Griechischen fast noch kürzer: „Alles euch, Christus des Gottes, ihr des Christus.“ Wir sind so eng mit Jesus verbunden. Paulus benutzt den Genitiv, den Wesfall, sodass er gar nicht mehr sagt: Ihr gehört ihm, er hat euch erkauft, sondern ihr seid eng verschmolzen, ihr gehört mit ihm zusammen. Hochinteressant, eine grammatikalische Entdeckung. Seitdem geht mir das nicht mehr aus dem Kopf, wie oft das in der Bibel auftaucht: die, die Christus angehören.
Wir glauben doch nicht bloß an Jesus, wir werden doch nicht bloß von Jesus getröstet. Er ist uns nicht bloß Vorbild, sondern wir gehören ihm – so wie Christus Gott gehört. Das ist eine Wasserquelle.
Einer meiner Onkel, der viel im Dienst des Herrn Jesus unterwegs war, schrieb einmal: Wenn Sie schon Tage und Nächte im Dienst Jesu unterwegs sind, viel auf Familienleben verzichten und oft elend müde sind, hat doch unser Gott so herrliche Stärkungen bereit, dass ich um dieser herrlichen Stärkungen willen nicht aus Bequemlichkeit darauf verzichten möchte. Welch ein Herr, ihm zu dienen, welch eine Stadt! Er wird sie führen zu den Wasserquellen, auch dann, wenn wir oft meinen, wir können nicht mehr.
Ich habe oft den Eindruck, Mitarbeiter in Gemeinden sagen: „Jetzt sollen wir das auch noch machen, das auch noch vorbereiten, Briefe austragen, von uns wird so viel verlangt, wir können nicht mehr.“ Unser Herr hat auch Stärkungen bereit. Er wird sie nicht hungern noch dürsten lassen. Er wird sie führen zu den Wasserquellen.
Bei der Vorbereitung eines unserer großen Christustage – früher haben wir Gemeindetage dazu gesagt – im Stuttgarter Stadion, sagte mein jüngster Bruder nach all den hektischen Vorbereitungen, für die ich verantwortlich war: „Nimm dir ein paar Tage Urlaub und geh in die Stille.“ Ich sehe mich noch sitzen, schön im Garten, fast so schön wie hier in Langensteinbach, in unserem Garten hinter dem Dekanatsgebäude in Schörndorf. Eigentlich war ich froh, den Tag vorbereitet zu haben. Plötzlich fiel mir die Frage ein: „Bin ich denn würdig überhaupt? Will der Herr Jesus sich herablassen zu deinen Vorbereitungen? Du meinst, du hast alles organisiert, hast du überhaupt ihn gebraucht?“
Ich geriet in große Unruhe und las dann bei Spurgeon, dem großen englischen Erweckungsprediger, dass auch wenn dein Glaube so dünn ist wie ein Telefondraht, so kann das doch eine lebendige Verbindung herstellen zwischen dir und Jesus. Wenn er so dünn ist wie ein Telefondraht – ich dachte: Bei mir ist es nicht einmal ein Draht, sondern vielleicht einzelne Kupferklümpchen, aber keine lebendige Verbindung mehr. Ich fühlte mich leer.
Dann stieß ich in der privaten Bibellese auf das Wort aus dem Römerbrief: Gott macht Gottlose gerecht, auch wenn der Glaube nicht mehr als ein Telefondraht ist. Dieses Wort war die Wasserquelle. Er macht gerecht, er nimmt uns in die Hand, er ist da. Er leitet die Elenden herrlich.
Letzte Geschichte: Vor ein paar Wochen war ich eingeladen zum 50-jährigen Gemeindehaus-Jubiläum in Simmersfeld im Schwarzwald. Ich dachte: Warum habe ich da zugesagt? 50 Jahre Gemeindehaus – was soll das? Gut, ich fuhr hin, es war ein strahlender Sonnentag, wie es morgen auch wieder einer werden wird.
Gleich zu Beginn spielte ein großer Posaunenchor auf. Zu Beginn sagten sie: „Wir verdanken unser Gemeindehaus Rudolf Büttner, der die Idee dazu hatte.“ Dann trat ein Männerchor auf, der herrlich sang, fast wie die Donkosaken. Sie sangen: „Die Sache ist dein, Herr Jesu Christ, die Sache, an der wir stehen. Weil es deine Sache ist, darf sie nicht untergehen.“
Da wurde mir plötzlich klar: In meinem rieselnden Gehirn tauchte die Erinnerung auf. Rudolf Büttner war eine merkwürdige Erscheinung bei unseren großen Jugendtreffen der Nachkriegszeit. Er kam immer sehr korrekt gekleidet im schwarzen Anzug mit steifem Hut, ganz unjugendgemäß, wie Adenauer. Er war Schneidermeister aus dem Hinterland von Danzig und kam zu einem Schneiderkurs nach Hildesheim, wo ein paar CVJM-Freunde eingeladen hatten.
Als er ging, sagten sie ihm: „Halte den Herrn Jesus im Herzen und suche Freunde für Jesus.“ Er antwortete: „Da bei uns in Danzig interessiert sich niemand dafür.“ Mit einem der letzten Prämien floh er nach Dänemark. Im Internierungslager dachte er: „Jetzt wäre es an der Zeit, bevor mein Leben zu Ende ist, etwas für Jesus zu tun.“ Er sammelte junge Burschen und gründete einen CVJM im Lager.
Als er als Flüchtling und Neubürger nach Simmersfeld kam, gründete er dort einen Jugendkreis. Die Sache ist dein, Herr Jesu Christ – sie kann nicht untergehen. Als er sah, dass die Mädchen auch Arbeit brauchten, sagte er zu einer jungen Frau, die körperlich schwach war und keinen Beruf lernen konnte: „Du machst Mädchenarbeit.“ So entstand eine gesegnete Mädchenarbeit.
Die ganze Gemeinde auf den Höhen des Schwarzwalds lebt heute noch von den Impulsen, dass ein kleiner Schneidermeister, von Menschen merkwürdig angesehen, sich vom Herrn zu den lebendigen Wasserquellen führen ließ und andere dazu holte, zu den lebendigen Wasserquellen. Die heute noch dankbar dafür sind, dass sie es erlebt haben.
Der Erbarmer führt seine armseligen Leute, die Flüchtlinge, die vergessenen Menschen im Schwarzwald zu den lebendigen Wasserquellen. Er führt uns.
Herr Jesus, viele hier haben das schon erlebt. Dafür danken wir dir. Lass keinen Tag unseres Lebens, der sich dem Ende neigt, vergehen, ohne dass wir dein Führen haben, dass wir dich schon jetzt erleben dürfen, der du Wasser des Lebens hast, das ins ewige Leben quillt. Damit du uns einmal ewig erfahren lässt: „Es wird sie nicht hungern noch dürsten, es wird sie keine Hitze fallen, denn du wirst sie führen und leiten zu den lebendigen Wasserquellen.“ Lass das besonders unsere Geburtstagskinder im neu geschenkten Lebensjahr erfahren. Amen.
Aksa und die Quellen in ihrem Land
Die Aksa, Frau des Othniel, erhielt als Morgengabe wunderbare Äcker. Doch plötzlich bemerkte sie, dass das Wasser fehlte. Ohne Wasser verdorrte alles.
Sie begegnete ihrem Vater, dem alten Kaleb. Er fragte sie: „Was ist dir, meine Tochter?“ Sie antwortete: „Du hast uns ein Mittagsland gegeben, das gut in der Sonne liegt, aber keine Quellen.“ Daraufhin gab er ihr Quellen oben und unten.
Dieses Bild steht für den himmlischen Vater. Wenn wir sagen: „Mein Leben ist verdorrt, ich kann nicht mehr, ich bin am Ende“, dann gibt er uns Quellen. Er führt uns zu lebendigen Wasserquellen.
David und das Wasser aus Bethlehem
David war mit seinen Männern in der Wüste, verfolgt von Saul, gejagt wie ein Floh – so heißt es in den Psalmen. In dieser Zeit dürstete es ihn in der Wüste sehr. Doch zuhause in Bethlehem gibt es einen Brunnen mit frischem Wasser. David sehnte sich nach dem Wasser seiner Heimat.
Drei seiner Getreuen durchquerten die feindlichen Heere und Heerscharen, um nach Bethlehem zu gelangen. Sie brachten David frisches Wasser, das sie in ihren Helmen gesammelt hatten. Doch David goss das Wasser vor dem Herrn aus. Er wollte es nicht trinken, weil es unter Lebensgefahr geholt worden war.
Im Psalm 110 steht ein Wort, das schwer verständlich ist: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten.“ Am Schluss heißt es dort, dass er trinken wird vom Bach am Weg. Das bedeutet, dass David nicht mehr durch Feinde bis nach Bethlehem reisen muss. Er braucht seine Getreuen nicht, um Wasser zu holen. Stattdessen wird Gott an seinem Weg Wasserquellen sprudeln lassen. Gott versorgt ihn, damit er nicht dürsten muss.
Elija und die Stärkung durch Wasser
Elija, der für Gott eiferte, sagte: „Herr, ich bin übrig geblieben, habe für dich eifrig gekämpft, und ich bin allein geblieben. Es ist genug. Nimm meine Seele, ich kann nicht mehr. Aua!“
Da kam ein Engel und stärkte ihn: „Steh auf, iss! Du hast noch einen weiten Weg vor dir.“ Neben ihm stand ein Krug mit Wasser.
Mit der Kraft dieser Speise ging Elija bis an den Berg Horeb.
Wassergeschichten.
Gottes Stärkung auch für Jesus und für uns heute
Gott erquickt sein Volk, ebenso unseren Herrn Jesus. Ein Engel kam und stärkte ihn, als sein Schweiß wie Blutstropfen floss.
Diese Stärkungen unseres Gottes, auf die selbst unser Herr Jesus nicht verzichten wollte und auch nicht verzichten musste, sind bedeutend. Da wird plötzlich erfüllt, was der Prophet im Auftrag Gottes über die Elenden gesagt hat. Jesus, der sich unter der Last unserer Schuld krümmte, sagte: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“ Und es kam ein Engel und stärkte ihn.
Der Herr wird die Elenden führen und zu den Wasserquellen leiten – der erbarmende Gott.
Nun könnte man sagen: Das ist alles schön, was du uns aus der Bibel erzählst. Aber wie sieht das heute in unserer Welt aus? Wie zeigt sich, dass Gott leitet? Oh ja, das kann man erfahren.
Persönliche Erfahrungen mit Gottes Führung
In Englisch gibt es das schöne Lied „He leads me, he leads me with his both hands, he leads me“. Er führt mich mit beiden Händen. Er packt mich und führt mich, nicht nur ein wenig mit dem kleinen Finger, wie ich einst meine Enkel geführt habe, sondern mit beiden Händen.
Komm, wie ein Bergführer, der sagt: „Kommt, die nächste Stufe!“
Wenn man Martin Luther gefragt hat, wie er dazu gekommen sei, und wenn er selbst angefochten wurde von der Frage, ob er nicht die ganze mittelalterliche Kirche durcheinandergebracht habe, konnte er sagen: „Ich bin geführt worden wie ein blinder Gaul.“ Es war doch nicht seine Erfindung, die Reformation. Er sei Schritt für Schritt geführt worden.
Er wollte eigentlich am Anfang nur den Papst überzeugen, dass das mit Tetzel nicht richtig sei. Doch dann kam er Schritt für Schritt zur Erkenntnis des Evangeliums, dass Gott Sünder gerecht mache. Dabei ging es nicht mehr um Tetzel und Ablass, sondern um ihn selbst, der vor Gott nicht bestehen könne.
„Meine Sünde ist schwer und übergroß und betrübt mich von Herzen. Gott macht den, der glaubt, gerecht.“ Gott führte ihn wie einen blinden Gaul zu dieser Erkenntnis. Davon konnte er dann von dieser Wasserquelle reden.
„Da jammert Gott in Ewigkeit mein Elend ohne Maß. Er dachte an seine Barmherzigkeit, er wollte mir helfen, er wandte zu mir sein Vaterherz. Das war bei ihm wahrlich kein Scherz. Er ließ sein Bestes kosten. Er sprach zu mir: Halt dich an mich, der Herr Jesus! Es soll dir jetzt gelingen, ich gebe mich selber ganz für dich.“
Luther hat das erkannt und konnte davon reden. Davon hat er gelebt und konnte es weitersagen. Daher führt er zu den Wasserquellen. Er führt.
Beispiele von Gottes Führung in der Missionsgeschichte
Meine Frau und ich dürfen seit 14 Jahren unseren Ruhestand in Korntal verbringen. Neulich hat sogar die Fernsehsendung "Das kritisch aufgenommen" die Gräber der Missionspioniere unterhalb der Akademie für Weltmission gezeigt. Dort ruhen Krapf und andere, die fast fünf Jahrzehnte im Dienst der Mission standen. Krapf war der erste Europäer, der den Mount Kenya gesehen hat. Er wurde Missionar, um armen Seelen in Afrika das Heil zu bringen.
Als die Basler Mission die Parole ausgegeben hat: "In Afrika ist nichts mehr zu holen, wir haben uns in Äthiopien blutige Köpfe geholt, in Sierra Leone, wir müssen unser ganzes Gewicht auf Indien verlegen", da gab Krapf die Parole aus: "Ostafrika, vergesst uns Ostafrika nicht", obwohl er keinen einzigen Menschen taufen konnte.
Vor vier Wochen war eine Delegation aus Ostafrika in Korntal. Sie hat beinahe eine Stunde lang am Grab von Krapf und seinem Gefährten Rebmann Choräle gesungen und gebetet. Sie dankten Gott dafür, dass er diese Missionare trotz scheinbarem Misserfolg festgehalten hat. Er hat sie nach Ostafrika geführt und dort festgehalten. „Er führt mich“, sagten sie.
Heute haben wir neben Indonesien vielleicht die lebendigste Christenheit in Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda und Burundi – in ganz Ostafrika. Er führt mich!
Wie kam es dazu? Der verehrte Rebmann konnte noch einen verkrüppelten Afrikaner taufen. Aber als er mit 52 Jahren beinahe erblindet und als menschliches Wrack nach Europa zurückkehrte, stand in Mombasa und Piarambay eine Gemeinde. Die Engländer, besonders die evangelikalen Christen, hatten sich gegen die Sklaverei erhoben. Sie erließen ein Gesetz, das englischen Kriegsschiffen erlaubte, Sklavenschiffe zu kapern und die Sklaven zu befreien.
Auf dem Indischen Ozean brachten die englischen Kriegsschiffe arabische Sklavenschiffe auf und brachten die befreiten Erwachsenen zurück nach Ostafrika, in ihre Heimat. Doch die Kinder – wohin sollte man sie bringen? Sie konnten nicht sagen, woher sie stammten oder wem sie gehörten.
Die Engländer entschieden, sie nach Bombay zu bringen. Dort gab es einen Missionar namens Isenberg, der vielleicht etwas mit ihnen anfangen konnte. Isenberg war ein gescheiterter Missionar, der in Äthiopien krank und schwach geworden war. Seine Missionsgesellschaft sagte zu ihm: "Gib in Bombay eine Zeitung heraus, das ist so eine Art Beschäftigung für dich."
Nun brachten die Engländer ihm diese afrikanischen Sklavenkinder. Isenberg baute 27 Heime für Jungen und Mädchen auf – eine Lebensarbeit. Viele von ihnen lernten ein Handwerk, wurden Christen und als sie erwachsen waren, wurden sie auf eigenen Wunsch zurück in ihre ehemalige Heimat Ostafrika geschickt.
Als sie zum ersten Mal einen Choral in der Swahili-Sprache anstimmten – einer Sprache, die Rebmann erforscht hatte – liefen dem halbblinden Rebmann die Tränen herunter. Es war nicht vergeblich.
Der Plan Gottes, der Krapf, Rebmann und Isenberg geführt hat, zeigte sich. Wir dachten, wir seien in die Irre gelaufen. Wir wollten doch nicht Berge entdecken oder geografische Entdeckungen machen, sondern etwas für den Herrn Jesus tun. Herr Isenberg meinte, alles sei umsonst gewesen. Doch plötzlich fügte sich der Plan Gottes bei allen dreien zusammen. Er führt.
Gottes Führung im Leben von Flüchtlingen und Gemeindeleitern
Vor vier Wochen waren meine Freunde und ich zum 80. Geburtstag von Edwin Kelm eingeladen. Er ist der Bundesvorsitzende der Bessarabiendeutschen, langjähriges Mitglied unserer württembergischen Synode und aktiv bei den bessarabischen Gemeinschaften.
Die Bessarabiendeutschen waren 1941 mit der deutschen Armee umgesiedelt worden. Sie kamen zurück in den Wartegau, in Höfe, die vorher zu Polen gehört hatten. Edwin Kelmsack war damals 14 Jahre alt. Sie kamen in Betten, die noch warm waren, denn die Polen wurden vertrieben, und die Deutschen durften in die Höfe einziehen.
Als 1944 die russische Armee kam, begann der Treck wieder vom Wartegau in Richtung Westen. Edwin erlebte mit 14 Jahren, wie sein Vater vorne an der Deichselstange vor dem Treck der Pferde von polnischen Partisanen erschossen wurde. Einer dieser Partisanen sagte zu ihm: „Lauf, Junge!“ Daraufhin flüchtete Edwin in die Wälder, halb verhungert.
Nach zwei Tagen sah er ein Licht in einem Haus. Eine polnische Bäuerin nahm ihn auf, gab ihm Suppe und Brot. Da sagte er sich: Wenn ich noch einmal davonkomme, will ich etwas für die Versöhnung der Völker tun. Am 1. September marschierte die deutsche Armee in Polen ein. Man darf dabei nicht vergessen, dass jemand, der so viel Schreckliches erlebt hat, den Wunsch hatte, zur Versöhnung beizutragen.
Als Flüchtlinge lebte diese vaterlose Familie in Möglingen bei Ludwigsburg in einem Pferdestall. Der erste Besuch, den sie als Flüchtlinge erhielten, war von unserem späteren Landesposaunwart Merkenthaler. Damals war er Jungenschaftsleiter in Möglingen und lud Edwin in den CVJM ein. Das war der Weg für ihn, zu Jesus zu finden.
Mit 17 Jahren ging Edwin nach Amerika, nach Kanada, ganz in den Norden, wo die großen Uranlager liegen. Dort arbeitete er als Maurer vier Jahre lang. Er verdiente so viel Geld, dass er zu Hause seiner Mutter und den Geschwistern ein Haus bauen konnte. Außerdem baute er einen Betrieb als Bauunternehmer auf und unterstützte die bessarabische Gemeinschaft sowie das Heim in Schorndorf.
Er stellte 27 verlassene und zerstörte Kirchen und Gemeindehäuser im ehemaligen Bessarabien den baptistischen oder orthodoxen Gemeinden zur Verfügung. Er war noch dabei, als er den Ehrendoktor von Moldawien für seine Verdienste erhielt.
Sein Leben war voller Führung durch Gott – mitten in den Schrecken des Krieges immer wieder Gottes Führung.
Führung bis ins Martyrium und Zeugnis des Glaubens
Wahrscheinlich könnten viele von Ihnen aus Ihrem Leben von Führungen berichten. Ich habe gerade die Lebensbeschreibung von Paul Schneider, dem Märtyrer der Bekennenden Kirche und Pfarrer auf dem Hunsrück, zu Ende gelesen.
Als der Ortsgruppenleiter am Grab eines Hitlerjungen sagte, dieser sei nun im Sturm von Horst Wessel – dem führenden SA-Mann –, erwiderte Paul Schneider als Pfarrer, im Himmel gebe es keinen Sturm Horst Wessel, sondern man gehöre Jesus oder sonst niemandem. Daraufhin begann die Verfolgung, doch Schneider nahm seine Aussage nicht zurück.
Ursprünglich war er ein liberaler Theologe, der sich fragte, was er mit den Wundergeschichten des Neuen Testaments anfangen solle und ob Beten überhaupt einen Wert habe. Doch durch das Martyrium wurde er zu Jesus geführt. Jesus hatte einmal gesagt: „Wer von diesem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, dem wird in ihm eine Quelle lebendigen Wassers werden, das ins ewige Leben quillt.“
Noch im Konzentrationslager Buchenwald, im Bunker und fast zu Tode geprügelt, hangelte sich Paul Schneider durchs Zellenfenster hoch und rief hinaus zu den Tausenden auf dem Appellplatz: „Jesus ist die Auferstehung und das Leben.“
Durch die ganze schaurige Geschichte wird deutlich, dass die Führung unseres Herrn Jesus dahintersteht – von der liberalen Theologie zu einem lebendigen Jesusglauben und zu einem Zeugnis, das sich nicht zum Schweigen bringen lässt. Er führt seine Leute nicht immer heilsam, wie wir bei Paul Schneider sehen. Es kann auch eine Führung ins Martyrium sein.
So war es schon 1918 bei dem Märtyrer Traugott Hahn, den die Bolschewisten in Dorpat als Christen inhaftierten. Am Tag vor seiner Erschießung musste der feingliedrige Theologieprofessor Hahn morgens den übel riechenden, überschwappenden Koteimer aus der Zelle tragen, in der vierzig Gefangene waren. Als der orthodoxe Priester Plotin sah, wie sehr sich der Professor ekelte, sagte er nur: „Rada Christi“ – um Christi willen. „Wir sind geachtet wie Schlachtschafe“ (Römer 8), weil wir ihm gehören.
Auch diese Führung führt ins Martyrium. Johannes 21 beschreibt, wie Jesus zu Petrus sagt: „Als du jung warst, gürtest du dich selbst und führtest dich, wohin du wolltest. Aber jetzt wird dich ein anderer führen und leiten dorthin, wo du gar nicht willst.“ Diese Art von Führung gibt es also auch. Und trotzdem erfährt Petrus, dass es die Führung Jesu ist.
Führung.
Persönliche Erlebnisse mit Führung und Leitung
Ja, Sie können heute fragen: Wo habe ich es erlebt? Gestern Abend, als ich hinten saß, habe ich gemerkt, dass, als unser lieber Bruder zwei Geschichten aus seinem Leben erzählte – von Wildbad auf der Kanzel, mit den Weinen, und wie er seinen Kopf in Worms angeschlagen hat – plötzlich bei ihnen die Köpfe hochgingen und sie noch am Abend hellwach waren.
Deshalb lasse ich mich einfach ein paar Geschichten erzählen, so wie ich es erlebt habe, mit dem Führen und Leiten.
Zuerst einmal bewusst: Es hat mich einfach getrieben, in meiner Gemeinde Schörndorf unseren ehemaligen Küster, den Mesner Berthele, zu besuchen. Als ich zu ihm ins Haus kam, hat er gesagt: „Hat er es Ihnen gesagt?“ – „Ja, wer?“ – „Hat der Jesus?“ – „Vor einer halben Stunde war die Frau Doktor da und hat gesagt, ich habe Schwerkrebs, ich muss sofort ins Krankenhaus.“ Da habe ich gesagt: „Herr Jesus, ich habe gar keine Zeit mehr zu telefonieren, schick doch das Chefbuch.“ Geführt, weil die Verbindung über Jesus besser klappt als über Telefunken.
Vor ein paar Wochen, als einem treuen Freund in der Nacht plötzlich seine Frau verstorben war, wusste er um seine Sorgen und wollte ihm am Morgen einen Gruß in den Briefkasten werfen. Aber er hat zum Fenster hinausgerufen: „Komm doch auf! Vorhin ist meine Frau gestorben.“ Da war ich getrieben dazu: „Jetzt musst du zum Wolfgang.“ Das ist doch wunderbar.
Wir Pfarrer leiden darunter, dass wir gar nicht all die Besuche machen können, wo es Menschen erwarten. Aber man kann sagen: „Jetzt, Herr Jesus, führ du mich dorthin, wo es am nötigsten ist, wo du mich brauchst.“ Und das geht nicht bloß bei Pfarren so, sondern lassen Sie sich doch sagen in der Führung: „Herr, zeig mir, wem ich heute einen Brief schreiben soll, wem ich anrufen soll.“ Geführt bis hin in diese Dinge des Tröstens.
Aber es heißt ja, er führt sie nicht bloß im Leben, auch zu den Wasserquellen.
Am letzten Donnerstag muss ich offen so bekennen: Ich habe gedacht, jetzt muss ich mal endlich meinem Körper widerstehen, bevor ich nach Langensteinbacher Höhe gehe, und habe eine große Wanderung von Korntal nach Stuttgart gemacht, durch die Wälder. Abends war ich rechtschaffen müde.
Am Abend war die kleine hanische Gemeinschaft, die auf den Gründer Michael Hahn zurückgeht, zu der ich, wenn ich kann, hingehe. „Jetzt soll ich hingehen?“ Ja, ich bin gegangen. Als ich zurückkam, hat meine Frau gesagt: „Hattest du die Stunde so munter gemacht?“ Es war echt gar nichts Besonderes, nicht dass die Auslegungen fantastisch waren, es war eine übliche Stunde. Aber Gott kann die Gemeinschaft seiner Leute segnen, dass das eine Wasserquelle wird.
Selbst am Tag, wenn man körperlich und seelisch eigentlich am Ende ist und sich selber gar nicht bewusst macht – meine Frau hat es gemerkt –, dass da nicht bloß der Adrenalinspiegel gestiegen war, sondern dass sie wieder munter war. Halten Sie sich auch zu den örtlichen Kreisen und Gemeinschaften, lassen Sie sich führen zu den Wasserquellen.
Am Anfang meines geistlichen Lebens haben viele mitgewirkt: Patentanten, Großeltern, eigene Eltern und die Heimatgemeinde. Aber eines Tages, im Abiturjahr, hat ein Verwandter gesagt: „Komm mit, wir haben da ein Zeltlager in meiner Gegend, komm doch mit!“ Ich wollte später noch mal diesen Zeltplatz besuchen, der war längst zugewachsen, der existiert nicht mehr. Aber in meinem Leben war das ein entscheidender Punkt, an dem mir deutlich wurde, welch ein Herr, welch ein Herr es ist, ihm zu dienen, welch ein Stand.
Wenn wir seines Dienstes pflegen, lohnt er unserer schwachen Hand schwaches Werk mit reichem Segen – Wasserquelle. Mitten im Wald vor meiner Gegend, fast zufällig, hat mein Leben sich verändert.
Dann kam das Studium in Bethel, viele gute Vorlesungen, Begegnungen mit Menschen. Aber vielleicht das Wichtigste war unser griechischer Professor. Eigentlich musste ich gar nicht mehr hin, weil ich das große Griechum hatte. Plötzlich hat er gesagt: „Ich möchte Sie auf ein vergessenes Buch hinweisen, von Otto Schmitz, dem Leiter des Johanneums, Professor in der kirchlichen Hochschule Wuppertal.“ Der hat einst seine Doktorarbeit geschrieben unter dem merkwürdigen Titel „Das Jesusverhältnis des Apostels Paulus im Licht seines Genitivgebrauchs“. Der Genitiv ist der Westfall, gell, des Jesus – komisches Ding!
Aber der Paul Schmitz hat geschrieben: Wenn der Paulus sagt: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes“, ist das im Griechischen fast noch kürzer: „Alles euch, Christus des Gottes, ihr des Christus.“ Wir sind so eng mit Jesus verbunden. Paulus benutzt den Genitiv, den Westphal, dass er gar nicht mehr sagt „Ihr gehört“, er hat euch erkauft, sondern „Ihr seid eng verschmolzen, ihr gehört mit ihm zusammen.“ Hochinteressant, eine grammatikalische Entdeckung. Und seitdem geht das mit mir, wie oft das in der Bibel auftaucht, die aber Christus angehören.
Wir glauben doch nicht bloß an Jesus. Wir werden doch nicht bloß getröstet von Jesus, er ist uns nicht bloß Vorbild, sondern wir gehören ihm, so wie Christus Gott gehört. Wasserquelle.
Einer meiner Onkel hat einmal geschrieben, der viel im Dienst des Herrn Jesus unterwegs war: „Wenn Sie schon Tage und Nächte unterwegs sind im Dienst von Jesus, wenn Sie viel an Familienleben verzichten und oft elendmüde sind, hat doch unser Gott so herrliche Stärkungen bereit, dass ich um dieser herrlichen Stärkungen willen nicht wegen der Bequemlichkeit darauf verzichten möchte, der eigenen Bequemlichkeit willen nicht auf die Stärkungen Gottes verzichten möchte.“
Welch ein Herr, ihm zu dienen, welch eine Stadt! Er wird sie führen zu den Wasserquellen, auch dann, wenn wir oft meinen, wir können doch nicht noch mehr.
Ich habe oft den Eindruck, die Mitarbeiter in Gemeinden sagen: „Jetzt sollen wir das auch noch machen, das auch noch vorbereiten, dass Mitarbeiter es und den Brief austragen, von uns wird so viel verlangt, wir können doch nicht mehr.“ Unser Herr hat auch Stärkungen bereit. Es wird sie nicht Hunger noch dürsten, er wird sie leiten zu den Wasserquellen.
Es war bei der Vorbereitung eines unserer großen Christustage – früher haben wir Gemeindetage dazu gesagt – im Stuttgarter Stadion. Da hat mein jüngster Bruder gesagt, nach all den hektischen Vorbereitungen, ich war für die ganze Organisation verantwortlich: „Nimm dir ein paar Tage Urlaub und geh in die Stille.“
Und ich sehe mich noch sitzen, schön, Garten, fast so schön wie hier in Langensteinbach, in unserem Garten hinter dem Dekanatsgebäude in Schörndorf, eigentlich froh, ich konnte den Tag vorbereiten. Und plötzlich hat mich die Frage angefallen: „Bin ich denn würdig überhaupt? Will der Herr Jesus sich herablassen zu deinen Vorbereitungen? Du meinst, du hast alles organisiert – hast du überhaupt ihn gebraucht?“
Ich bin in große Unruhe geraten und habe dann bei Spurgeon gelesen, dem großen englischen Erweckungsprediger: „Auch wenn dein Glaube so dünn ist wie ein Telefondraht, so kann das doch eine lebendige Verbindung herstellen zwischen ihm, Jesus, und dir.“ Wenn er so dünn ist wie ein Telefondraht, habe ich gedacht: Ja, bei mir ist es noch nicht einmal ein Draht, sondern es sind vielleicht noch einzelne Klümpchen, Kupferklümpchen, aber keine lebendige Verbindung mehr. Ich habe mich so leer gefühlt.
Und dann bin ich in der privaten Bibellese auf das Wort gestoßen aus dem Römerbrief: Gott macht Gottlose gerecht, bei denen der Glaube nicht mal ist wie ein Telefondraht. Dieses Wort, das war die Wasserquelle: Er macht gerecht, er nimmt es in die Hand, er ist da. Er leitet die Elenden herrlich.
Letzte Geschichte: Vor ein paar Wochen war ich eingeladen zu einem Jahresfest – 50 Jahre Gemeindehaus Simmersfeld im Schwarzwald. Ach, habe ich gedacht, warum habe ich da je zugesagt? 50 Jahre ein Gemeindehaus, was soll das?
Gut, ich bin hingefahren, es war ein schöner, strahlender Sonnentag, wie es morgen auch wieder einer werden wird. Und dann war ich gepackt.
Gleich zu Beginn hat ein großer Posaunenchor aufgespielt. Und zu Beginn haben Sie gesagt: „Wir verdanken unser Gemeindehaus dem Rudolf Bittner, der hat die Idee gehabt zu unserem Gemeindehaus.“ Und dann ist ein Männerchor aufgetreten, der herrlich gesungen hat, fast wie die Donkosaken, und hat gesagt: „Das erste Lied, das wir bei Rudolf Bittner gelernt haben, war ‚Die Sache ist dein, Herr Jesu Christ, die Sache, an der wir stehen. Weil es deine Sache ist, darf sie und kann sie nicht untergehen.‘“
Dann wurde mir plötzlich deutlich: In meinem rieselnden Gehirn hat plötzlich die Erinnerung hervorgerieselt. Der Rudolf Bittner war die merkwürdige Erscheinung bei unseren großen Jugendtreffen der Nachkriegszeit, der immer sehr korrekt gekleidet im schwarzen Anzug mit einem steifen Hut wie Adenauer, völlig unjugendgemäß, gekommen ist.
Er war ein Schneidermeister aus dem Hinterland von Danzig und ist zu einem Schneiderkurs, Zuschneidekurs nach Hildesheim gekommen. Dort hatten ein paar CVJM-Freunde eingeladen. Und als er ging, haben sie gesagt: „Halt den Herrn Jesus im Herzen und suche Freunde für Jesus.“ Aber er hat gesagt: „Da bei uns in Danzig hat sich niemand dafür interessiert.“
Und dann, mit einem der letzten Prämien, ist er nach Dänemark entflohen. Im Internierungslager hat er gedacht: „Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, bevor mein Leben zu Ende ist, dass ich etwas für Jesus tue.“ Und hat junge Burschen gesammelt und einen CVJM gegründet im Internierungslager.
Und als er dann als Flüchtling und Neubürger nach Simmersfeld in die fremde Welt kam, hat er dort einen Jugendkreis gegründet. Und die Sache ist ein, Herr Jesu Christ, sie kann nicht untergehen.
Als er gesehen hat, die Mädchen brauchen auch eine Arbeit, hat er eine junge Frau, die körperlich so schwach war, dass sie keinen Beruf lernen konnte, ermutigt: „Du machst Mädchenarbeit.“ Und es entstand eine gesegnete Mädchenarbeit.
Die ganze Gemeinde auf den Höhen des Schwarzwalds lebt heute noch von den Impulsen, dass da ein kleiner Schneidermeister, von Menschen etwas merkwürdig angesehen, sich vom Herrn zu den lebendigen Wasserquellen führen ließ und andere dazu holte, zu den lebendigen Wasserquellen, die heute noch dankbar dafür sind, dass sie es erlebt haben.
Der Erbarmer führt seine armseligen Leute, die Flüchtlinge, die vergessenen Leute auf dem Schwarzwald zu den lebendigen Wasserquellen. Er führt uns.
Herr Jesus, es sind viele hier, die das schon erlebt haben, dafür danken wir dir. Lass du keinen Tag unseres Lebens, der sich dem Ende neigt, vergehen, ohne dass wir dein Führen haben, dass wir schon jetzt dich erleben dürfen, der du Wasser des Lebens hast, das ins ewige Leben quillt.
Und damit du uns einmal ewig erfahren lässt: Es wird sie nicht Hunger noch dürsten. Wir dürfen sie auch keine Hitze treffen, denn du wirst sie führen und leiten zu den lebendigen Wasserquellen.
Lass das auch besonders unsere Geburtstagskinder in dem neugeschenkten Lebensjahr erfahren. Amen.
Geistliche Wegmarken und Erkenntnisse im Glaubensleben
Am Anfang meines geistlichen Lebens haben viele Menschen mitgewirkt: Patentanten, Großeltern, meine eigenen Eltern und die Heimatgemeinde.
Aber eines Tages, im Abiturjahr, sagte ein Verwandter zu mir: „Komm mit, wir haben da ein Zeltlager in meiner Gegend, komm doch mit!“ Ich wollte später noch einmal diesen Zeltplatz besuchen. Doch der war längst zugewachsen und existiert nicht mehr.
Für mein Leben war das aber ein entscheidender Punkt. Mir wurde deutlich, welch ein Herr Jesus ist, welch ein Herr es ist, ihm zu dienen, und welch ein hoher Stand das ist. Wenn wir seinen Dienst pflegen, belohnt er unsere schwache Hand und unser schwaches Werk mit reichem Segen – eine wahre Wasserquelle.
Mitten im Wald, in der Nähe meiner Gegend, fast zufällig, hat sich mein Leben verändert.
Dann begann das Studium in Bethel. Dort gab es viele gute Vorlesungen und Begegnungen mit Menschen. Aber vielleicht das Wichtigste war unser griechischer Professor. Eigentlich hätte ich nicht mehr hingehen müssen, weil ich das große Latinum hatte. Plötzlich sagte er: „Ich möchte Sie auf ein vergessenes Buch hinweisen.“ Es stammte von Otto Schmitz, dem Leiter des Johanneums und Professor an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Er hatte einst seine Doktorarbeit unter dem merkwürdigen Titel geschrieben: „Das Jesusverhältnis des Apostels Paulus im Licht seines Genitivgebrauchs“.
Der Genitiv ist der Wesfall, richtig? Ein komisches Ding! Aber Paul Schmitz schrieb, dass, wenn Paulus sagt: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes“, im Griechischen fast noch kürzer heißt: „Alles euch, Christus des Gottes, ihr des Christus.“ Wir sind so eng mit Jesus verbunden. Paulus benutzt den Genitiv, den Wesfall, sodass er gar nicht mehr sagt: „Ihr gehört ihm, er hat euch erkauft“, sondern: „Ihr seid eng verschmolzen, ihr gehört mit ihm zusammen.“
Das ist hochinteressant – eine grammatikalische Entdeckung. Seitdem beschäftigt mich, wie oft das in der Bibel auftaucht, dass wir Christus angehören. Wir glauben doch nicht bloß an Jesus. Wir werden doch nicht bloß von Jesus getröstet. Er ist uns nicht bloß Vorbild, sondern wir gehören ihm, so wie Christus Gott gehört. Eine wahre Wasserquelle.
Gottes Stärkung für den Dienst trotz Schwäche
Einer meiner Onkel, der viel im Dienst des Herrn Jesus unterwegs war, hat einmal geschrieben: Wenn sie Tage und Nächte im Dienst Jesu unterwegs sind und dabei oft auf das Familienleben verzichten müssen, wenn sie elend müde sind, dann hat unser Gott so herrliche Stärkungen bereitgestellt.
Um dieser herrlichen Stärkungen willen möchte ich nicht wegen meiner Bequemlichkeit darauf verzichten. Ich will um der eigenen Bequemlichkeit willen nicht auf die Stärkungen Gottes verzichten.
Welch ein Herr ist es, dem wir dienen! Welch eine Stadt wird er uns führen zu den Wasserquellen, auch dann, wenn wir oft meinen, wir können nicht mehr.
Ich habe oft den Eindruck, dass Mitarbeiter in Gemeinden sagen: „Jetzt sollen wir das auch noch machen, das auch noch vorbereiten, den Brief austragen. Von uns wird so viel verlangt, wir können doch nicht mehr.“ Doch unser Herr hat auch für sie Stärkungen bereit.
Er wird sie weder hungern noch dürsten lassen. Er wird sie zu den Wasserquellen führen.
Geistliche Erneuerung durch Stille und Vertrauen
Es war bei der Vorbereitung eines unserer großen Christustage – früher haben wir dazu Gemeindetage gesagt – im Stuttgarter Stadion. Mein jüngster Bruder sagte nach all den hektischen Vorbereitungen, für die ich die ganze Organisation verantwortlich war: „Nimm dir ein paar Tage Urlaub und geh in die Stille.“
Ich sehe mich noch sitzen, im schönen Garten, fast so schön wie hier in Langensteinbach, in unserem Garten hinter dem Dekanatsgebäude in Schorndorf. Eigentlich war ich froh, den Tag vorbereiten zu können. Doch plötzlich stellte sich mir die Frage: Bin ich denn überhaupt würdig? Will der Herr Jesus sich herablassen zu deinen Vorbereitungen? Du meinst, du hast alles organisiert – hast du ihn überhaupt gebraucht?
Ich geriet in große Unruhe. Dann habe ich bei Spurgeon, dem großen englischen Erweckungsprediger, gelesen: „Auch wenn dein Glaube so dünn ist wie ein Telefondraht, kann das doch eine lebendige Verbindung herstellen zwischen Jesus und dir.“ Wenn er so dünn ist wie ein Telefondraht, dachte ich, ja, bei mir ist es nicht einmal ein Draht. Es sind vielleicht noch einzelne Klümpchen, Kupferklümpchen, aber keine lebendige Verbindung mehr. Ich fühlte mich so leer.
Dann stieß ich in meiner privaten Bibellese auf ein Wort aus dem Römerbrief: „Gott macht Gottlose gerecht.“ Selbst bei denen, deren Glaube nicht mehr ist als ein dünner Telefondraht. Dieses Wort war für mich wie eine Wasserquelle. Er macht gerecht, er nimmt es in die Hand, er ist da. Er leitet die Elenden herrlich.
Abschluss: Gottes Führung in Gemeinde und Leben
Letzte Geschichte
Vor ein paar Wochen war ich eingeladen zu einem Jahresfest: 50 Jahre Gemeindehaus Simmersfeld im Schwarzwald.
Ach, habe ich gedacht, warum habe ich da je zugesagt? 50 Jahre ein Gemeindehaus – was soll das? Gut, ich bin hingefahren. Es war ein schöner, strahlender Sonnentag, wie es morgen auch wieder einer werden wird.
Und dann war ich gepackt. Gleich zu Beginn spielte ein großer Posaunenchor auf. Zu Beginn sagten sie, wir verdanken unser Gemeindehaus Rudolf Bittner, der die Idee zu unserem Gemeindehaus hatte.
Dann trat ein Männerchor auf, der herrlich sang – fast wie die Donkosaken. Sie sagten: „Das erste Lied, das wir bei Rudolf Bittner gelernt haben, war ‚Die Sache ist dein, Herr Jesu Christ, die Sache, an der wir stehen. Weil es deine Sache ist, darf sie und kann sie nicht untergehen.‘“
Plötzlich wurde mir das klar. In meinem rieselnden Gehirn tauchte die Erinnerung auf: Rudolf Bittner war die merkwürdige Erscheinung bei unseren großen Jugendtreffen der Nachkriegszeit. Er kam immer sehr korrekt gekleidet im schwarzen Anzug mit einem steifen Hut, ganz unjugendgemäß, wie Adenauer.
Er war ein Schneidermeister aus dem Hinterland von Danzig und kam zu einem Schneiderkurs, einem Zuschneidekurs, nach Hildesheim. Dort hatten ein paar CFATM-Freunde eingeladen.
Als er ging, sagten sie zu ihm: „Halte den Herrn Jesus im Herzen und suche Freunde für Jesus.“ Aber er antwortete, dass sich bei ihnen in Danzig niemand dafür interessierte.
Später floh er mit einem der letzten Präme nach Dänemark. Im Internierungslager dachte er: „Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, bevor mein Leben zu Ende ist, dass ich etwas für Jesus tue.“ So sammelte er junge Burschen und gründete einen CVatM im Internierungslager.
Als er dann als Flüchtling und Neubürger nach Simmersfeld in die fremde Welt kam, gründete er dort einen Jugendkreis. „Die Sache ist ein, Herr Jesu Christ, sie kann nicht untergehen.“
Als er sah, dass die Mädchen auch eine Arbeit brauchten, wandte er sich einer jungen Frau zu, die körperlich so schwach war, dass sie keinen Beruf lernen konnte. Er sagte zu ihr: „Du machst Mädchenarbeit.“ So entstand eine gesegnete Mädchenarbeit.
Die ganze Gemeinde auf den Höhen des Schwarzwalds lebt heute noch von den Impulsen, die ein kleiner Schneidermeister gesetzt hat. Er wurde von Menschen etwas merkwürdig angesehen, doch er ließ sich vom Herrn zu den lebendigen Wasserquellen führen und holte andere dazu.
Viele sind heute noch dankbar dafür, dass sie es erlebt haben.
Der Erbarmer führt seine armseligen Leute, die Flüchtlinge, die vergessenen Menschen im Schwarzwald, zu den lebendigen Wasserquellen. Er führt uns.
Herr Jesus, viele hier haben das schon erlebt, dafür danken wir dir. Lass keinen Tag unseres Lebens, der sich dem Ende neigt, vergehen, ohne dass wir dein Führen erfahren. Lass uns schon jetzt dich erleben, der du Wasser des Lebens hast, das ins ewige Leben quillt.
Lass uns eines Tages ewig erfahren, dass es nicht Hunger noch Durst geben wird. Wir dürfen auch keine Hitze erleiden, denn du wirst uns führen und leiten zu den lebendigen Wasserquellen.
Lass das besonders unsere Geburtstagskinder im neu geschenkten Lebensjahr erfahren. Amen.