Einstieg: Verlorene Dinge und die Suche nach dem eigenen Platz
Das passiert ja immer mal wieder: Man findet Dinge und hat keine Ahnung, was man damit anfangen soll oder wozu sie gut sind. Irgendwann werfe ich solche Dinge dann einfach weg. Vielleicht kennt ihr das ja.
Typischerweise, kaum sind die Sachen weggeworfen und die Müllabfuhr war da, wird einem plötzlich klar: „Ach, ich weiß jetzt, was das war und wozu ich das dringend brauche.“ Schon passiert?
Nur ein Beispiel für so ein Ding: Bei uns zuhause flog mal so ein Teil herum. Was das war? Keine Ahnung, also weg damit. Habt ihr eine Idee, was das sein könnte? Es hat nichts mit Trump zu tun oder so, obwohl es ein roter Knopf ist. Nein, kein Fahrradhelmverschluss, auch kein Gurtschloss. Noch eine Idee? Nein? Es ist keine Kindersitzsperre und auch kein Zähler für irgendwas.
Joel Clark hatte meiner Tochter geholfen, ihren Zauberwürfel mal wieder zusammenzusetzen. Leider haben sie ihn nicht komplett wieder zusammenbekommen. Irgendwann lag so ein Teil herum, dann war es weg. Heute früh habe ich meine Tochter noch gefragt, ob sie vielleicht noch so ein Teil von den übrig gebliebenen hat, aber sie hat es auch nicht mehr gefunden. Von daher bekommt er das nur bildlich.
Keine Sorge, wir reden heute nicht über Zauberwürfel oder irgendwelche komischen Dinger. Nein, ich möchte heute mit euch darüber nachdenken, dass es uns manchmal ähnlich gehen kann. Wir finden uns irgendwo wieder und wissen gar nicht genau, wozu wir da sind oder welche Rolle wir spielen sollen.
Konkret möchte ich mit euch darüber nachdenken, was unsere Aufgabe in der Gemeinde ist. Wozu sind wir eigentlich hier? Was soll ich hier? Das ist das Thema einer kurzen Predigtserie mit sechs Predigten zu unserer Gemeindevision oder auch unserem Gemeindeverständnis. Dabei gibt es jeweils zwei Predigten zu den drei großen Themen, die wir dort zusammengefasst haben.
Gemeindevision: Zur Ehre Gottes leben und einander dienen
Wir haben gesagt, wir wollen eine Gemeinde sein, die zur Ehre Gottes existiert. Wir verstehen das als unseren biblischen Auftrag: zur Ehre Gottes zu leben. Mit seiner Hilfe wollen wir zunächst Gott erkennen. Darüber hat Alex Heistermann zwei Predigten gehalten.
Dann sagen wir, wir wollen einander dienen. Darüber haben wir letzte Woche nachgedacht, und das ist auch das Thema der heutigen Predigt. Drittens wollen wir Christus bezeugen. Darum wird es in den nächsten beiden Wochen gehen, bevor wir wieder zu unserem normalen Schema zurückkehren und durch Bücher der Bibel predigen.
Diese Serie soll uns ganz bewusst noch einmal vor Augen führen, was uns als Gemeinde ausmacht, ausmachen sollte und was wir als Gemeinde erreichen wollen.
Das Miteinander in der Gemeinde, das Einander-Dienen, möchte ich mit euch anhand eines Bibeltextes betrachten, der sich in Römer 12 findet, und zwar Römer 12,1-16. Ich denke, wir werden in diesem Text sehen, dass wir zur Ehre Gottes und mit seiner Hilfe einander dienen sollen. Dabei hoffen wir, unseren Platz zu finden, unseren Nutzen zu erkennen und uns einfügen zu können.
Bevor ich mit euch den Text betrachte, möchte ich mit euch beten und den Herrn bitten, dass er uns hilft, wirklich auf sein Wort zu hören. Er soll uns Konzentration schenken, aber mehr noch: nicht nur das Hören, sondern das tiefe Verstehen und das Überführtsein von der biblischen Wahrheit, die uns dann veranlasst, auch danach zu leben.
So bete ich mit euch:
Großer Gott, wir danken dir, dass du ein Gott voller Weisheit bist. Dir geht es nie so wie uns, dass wir etwas wegwerfen, weil wir nicht wissen, wozu es gut ist. Nein, du hast alles im Blick und weißt alles. Du hast jeden von uns an den Ort gestellt, an dem du uns haben willst, mit all dem, was wir brauchen, um an diesem Ort dir und anderen Menschen nützlich zu sein.
Wir wollen dich bitten, dass du uns das heute neu zeigst und uns neu motivierst, indem wir erkennen, wie sehr du uns liebst und wie gut du es mit uns meinst.
Ich möchte dich bitten, dass du uns ganz konkret unseren Platz anweist und uns die Bereitschaft schenkst, diesen Platz einzunehmen. Lass uns mit dem, was du uns gegeben hast, an den Ort, an den du uns gestellt hast, dienen – dir und deiner Gemeinde. Amen.
Grundlegende Gedanken zur Barmherzigkeit Gottes und Lebensveränderung
Ich möchte den Predigttext mit euch in vier Abschnitten betrachten. Ihr habt ein Handout bekommen, nehme ich mal an, auf dem ihr auch die Struktur sehen könnt.
Zunächst wollen wir ganz kurz über das Grundlegende nachdenken. Das sind die ersten Worte in Vers 1, wo es um die erfahrene Barmherzigkeit Gottes geht. Ich habe versucht, das in einen längeren Satz zu packen, damit sich dieser Satz weiter entfalten kann.
Aufgrund der erfahrenen Barmherzigkeit Gottes folgt der erste Aufruf in Vers 1: Verändere dein Leben. In Vers 2 heißt es: Verändere dein Denken. Grundlegend soll die Barmherzigkeit Gottes zu einem veränderten Leben führen, das auch mit verändertem Denken zu tun hat.
Dann werden wir in den Versen 3 bis 8 betrachten, wie verändertes Denken uns dazu bringt, mit unseren gottgegebenen Gaben zu dienen. Anschließend werden wir in den Versen 9 bis 16 bedenken, dass dies seinen Ausdruck und seine Grundlage darin findet, dass wir andere in Wort und Tat lieben.
Ganz simpel zusammengefasst: Aufgrund der erfahrenen Barmherzigkeit Gottes verändere dein Leben und dein Denken, diene mit deinen gottgegebenen Gaben und liebe andere in Wort und Tat. Wenn du diesen Satz nachher mit nach Hause nimmst, weißt du so grob, worum es in dieser Predigt geht. Ich hoffe aber, das Ganze wird noch ein bisschen greifbarer.
Grundlegend ist die Erfahrung von Gottes Barmherzigkeit. Das ist es, was wir in Vers 1 lesen: „Ich ermahne euch nun, liebe Brüder“ – und das darf ich so sagen, denn es gilt auch für die Schwestern – „ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes.“ Dann folgen die Imperative, also die Aufrufe: „Ich ermahne euch nun durch die Barmherzigkeit Gottes.“
Die Schlachter-Übersetzung fasst das vielleicht noch leichter verständlich zusammen: „Angesichts der Barmherzigkeit Gottes.“ Darum geht es. Gottes Barmherzigkeit wurde in den ersten elf Kapiteln des Römerbriefs beschrieben. Römer 1 bis 11 zeigt uns einen barmherzigen Gott.
Paulus macht im Römerbrief deutlich, dass wir Menschen unseren Schöpfer eigentlich kennen sollten. Wir haben das am Anfang gehört: Vers 20 sagt, allein in der Schöpfung kann man erkennen, dass es einen Schöpfer gibt. Man muss nur die Augen und das Herz öffnen.
Doch wir Menschen haben von Natur aus diese Erkenntnis Gottes niedergehalten. Wir wollen nichts von Gott wissen. Das ist der Sündenzustand des Menschen: Er will selbst Gott sein, selbst bestimmen und der Herr sein.
So heißt es in Römer 1, Vers 21: „Obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständliches Herz ist verfinstert.“ Das beschreibt jeden Menschen, wenn Gott nicht eingreift.
Das ist an sich schon dramatisch. Aber das Problem ist nicht nur, dass wir unverständlich sind und falsche Dinge tun. Nein, wir handeln konkret gegen Gott. So heißt es dann in Kapitel 3: „Da ist keiner, der verständig ist, da ist keiner, der nach Gott fragt, sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, nicht einer.“
Das heißt, wir Menschen leben von Natur aus gegen Gott. Wir ignorieren seinen Willen, wir gehen unsere eigenen Wege. Und Gott als unser Schöpfer kann das so nicht stehen lassen. Er ist ein gerechter Gott. Darauf vertrauen selbst die Menschen, die gar nicht so richtig an ihn glauben.
Wenn sie Unrecht erleben, rufen sie ihn an: „Oh mein Gott!“ Tief im Herzen ist ein Wissen darum, dass wir einen gerechten Gott haben, der alles Unrecht, alles Böse und alles Leid nicht gutfinden kann und etwas daran ändern sollte.
Das Problem ist, wir sind eben nicht Ankläger, sondern Angeklagte. Wir selbst sind Teil des Unrechts und Leids in dieser Welt, weil auch wir immer wieder Dinge tun, die gegen Gott sind, weil wir ihn ignorieren.
So stünden wir unter seinem Zorn, unter seinem gerechten Gericht. Es wäre aus mit uns. Es gäbe keine Hoffnung für uns. Deswegen brauchen wir die Barmherzigkeit Gottes – einen Gott, der sich unser erbarmt und uns nicht verurteilt, nicht verdammt und nicht bestraft, wie wir es verdient hätten, sondern der uns annimmt in Liebe.
Und weil er gerecht ist, konnte er das nur tun, indem er seinen einen geliebten Sohn in diese Welt gesandt hat, damit er die gerechte Strafe bezahlt. Schuld muss bestraft werden, Strafe ist notwendig, damit Gott gerecht ist.
Jesus hat das getan. Jeder, der sich ihm im Glauben zuwendet, jeder, der sich Jesus Christus anvertraut, den nimmt Jesus an und sagt: „Deine Schuld habe ich bezahlt am Kreuz. Du bist frei, du bist mit Gott versöhnt, du bist nicht mehr Feind Gottes, du bist geliebtes Kind Gottes.“ Was für eine Barmherzigkeit!
Das beschreibt Paulus lang und breit, ausführlich und in all seiner Schönheit und in vielen Facetten in den ersten elf Kapiteln des Römerbriefs. Da geht es also um das, was Gott für uns getan hat – und das ist grundlegend.
Jetzt, in Kapitel 12, sagt er: „So, vor dem Hintergrund all dieser Dinge habe ich nun einige Dinge, die ich euch sagen möchte, angesichts der Barmherzigkeit Gottes.“ Und dann kommen diese Aussagen.
Bevor wir uns diesen Aussagen zuwenden, möchte ich ganz deutlich sagen: Wenn du heute hier bist und noch nicht sagen kannst, dass du wirklich die Barmherzigkeit Gottes erfahren hast, wenn du noch nicht wirklich sagen kannst, dass du Jesus Christus kennst als den, der für deine Schuld gestorben ist und dich freigesetzt hat von der Strafe, die dir sonst drohen würde, wenn du vielleicht noch gar nicht erkennst, dass du überhaupt ein Problem hättest, wenn Gott nicht eingreift, wenn du noch gar nicht verstehst, warum du seine Barmherzigkeit brauchst – dann ist das das Wichtigste, was du heute verstehen musst.
Denn alle Aufrufe, die jetzt kommen, die nicht gegründet sind in der erfahrenen Barmherzigkeit Gottes, sind absolut zum Scheitern verurteilt. Sie werden dir in letzter Instanz auch nicht helfen. Dann kann für dich die Predigt heute wirklich hier aufhören, und das war dann auch genug.
Erkenne einfach, dass Gott dich nicht verurteilen will, dass er dir barmherzig sein will, dass er dir zur Seite stehen will – so, wie es niemand sonst kann –, indem er dich freimacht von aller Schuld und dir ein Leben gibt, das selbst den Tod überdauern wird.
Ich werde jetzt nicht weiter darauf eingehen. Aber wenn du Fragen dazu hast, kannst du mich gerne nachher an der Tür ansprechen oder vielleicht den Freund oder Bekannten, mit dem du heute hierher gekommen bist. Lass uns darüber ins Gespräch kommen.
Aufruf zur Hingabe: Lebendige Opfer als Ausdruck des Glaubens
Aber für die vielen unter uns, die das verstanden haben und sagen können: Ja und Amen, ich weiß um meinen barmherzigen Gott – ich hoffe, ihr könnt alle Ja und Amen dazu sagen –, für uns kommen jetzt Worte.
Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und gottwohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
Das klingt im ersten Moment vielleicht seltsam. Okay, also habe ich meinen Leib jetzt hierhergebracht. Das ist jetzt irgendwie mein vernünftiger Gottesdienst am Sonntagmorgen? Mit meinem ganzen Leib, irgendwie lebendig bin ich auch – mehr oder minder. Nein, darum geht es nicht.
Das, was wir hier feiern – dieser Gottesdienst, diese Versammlung der Gemeinde, wo wir unter Gottes Wort kommen, wo wir Gott loben in Liedern und Gebeten, wo wir Gottes Wort auch dargestellt sehen in Taufen und Abendmahl – das ist ein besonderer Gottesdienst, zu dem uns die Bibel aufruft. Den sollen wir regelmäßig besuchen. Aber das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt des Gottesdienstes, um den es hier geht.
Hier geht es darum, dass du jeden Tag, alle Zeit, Gott dienst. Und zwar eben nicht so, wie im Alten Testament Gott gedient wurde, indem man ein Opfer brachte – ein Tier, das getötet wurde, dessen Blut an den Tempel gesprengt wurde, das womöglich verbrannt wurde. Vielleicht kam auch noch etwas davon zum Essen, wenn es gut lief. Das waren tote Opfer.
Die Bibel sagt uns, diese Opfer waren letztendlich alle nur dazu da, um uns zu zeigen, wie groß unsere Not ist. Sie weisen alle hin auf das eine Opfer, auf Jesus Christus. Denn er ist gekommen, er ist gestorben, sein Blut ist geflossen, sein Leib wurde für uns gegeben.
Deswegen können wir vor Gott bestehen. Das ist das Opfer, das wir brauchen. Und basierend auf diesem Opfer dürfen wir jetzt lebendige Opfer sein. Wir müssen nicht mehr sterben.
Aber gerade deshalb, gerade weil wir diese Barmherzigkeit erfahren haben, sollen wir uns jetzt hingeben als lebendige Opfer – lebendig leben für Gott, so dass es Gott gefällt, dass es heilig ist.
Mir ist klar, dass dieser Anspruch uns immer mal wieder überfordert. Aber meine Frage für dich heute früh ist nicht, ob du das perfekt schaffst, sondern ob du das willst.
Willst du mit deinem ganzen Leben, mit allem, was du bist und hast, Gott dienen? Willst du heilig sein in allen Dingen? Willst du Gott wohlgefällig leben, so dass es Gott gefällt?
Willst du das? Wenn nicht, kannst du dann wirklich sagen, dass Jesus Christus wirklich der Herr deines ganzen Lebens ist?
Jesus ist ziemlich schwarzweiß. Er sagt nicht, ein bisschen Herr sein reicht mir. Jesus hat einen totalen Anspruch. Entweder bin ich Herr deines ganzen Lebens oder ich bin nicht dein Herr.
Denn wenn es einen Bereich gibt, den du ausklammerst und entscheidest, welchen du ausklammerst, dann bist du der Herr deines Lebens. Du lässt mich dann als deinen Vasallen in bestimmten Lebensbereichen, wo es gerade gut passt für dich, auch Herr sein.
Das ist nicht der Anspruch Jesu. Er ist nicht Mitherrscher oder Teilhaber in deinem Unternehmen. Er ist der Herr.
Ich hoffe, dass du im Anbetracht der Barmherzigkeit, die der Herr dir gezeigt hat – seiner Bereitschaft, sogar für dich zu sterben, als du noch sein Feind warst – und im Wissen darum, dass er dich unendlich liebt und es unendlich gut mit dir meint, so sagen kannst:
Wenn Gott so ist, wenn der Herr so ist, dann will ich ihm natürlich dienen mit allem, was ich bin und habe.
Ich hoffe, das kannst du aus vollem Herzen sagen.
Und das ist dann der Punkt: Verändere dein Leben. Lebe nicht mehr für dich selbst, sondern lebe für Jesus.
Veränderung des Denkens als Grundlage für neues Leben
Aber ein so verändertes Leben muss auf einem veränderten Denken beruhen. Darum geht es in Vers 2. Wir müssen unser Denken immer wieder verändern, weil wir immer wieder falsch denken. Wir verlieren immer wieder die Barmherzigkeit Gottes aus dem Blick und sagen dann: „Ich brauche keinen Herrn, ich weiß selbst besser, was gut ist.“
Vers 2 sagt uns deshalb: Stellt euch nicht dieser Welt gleich. Das heißt, macht es nicht so wie die Welt, sondern ändert euch durch die Erneuerung eurer Sinne. Das bedeutet, ändert euer Leben durch eine Veränderung eures Denkens, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist – nämlich das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene.
Lebensveränderung basiert also auf der Erneuerung eurer Sinne, also einer Veränderung im Denken. Und das geschieht, indem wir uns nicht so verhalten, wie die Welt es tut. Wir grenzen uns vom großen Trott der Welt ab und wenden uns Gott zu. So verstehen wir immer mehr, was Gottes Wille ist.
Nur für den Fall, dass noch Zweifel bestehen: Gottes Wille ist immer gut, wohlgefällig und vollkommen.
Ich denke, wir wissen es: Von Natur aus sind wir Menschen eigentlich wie Chamäleons. Ein Chamäleon hat die Eigenschaft, sich immer seiner Umwelt anzupassen. Packst du ein Chamäleon auf eine grüne Wiese, ist es grün. Packst du es auf braune Steine, wird es braun – und so weiter.
So ist es auch mit uns. Packe dich in eine bestimmte Gemeinschaft, und du fängst an, so auszusehen und so zu reden wie die Menschen um dich herum. Das wissen wir alle, die schon einmal Kinder in der Schule hatten. Die Klassengemeinschaft hat plötzlich alle denselben, selbst den absurdesten Modetrend, den sonst niemand hat. Es reicht eine kleine „Kuhle“ an der Schule, und schon machen alle mit. Sie ziehen sich gleich an, benutzen die gleichen Redewendungen.
Heute beim Frühstück ein Paradebeispiel: Meine kleine Tochter singt irgendein komisches Lied, das sie im Radio gehört hat. Die Große fängt sofort an mitzusingen. Ob sie das Lied überhaupt mag, spielt keine Rolle – Hauptsache mitmachen.
So passen wir uns an. Und das weiß Gott. Er sagt dir: Du hast jetzt zwei Optionen. Du kannst dich entweder der Welt anpassen und ihr gleichstellen oder du lässt dich in deinem Denken verändern.
Im ersten Brief an die Korinther beschreibt Paulus diese wichtige Lektion mit den Worten: „Lasst euch nicht verführen, schlechter Umgang verdirbt gute Sitten.“ Das heißt, wenn wir viel auf die Welt hören und sehen, werden wir kein gottgehorsames Leben führen. Nein, wir werden wie der Rest der Welt für uns selbst leben. Wir werden egoistisch sein, die Ellbogen ausfahren und unseren eigenen Weg gehen. Das ist der Lauf der Welt.
Die Welt sagt uns: Du hast es zu etwas gebracht, wenn du andere dazu bringst, dir zu dienen. Du hast es geschafft, wenn du Einfluss hast, Herr bist, Geld hast, mit dem du dir holen kannst, was du willst, und wenn du anderen sagen kannst, was sie zu tun haben.
Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir hier gelesen haben: „Gebt euch hin als ein Opfer, lebendig, heilig und gottwohlgefällig.“
Also brauchen wir verändertes Denken, um verändert zu leben.
Wie geschieht das? Wie verändert sich dein Denken? Gott hat uns in Gemeinden gestellt, in denen so etwas passiert. Dort steht jemand und sagt uns etwas aus Gottes Wort, fordert uns heraus und stellt uns unangenehme Fragen. Das fordert uns heraus und verändert hoffentlich unser Denken.
Es gibt immer die Reaktion: „Was hat der mir schon zu sagen?“ Oder: „Oh ja!“ Und dann verändert sich unser Denken, und das prägt unser Verhalten.
Nicht nur die Predigt, nicht nur das Lehren aus Gottes Wort, nicht nur das Lesen von Gottes Wort, auch die Gemeinschaft ist wichtig.
Geh am Sonntagmittag mit deinen nichtchristlichen Freunden an die Isar. Du wirst vielleicht ein paar Getränke mehr trinken, als gesund ist. Du wirst vielleicht mit ihnen lästern, vielleicht als junger Mann Mädchen anbaggern oder Ähnliches tun.
Gehst du mit ein paar Geschwistern aus der Gemeinde an die Isar, sähe das Gespräch und dein Verhalten anders aus?
Mal ganz ehrlich: Was waren die besten Zeiten in deinem geistlichen Leben? Waren es die Zeiten, in denen du mit der Welt mitgeschwommen bist und wenig Zeit damit verbracht hast, Gottes Wort zu lesen, darüber nachzudenken oder es zu hören? Oder waren es die Zeiten, in denen du viel Gottes Wort in deinem Leben hattest – durch eigenes Lesen, durch Lehre, Hauskreise, Gemeinschaft mit anderen, durch Predigten? Waren es Zeiten, in denen du viel Gemeinschaft mit anderen Christen hattest?
Ich glaube, wir alle kennen die Antwort: Unser Umfeld und unsere Umwelt prägen unser Denken und unser Leben.
Das ist die grundlegende Aussage, die über den ersten beiden Versen steht. Diese Verse enthalten eine wichtige Grundbotschaft für den ganzen Rest des Römerbriefs.
Konkrete Anwendung: Neue Sicht auf sich selbst und die Gaben in der Gemeinde
Ab Vers 3 wird Paulus konkret und gibt eine klare Anwendung: Er fordert dazu auf, das Denken zu verändern und anders zu leben. Ab Vers 3 heißt es:
„Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.“
Paulus macht hier deutlich, dass niemand sich selbst überschätzen soll, sondern maßvoll von sich denken soll – so, wie Gott es im Glauben jedem zugeteilt hat.
Er fährt fort:
„Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.“
Hier wird es konkret: Paulus fordert dazu auf, das eigene Denken zu verändern. Nicht mehr so denken wie die Welt, sondern von Gott her. Er lädt ein, über sich selbst nachzudenken: Wie denkst du eigentlich über dich? Was hältst du von dir selbst? Vielleicht denkst du: „Ich bin ein ziemlich cooler Typ, ich habe es drauf, ich kann etwas.“ Und woran machst du das fest? Vielleicht daran, dass du mehr kannst als andere, dass du besser bist. Vielleicht denkst du, du bist besonders geistlich, weil du Pastor bist.
Kennst du dieses Denken im Vergleich mit anderen? Du denkst: „Der ist okay, den respektiere ich, der ist was Besseres, aber die anderen sind wie kleine Kinder, die doof sind. Schau mal, wie die leben, das ist wirklich eine Katastrophe.“ Gottes Wort sagt dir nun, du sollst von der Bibel her denken, nach dem Maß des Glaubens.
Wenn du den Glauben hast, um den es hier geht, wenn du verstehst, wer du eigentlich bist in Christus – ein Sünder, unter Gottes Gericht gestellt – und der einzige Grund, warum du nicht unter Gottes Zorn stehst, die Barmherzigkeit ist, die du erfahren hast, dann macht das ein bisschen demütiger, oder?
Wenn du dann verstehst, dass alles, was du kannst, eine Gabe von Gott ist – Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist – dann wird klar: Was ich bin und was ich tun kann, meine Gaben, meine ganze Existenz, ist abhängig von Gottes Barmherzigkeit, die mir widerfahren ist.
Vielleicht brauchst du dann doch nicht so viel Klopfen auf die eigenen Schultern. Paulus sagt: Denk um, denk neu! Die Welt sagt: „Schau, was für ein toller Hecht du bist! Vergleich dich mit anderen, fahr die Ellbogen aus, damit du vorankommst, dann bist du was, hast du was, kannst du was, bist du was.“
Gott sagt: „Verstehst du eigentlich, wer du bist? Du hättest Gottes Zorn verdient. Du bist zwar ein Geschöpf Gottes, aber du hast alles verbockt. Doch in meiner großen Barmherzigkeit hebe ich dich raus aus dem Dreck und nehme dich an als geliebtes Kind.“
Was dich wertvoll macht, ist nicht, dass du so toll warst – deswegen konnte ich dich ja gar nicht anders lieben. Nein, es ist meine Barmherzigkeit. Ich hätte sehr wohl anders handeln können, aber ich wollte es nicht, nicht wegen irgendetwas in dir, sondern wegen etwas in mir, sagt Gott.
„Ich bin die Liebe in Person, ich bin voller Barmherzigkeit, ich bin ein gnädiger Gott. Ich habe dich angenommen, und das verändert alles in deinem Leben.“
Das heißt: Dein Wert liegt nicht in dir, sondern in dem, der dich geliebt hat und dich weiter liebt.
Paulus sagt dann weiter: „Versteh, dass alle Gaben, die du hast, alle Fähigkeiten, dir von Gott gegeben sind. Und übrigens hat Gott dich in seine Gemeinde eingesetzt – als ein Glied in eine große Kette, in einen Leib. Du bist ein Glied am Leib, und du sollst dich einbringen. Darum geht es.“
Wenn du so willst, bist du ein Teil eines Zauberwürfels, wie wir vorhin gesehen haben. Vielleicht bist du das rote Mittelteil, das eine zweite Farbe hat, die man nicht sieht. Oder du denkst: „Ich habe es drauf, ich bin ein Eckteil, ich habe drei Farben. Oder ich bin ein zentrales Stück, das man nicht herausnehmen kann.“
Aber das ist Blödsinn, denn das Ding allein wird weggeworfen. Es ist nutzlos, erst im Miteinander wird es wertvoll.
Kannst du dich darauf etwas einbilden? „Ich bin eine Hand und nicht nur ein blöder Unterarm. Ich bin eine Schulter, ein Knie, ein Fuß, auf dem man stehen kann. Ohne Bein ist der Fuß nichts.“
Das ist das Bild, das Paulus gebraucht, um uns zu helfen zu verstehen: Denk neu! Du bist ein Teil eines größeren Organismus, und genau so hast du deine Aufgabe. Darum hat Gott dich eingesetzt. Er hat dich gemacht zu einem Glied im Leib Christi, damit du eine Aufgabe wahrnehmen kannst. Er hat dich begabt, damit du sie erfüllen kannst. So sollst du jetzt leben.
Wenn du deinen Platz einnimmst – ob Eckteil, Kante oder Mittelteil – wirst du ein elementarer Bestandteil des Ganzen. So soll es sein. Dann können wir uns einbringen und froh und dankbar sein, dass wir unterschiedlich sind.
Jetzt muss ich mich nicht mehr erheben und sagen: „Ich bin rot, und rot ist meine Lieblingsfarbe.“ Der andere ist blau oder gelb. Ein Zauberwürfel, der nur rot ist, ist zu nichts nütze. Mit dem kann man nicht gut spielen. Er ist zwar immer fertig, aber taugt nichts.
Gott sei Dank gibt es auch die Gelben, die Blauen, die Grünen und was sonst noch da ist.
Das ist genau das, was Paulus sagt: Die Weisheit Gottes zeigt sich darin, dass er uns im Leib zusammenstellt, mit unterschiedlichen Gaben zusammenpackt. Wir alle sind nur etwas, weil er uns so gemacht hat. Wir alle können nur etwas, weil er uns so befähigt hat. Und jetzt: Bring es ein!
Vielfalt der Dienste in der Gemeinde: Wort- und praktische Dienste
Und darum geht es dann in Versen sieben und acht: Ist jemandem ein Amt gegeben, so diene er; ist jemandem Lehre gegeben, so lehre er; ist jemandem Ermahnung gegeben, so ermahne er; gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn; steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig; übt jemand Barmherzigkeit, so tue er es gern.
Also, was auch immer für ein Amt du hast: Dann agiere damit, bringe es ein. Paulus unterscheidet hier zwischen zwei Diensten, die er übrigens nicht gegeneinander ausspielt: Wortdienste und praktische Dienste. Beide sind wichtig, beide braucht man in der Gemeinde.
Es ist nicht so, dass diejenigen, die es mit dem Wortdienst draufhaben, die Helden in der Gemeinde sind – Pastoren und so. Nein, alle haben ihre Farbe, alle haben ihren Platz, alle haben ihre wichtige Funktion.
Und ja, den einen ist es gegeben, Worte zu sprechen, die andere ermutigen, die ins Leben hineinsprechen. Manche können gut lehren, wieder andere haben die Gabe, im richtigen Moment ein Wort zu sprechen, das ermutigt oder auch mal ermahnt. Und dann gibt es diese andere Kategorie.
Übrigens will ich nur sagen: Diese Dinge kommen in unserem Gemeindeverständnis alle vor. Wir haben das so zusammengefasst: Wir wollen einander mit dem Wort Gottes ermutigen, uns durch Amal und Taufe sichtbar an das Evangelium erinnern, uns zur Liebe in Wort und Tat motivieren und uns, wo nötig, auf liebevolle Weise zurück zu Christus rufen. Das sind Wortdienste.
Aber dann, im nächsten Absatz, sagen wir: Unsere Begabung wollen wir für den Bau von Gottes Gemeinde einsetzen. Und da geht es eben auch um ganz praktische Dinge: geben, vorstehen, leiten, Werke der Barmherzigkeit. All das hat Gott gegeben, jedem sein Teil, damit wir alle uns einbringen können, damit seine Gemeinde erbaut wird, damit wir füreinander da sein können.
Und so möchte ich dich fragen, liebes Gemeindeglied, und an andere Glieder: Wie bringst du dich ein? Bringst du dich ein? Erkennst du, dass Gott in seiner Weisheit dir barmherzig war, dich herausgerufen hat, aus der Welt dich in eine neue Gemeinschaft hineingeführt hat – in die Gemeinschaft der Erlösten, in die Gemeinde?
Verstehst du, dass er das getan hat und dich begabt hat, damit du jetzt in diesem Leib, im Leib Christi, dich einbringst mit dem, was er dir gegeben hat? Wie sehr tust du das?
Sagst du: „Na ja, ich habe da schon viele Jahre gemacht, ich habe meinen Dienst viele Jahre getan, jetzt dürfen mal andere“? Was stand da in Vers 1, dass wir unsere Leiber hingeben? Ist da irgendwie ein Ablaufdatum dran? Zwanzig Jahre, dann ist gut? Nein, dein ganzes Leben, solange du noch Atem hast, will Gott dich gebrauchen.
Mir ist völlig klar, im Laufe des Lebens ändern sich die Wege, wie wir uns einbringen. Und für manche heißt es vielleicht im Alter: Ich habe jetzt vielleicht mehr und mehr im Laufe meines Lebens die Gabe des Gebets empfangen, und ich bete. Ich kann nicht mehr so anpacken, ich habe nicht mehr die Kraft, ich komme morgens nicht mehr so gut raus.
Das ist verständlich. Gott weiß das, er gibt dir die Fähigkeiten, mit denen du ihm dienen darfst. Aber zu sagen, ich mache gar nichts mehr, ist keine Option.
Oder die Mutter von drei, vier kleinen Kindern: Keiner erwartet, dass du zum Putzdienst in die Gemeinde kommst. Wenn du dich liebevoll um deine Kinder kümmerst und ihnen das Evangelium weitersagst, dann baust du das Reich Gottes. Du hilfst uns, die nächste Generation mit dem Wort zu erreichen.
Es ist eine wichtige Funktion, aber es ist eine Funktion im Reich Gottes. Bring dich da ein und manage das nicht nur, sondern tue es bewusst als einen Gottesdienst.
Was auch immer wir tun, unsere Berufung ist es, als von Gott angenommene, geliebte Kinder uns mit den Gaben, die er uns gegeben hat, einzufügen in seinen Leib, so dass sein Leib nicht Stückwerk ist.
Ich befürchte, der Leib sieht manchmal so aus, weil einige Teile danebenliegen und sagen: „Ach, das passt doch schon.“ Und vielleicht schaut man dann von der anderen Seite und sagt: „Der ist so komplett, der Würfel sieht gar nicht, dass hinten es überall bröckelt.“ Oder der Leib: Aus der Distanz sieht das eigentlich ganz gut aus, aber wenn man genau hinsieht, da sind ja lauter Löcher drin, da fehlt ja alles Mögliche.
Lieber Bruder, liebe Schwester, könnte es sein, dass du eine dieser Lücken mit ausfüllen kannst? Dass Gott dir Gaben gegeben hat, damit der Leib Christi erbaut wird?
So möchte Gott Gemeinde gebrauchen. Der Herr hat dich in diese Gemeinde hineingerufen, er hat dich in diese Gemeinde hineingestellt und dir Gaben gegeben, damit du sie miterbaust, damit der Leib Christi vollkommen sei.
Also denk in rechter Weise über dich nach, verstehe, wer du bist als Kind Gottes, als Glied, Mitglied im Leib Christi, und dann bring dich ein.
Und lass hier nicht einreden: „Die Gemeinde ist ja schon so vollkommen.“ Das höre ich immer mal wieder. „Ich weiß gar nicht, wo ich noch dienen kann.“ „Ich würde ja gerne, aber so gut singen wie die, die hier immer singen, das können die alle irgendwie viel besser.“
Hat Gott einen Fehler gemacht? Hat er dir keine Gaben gegeben, die brauchbar sind? Echt jetzt? Nein, oder? Das heißt einfach: Neue Fragen, vielleicht auch Fragen wie: Wo ist denn die Not? Wo ist denn vielleicht eine Lücke? Vielleicht siehst du die sogar ganz deutlich und klagst vielleicht sogar: „Was mir an dieser Gemeinde nicht gefällt, ist...“ Dann sei doch Teil der Lösung.
Ich möchte uns da Mut machen. Und wenn du wirklich sagst: „Ich finde meinen Platz nicht“, dann habe ich eine gute Nachricht für dich: Wir haben ab Dienstag offiziell eine neue Angestellte der Gemeinde, Bettina Silup. Das ist eine tolle Ansprechpartnerin für Leute, die sagen: „Ich würde gerne dienen.“
Denn Bettinas erste Aufgabe wird es sein, einen guten Überblick zu haben über alles, was hier so läuft, und euch zu helfen, vielleicht euren Platz zu finden.
Aber wenn du konkret vielleicht... Ich kann dir sagen: Wir haben im Bereich Technik Ralf Eichler, der sich über Mitarbeiter freuen würde. Gerd und Henrik sitzen ständig da oben, danke euch beiden für euren treuen Dienst, und die wären froh, wenn sie ab und zu auch mal bei ihren Frauen sitzen könnten.
Vielleicht gibt es andere, die sagen: „Ein bisschen technische Begabung habe ich, ich lasse mich ausbilden und dann will ich mich einbringen in den Leib Gottes.“
Im Kinderdienst – ja, die finden immer statt, aber oft sind es die gleichen, die dort Dienst tun. Vielleicht kann man dich da gebrauchen.
Vielleicht im Bereich Musik – hier sitzt Olaf, da kannst du ihn mal ansprechen, er kann dir bestimmt auch helfen, noch besser zu werden. Und Selina auch. Und viele andere, Simon – sprecht sie an.
Begrüßungsdienst: Geh zu den Leuten an der Tür, sag: „Ich könnte mir da vorstellen, auch mitzumachen.“
Kaffeeausschank: Danke für den guten Kaffee. Und ich helfe, dass er noch besser wird und dass es ihn immer gibt.
Okay, ich hoffe, wir verstehen das System genug dazu.
Warnung vor falscher Identifikation und Aufruf zur Herzenshaltung
Vielleicht noch ein letzter Aspekt: Es gibt eine Gefahr. Die Gefahr, sich über seinen Dienst zu definieren, ist die Kehrseite. Gott hat dich in seine Gemeinde hineingestellt und begabt, damit du dich einbringst. Aber was dich wertvoll in der Gemeinde macht, ist immer noch dein Herr. Er hat dich geliebt.
Du solltest dich nicht über das definieren, was du kannst und was du tust. Das kann dazu führen, dass wir nur noch handeln. Das ist sicherlich ein Minderheitenproblem, aber es gibt einige, von denen ich weiß – vielleicht sogar sehr persönlich, weil ich so jemanden manchmal vor dem Spiegel sehe –, die sich extrem engagieren und denken: „Jetzt bin ich aber besonders wertvoll, jetzt habe ich echt etwas für Gott getan.“ Dabei verlieren sie ein bisschen Gott aus dem Blick und nehmen sich selbst zu wichtig. Kein Aufwahrkommen, oder?
Lasst uns da Acht geben, dass wir mit der richtigen Einstellung dienen. Darum geht es im letzten Punkt, ab Vers 9. Hier geht es um die Herzenshaltung, mit der wir einander in Liebe dienen.
Vers 9: Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich, einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist, dient dem Herrn. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.
Nehmt euch der Nöte der Heiligen an, übt Gastfreundschaft. Segnet die, die euch verfolgen. Segnet und fluchet nicht. Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Geringen. Haltet euch nicht selbst für klug.
Liebe als Fundament des Gemeindelebens
Das Miteinander der Gemeinde findet nicht nur im reinen dienenden Ausdruck statt, sondern vor allem in der Liebe, die wir zueinander haben. Auch hier müssen wir neu denken, denn die Welt liebt anders.
Die Welt sagt uns, Liebe sei etwas, das man empfängt und weitergibt. Liebe funktioniert oft nach dem Prinzip „Prit pro Quo“, also Geben und Nehmen. Wenn jemand aufhört, mich zu lieben, höre ich ebenfalls auf. Liebe in der Welt ist nie vollkommen selbstlos oder aufopferungsvoll. Sie ist manchmal vielleicht unbewusst, aber immer irgendwie kalkulierend – eine abwägende Liebe.
Wir Christen jedoch kennen eine andere Liebe. Wir kennen die Liebe, weil wir sie selbst empfangen haben – in der Barmherzigkeit Gottes. Das ist die Grundlage: Gott hat sich für uns hingegeben. Jesus Christus wurde Mensch, Gott wurde Mensch in Jesus Christus. Er kam und hat uns geliebt – selbstlos und aufopferungsvoll bis ans Kreuz.
In der Welt mag es sein, dass jemand bereit ist, für einen Freund zu leiden oder sogar zu sterben. Aber wo findet man jemanden, der für seine Feinde stirbt? Für diejenigen, die ihn töten wollen, damit sie Vergebung ihrer Schuld erfahren können? Das ist die Liebe Gottes – einzigartig.
Diese Liebe, mit der du von Gott geliebt wirst, hat er dir nicht nur gezeigt. Nach Römer 5,5 hat er genau diese selbstlose, aufopferungsvolle und bedingungslose Liebe durch seinen Geist in die Herzen der Gläubigen ausgegossen. Das heißt, durch den Geist Gottes hast du jetzt die Fähigkeit, auch so zu leben und so zu lieben.
Das kann sonst niemand. Das können nur Christen. Es ist eine übernatürliche Liebe, zu der wir befähigt sind.
Paulus spricht diese Liebe in zwei Kategorien an. Im Fortgang von Kapitel 12 spricht er zum einen über die Bruderliebe und zum anderen über die Feindesliebe. Ab Vers 17 geht es um die Feindesliebe, und im Vers 14 gibt es schon einen kleinen Vorgriff darauf. Die Verse 9 bis 16 behandeln ganz konkret die Liebe unter den Geschwistern.
Diese Liebe ist besonders und hat eine besondere Qualität. Denn ich bin berufen, Menschen zu lieben, die von Gott die Fähigkeit haben, auch zurückzulieben. Ich bin befähigt, Menschen zu lieben, die Gott in einer ganz besonderen Weise geliebt hat.
Das heißt, die Menschen in der Gemeinde, die Mitglieder, selbst wenn sie mir auf die Nerven gehen – was hoffentlich nicht oft vorkommt, aber wer weiß –, sind von Gott auf eine besondere Art und Weise geliebt worden. Gott war bereit, für sie zu sterben. Jesus starb am Kreuz für den, den du vielleicht nicht besonders liebenswert findest.
Gott hat dir gezeigt, wie man solche Menschen liebt. Wenn du das bei dir selbst nicht klar sehen kannst, dann siehst du es wenigstens an einem anderen. Und dann fang an zu sagen: Wenn mein geliebter Herr sie so liebt, will ich es auch tun.
Genau das sagt unser Text: Die brüderliche Liebe untereinander soll herzlich sein. Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor, und ihr sollt eines Sinnes sein untereinander.
Jesus will die anderen durch dich lieben und für sie durch dich sorgen. Das ist die Funktion, die er dir gegeben hat. Du bist wertvoll und nützlich für Gott, und er will etwas Erstaunliches tun. Er will dich nehmen und befähigen, gibt dir seine Liebe ins Herz, gibt dir Gaben und sagt: „Damit will ich jetzt jemand anders segnen.“
Genauso will er dich durch Geschwister segnen, die er begabt und mit Liebe ausgerüstet hat und in dein Leben bringt.
In Vers 13 heißt es: Nehmt euch der Nöte der Heiligen an, übt Gastfreundschaft. Vers 15 fordert uns auf: Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden.
Lasst uns eine Gemeinde sein, die so handelt, die einander so liebt!
Weißt du, wer welche Nöte hat? Kennst du die Freuden und Leiden deiner Geschwister? Weißt du, wer ein Wort der Ermutigung braucht? Weißt du, wer praktische Hilfe benötigt?
Um einander so zu lieben, müssen wir uns in einander investieren. Wir müssen Zeit miteinander verbringen. Die Nöte, Freuden und Sorgen unserer Glaubensgeschwister erfahren wir nicht durch Smalltalk.
Achtet darauf, wenn ihr zusammenkommt – vielleicht im Hauskreis –, dass ihr beim Austausch von Gebetsanliegen nicht nur sagt: „Du kannst für meine Prüfung nächste Woche beten“ oder „Meine Tante ist krank, betet mal für sie.“ Nein, teilt mit, was geistlich in deinem Leben los ist: die Kämpfe, Herausforderungen, Bereiche, in denen du Ermutigung brauchst, vielleicht auch, wo du merkst, dass du nicht gut unterwegs bist und Geschwister einlädst, dir zu helfen oder dich zu ermahnen.
Öffne dich, teile deine Nöte, Sorgen und auch deine Freuden, damit Geschwister das tun können, wozu sie von Gott berufen sind.
Lasst uns das auch im Miteinander tun – nach dem Gottesdienst vielleicht noch einmal ins Gespräch kommen. Vielleicht sagst du: „Ich rufe mal Bettina an und frage sie, wie ich mich ab Mittwoch mehr in der Gemeinde einbringen kann. Was kann ich tun?“ Oder du gehst zu Ralf und fragst: „Was bedeutet Technik eigentlich genau?“
Manchmal reicht es auch, einfach die Augen offen zu halten. Die Feiertage sind gerade vorbei, aber sie kommen immer wieder. Da sitzen Leute, die allein kommen, vielleicht Singles oder Studenten. Frag doch mal, was sie an Feiertagen machen. Vielleicht sitzen sie zuhause allein. Lade sie ein, bring deine Familie mit hinein.
Oder du siehst junge Eltern mit Kindern, die abends kaum Zeit für Gemeinschaft haben. Dann sag: „Ich will dich nicht lange aufhalten, ich weiß, deine Kinder müssen schlafen oder essen, aber kann ich vielleicht mal als Babysitter helfen?“
Oder du siehst eine Geburtsanzeige und denkst: „Mit kleinen Kindern hat man wenig Schlaf und alles ist anstrengend. Könnte ich vielleicht Essen vorbeibringen? Kann ich praktisch helfen?“
Doris Belzig ist relativ bekannt in der Gemeinde und kümmert sich darum, solche Dienste aneinander zu vermitteln.
Oder du siehst unsere älteren Geschwister, die vielleicht krank sind und auf der Krankenliste stehen. Vielleicht kannst du sie besuchen und ihnen aus der Bibel vorlesen.
Ich weiß, Gisela Schürmann, unser ältestes Gemeindemitglied, braucht ab und zu praktische Hilfe. Gerade habe ich erfahren, dass sie demnächst mehr Hilfe braucht, weil jemand aus persönlichen Gründen nicht mehr helfen kann. Vielleicht magst du sie ab und zu besuchen und ihr praktisch zur Hand gehen. Gisela ist ein interessanter Gesprächspartner.
Wer braucht Trost? Wer sieht so aus, als bräuchte er Trost? Nicht bohren, vielleicht will die Person gerade nicht reden – das ist okay. Aber vielleicht kannst du sagen: „Wie kann ich für dich beten? Wie kann ich für dich da sein?“
Ein letzter Punkt: Deine Gemeindeliste ist eine gute Gebetsliste, sogar mit Bildern. Wenn du sie durchblätterst, findest du vielleicht Geschwister, die du lange nicht gesehen hast. Vielleicht brauchen sie Ermutigung, mal wieder zu kommen, oder auch Ermahnung.
Lasst uns so aufeinander achten und füreinander da sein!
Das muss nicht mit 380 Leuten auf einmal geschehen. Fang an mit denen, die in deiner Nähe wohnen, die du schon länger kennst oder zu denen du eine Beziehung hast.
Ihr Lieben, lasst uns dem Herrn dienen, indem wir gezielt darauf achten und gezielt danach fragen, wie wir einander dienen können.
Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt, sondern seid brennend im Geist und dient dem Herrn! So steht es in Vers 11.
Dieser Dienst am Herrn, dieses Sich-Gott-Hingeben, dein vernünftiger Gottesdienst, zeigt sich in deinem Dienst an anderen.
Persönliche Herausforderung und Vorbild in der Gemeinde
Schließlich, wie geht es dir mit dieser Predigt? Ist das so eine Predigt, bei der man denkt: Ja, klingt gut, aber es ist ein bisschen zu viel? Ich muss zugeben, mir geht das manchmal so.
Ich denke schon, dass es in der Theorie super wäre. Aber in der Praxis – also wenn die anderen sich alle daran halten würden – wäre das natürlich großartig. Und überhaupt: Ich bin auch nicht in allen Dingen begabt. Ich weiß schon, es wäre natürlich gut, aber es ist jetzt nicht so meine Stärke. Und dann rechtfertige ich meine Passivität.
Kennst du das? Schon mal erlebt? So ganz tief in deinem Herzen drin? Es ist letztendlich nämlich eine Frage unseres Herzens.
Was ich immer wieder brauche, ihr Lieben, ist ein verändertes Denken. Ich muss immer wieder neu denken, ich muss immer wieder mein Denken verändern lassen. Sonst verändert sich mein Leben immer wieder in Richtung des Trotts der Welt.
Und das geschieht eben nur, wenn ich mich immer wieder auf die Barmherzigkeit Gottes besinne.
Ich möchte schließen und euch einfach mal exemplarisch ein absolut vorbildliches Gemeindemitglied vor Augen stellen. Keine Sorge, es bist nicht du. Der ist hier, und dem ist das nicht unangenehm. Ich kriege nachher keine Schimpfe.
Es ist jemand, ein bemerkenswerter Mann, der sich immer in andere investiert. Er spricht prophetisch ins Leben von Menschen – das habe ich selbst erlebt. Er ist voller Erkenntnis und voller Weisheit. Er hat eine Gabe zu lehren.
Aber nicht nur das: Er ist auch praktisch. Er weiß, wann ich Trost brauche, wann ich Ermahnung brauche, wann ich Ermutigung brauche. Er gibt sich komplett hin zum Wohle anderer, ganz konkret auch zu meinem Wohl.
Er schreckt nicht davor zurück, selbst Schwierigkeiten zu akzeptieren, um für andere da zu sein. Er ist so voller Liebe – absolut berührend.
Er ist hier in der Gemeinde, dort oben das Haupt. Er gibt dem Leib ein großes Herz.
Wollen wir ihm ähnlicher werden? Wollen wir mehr werden wie er? Dafür möchte ich beten.
Himmlischer Vater, danke, dass du deine Gemeinde baust. Du baust sie mit Menschen wie uns, weil du uns erkauft hast durch Jesu Blut.
Du hast die Gemeinde gegründet, du baust die Gemeinde, du bist ihr Herr. Du bist ihr Herz, du bist der Geist, der die Gemeinde bevollmächtigt.
Wir wollen dich bitten, dass du uns immer mehr zeigst, was es für uns heißt, Teil deines Leibes zu sein, Glied in deinem Leib und Mitglied an anderen.
Hilf uns, dir ähnlicher zu werden, zu wachsen in der Bereitschaft, uns dir hinzugeben – mit allem, was wir haben und sind, und aus vollem Herzen.
Herr, ich weiß, ich bin nicht fähig dazu, es sei denn, du tust es. Und darum bitte ich dich. Amen.