Ihr seht auf dem Bild schon: Es geht wieder um Abraham. Diesmal um ein Kapitel, das sicherlich sehr bewegend ist, weil es zeigt, wie Gott den Glauben prüft und stärkt.
Die Frage ist: Bei diesem Kapitel können wir wirklich Gott das Liebste geben? Gott prüft Abraham.
Wir wollen dazu das 22. Kapitel im ersten Buch Mose aufschlagen und die ersten neunzehn Verse lesen.
Die Prüfung Abrahams durch Gott
Und es geschah nach diesen Dingen, da prüfte Gott Abraham. Er sprach zu ihm: „Abraham!“ Er antwortete: „Hier bin ich.“
Da sprach Gott: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, und zieh hin in das Land Moria. Opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir nennen werde.“
Früh am Morgen machte sich Abraham auf, sattelte seinen Esel und nahm seine beiden Knechte sowie seinen Sohn Isaak mit. Er spaltete Holz für das Brandopfer und ging zum Ort, den Gott ihm genannt hatte.
Am dritten Tag erhob Abraham seine Augen und sah den Ort von fern. Er sagte zu seinen Knechten: „Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich aber und der Junge wollen dorthin gehen, um anzubeten. Danach kehren wir zu euch zurück.“
Abraham nahm das Holz für das Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. In seiner Hand hielt er Feuer und Messer. So gingen beide miteinander.
Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: „Mein Vater!“ Er antwortete: „Hier bin ich, mein Sohn.“ Isaak fragte: „Siehe, da sind Feuer und Holz, aber wo ist das Schaf für das Brandopfer?“
Abraham sagte: „Gott wird sich das Schaf zum Brandopfer ersehen, mein Sohn.“ So gingen beide weiter.
Sie kamen an den Ort, den Gott ihm genannt hatte. Abraham baute dort den Altar und schichtete das Holz darauf. Dann band er seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz.
Abraham streckte seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten. Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel her zu: „Abraham! Abraham!“ Er antwortete: „Hier bin ich.“
Der Engel sprach: „Strecke deine Hand nicht aus nach dem Jungen und tu ihm nichts. Denn jetzt habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest, weil du deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast.“
Abraham erhob seine Augen und sah, und siehe, da war ein Widder im Gestrüpp, der an seinen Hörnern festgehalten war. Abraham ging hin, nahm den Widder und opferte ihn anstelle seines Sohnes als Brandopfer.
Abraham gab diesem Ort den Namen „Der Herr wird ersehen“. Noch heute sagt man: „Auf dem Berg des Herrn wird ersehen.“
Der Engel des Herrn rief Abraham ein zweites Mal vom Himmel her zu und sprach: „Ich schwöre bei mir selbst, spricht der Herr: Weil du das getan und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast, werde ich dich reichlich segnen.
Deine Nachkommen werde ich überaus zahlreich machen, wie die Sterne des Himmels und wie den Sand am Ufer des Meeres. Eine Nachkommenschaft wird das Tor ihrer Feinde in Besitz nehmen.
In deinem Samen werden sich alle Nationen der Erde segnen, dafür dass du meiner Stimme gehorcht hast.“
Dann kehrte Abraham zu seinen Knechten zurück, und sie machten sich auf und zogen gemeinsam nach Beerscheba. Abraham ließ sich dort nieder.
Soweit Gottes Wort.
Innere Auseinandersetzung mit der Geschichte und Glaubensfragen
Wer bei der Malachi-Konferenz dabei war, der hat sicherlich noch den Vortrag von Wolfgang Bühne im Ohr und im Herzen, den er zu diesem Abschnitt gehalten hat. Ich muss sagen, das war sehr zu Herzen gehend – jedes Mal aufs Neue.
Wenn man diese Geschichte liest, ist man, glaube ich, hin- und hergerissen zwischen innerem Bewegtsein und Unverständnis. Im Grunde können wir Gott nicht vollständig verstehen. Wie kann Gott so sein? Doch Gott stellt auch uns mit solch einem Kapitel die Frage: Wie weit geht mein Gottvertrauen?
Wir wollen uns wieder einige Fragen stellen, wie bei den anderen Bibelarbeiten auch. Zuerst einmal betrachten wir den Hintergrund und die Vorgeschichte der Situation. Welche Probleme hat Abraham? Wie geht Gott vor? Wie erreicht er das Herz? Wie löst er den Fall? Und was können wir daraus lernen?
Also schauen wir uns erst einmal den Hintergrund und die Vorgeschichte an. Wir haben uns ja in diesen Tagen schon etwas mit Abraham beschäftigt, aber es sind auch noch weitere Kapitel dazwischen gewesen. Eigentlich könnte man sagen, Abraham kann sich geistlich ausruhen. Gott hatte nach 25 Jahren die Verheißung wahrgemacht: Isaak war geboren. Abraham und Sarah hatten 25 Jahre darauf gewartet. Der Rivale Ismael wurde weggeschickt. Abraham hatte ihn gesegnet und ihn mit seiner Mutter Hagar weggeschickt.
Gott war Hagar dann noch einmal begegnet, hatte ihr Mut gemacht und ihr auch eine Verheißung für Ismael gegeben. Man könnte sagen, jetzt kann doch alles gut sein. Es ist Frieden, Isaak kann sich gut entwickeln. Isaak ist zu diesem Zeitpunkt etwa vierzehn Jahre alt, ich nehme an, ein Teenager.
Ich weiß nicht, was Abraham seinem Sohn bisher erzählt hat aus seinem Leben, seinen Gotteserfahrungen, wie Gott ihm begegnet war, damals in Ur Kasdim, wie er sich auf den Weg gemacht hatte und welche Verheißungen Gott ihm gegeben hatte. Und wie sehr er auf ihn, auf Isaak, gewartet hat, weil er der Sohn der Verheißung ist.
Isaak muss gewusst haben: Auf mir liegt die gesamte Verantwortung und auch die ganze Erwartung meines Vaters. Ich muss die Verheißung weiterführen.
Aber Abraham hat auch Probleme. Wir haben hier gelesen: Nach diesen Dingen prüft Gott Abraham. Und wir können uns fragen: Gott, warum prüfst du Menschen?
Wir kennen in der Bibel zwei Arten von Prüfungen oder Versuchungen. Der Teufel versucht, aber er hat das Ziel, zu vernichten und zu zerstören. Wenn Gott prüft, dann tut er das, um unseren Glauben zu stärken.
Wolfgang Bühne hat das so gesagt: Das ist wie in der Technik eine Materialprüfung.
Die Bedeutung von Prüfungen im Glauben
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als in Wuppertal bei der berühmten Schwebebahn eine neue Straße gelegt wurde. Dabei musste ein Stützpfeiler entfernt werden. Auf beiden Seiten der Brücke wurden zwei riesige neue Stützpfeiler gebaut. Anschließend wurde das Fahrgerüst der Schwebebahn mit Stahlseilen an diesen Stützpfeilern gehalten, damit der mittlere Stützpfeiler weggenommen werden konnte.
Jetzt musste das Ganze erst einmal geprüft werden. Die Statik war berechnet, aber die Techniker verlassen sich nicht nur auf die Rechnungen. Sie probieren erst aus, ob es auch tatsächlich hält – einen Belastungstest sozusagen. Solch ein Belastungstest dient natürlich nicht dazu, dass das Gerüst hinterher zusammenbricht. Das wäre schrecklich. Vielmehr soll bewiesen werden, dass es tatsächlich hält.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als dieser Testlauf durchgeführt wurde. Man ließ nicht nur eine Schwebebahn darüber fahren, sondern gleich vier Schwebebahnzüge, die mit Sandsäcken vollgepackt waren. So waren sie schwerer als voll besetzt mit Menschen. Diese Züge fuhr man auf die Teststrecke, um zu beweisen: Es hält.
Heute macht sich niemand Gedanken, wenn er mit der Schwebebahn fährt. Jeder vertraut darauf, dass sie hält. Eine Prüfung dient also dazu, zu beweisen, dass etwas hält.
Wenn Gott uns prüft, hat das dasselbe Ziel: zu beweisen, dass unser Glaube hält. Man könnte natürlich fragen: Warum macht Gott das? Weiß Gott das nicht? Gott ist doch der Statiker. Er weiß, wie stark mein Glaube ist.
Wir werden das noch sehen bei der Prüfung Abrahams. Gott tut das um Abrahams Willen. So geht es uns ja auch selbst: Wenn Gott uns prüft, fällt es uns in der Prüfung schwer. Aber nach der Prüfung sind wir dankbar, dass Gott uns durchgetragen hat. Unser Vertrauen zu Gott ist gewachsen.
Gottes Ruf an Abraham und dessen Reaktion
Wir haben gelesen, dass Gott zu Abraham spricht. Er ruft ihn mit seinem neuen Namen. Abraham hieß ja vorher nur Abram, und Gott gab ihm den Namen Abraham, was „Vater einer Menge“ bedeutet. Er ruft ihn mit diesem Namen, und Abraham kennt inzwischen die Stimme Gottes. Er reagiert sofort mit „Hier bin ich“. Sozusagen signalisiert er: Ich bin aufnahmebereit.
Ich kenne das vielleicht vom Funkverkehr bei Piloten. Wenn sie mit dem Tower in Kontakt sind, wird immer die Codenummer und die Flugnummer genannt. Dann muss sich der Pilot melden und das wiederholen, damit deutlich wird: Ich bin auf Sendung. Abraham meldet sich ebenfalls mit „Hier bin ich“. Er ist bereit zu hören, „Sprich, her!“
Das ist die Frage immer, auch für uns. Wenn wir in eine Bibelstunde gehen, in den Gottesdienst oder stille Zeit machen, müssten wir in einer solchen Empfangsbereitschaft stehen: „Gott, hier bin ich, rede du!“ Ich muss von mir selbst bekennen, dass ich nicht immer in dieser Haltung bin, wenn ich zur Gemeinde gehe. Wenn dann jemand vorne aufs Podium geht, denke ich oft: „Na, bin mal gespannt, was er uns sagt.“ Aber eigentlich müssten wir da sein und auch sagen: „Gott, hier bin ich, ich möchte hören, was du sagst, was du durch den Bruder sagst.“
Der Bruder ist ja eigentlich gar nicht wichtig, ich bin gar nicht wichtig. Es ist wichtig, was Gott uns zu sagen hat. Abraham ist in Empfangsbereitschaft. Ich glaube, als Gott ihm offensichtlich, wahrscheinlich nachts, einen Befehl gab, hat Abraham vermutlich zuerst gedacht: „Habe ich das nur geträumt? Das kann doch nicht wahr sein! Gott, das kann doch nicht dein Wille sein!“
„Nimm deinen Sohn, deinen Einzigen, den du lieb hast, den Isaak!“ Gott definiert ganz genau, wen er meint. „Nimm deinen Sohn.“ Aber welchen denn? Ismael oder Isaak? „Deinen Einzigen.“ Ja, aber eigentlich habe ich doch zwei. „Den, den du lieb hast.“ Ach so, das war schon klarer. Den Isaak. Jetzt war es ganz eindeutig, da gab es kein Vertun.
„Und ziehe hin in das Land Moria. Gut, eine Reise, drei Tage Reise. Gott, was hast du vor? Was soll ich da? Und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir zeigen werde.“ Habe ich mich verhört?
So etwas hat Gott doch noch nie gefordert. Der Gott der Bibel hat doch nie Menschenopfer verlangt. Ich muss mich verhört haben. Gott ist doch nicht Baal, Gott ist doch nicht die Aschera, Gott ist doch nicht einer der Götzen der Umgebung. Bei den Kanaanäern kannte man Menschenopfer. Aber der Gott der Herrlichkeit, der Abraham aus Ur in Chaldäa gerufen hatte, der ihm die Verheißung gemacht hatte: „Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben“ – das ist kein brutaler Gott.
Abrahams innere Kämpfe und sein Gehorsam
Welche Gedanken mag Abraham gehabt haben? Stellt euch vor, Gott spricht zu ihm in der Nacht. Ich glaube, Abraham konnte danach nicht mehr schlafen. Was muss in seinem Kopf vorgegangen sein?
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass seine Gedanken Purzelbäume schlugen: Gott, du hast doch versprochen, dass in Isaak die Verheißung wahr wird. Das hast du doch ausdrücklich gesagt! Wie lange haben wir darauf gewartet? Isaak ist ein Wunder, er ist gegen die Naturgesetze geboren worden. Und zuerst konnten wir es nicht glauben, dann haben wir geglaubt. Gott und wir waren erleichtert, dass dieser Isaak geboren wurde. Doch die Menschen in unserer Umgebung schüttelten den Kopf und sagten: „Das gibt es doch gar nicht!“
Und jetzt forderst du, dass ich diesen Isaak opfere? Was habe ich denn getan? Als Brandopfer? Ich habe doch nichts Böses getan! Gott sagt nicht, es soll ein Sündopfer sein. Gott, warum?
Ein Brandopfer war ein Opfer. Ich glaube, Mose wusste das schon, obwohl das Gesetz vom Sinai ja noch nicht bestand. Ein Brandopfer war ein Ganzopfer. Sicherlich wusste Abraham, dass das Brandopfer ein Ganzopfer war, anders als ein Sündopfer.
Wie wird Abraham sich in dieser Nacht von einer Seite auf die andere gewälzt haben? Dann lesen wir, dass Abraham früh am Morgen aufbricht und nichts zu seiner Frau sagt. Warum wohl nicht? Sie hätte ihn abgehalten. Sie hätte gesagt: „Abraham, du hast dich verhört. Das kann es nicht geben, so ist Gott nicht. Leg dich wieder hin, schlaf mal drüber!“
Abraham sagt nichts zu seiner Frau. Er sagt auch noch nichts zu Isaak. Stell dir vor, er hätte Isaak morgens geweckt und gesagt: „Isaak, wir machen jetzt eine Reise, und Gott hat gesagt, ich muss dich töten.“ Was hätte Isaak gemacht? Er hätte sich versteckt, er wäre weggelaufen. Wahrscheinlich hätte er gesagt: „Vater, du musst wahrscheinlich in die Irrenanstalt, oder? Das kann es doch nicht sein! Warum habt ihr so lange auf mich gewartet? Ich bin doch ein Wunder!“
Aber Abraham macht sich auf den Weg. Ich fand es bezeichnend, wie Wolfgang Bühne das in seinem Vortrag dargestellt hat: Er sattelt zuerst den Esel, nimmt seine beiden Knechte und seinen Sohn Isaak mit, und dann spaltet er Holz zum Brandopfer und macht sich auf den Weg.
Wolfgang Bühne hatte deutlich gemacht, dass Abraham nicht erst das Holz spaltet. Man könnte fragen, warum nicht? Hätte er erst das Holz gespaltet, hätte er sich lange damit aufhalten und den Weg hinauszögern können. Nein, er macht den Esel reisefertig, bestellt die beiden Knechte und bereitet seinen Sohn Isaak vor. Und die stehen praktisch dabei, während er das Holz spaltet.
Das heißt, er setzt sich selbst ein Limit, indem er sich keine Fluchtmöglichkeit mehr lässt. Man könnte sagen, er überlistet sich selbst. Solche Situationen finden wir manchmal in der Bibel.
Das Überlisten eigener Grenzen als Beispiel für Gehorsam
Mir fiel das einmal im Neuen Testament auf. Ihr kennt wahrscheinlich die Geschichte von Philippus, der dem Kämmerer aus dem Morgenland begegnet. Gott hatte Philippus berufen, auf die öde Straße, die nach Gaza führt, zu gehen. Philippus wusste jedoch nicht, wofür das nötig ist.
Dann kommt das Gefährt des Kämmerers aus dem Morgenland, wahrscheinlich mit Standarte und Nobelkarosse. Wenn wir uns überlegen: Die Straße führt nach Gaza, und der Kämmerer kommt von Jerusalem. Das heißt, er kommt von hinten. Philippus hört den Wagen kommen, und Gott sagt ihm: Schließ dich diesem Wagen an.
Wie reagiert Philippus? Er hätte einfach stehen bleiben und warten können, bis der Wagen kommt. Aber stattdessen läuft er ihm entgegen. Warum macht er das? Ich weiß nicht, kennt ihr das? Wenn man Einladungen verteilt, also so Klinken putzt oder von Tür zu Tür geht, durch ganze Häuserzeilen, vom Briefkasten zu Briefkasten – kennt ihr das Gefühl, wie aufgeregt man ist, wie einem das an die Pumpe geht, man Magenschmerzen bekommt und weiche Knie?
Wie leicht man dann geneigt ist, sich zu sagen: Ach, wir geben das nur hier unten ab und laufen nicht die Treppen rauf. Deshalb ist es immer wichtig, sich selbst zu überlisten. Am besten fängt man oben an und nicht unten, sondern von oben nach unten. Das geht viel leichter, weil man das größte Hindernis gleich zu Anfang überwunden hat.
Ich glaube, das ist hier ähnlich. Abraham überlistet sich selbst. Er stellt sich unter Druck: Ich muss gehorsam sein. Also bereitet er alles vor und zögert nicht. Er macht sich auf und geht an den Ort, den Gott ihm befohlen hat. Drei Tage ist er unterwegs.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie diese Wanderung gewesen ist: schweigend. Für Isaak muss das eigentümlich gewesen sein. Ich denke, er kannte seinen Vater so nicht. Für die Knechte muss es ebenfalls eigentümlich gewesen sein, einen schweigenden Abraham zu sehen.
Dann sieht Abraham von fern den Berg. Er sagt zu den Knechten: „Bleibt ihr hier.“ Und was sagt er ihnen als Begründung? „Ich und der Knabe, wir wollen dort hingehen und anbeten und zu euch zurückkehren.“ Ist das gelogen? Gott hatte doch gesagt, du sollst Isaak opfern. Und er sagt den Knechten, dass sie zurückkommen.
Was muss also in diesen drei Tagen Wanderung in seinem Herzen passiert sein? Zu welchem Ergebnis muss er gekommen sein? Richtig, das, was im Hebräerbrief Kapitel 11 steht über ihn. Wir merken, dass in diesen drei Tagen Wanderung in seinem Kopf und in seinem Herzen gearbeitet wurde.
Abrahams Glaube an Gottes Verheißung trotz Unverständnis
Gott, was hast du vor? Wie kannst du das miteinander vereinbaren? Für Abraham ist klar: Gott kann nicht lügen. Er hat verheißen, dass in Isaak die Nachkommenschaft weiterbesteht und gesegnet wird. Isaak ist der Träger dieser Verheißung. Das muss Gott aufrechterhalten.
Es kann nicht sein, dass Abraham noch einen Sohn bekommt und diesen dann vielleicht auch Isaak nennt. Davon hat Gott nichts gesagt. Also muss Gott mit diesem Isaak, den Abraham jetzt opfern soll, trotzdem weitermachen. Aber wie?
Können wir uns vorstellen, welche Gedanken Abraham sich macht? Für uns ist das heute verhältnismäßig einfacher, weil die Bibel an mehreren Stellen von Totenauferstehung spricht und wir die Auferstehung des Herrn Jesus kennen. Deshalb wissen wir, dass das für Gott ein kleines Wunder ist.
Aber zur Zeit Abrahams hatte es so etwas noch nie gegeben. Bis dahin war noch keiner aus den Toten zurückgekommen. Merken wir, was das für ein Glaube ist? Woher kommt es, dass Abraham zu dieser Schlussfolgerung gelangt?
Nur daraus, dass er sagt: Gott kann nicht lügen. Er hat es zugesagt, und also wird er eine Lösung finden. Wenn ich Isaak töten soll, dann muss Gott ihn auch zum Leben wiederbringen. Wie er das macht, weiß Abraham nicht.
Merken wir, das ist Glaube – gegen allen menschlichen Verstand Gott alles zuzutrauen. An diesem Punkt merke ich, wie klein mein eigener Glaube ist.
Die meisten Menschen heute, auch viele sogenannte Christen, sagen: Alles, was in der Bibel steht, kann ja nicht stimmen. Solche Wunder gibt es doch nicht. Das sind Wunschvorstellungen derer, die die Bibel geschrieben haben.
Aber wenn ich glaube, dass die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite Gottes geoffenbartes Wort ist, dann gibt es in meiner Bibel keinen Widerspruch, auch wenn ich manches nicht verstehe. Wenn scheinbare Widersprüche auftauchen, dann liegt das an meinem begrenzten Denken, niemals am Wort Gottes.
Gott kann nicht lügen. Was er zusagt, hält er gewiss. Und das ist Glauben.
Alle, die anzweifeln und sagen, die Wunder der Bibel seien Hirngespinste und Wunschdenken, und dass die Bibel ein Märchenbuch sei, haben nicht verstanden, wer Gott ist. Ein Gott, der die Welt geschaffen hat und alle Naturgesetze gemacht hat, für den ist es ein Leichtes, diese Gesetze zu verändern.
Das ist wie ein Programmierer, der Computerprogramme schreibt. Für ihn ist es einfach, in das Programm einzugreifen und es zu verändern. Für mich, der die Programme benutzt, habe ich keine Ahnung davon. Aber derjenige, der die Programme gemacht hat, kann sie verändern.
So ist es auch bei Gott. Für Gott ist es ein Leichtes.
Ich kann immer sagen: Ich habe einen wunderbaren und großen Herrn, der alles kann und dem ich alles zutraue.
So kommt Abraham auf diesen Gedanken. Er sagt zu seinen Knechten: Wir werden anbeten und zu euch zurückkehren. Wir werden zurückkehren.
Damit glaubt Abraham: Wenn ich meinen Sohn opfern muss, wird Gott ihn nicht erst in zehn oder zwanzig Jahren wieder auferwecken, sondern sofort. Wir werden zurückkommen.
Ich staune über den Glauben Abrahams.
Gottes Begleitung und Abrahams Anbetung auf dem Weg
Wir könnten fragen: Wie geht Gott vor? Schon auf dem Weg nach Moria geht Gott mit und beobachtet Abraham. Er beobachtet die Gedanken Abrahams. Im Grunde könnte man meinen: „Gott, in dem Moment, in dem du im Herzen von Abraham merkst, dass er dir alles zutraut und daran glaubt, dass er Isaak wieder auferwecken wird, hat er doch eigentlich die Prüfung bestanden. Jetzt brauchst du es doch nicht mehr auf die Spitze zu treiben.“ Aber Gott geht weiter mit.
Gott beobachtet, wie Abraham gehorcht, und das finde ich erstaunlich. Während der drei Tage der Wanderung kommt Abraham nicht nur zu dem Ergebnis, dass Gott ihm den Sohn wiedergeben wird, sondern er sagt auch: „Wir gehen dahin und wollen Gott anbeten.“ Wisst ihr, dass das das erste Mal ist, dass dieser Ausdruck in der Bibel vorkommt? Anbetung.
Was ist Anbetung? Heute wird Anbetung oft völlig falsch verstanden. Heute versteht man darunter oft Worship, Lobpreis. Man meint, Anbetung habe etwas zu tun mit schönen Liedern, einem schönen Gefühl, ein paar Kerzen, einem wohltuenden Kribbeln im Rücken oder einer Andacht. Von all dem kommt hier nichts vor.
Als Abraham mit seinem Sohn dort auf dem Berg ist, zündet er keine Kerzen an, macht keine Musik und singt kein Lied. Merken wir: Anbetung ist viel mehr als das. Natürlich kann man bei Anbetung auch ein Lied singen, aber das ist nicht das Wesentliche.
Anbetung, so möchte ich es definieren, ist Staunen über Gott, auch wenn ich Gott nicht verstehe. Staunen über Gott. Und Abraham hat zu diesem Zeitpunkt Gott nicht verstanden.
Abraham konnte ja nicht wissen, dass Gott diese Begebenheit gebrauchen will, damit wir heute etwas von dem verstehen, was auf Golgatha geschehen ist. Das wusste Abraham nicht. Er sieht Gott sozusagen, er sieht sein Wesen, er versteht Gott nicht, aber er traut Gott alles zu. Abraham glaubt, dass Gott eine Lösung hat.
Ich glaube, diese Geschichte kann uns Mut machen. Wie oft verstehen wir Gott nicht in Situationen unseres Lebens. Aber wir dürfen ihm alles zutrauen.
Ich denke an eine Begebenheit: Wir haben bei uns in der Gemeinde einen jungen Mann, der 31 Jahre alt ist, verheiratet und drei Kinder hat. Er war im vergangenen Jahr im August im Krankenhaus wegen einer kleinen Fistel-Operation. Wir dachten damals, das sei eine Lappalie. Während der Operation kam es zu einer Blutvergiftung, der Kreislauf setzte aus, das Herz blieb stehen, es folgte eine Wiederbelebung und drei Monate künstliches Koma.
Der junge Bruder liegt im Bett, kann nicht selbst essen, aber es fängt langsam wieder an. Und wir fragen uns: Gott, was soll das? In den ersten Wochen und Monaten haben wir als Gemeinde viel gebetet.
In vielen Dingen können wir Gott nicht verstehen. Das dürfen wir ihm auch ruhig sagen. Aber wir dürfen wissen: Gott macht nichts verkehrt. Auch wenn wir nicht wissen, warum, vielleicht werden wir es im Nachhinein einmal verstehen.
Gott, was hast du vor? Abraham wird das in seinem ganzen Leben nicht verstanden haben, warum das geschehen musste. Wir im Neuen Testament können Schlussfolgerungen ziehen, aber Abraham damals nicht. Und trotzdem betet er Gott an, erstaunt über diesen Gott.
Die Lösung Gottes und die Lektion der Stellvertretung
Wie löst Gott den Fall?
Stellen wir uns die Situation vor: Abraham geht mit seinem Sohn auf den Berg. Isaak fragt: „Mein Vater!“ – „Hier bin ich, mein Sohn!“ „Siehe, das Feuer und das Holz, aber wo ist das Schaf zum Brandopfer?“
Wir merken, dass Isaak, obwohl er noch jung ist, etwas gelernt hat. Zum Opfern gehört ein Schaf, ein Opfertier. Das hat er bei seinem Vater gesehen, das kannte er schon. Und er merkt, dass hier etwas fehlt.
Es klingt so, als ob Abraham etwas ausweicht und sagt: „Gott wird sich ersehen.“ Isaak gibt sich zufrieden. Beide steigen den Berg hinauf. Abraham baut den Altar und schichtet das Holz darauf.
Die Dramatik sehe ich am Ende von Vers neun: „Dann band er seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar oben auf das Holz.“ Isaak, warum wehrst du dich nicht? Warum läufst du nicht weg? Er ist kein kleines Kind mehr, und sein Vater ist ein Greis. Das schaffst du doch spielend, deinem Vater das Messer aus der Hand zu nehmen.
Isaak, du könntest dich doch wehren. Warum lässt du es stillschweigend zu, dass dein Vater dich bindet und auf den Altar legt?
Ich schließe daraus, dass Isaak in den drei Tagen auf der Wanderung seinen Vater beobachtet hat und die inneren Kämpfe seines Vaters miterlebt hat. Wenn sein Vater sagt: „Gott wird sich ersehen das Schaf zum Brandopfer“, was mag in Isaaks Herz vorgegangen sein?
Heute würde jeder sagen: Wer so etwas in seiner Jugend miterlebt, hat zeitlebens traumatische Verhältnisse. Der ist reif für die Psychiatrie und braucht unbedingt Behandlung.
Stellt euch das vor: Der eigene Vater steht mit dem Messer über dem Sohn. Warum schreit Isaak nicht? Warum bekommt Isaak nicht das Bild, „Ich habe einen Monster als Vater“?
In diesen drei Tagen scheint das Bild, das Isaak von seinem Vater hat, gewachsen zu sein. Er erlebt in dieser Situation: Für meinen Vater steht Gott an erster Stelle. Und obwohl er mich lieb hat, stehe ich nicht an erster Stelle, sondern Gott.
Das ist auch für uns die Frage: Was steht bei mir an erster Stelle? Nicht du stehst bei mir an erster Stelle, sondern der Herr Jesus.
Ich glaube, das ist wichtig. An erster Stelle muss der Herr Jesus stehen. Das lernt Isaak in diesem Moment: Für meinen Vater steht Gott an erster Stelle – und nicht ich, der Einzige, den er lieb hat.
Erst in diesem entscheidenden Moment greift Gott ein. Erst als Abraham das Messer gezückt hat – und das heißt, um seinen Sohn zu schlachten – greift Gott ein.
Abraham tut das nicht nur pro forma, sondern er will wirklich gehorsam sein.
Wir könnten fragen: Gott, warum hast du das nicht vorher abgebrochen? Gott sagt dann: „Ich weiß, ich weiß jetzt. Nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest, weil du deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast.“
Wusste Gott das nicht vorher? Natürlich wusste Gott das vorher. Aber warum lässt Gott es bis zu diesem Punkt kommen? Damit Abraham es selbst merkt.
Merken wir: Die Seelsorge Gottes lässt Dinge zu, und wir fragen, warum bis zum Äußersten? Gott lässt Dinge zu, damit wir selbst etwas begreifen.
Die Prüfung war für Abraham, nicht für Gott. Die Prüfung war für Abraham, und Gott hatte schon vorgesorgt. Er hatte schon wieder bestellt. Das war alles vorbereitet – ein Widder für Isaak.
Was muss das für Isaak gewesen sein, als Abraham das Messer sinken lässt, die Stricke durchschneidet, auf das Gestrüpp zugeht, den Widder herausholt, ihn auf den Altar legt und dann den Widder schlachtet – mit dem Messer, das über Isaaks Gesicht gewesen ist?
Isaak begreift: Dieser Widder stirbt jetzt an meiner Stelle. Damit ist das für Isaak eine Lektion der Stellvertretung.
Isaak hat es handgreiflich selbst erlebt: Eigentlich hätte ich sterben sollen, und jetzt stirbt dieser Widder an meiner Stelle.
Isaak lernt damit das Prinzip, das Gott in der ganzen Bibel hat: Du und ich, wir haben den Tod verdient. Wir können nur gerettet werden, wenn ein anderer für uns stirbt.
Das ist das Prinzip der Bibel.
Persönliche Anwendung und Abschlussgedanken
Wir könnten fragen: Was lernen wir daraus? Ihr habt gesehen, dass ich jeweils ein paar Bilder von berühmten Malern daneben gestellt habe. Man erkennt daran, wie dieser Maler hier ein Bild von Rembrandt zeigt, in dem der Engel des Herrn Abraham im letzten Moment an der Hand greift. Man merkt, wie diese Künstler versucht haben, sich in die Situation hineinzuversetzen.
Was lernen wir daraus? Auf der einen Seite stellt sich sicherlich die Frage an jeden Einzelnen: Was steht bei dir an erster Stelle in deinem Leben? Woran hängt dein Herz? Was hast du lieber als Gott? Bist du bereit, Gott wirklich an die erste Stelle deines Lebens zu setzen? Das bedeutet oft einen Kampf.
Abraham hat drei Tage gebraucht. Ich glaube, das hat auch damit zu tun, wie wir es schon bei der ersten Bibelarbeit bemerkt haben: Gott gibt uns Menschen Zeit zum Überlegen. Er drängt nicht. Gott hatte Abraham auch keinen festen Termin genannt. Abraham hätte auch vier Tage brauchen können – oder fünf. Gott wartet.
Die zweite Frage, die sich in diesem Abschnitt stellt, ist: Was bedeutet für mich Anbetung? Kenne ich das Staunen über Gott, auch wenn ich sein Handeln nicht verstehe? Was traue ich ihm zu?
Vielleicht nehmen wir auch mit: Gott hält seine Versprechen und Zusagen. Auch wenn wir meinen, dass es Widersprüche in der Bibel geben könnte, dürfen wir wissen, dass Gott zu seinem Wort steht. Was er zusagt, hält er gewiss.
Daher möchte ich uns Mut machen, von Abraham zu lernen – wobei ich niemandem wünsche, in so eine Situation zu kommen. Vielleicht nehmen wir mit: Gib Gott das Liebste und Beste, und er beschenkt dich mit noch Besserem und führt dich zur Anbetung. Amen.