
Unser Thema heute Nachmittag lautet: Gott will alle – die sagenhafte Reichweite des Evangeliums. Wir setzen unsere Betrachtung mit weiteren Texten aus dem Lukasevangelium fort. Allerdings steht der Mann, den Sie dort sehen, nicht im Lukasevangelium.
Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen: Richard Dawkins. Er zählt sicherlich zu den bekanntesten und aggressivsten Atheisten in Europa zurzeit. Dawkins lebt in England und ist Autor von Millionen-Bestsellern wie „Das egoistische Gen“ oder „Der Gotteswahn“. Er war auch Schirmherr einer Buskampagne mit dem Slogan: „Es gibt wohl keinen Gott, also hör auf, dir Sorgen zu machen und genieße dein Leben!“
Von ihm gibt es auch die Veröffentlichung „Die Schöpfungslüge – Warum Darwin Recht hat“. Darin sagt er: In einem Universum mit blinden physikalischen Kräften und genetischer Verdoppelung, während manche Menschen verletzt werden und andere Glück haben, wird man weder Sinn noch Verstand noch irgendeine Gerechtigkeit finden. Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, mit denen man rechnet, wenn dahinter kein Plan, keine Absicht, kein Gut oder Böse steht – nichts außer blinder, erbarmungsloser Gleichgültigkeit.
Die DNA, also unsere Erbinformation, weiß nichts und sorgt sich um nichts. Die DNA ist einfach da, und wir tanzen nach ihrer Musik.
In diesem Monat nun verbreitete die Studiengemeinschaft Wort und Wissen die Information, dass einer der früheren Mitarbeiter von Richard Dawkins, der eine Zeit lang als seine rechte Hand galt, Christ geworden sei. Vielleicht haben Sie davon gehört: Es ist jener Josh Timonen, der sich in den letzten Jahren als Christ gehalten hat.
Richard Dawkins hatte ihm dieses Buch, aus dem ich eben zitiert habe, gewidmet. Die englische Version lautet: „The Greatest Show on Earth – The Evidence for Evolution“, also „Die größte Show, die es auf der Erde bisher gegeben hat – die Evidenz für Evolution“. Dieses Buch hatte er Josh Timonen, also T-I-M-O-N-E-N, gewidmet.
Timonen, wie man ihn ausspricht, hat an vielen Aktionen mit Dawkins mitgewirkt – als Betreiber seiner Website, als Kameramann und als Macher von Filmen wie „The Four Horsemen“. Das ist ein ziemlich verbreitetes Video, das eine Diskussion der vier damals führenden Atheisten enthält.
Und jetzt diese Meldung: Josh Timonen hat sich dem christlichen Glauben zugewandt. Wie geschah das? Nun...
Timonen stammt ursprünglich aus einem christlichen Elternhaus. Im Laufe der Zeit wandte er sich jedoch, unter anderem durch Bücher von Dawkins, dem Atheismus zu. Sein Weltbild geriet ins Wanken, und zwar ausgerechnet im Jahr 2020 im Zusammenhang mit den staatlich verordneten Corona-Maßnahmen.
Die Duldung und Akzeptanz des Bösen durch viele, auch durch einige seiner Freunde, machte ihn betroffen. Dies führte zu einer gewissen Entfremdung von seinem sozialen Umfeld. Auf der Suche nach Gemeinschaft fragte er sich: Wo finde ich eine soziale Gemeinschaft, die sich dem nicht ergibt? Dabei stieß er auf Christen.
Er ging zunächst nur dorthin, weil er Menschen suchte. Diese rieten ihm, das Neue Testament gründlich zu lesen. Das tat Timon, und dort begegnete er dem, von dem das Neue Testament im Zentrum spricht: Christus. Nach und nach wurde er immer mehr davon überzeugt, dass Jesus wirklich gelebt hat, am Kreuz gestorben ist und auferstanden ist.
Im Nachhinein bezeichnet er dies als die große Wende für sich und seine Frau. Zwar sind noch nicht alle Fragen aus seiner atheistischen Zeit beantwortet, doch er ist sich sicher, dass dies die Wahrheit ist und dass man der Bibel vertrauen kann.
Man fragt sich vielleicht: Ist so etwas möglich? Wahrscheinlich haben Sie jetzt einige Bekannte oder Freunde vor Augen, bei denen Sie denken, sie würden sich nie bekehren, weil sie so weit weg zu sein scheinen.
Wenn wir wissen wollen, wie es geschieht, dass Menschen zu Jesus finden, dann müssen wir die Texte studieren, mit denen Bruder Driediger heute schon begonnen hat. Wir wollen nun fortsetzen mit zwei Begebenheiten aus dem 18. Kapitel des Lukas-Evangeliums.
Ich sah mich deshalb gedrängt, eben diesen Titel zu wählen: Gott will alle – die sagenhafte Reichweite des Evangeliums.
Jesus hatte am Ende des Matthäusevangeliums gesagt: „Geht hin in alle Welt und verkündigt das Evangelium allen Völkern.“ Außerdem schreibt Paulus in 1. Timotheus 2,4: „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden.“
„Gott will alle“ – dazu werden wir uns nun zwei Biografien ansehen. Dabei betrachten wir jeweils das Schicksalskapitel dieser beiden Lebensgeschichten. Die eine spielt sich im oberen Viertel der sozialen Skala ab, die andere wird uns ganz nach unten führen.
„Gott will alle“ ist auch der Titel eines ziemlich bekannten Liedes von Theo Lehmann. Pfarrer Theo Lehmann, der große Evangelist aus der ehemaligen DDR, lebt inzwischen in einem Seniorenheim. Bis ins Alter hat er gern mit Postkarten kommuniziert. Das ist heute etwas ganz Besonderes – so richtig mit Postkarten, mit Briefmarken und so weiter.
Diese Postkarten von Theo Lehmann erkannte man an einem ganz markanten Zeichen: einem großen Logo, das alle seine Postkarten zierte. Dieses Logo trug in dicken Lettern das Motto „Gott will alle, Gott will alle“. Vor Jahren hat er dazu ein Lied mit dem gleichen Titel gedichtet. Darin macht er auf seine sehr zupackende Art deutlich, dass wirklich alle alle bedeutet.
Hören Sie mal: Kein Mensch ist Gott zu gut, zu schlecht, wer zu ihm kommt, der ist ihm recht, Gott will alle.
Dann werden verschiedene Menschen aufgeführt:
Punker, die sich eine Ratte halten,
Pfarrer, die treu ihr Amt verwalten,
Gruftis, die in den Grüften sitzen,
Kellner, die für die Gäste flitzen –
Gott will alle.
Schwache, die immer nur versagen,
Starke, die auch Kritik vertragen,
Alte, die vor dem Sterben zittern,
Kranke, die nicht durch Leid verbittern,
Frauen, die sich für Geld verkaufen,
Männer, die ihr Gehalt versaufen,
Eltern, die ihre Kinder hauen,
Kinder, die sich ein Luftschloss bauen,
Redner, die Sand ins Auge streuen,
Sünder, die ihre Schuld bereuen,
Ladies, die teure Kleider tragen,
Sucher, die nach der Wahrheit fragen,
Penner, die unter Brücken hausen,
Playboys, die durch die Gegend brausen,
Mädchen, die Kinder abgetrieben,
Mütter, die Kinder lieben,
Rocker, die in der Clique leben.
Jetzt könnte man sagen: Youngster, die sich an Brücken kleben – das gab es damals noch nicht, also schreibt Theo Lehmann das ein bisschen anders.
Christen, die Gott die Ehre geben,
Reiche, die nur an Luxus denken,
Arme, die das letzte Hemd verschenken –
Gott will alle, so ist das gemeint.
Die Reichweite des Evangeliums kennt keine Grenzen. Sie ist nicht beschränkt auf hygienische Kirchenräume. Interessanterweise finden die beiden Gespräche, die wir uns im Laufe des Nachmittags anschauen werden, auf der Straße statt. Jesus war auch ein Straßenevangelist, und...
Nachdem die Texte schon längst herausgesucht waren, habe ich bei Wilhelm Busch ein Buch gefunden, das ausgerechnet diese beiden Gespräche ebenfalls kommentiert. Er hat dieses Buch unter dem Titel „Die belebte Straße“ herausgegeben.
Und hören Sie mal, wie Wilhelm Busch sein Vorwort beginnt: Wer das Neue Testament aufmerksam liest, wird entdecken, dass viele der dort erzählten Begebenheiten sich auf der Straße abgespielt haben. Wo der Herr Jesus hinkam, belebten sich die Straßen.
Auch die in diesem Band besprochenen Geschichten haben sich auf den Straßen des Landes ereignet. Still und heimlich geht der auferstandene Herr auch heute durch die Straßen unseres Landes – durch laute Straßen der Großstädte und über stille Feldwege.
Hier laufen Menschenkinder auf tausend Straßen zu Jesus. In diesem Sinne gehen wir jetzt gemeinsam auf die Straße, um herauszufinden, wie Jesus evangelisiert hat – und das dort, auf der Straße.
Schlagen Sie bitte Lukas 18 auf. Dort wimmelt es von Kindern, die mit ihren Eltern unterwegs sind.
In Lukas 18,15-17 heißt es: Sie brachten kleine Kinder zu Jesus, damit er sie anrühre. Als die Jünger das sahen, fuhren sie die Kinder an. Doch Jesus rief sie zu sich und sprach: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt sie nicht! Denn solchen gehört das Reich Gottes. Ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.
Dann stürzt ein junger Mann auf Jesus zu. In Vers 18 fragt ihn ein Oberer: „Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“ Hier steht nicht, wo dieser Mann herkommt. Im Paralleltext in Matthäus 19,16 lesen wir: Einer trat an Jesus heran. Er kommt also irgendwie auf Jesus zu, als er ihn da stehen sieht.
Dann entwickelt sich ein Gespräch. Hören wir in dieses Gespräch hinein: In Vers 19 sagt Jesus zu ihm: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott allein. Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis geben, du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“
Der Mann antwortet: „Das habe ich alles gehalten von Jugend auf.“ Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: „Es fehlt dir noch eines: Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen. So wirst du einen Schatz im Himmel haben. Komm und folge mir nach!“
Als der Mann das hörte, wurde er traurig, denn er war sehr reich. Jesus sah, dass er traurig geworden war, und sagte: „Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt.“
Die Zuhörer fragten: „Wer kann dann selig werden?“ Jesus antwortete: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“
Diese erste Begegnung überschreiben wir mit dem Titel „Ein Yuppie wird ernsthaft“.
Sie haben Ihren Begleitzettel schon lange gefunden – ein Yuppie wird ernsthaft. Da haben Sie noch einmal ein Bild: Dawkins gemeinsam mit Timon. Und das ist jetzt, wo er sich in einem Interview zu seiner Bekehrung geäußert hat. Ein Yuppie wird ernsthaft.
Sollte jemand nicht wissen, was ein Yuppie ist, dann muss er sich nur diesen Typen hier in unserem Text anschauen. Yuppie heißt übersetzt natürlich Young Urban Professional, das heißt ein junger städtischer Erwachsener, der zur oberen Mittelschicht gehört, karrierebewusst und statusbewusst ist. Heute würde man sagen, er trägt Bossanzüge und Armani-Schuhe.
Unser Mann hier verkörpert die religiöse Variante des Yuppies. Als Oberer, wie hier steht, war er wahrscheinlich Mitglied des Hohen Rates, also der führenden politischen sowie religiösen Behörde der Juden. Er hatte früh Karriere gemacht. Von Matthäus erfahren wir, dass er jung ist (Matthäus 19,22), und Markus fügt hinzu, dass er auch noch reich war (Markus 10,22). Das haben Sie alles auf Ihrem Zettel, auf Ihrem Begleitzettel so vermerkt.
Schauen Sie sich diesen jungen Mann an. Ich würde sagen: Schwiegermütter, macht die Augen auf! Und angekommen bei Jesus rückt er nun schnell mit seiner Frage heraus, über die Jesus sich bestimmt gefreut hat. Es ist die wichtigste Frage, die man stellen kann: "Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?"
Das ist die richtige Frage – unser erster Punkt: die richtige Frage. Es ist ein Zeichen von Dekadenz und Begrenztheit, wenn jemand diese Frage nicht stellt, weil er sich damit abgefunden hat, dass das Leben hier auf der Erde nach ein paar Jahrzehnten ohnehin vorbei ist und danach nichts mehr kommt. Aber dieser Yuppie ist ernsthaft. Er will es wissen.
Er verliert sich nicht im vordergründigen Genuss seines Reichtums, er verabsolutiert auch nicht den Augenblick, sondern macht sich gründlich Gedanken über die weitere Zukunft: "Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben erhalte?" Er zeigt Eifer, Respekt und eine gewisse Ehrfurcht vor Jesus. In Markus 10 lesen wir, dass er vor ihm auf die Knie fällt. Er zeigt sich lernbereit, fragt genau an der richtigen Stelle nach, nämlich bei Jesus. Und er weiß: Auf keinen Fall darf ich das ewige Leben verpassen, die Nähe zu Gott, seinen Schutz vor der Hölle, die Anteilhabe an seiner Gemeinschaft.
Dieser Yuppie verschiebt die Klärung dieser Frage auch nicht auf das Rentenalter. Anders als der britische Komiker Ian Cognito, der 2019 im Alter von sechzig Jahren mitten auf der Bühne in der Stadt Bichister starb. Die BBC berichtete damals, Ian Cognito soll kurz vorher noch Scherze über seine Gesundheit gemacht haben. Auf der Bühne sagte er: "Stellt euch vor, ich wäre hier vor euch gestorben." Wenige Minuten später setzte sich der Sechzigjährige auf seinen Stuhl und begann schwer zu atmen. Die Zuschauer gingen davon aus, dass diese Szene zu seinem Programm gehörte.
"Jeder im Publikum", so sagte der Moderator, "mich eingeschlossen, dachte, er würde scherzen. Selbst als ich auf die Bühne gegangen bin und seinen Arm berührt habe, dachte ich, er würde gleich 'Buh' rufen." Als klar wurde, dass etwas nicht stimmte, saßen zwei Krankenschwestern und ein Polizist, die zufällig im Publikum waren, auf der Bühne. Sie versuchten, den Comedian wiederzubeleben – erfolglos.
Unser Yuppie hat die Frage ernst genommen. Er hat irgendwie verstanden, dass der Tod eine reale Bedrohung für den Menschen ist und dass es andererseits ein ewiges Leben gibt. Ich sage Ihnen: Die meisten unserer Zeitgenossen ahnen das auch und haben im Stillen diese Hoffnung, dass es irgendwie weitergeht – nicht alle, aber viele.
Unser Text ist, das muss man auch mal festhalten, ein schlagender Beweis dafür, dass die emergente Theologie mit ihrer totalen Verweltlichung nicht Recht hat. Viele sogenannte emergente Theologen sagen ja, das Reich Gottes solle vor allem in dieser Welt gebaut werden, durch die Verbesserung der Lebensbedingungen. Es gehe gar nicht primär um die Rettung für die Ewigkeit, schon gar nicht um die Rettung aus der Hölle. Aber die Bibel zeigt: Nein, es geht um die Ewigkeit.
Hier haben wir diese Formulierungen ganz dicht beieinander: "In das Reich Gottes kommen" (Vers 24 und 25) ist gleichbedeutend mit "das ewige Leben ererben" (Vers 18) und "gerettet werden" (Vers 26). Das sind alles Synonyme – "ins Reich Gottes kommen", "das ewige Leben ererben" und "gerettet werden" sind nur verschiedene Begriffe für ein und dieselbe Sache. Darum muss er es jetzt wissen.
Der Yuppie packt die Gelegenheit beim Schopf, als Jesus in der Nähe ist, von dem er hier eine besondere Kompetenz erwartet. Das war klug. An dieser Stelle müssen wir uns eines klar machen: Wir können unsere Evangelisation nicht eins zu eins mit der Evangelisation von Jesus gleichsetzen. Das ist wichtig bei allem, was wir lernen. Wir werden sicherlich in der Q&A-Session heute Abend noch einmal darauf zurückkommen.
Ich will hier mindestens zwei Gründe nennen, warum wir unsere Evangelisation deutlich von der Jesu unterscheiden müssen. Zum einen: Wir haben nicht Jesu Vollmacht. Jesus hat sein Gegenüber total durchschaut. Er wusste, was die Leute dachten – das wissen wir nicht (Johannes 2). Jesus wusste, was im Menschen ist. Dieses Wissen steht uns nicht zur Verfügung, das ist das eine.
Zum anderen: Als Jesus auf Erden evangelisierte und die Menschen zur Bekehrung rief, war das Evangelium ja noch gar nicht abgeschlossen. Jesus stand kurz davor, es abzuschließen. Unmittelbar vor unserem Text haben wir die dritte Leidensankündigung, also die dritte Ankündigung des Kreuzes und der Auferstehung. Zu dem Zeitpunkt, als Jesus diese Gespräche führte, war das Evangelium, wenn Sie so wollen, noch gar nicht fertig. Wir befinden uns in den Evangelien in diesem kurzen Intervall, in der Zeitspanne zwischen dem Alten und dem Neuen Testament.
Dennoch hat der Herr Jesus seinen Nachfolgern versprochen, in Johannes 14, Vers 12, dass sie größere Dinge tun würden als er. Sind Sie schon einmal über diese Formulierung gestolpert? "Wer an mich glaubt, der wird die Werke tun, die ich tue, er wird noch größere als diese tun." Was ist damit gemeint?
Es können nicht größere Heilungswunder gemeint sein, denn nur Jesus konnte etwa Tote auferwecken. Es gibt keine Totenauferweckung durch Jünger im Neuen Testament. Nein, Jesus sagt damit, dass durch ihren Dienst und unseren Dienst mehr Menschen zum echten Glauben durchdringen werden als zu Jesu Erdenzeiten. Das ist uns verheißen.
Interessant ist, wie Jesus jetzt reagiert, wie er diesem Mann hilft, seine geistliche Situation richtig einzuordnen. Bruder Dridiger hat das heute auch schon gesagt: Das ist eine ganz entscheidende Aufgabe der Evangelisation, dass wir unserem Gegenüber helfen, zu erkennen und zu verstehen, wie seine persönliche Situation im Licht Gottes bewertet wird. Situationsdeutung – das ist eine zentrale Aufgabe der Evangelisation.
Darum geht Jesus jetzt an diesen Mann im Gespräch heran und stellt ihm zunächst eine Frage, mit der wir so kaum gerechnet hätten. Der Mann fragt: "Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?" Und Jesus sagt nicht: "Ich gebe dir ein Gebet vor, sprich diese Formel nach, so erlangst du das ewige Leben." Das macht er nicht.
Stattdessen stellt Jesus ihm eine Frage. Diese Rückfrage ist in doppelter Weise kritisch, und ich kann mir vorstellen, dass der Mann erst einmal zusammenzuckte, als Jesus ihm das sagte. Denn diese Frage entlarvt – und das ist der zweite Punkt – seine falsche Selbsteinschätzung.
Und so lautet diese Frage (Vers 19): Jesus aber sprach zu ihm: "Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein." Was nennst du mich gut? Dein Begriff von gut ist viel zu harmlos, zu schwach, zu mittelmäßig. Gut, so dass es für das ewige Leben reicht, ist so exklusiv, dass kein sterblicher Mensch dieses Attribut für sich jemals in Anspruch nehmen dürfte. Niemand ist gut als Gott allein.
Darum, junger Freund, offenbart deine Formulierung eine doppelte Fehleinschätzung: eine Fehleinschätzung über dich und eine Fehleinschätzung über mich. Wenn ich nur ein guter Meister wäre – und er sagt hier "die Daskale Agathe", also "guter Lehrer" – wenn ich nur ein Lehrer wäre, wäre ich nicht wirklich gut. Du täuschst dich in mir und weißt gar nicht, wen du vor dir hast. Aber du täuschst dich auch in dir, weil du dich hinter deiner demütigen Fassade doch, seien wir ehrlich, für ziemlich gut hältst.
Zum Beweis über seinen Zustand konfrontiert Jesus den Mann jetzt mit den Geboten. Hören Sie Vers 20: "Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis reden, du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren."
Ist Ihnen etwas aufgefallen? Diese Beispiele stammen alle aus der zweiten Tafel der Zehn Gebote. Man kann die Zehn Gebote in zwei Tafeln einteilen. Die erste Tafel regelt das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen – so soll man den Namen Gottes nicht missbrauchen, es soll keine anderen Götter neben mir geben. Die zweite Tafel regelt das Verhältnis zwischen den Menschen. Und Jesus zitiert zunächst nur Gebote aus der zweiten Tafel. Lass uns erst einmal darüber reden.
Wie reagiert der Mann? Die Reaktion ist so naiv wie entlarvend. Vers 21: "Man glaubt es kaum, er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf." Seine Worte verraten ein sehr oberflächliches Verständnis der Gebote, ein oberflächliches Verständnis seines eigenen Handelns. Er lebt wirklich in der Illusion, in Gottes Augen ein ziemlich guter Mensch zu sein.
Er will ja alles richtig machen. Dass er alles richtig machen will, zeigt sich auch in der Sicherheitsfrage, ob er möglicherweise noch irgendeine Pflicht übersehen hätte. Deswegen ist es gut, die Texte alle nebeneinander zu lesen. Matthäus schenkt uns noch die Ergänzung, dass er sagt: "Von meiner Jugend an habe ich das alles gehalten" und dass er hinzufügt: "Was fehlt mir sonst noch? Was fehlt mir sonst noch?"
Das erinnerte mich an diesen Möbelpackerspruch, ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen: "Ich komme von Hapke und hole das Klavier, und was bitte darf ich in die andere Hand nehmen?" Ja, ich habe die einen Gebote wunderbar gehalten, und bitteschön, was gibt es noch zu halten? Immer mal ein bisschen mehr.
Und wissen Sie, genau so denken viele unserer Zeitgenossen. Das merken wir doch in den Gesprächen. Der Normalbürger rechnet irgendwie mit dem Jenseits und hält sich durchaus für eintrittsberechtigt. Das wird ihm natürlich vorgegeben von der Literatur. Goethe im Faust sagt: "Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohlbewusst."
Das heißt, es ist alles schon auf gutem Wege. Überlegen Sie mal, dass bei Lebenswandel alles auf gutem Wege ist. Und Jesus sagt: Nein, niemand ist gut. Wilhelm Busch hat das auch zitiert und dann hinterhergefügt: "Oh großer Goethe, deshalb gingst du Jesus aus dem Weg, weil du das nicht hören wolltest: Niemand ist gut."
Goethe und der Yuppie können scheinbar nichts erschüttern in ihrer Selbsttäuschung. Goethe und der Yuppie leben in der Illusion, dass ihr geordnetes äußeres Erscheinungsbild – und da muss man sagen, bei dem Yuppie ist das Erscheinungsbild noch wesentlich geordneter als bei Goethe – diesem äußeren Erscheinungsbild auch der innere Zustand seines Herzens entspricht.
Nach außen hin hat der junge Mann sein Leben unter Kontrolle, kein grober Schnitzer, niemand kann ihm etwas nachsagen. Aber der Mann hat nur ein sehr oberflächliches, ein sehr formales, ein sehr äußerliches Verständnis der Gebote. Es liegt doch noch gar nicht so lange zurück, dass Jesus in der Bergpredigt gezeigt hat, dass Gottes Gesetz nicht an der Oberfläche bleibt, sondern tief in unser Herz hineindringt.
Du denkst, du hast alles erfüllt, wenn kein Blut an deinen Händen klebt. Aber bei Gott ist schon Hass so schlimm wie Mord, sagt Jesus. In deinem Herzen bist du ein Mörder. Du hältst dich für einen ethischen Ehemann, weil du noch keinen offiziellen Ehebruch begangen hast. Aber vor Gottes heiligem Maßstab ist schon der gierige Blick auf die Frau eines anderen Ehebruch. In deinem Herzen bist du ein Ehebrecher.
Du meinst, du seist die perfekte Ehefrau, weil du immer rechtzeitig das Essen auf den Tisch stellst und dir keine Skandale leistest. Aber wer zu seinem Bruder sagt: "Du Narr!", der wird dem höllischen Feuer verfallen sein. Wer zu seinem Mann, zu seiner Frau, zu seinen Kindern, zu seinen Eltern sagt: "Du Narr!", der wird dem höllischen Feuer verfallen sein.
Damit sagt Jesus diesem jungen Mann: Pass auf, die Dinge sind nicht so harmlos, wie du meinst. Was du für gut hältst, ist in den Augen des heiligen Gottes noch lange nicht gut. Als ernsthafter Jude hätte der Mann das eigentlich wissen müssen. Auch in den Psalmen wird das schon sehr deutlich gesagt. Zum Beispiel hat Paulus in Römer dreimal ein Potpourri von Psalmzitaten zusammengestellt.
Lesen Sie sich das auf alle Fälle mal durch – ein Potpourri von Psalmzitaten, die immer wieder das Gleiche unterstreichen: dass der Mensch böse ist in seinem Herzen. Innerhalb des Alten Testaments hätte es dem reichen Jüngling klar sein müssen, dass es vor Gott für ihn nicht reicht.
Das ist also das Zweite, was wir bei ihm finden: eine falsche Selbsteinschätzung, weil er das Verständnis von Gut und Böse einfach nach menschlichem Mittelmaß berechnet und nicht nach Gottes Heiligkeit.
Jetzt schauen Sie, was Jesus macht. Er versucht immer noch, ihn zu gewinnen. Markus gibt uns eine unerhörte Zusatzinformation, Markus 10,21: "Wie reagiert Jesus auf diese moralische Prahlerei? Da steht: Er gewann ihn lieb."
Unfassbar! Da steht wirklich: Er gewann ihn lieb nach diesem Quatsch, den er da gesagt hat. Jesus lacht nicht über seine Naivität, Jesus schimpft nicht über seine Dreistigkeit, sondern Jesus sieht hinter der Fassade dieses Mannes doch einen gewissen Ernst – ein Yuppie wird ernsthaft – und auch diese Hilflosigkeit, die sich in dieser fatalen Selbstüberschätzung verbirgt.
Ich muss immer denken, wenn ich das lese: Herr, schenke uns diesen Blick der Liebe und des Erbarmens, den Jesus als Evangelist hat. Jesus versucht noch einmal alles, um den Mann von seinem hohen Ross herunterzuziehen und zur Besinnung zu bringen.
Wie macht Jesus das? Jesus verwendet ganz klassisch ein Mittel, das die Bibel durchgängig empfiehlt, um Sünder zu überführen, nämlich das Gesetz. Wie Bruder Dridiger schon gesagt hat: Er sagt nicht: "Ach, was bist du doch für ein wertvolles Geschöpf, und Jesus ist so traurig, dass du nicht bei ihm bist." Nein, das macht er nicht.
Das Gesetz – Gott ist Forderung. Paulus sagt in Römer 7, Vers 7: "Ich hätte die Sünde nicht erkannt außer durch das Gesetz, außer durch Gottes Forderung." Und in Galater 3, Vers 24, dieses berühmte Wort: "So ist das Gesetz unser Zuchtmeister geworden auf Christus hin. Es hat uns gesagt, wie sehr wir Christus brauchen" (Galater 3,24).
Wissen Sie, warum ist dieses Gesetz so wirksam, warum ist es so erschütternd? Nicht, weil es ein strenges, abstraktes Regelwerk wäre, vor dem man sich fürchtet. Mit einem Regelwerk kann man heuchlerisch tricksen. Nein, sondern weil das Gesetz ein Widerschein der Heiligkeit Gottes ist.
Gottes Gesetze sind wie brennende Sonnenstrahlen, die aus dem Herzen der Sonnenglut kommen. Deswegen beginnen ja die Zehn Gebote auch mit der Selbstvorstellung Gottes: "Ich bin der Herr, dein Gott." Deshalb wird es jetzt Zeit, von der zweiten Tafel zur ersten Tafel zu kommen, vom Verhältnis zu den Menschen zum Verhältnis zu Gott.
Mit dem nächsten Satz zielt Jesus mitten in das Herz dieses Mannes und antwortet auf dessen falsche Selbsteinschätzung mit einer entlarvenden Forderung – der entlarvende Forderung (Vers 22): "Als Jesus das hörte, also dass er sagte, ich habe alles gehalten, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines: Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so sollst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach."
Wir würden sagen: Jesus trifft genau ins Schwarze. Wie ein Chirurg legt er das Herz dieses Mannes frei mit einem einzigen schnellen Schnitt und zeigt diesem Yuppie die Wahrheit über sich selbst, die dieser bis dahin erfolgreich verdrängt hat.
Die Wahrheit über den Yuppie lautet: Er ist ein Götzendiener. Sein Götze ist sein materieller Besitz. Das sehen wir am nächsten Vers (Vers 23): "Aber als er das hörte, wurde er traurig, denn er war sehr reich."
Vor dieser Entscheidung gestellt – Jesus oder Götze, ewiges Leben oder aktueller Reichtum – weiß er, wofür er sich entscheiden muss. Diese Frage nach dem Geld war nur wie ein Kontrastmittel, das Jesus in sein Herz gespritzt hat, um den Zustand deutlich zu machen.
Wir wissen von anderen Bekehrten, die ihren Besitz ruhig behalten konnten. Denken wir etwa an Lydia, die Geschäftsfrau. Sie war wohl auch nicht arm, aber Gott hatte einen anderen Plan mit ihr. Er hat ihr nicht gesagt: Gib dein Geschäft gleich auf. Ihre Gefährdung lag wahrscheinlich woanders.
Aber was kann nicht alles für uns zum Götzen werden? Nicht nur das Geld. Bei dem einen ist es ein guter Ruf, den er auf keinen Fall verlieren will, oder sein akademischer Ehrgeiz, den er um keinen Preis aufgeben will, oder sein ungestörtes Familienleben, das er nicht aufgeben will. Wenn Jesus da Unruhe reinbringt, muss Jesus eben draußen bleiben.
Oder die Affäre mit einer Nichtchristin, die er nicht aufgeben will, oder seine Karriere, die er nicht aufgeben will, oder sein Wunsch, von allen geliebt zu werden, oder auch sein beschauliches Spießbürgertum, aus dem er sich nicht aufschrecken lassen will. Es gibt so viele Götzen!
Deswegen fügt Jesus hier noch eine Erklärung hinzu, was es bedeutet, sich zu Gott zu bekehren. Darin ist eingeschlossen (Vers 22), er sagt: "Gibst den Armen, so wirst du deinen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach."
Was heißt Nachfolge? Nachfolge heißt, dass ich mich der Herrschaft Jesu freiwillig unterstelle, dass ich mein Leben an Jesus ausliefere, dass ich sage: Jesus, du sollst von jetzt an über mein Leben bestimmen.
Gottes Willen zu erkennen ist eine typische Lebensäußerung des neuen Christen. Dieser innige Wunsch, den Willen Gottes für mein Leben zu erkennen, dann ist es immer noch ein Kampf, diesen zu tun. Aber ich will ihn tun, wenigstens das.
Leben mit Jesus heißt folgen. Die eigenen Pläne und Ideen zählen nicht mehr. Folgen: "Komm, wir wollen ihm folgen, sein Weg ist gut, wir gehen hinterher."
Diese Nachfolge muss man richtig verstehen: Sie ist keine Zusatzforderung zum Glauben, sondern die logische Konsequenz des Glaubens. Wer also Jesus in sein Lebenshaus hineinlässt, der gibt ihm auch den Zentralschlüssel.
Was Jesus hier dem reichen Jüngling deutlich macht, hat nichts mit Werkgerechtigkeit zu tun. Werkgerechtigkeit heißt Erlösung gegen Leistung. Werkgerechtigkeit war die Sache des jungen Mannes. Dieser Yuppie meinte, durch seinen religiösen Lebenswandel Gottes Forderungen ausreichend zu erfüllen. Er war der Werkgerechtigkeitsfanatiker.
Er wäre durchaus bereit gewesen, noch die eine oder andere Ergänzung nachzuliefern, noch ein bisschen strenger, noch ein, zwei, drei weitere Gesetze – das schaffe ich auch noch –, noch ein bisschen mehr Spenden, noch ein paar Stunden länger Gemeindehaus putzen, noch ein bisschen häufiger dies und jenes tun.
Aber Jesus zieht ihm den Teppich seiner Religion unter den Füßen weg und überführt ihn des Götzendienstes. Was bleibt ihm da noch? Alles zugeben und um Hilfe rufen, so wie der Zöllner aus dem Gleichnis im selben Kapitel (Vers 13).
Der Zöllner stand fern, wollte die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: "Gott, sei mir Sünder gnädig." Das bleibt ihm.
Oder zu schreien, wie die Kinder aus demselben Kapitel: "Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr das Reich Gottes nicht annehmt wie ein Kind, werdet ihr nicht hineinkommen." Wissen Sie, die Rettung, die Nachfolge gibt es nur geschenkt, nur geschenkt, weil alles Selbstgemachte viel zu schlecht ist.
Eigentlich hatte der Yuppie in seiner Ausgangsfrage schon gut gesagt – ist Ihnen diese Formulierung aufgefallen? Er hat gesagt: "Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben erbe?" Aber Erbe ist immer geschenkt. Das Beste gibt es nur geschenkt – oder gar nicht.
Denn Gottes Maßstab für Gut ist so hoch, dass ihn nur Gott erfüllen kann. Darum konnte auch nur Gottes vollkommener Sohn das vollkommene Sühnopfer sein, weil nur Gottes Sohn Gottes Maßstab entsprechen kann, um unsere Schuld auf sich zu nehmen.
Was wäre jetzt diesem reichen Jüngling geblieben? Nur eine Chance: Er müsste die weiße Fahne hissen, die Fahne der Kapitulation. Das ist die einzige Chance, die wir vor Gott haben.
Ich habe mich informiert: Seit der Haager Landkriegsordnung von 1899 ist ein Parlamentär, der eine Kapitulation anbietet, völkerrechtlich geschützt. Wenn Sie als Parlamentär irgendwo hinkommen und die weiße Fahne hissen, darf man Sie nicht erschießen. Völkerrechtlich geschützt.
Man könnte sagen: Nicht seit der Haager Landkriegsordnung, aber seit dem Kreuz von Golgatha ist ein Sünder, der seine Kapitulation anbietet, gottesrechtlich geschützt. Und damit man den Parlamentär als solchen erkennt, muss er die weiße Flagge hissen – vor Gott.
Das ist unsere einzige Chance: die weiße Fahne der Kapitulation zu hissen. Sonst hilft nichts. Und dazu ist der Yuppie nicht bereit. Vers 23: "Als er das hörte, wurde er traurig, denn er war sehr reich."
Wir sehen jetzt, was zwischen ihm und Jesus steht: diese vielen Güter, die er nicht loslassen will. Der Herr Jesus wusste schon, warum er das gesagt hatte, in Matthäus 6, Vers 24, das ist auch ein Teil der Bergpredigt.
Da hatte Jesus gesagt: "Niemand kann zwei Herren dienen. Er wird den einen hassen und den anderen lieben oder an dem einen hängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."
Am liebsten möchte man ihm zurufen mit Jim Elliot: "Er ist kein Narr, der hergibt, was er nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er nicht verlieren kann." Er ist kein Narr.
Diese vielen Güter kannst du doch sowieso nicht mitnehmen. Jede Hoffnung, für die du Jesus zurückweist, muss sich in Luft auflösen, egal worauf du anstelle von Jesus hoffst.
Auffällig ist, dass diesen Yuppie noch in dieser Situation die tiefe Traurigkeit packt. Er ahnt, dass er hier den Fehler seines Lebens macht. Aber anstatt nach Hilfe zu schreien – Jesus ist ja noch da – geht er trotzig und traurig davon.
Jesus lässt ihn ziehen. Jesus hat diesem Mann nichts mehr zu sagen. Es ist alles gesagt, und Gott kann mit der Sünde keinen Kompromiss machen.
Natürlich sind die Jünger, die das mitbekommen haben, aufgewühlt. Das sehen wir sofort an ihrer Reaktion. Vers 24: "Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt."
Da sprachen die, die das hörten – und wir wissen aus den anderen Evangelien, dass es die Jünger waren: "Wer kann dann selig werden?"
Er aber sprach: "Bei den Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott; denn bei Gott sind alle Dinge möglich."
Damit kommen wir zum vierten Punkt: der unmöglichen Möglichkeit. Interessant ist, dass die Jünger sofort verstehen, dass sie mit betroffen sind. Sie hätten ja auch sagen können: "Na ja, wenn ein Reicher nicht reinkommt, dann sind wir ja fein raus, so vermögend sind wir ja nicht." Aber das fragen sie nicht, das sagen sie nicht.
Sie sagen: "Wer kann dann überhaupt gerettet werden?" Sie haben viel verstanden. Können wir nicht selbst ganz schnell dem Götzendienst zum Opfer fallen, wenn es so schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen? Können wir nicht auch selbst noch scheitern?
Und was macht Jesus? Er gewährt uns keine billige Beruhigung. Die Jünger sagen: "Für euch ist das kein Problem." Jesus setzt noch einen drauf mit diesem Kurzgleichnis: "Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt."
Noch leichter! Überlegen Sie: Ein Kamel durch ein Nadelöhr – das ist die unmögliche Möglichkeit. Das Kamel ist riesengroß, das Nadelöhr winzig klein. Die Leute wussten, was ein Nadelöhr ist, und sie wussten seit Abrams Zeiten, was ein Kamel ist.
Aber selbst dieses absolut Unmögliche ist immer noch wahrscheinlicher als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt. Krasser könnte man es nicht zuspitzen.
Und es geht noch weiter: Selbst als die Jünger dann ihre entsetzte Frage stellen (Vers 26): "Wer kann dann überhaupt selig werden? Wer kann dann überhaupt gerettet werden?"
Sagt Jesus ganz einfach: "Bei den Menschen ist es unmöglich." Dieser Götze Geld ist nur ein Beispiel von vielen. Was immer jemand für seinen Reichtum hält, woran immer jemand sich klammert, worauf immer jemand seine Hoffnung setzt – das wird ihn am Ende in den Abgrund reißen.
Denken Sie an die Katastrophe des reichen Kornbauern, der denkt, er hat alles in Sicherheit. Gott sagt ihm: "Du Narr! Heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern." Das ist auch Lukas 12.
Ja, der hat für sich Schätze gesammelt en masse, aber war arm bei Gott – tödliche Armut. Aber Jesus sagt noch ein Wort, das ist nicht das letzte Wort: "Bei den Menschen ist es unmöglich."
Sondern Jesus fügt hinzu: "Bei Gott ist es möglich." Nur Gott kann das, was ihr nicht könnt, nämlich einen Reichen ins Reich Gottes bringen. Nur Gott kann einem normalen Menschen ewiges Leben schenken – nur Gott.
Es ist, als ob Lukas das dadurch noch einmal unterstreichen würde, dass er in Kapitel 19, das wir morgen sehen, auch einen wunderschönen Text hat, der zeigt, wie ein Reicher ins Reich Gottes kommt – nämlich Zachäus. Das ist gewissermaßen die Antwort darauf. Sehen wir aber morgen.
Heute sehen wir, wie Petrus plötzlich seine Sprache wiederfindet (Vers 28): Da sprach Petrus und erinnert sich an den Anfang vor drei Jahren: "Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt."
Der reiche Jüngling macht's nicht, aber Jesus, wir haben das damals gemacht. Wir hören nicht, in welchem Ton Petrus das sagt. Ich habe das bisher immer nur als eine Forderung gehört, aber nein, das kann auch sehr staunend und dankbar erst einmal gemeint sein.
Nachdem Petrus gehört hat, wie unmöglich es eigentlich ist, stellt er fest: "Herr, wir haben das, wir durften das, wir sind dir ja nachgefolgt. Dann hat doch Gottes Macht schon an uns gewirkt. Dann hast du uns doch schon losgeeist von der Knechtschaft an diese Welt. Dann sind wir doch schon befreit zur Nachfolge."
Aber vermutlich klingt auch das andere mit: Es könnte sich durchdrungen haben, aber wie wird es nun weitergehen angesichts der zunehmenden Gefährdung? Angesichts dessen, dass wir jetzt nach Jerusalem gehen, und Sie ahnen ja, dass sich über Jesus gewissermaßen das vordergründig Unheil genannte zusammenbraut.
Wir haben es doch abgegeben, Herr, an dich. In Matthäus 19 wird noch ein weiterer Satz von Petrus überliefert: "Was wird uns dafür?"
Wir haben alles verlassen, und das hatten sie wirklich. Sie hatten ihre Netze verlassen, ihre Boote, ihr Business, ihr sesshaftes Leben, ihre heimischen Grundstücke. Sie hatten viel aufgegeben. Und jetzt fragt Petrus einfach nach der Perspektive.
Schauen Sie, die Art und Weise, wie Jesus darauf eingeht, zeigt uns, dass wir so fragen dürfen. Jesus weist diese Frage überhaupt nicht ab, sondern er geht liebevoll darauf ein.
Er hätte ja auch sagen können: "Petrus, bedenke doch mal, was ich verlassen habe: die Herrlichkeit des Himmels, die Unangefochtenheit der stets ausgeübten göttlichen Macht." Aber das sagt Jesus nicht.
Jesus sieht hinter dieser Frage, ich denke, auch die menschliche Not, auch die Sehnsucht nach Zukunftsgewissheit, und Jesus reagiert mit einer Verheißung. Diese Verheißung gehört zu den größten Ermutigungen in der ganzen Bibel. Es ist eigentlich eine Doppelverheißung.
Jesus sagt zu Petrus und allen, die jetzt von ihm hören, von seinen Leuten: Diese Armut, die ihr um meinetwillen erduldet und riskiert, ist eine lohnende Armut. Das sind die Verse 29 und 30:
"Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben."
Wir bekommen bei Markus 10, Vers 30 noch die zusätzliche Information, dass Jesus gesagt hat: "Der es nicht hundertfach empfange."
Damit haben wir fünftens die lohnende Investition. Jesus sagt: Alles, was ihr auf euch genommen habt um meinetwillen, ist eine lohnende Investition. Und schauen wir hin: Den ersten Abschlag, die erste Dividende gibt es schon jetzt, in dieser Zeit.
John MacArthur hat es so zusammengefasst: Wer um Jesu Willen alles einsetzt, der wird eine Fülle neuer Väter und Mütter haben, Brüder und Schwestern, mit denen er für immer und ewig in Gottes Familie verbunden ist.
Wo immer er hingeht, wird er Glaubensgeschwister finden, viele von denen, die er nie vorher gesehen hat. Durch die ganze Welt wird er Menschen finden, die seine Sorgen teilen, die ihn geistlich ermutigen und ihm helfen in allen seinen Bedürfnissen, sowohl materiell als auch geistlich.
Das ist das Geschenk der Gemeinde. Das ist das Geschenk der Gemeinde. Jesus hat das doch selbst erlebt. Erinnern Sie sich an die Szene in Markus 3, als plötzlich Maria und seine Halbbrüder draußen stehen und man sagt: "Da draußen ist deine Familie."
Es kamen seine Mutter und seine Brüder (Markus 3,31) und standen draußen, schickten zu ihm, ließen ihn rufen: "Siehe, deine Mutter, deine Brüder, deine Schwester."
Was sagte Jesus? "Wer ist meine Mutter und meine Brüder?" Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: "Siehe, das ist meine Mutter, das sind meine Brüder. Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester."
Wir können so dankbar sein, wenn auch die Glieder unserer eigenen weltlichen Familie Glieder derselben geistlichen Familie sind. Das ist ein großes, großes Geschenk.
Am Ende bekräftigt Jesus das seinen Leuten gegenüber noch einmal und sagt: "Ihr dürft gewiss sein, in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben zu empfangen."
Damit schließt sich der Kreis: "Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?" Jesus sagt: "Wenn du zu mir gehörst und es wagst, dein Leben mir anzuvertrauen, dann kriegst du von mir das ewige Leben garantiert."
Halten wir fest: So hat Jesus evangelisiert. Wie wir es bei Bruder Dridiger auch schon vorgestellt bekommen haben, indem er die Leute konfrontiert mit dem heiligen Gott, mit seinem vollkommenen Anspruch, den Gott nicht zurücknehmen kann, weil er Gott ist.
Dabei hat Jesus keine schnellen Ergebnisse versprochen, kein sogenanntes einfaches Evangelium. Es gab ja mal so eine Parole: "Wir predigen nur das einfache Evangelium." Was immer das sei.
Im Gegenteil: Einfach geht es anders. Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher sich bekehrt. Das ist nicht einfach. Bei den Menschen ist es unmöglich.
Von wegen einfach! Es ist nicht nur schwer, es ist unmöglich. Aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Jede Bekehrung ist ein Wunder – nicht nur die Bekehrung eines Atheisten, der Richard Dawkins leidenschaftlich unterstützt hat.
Jede Bekehrung ist ein Wunder. Wir sind völlig angewiesen auf den Herrn – wir, die wir evangelisieren, und genauso unsere lieben Zeitgenossen, denen wir das Evangelium bringen.
Auch sie sind völlig angewiesen auf den Herrn, dass er ihnen das Herz öffnet, ihren Widerstand bricht und sie bereit macht, auf ihn zu hören.
Graf von Zinzendorf hat in einem seiner speziellen Lieder – er hat ja teilweise ziemlich spezielle Lieder gedichtet – unsere evangelistische Aufgabe so beschrieben: Da sagt er: "Herr Jesu, könnten wir es auf allen Dächern, wir machten alle Heiligen zu Schechern."
Also, Herr Jesu, könnten wir es auf allen Dächern – hier sagt er, wir sollen von den Dächern die Wahrheit verkünden. Und er sagt: "Jesus, könnten wir es auf allen Dächern, wir machten alle Heiligen zu Schechern."
Genau das ist die Aufgabe der Evangelisation: Heilige zu Schechern zu machen, Menschen, die sich heilig und ausreichend vor Gott ausgerüstet finden und gut finden, denen zu sagen, dass sie eigentlich wie der Schächer am Kreuz sind – dass sie nur diese eine Chance haben, alle Hoffnung auf Jesus zu setzen und nach seiner Rettung zu schreien.
Und wenige Tage später, das heißt wir schon in wenigen Minuten, werden dann die Jünger einen solchen Hilfeschrei hören.
Interessant ist, wie Jesus jetzt reagiert. Er hilft diesem Mann, seine geistliche Situation richtig einzuordnen. Bruder Dridiger hat heute ebenfalls betont, dass dies eine ganz entscheidende Aufgabe der Evangelisation ist: unserem Gegenüber zu helfen, zu erkennen und zu verstehen, wie seine persönliche Situation im Licht Gottes bewertet wird.
Situationsdeutung ist eine zentrale Aufgabe der Evangelisation. Genau darum geht Jesus jetzt an diesen Mann heran. Im Gespräch stellt er ihm zunächst eine Frage, mit der kaum jemand gerechnet hätte.
Der Mann fragt: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?“ Jesus antwortet nicht, indem er ihm ein Gebet vorspricht oder eine Formel nennt, die man nachsprechen soll, um das ewige Leben zu erhalten. Stattdessen stellt Jesus ihm eine Gegenfrage. Diese Rückfrage ist in doppelter Weise kritisch. Man kann sich vorstellen, dass der Mann zusammenzuckte, als Jesus ihm das sagte. Denn diese Frage entlarvt seine falsche Selbsteinschätzung.
So lautet die Frage in Vers 19: „Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.“
Jesus fragt: „Was nennst du mich gut?“ Dein Begriff von „gut“ ist viel zu harmlos, zu schwach, zu mittelmäßig. „Gut“ im Sinne des ewigen Lebens ist so exklusiv, dass kein sterblicher Mensch dieses Attribut für sich beanspruchen darf. „Niemand ist gut als Gott allein.“
Darum offenbart deine Formulierung eine doppelte Fehleinschätzung: eine Fehleinschätzung über dich selbst und eine Fehleinschätzung über mich.
„Wenn ich nur ein guter Meister wäre“ – und er sagt hier „Daskale Agathe“, also „guter Lehrer“ – „wenn ich nur ein Lehrer wäre, wäre ich nicht wirklich gut.“ Du täuschst dich in mir und weißt gar nicht, wen du vor dir hast. Aber du täuschst dich auch in dir selbst, denn hinter deiner demütigen Fassade hältst du dich doch, seien wir ehrlich, für ziemlich gut.
Zum Beweis für seinen Zustand konfrontiert Jesus den Mann jetzt mit den Geboten. In Vers 20 heißt es: „Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis reden, du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“
Ist Ihnen etwas aufgefallen? Diese Beispiele stammen alle aus der zweiten Tafel der Zehn Gebote. Man kann die Zehn Gebote in zwei Tafeln einteilen: Die erste Tafel regelt das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen – zum Beispiel soll man den Namen Gottes nicht missbrauchen und keine anderen Götter neben ihm haben. Die zweite Tafel regelt das Verhältnis zwischen den Menschen.
Jesus zitiert zunächst nur Gebote aus der zweiten Tafel. Lass uns erst einmal darüber sprechen.
Und wie reagiert der Mann? Seine Reaktion ist so naiv wie entlarvend. In Vers 21 – man glaubt es kaum – sagt er: „Das habe ich alles gehalten von Jugend auf.“
Seine Worte verraten ein sehr oberflächliches Verständnis der Gebote und seines eigenen Handelns. Er lebt in der Illusion, in Gottes Augen ein ziemlich guter Mensch zu sein. Er will ja alles richtig machen. Dass er alles richtig machen möchte, zeigt sich auch in seiner Sicherheitsfrage, ob er möglicherweise noch irgendeine Pflicht übersehen hätte.
Deshalb ist es gut, die Texte alle nebeneinander zu lesen. Matthäus schenkt uns noch die Ergänzung, dass der Mann sagt: „Von meiner Jugend an habe ich das alles erhalten und gehalten.“ Außerdem fügt er die Frage hinzu: „Was fehlt mir sonst noch? Was fehlt mir sonst noch?“
Das erinnerte mich an diesen Möbelpackerspruch – ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen: „Ich komme von Hapke und hole das Klavier, und was bitte darf ich in die andere Hand nehmen?“
Ja, ich habe die einen Gebote wunderbar gehalten, und bitteschön, was gibt es noch zu halten? Immer mal ein Heer damit. Und wissen Sie, genau so denken viele unserer Zeitgenossen. Das merken wir doch in den Gesprächen. Der Normalbürger rechnet irgendwie mit dem Jenseits und hält sich durchaus für eintrittsberechtigt.
Das wird ihm natürlich vorgegeben von der Literatur. Goethe schreibt im Faust: „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohlbewusst.“
Das heißt, es ist alles schon auf gutem Wege. Überlegen Sie mal, dass bei Lebenswandel alles auf gutem Wege ist. Und Jesus sagt: „Nein, niemand ist gut.“ Wilhelm Busch hat das auch zitiert und dann hinterhergefügt: „Oh, großer Goethe, deshalb gingst du Jesus aus dem Weg, weil du das nicht hören wolltest: Niemand ist gut.“
Großer Goethe, das willst du nicht hören. Den Goethe und den Juppi kann scheinbar nichts erschüttern in ihrer Selbsttäuschung. Der Goethe und der Juppi leben in der Illusion, dass ihr geordnetes äußeres Erscheinungsbild – und da muss man sagen, dass bei dem Juppi das Erscheinungsbild noch wesentlich geordneter ist als bei Goethe – auch dem inneren Zustand ihres Herzens entspricht.
Nach außen hin hat der junge Mann sein Leben unter Kontrolle, kein grober Schnitzer, niemand kann ihm etwas nachsagen. Aber der Mann hat nur ein sehr oberflächliches, ein sehr formales, ein sehr äußerliches Verständnis der Gebote.
Es liegt doch noch gar nicht so lange zurück, dass Jesus in der Bergpredigt gezeigt hat, dass Gottes Gesetz nicht an der Oberfläche bleibt, sondern tief in unser Herz hineindringt.
Du denkst, du hast alles erfüllt, wenn kein Blut an deinen Händen klebt. Aber bei Gott ist schon Hass so schlimm wie Mord, sagt Jesus: In deinem Herzen bist du ein Mörder.
Du hältst dich für einen ethischen Ehemann, weil du noch keinen offiziellen Ehebruch begangen hast. Aber vor Gottes heiligem Maßstab ist schon der gierige Blick auf die Frau eines anderen Ehebruch. In deinem Herzen bist du ein Ehebrecher.
Du meinst, du seist die perfekte Ehefrau, weil du immer rechtzeitig das Essen auf den Tisch stellst und dir keine Skandale leistest. Aber wer zu seinem Bruder sagt: „Du Narr!“, der wird dem höllischen Feuer verfallen sein. Wer zu seinem Mann, zu seiner Frau, zu seinen Kindern oder zu seinen Eltern sagt: „Du Narr!“, der wird dem höllischen Feuer verfallen sein.
Damit sagt Jesus diesem jungen Mann: Pass auf, die Dinge sind nicht so harmlos, wie du meinst. Was du für gut hältst, ist in den Augen des heiligen Gottes noch lange nicht gut.
Als ernsthafter Jude hätte der Mann das eigentlich wissen müssen. Auch in den Psalmen wird das schon sehr deutlich gesagt. Paulus hat in Römer dreimal ein Potpourri von Psalmzitaten zusammengestellt. Lesen Sie sich das auf alle Fälle mal durch – ein Potpourri von Psalmzitaten, die immer wieder das Gleiche unterstreichen: Der Mensch ist böse in seinem Herzen.
Innerhalb des Alten Testaments hätte dem reichen Jüngling klar sein müssen, dass es vor Gott für ihn nicht reicht.
Das ist also das Zweite, was wir bei ihm finden: eine falsche Selbsteinschätzung, weil er das Verständnis von Gut und Böse einfach nach menschlichem Mittelmaß berechnet und nicht nach Gottes Heiligkeit.
Und nun schauen Sie, was Jesus tut. Er versucht weiterhin, den Mann zu gewinnen. Markus gibt uns eine bemerkenswerte Zusatzinformation in Markus 10,21. Dort steht tatsächlich: Wie reagiert Jesus auf diese moralische Prahlerei? Es heißt, er gewann ihn lieb. Unfassbar! Nach dem Quatsch, den der Mann gesagt hat, gewinnt Jesus ihn lieb.
Jesus lacht nicht über seine Naivität und schimpft nicht über seine Dreistigkeit. Stattdessen sieht Jesus hinter der Fassade dieses Mannes einen gewissen Ernst. Ein Juppi wird ernsthaft, und auch die Hilflosigkeit, die sich in dieser fatalen Selbstüberschätzung verbirgt, wird von Jesus erkannt.
Ich muss immer daran denken, wenn ich das lese: Herr, schenke uns diesen Blick der Liebe und des Erbarmens, den Jesus als Evangelist hat. Jesus versucht noch einmal alles, um den Mann von seinem hohen Ross herunterzuholen und zur Besinnung zu bringen.
Wie macht Jesus das? Ganz klassisch verwendet Jesus ein Mittel, das die Bibel durchgängig empfiehlt, um Sünder zu überführen, nämlich das Gesetz. Wie Bruder Drittiger schon gesagt hat: Jesus sagt nicht, „Ach, was bist du doch für ein wertvolles Geschöpf, und er ist so traurig, dass du nicht bei ihm bist.“ Nein, das macht er nicht.
Das Gesetz – Gott ist Forderung. Paulus sagt in Römer 7,7: „Ich hätte die Sünde nicht erkannt, außer durch das Gesetz, außer durch Gottes Forderung.“ Und im Galater 3,24 lesen wir dieses berühmte Wort: „So ist das Gesetz unser Zuchtmeister geworden auf Christus hin.“ Es hat uns gezeigt, wie sehr wir Christus brauchen.
Wissen Sie, warum dieses Gesetz so wirksam und erschütternd ist? Nicht, weil es ein strenges, abstraktes Regelwerk wäre, vor dem man sich fürchtet. Mit einem Regelwerk kann man heuchlerisch tricksen. Nein, das Gesetz ist wirksam, weil es ein Widerschein der Heiligkeit Gottes ist.
Gottes Gesetze sind wie brennende Sonnenstrahlen, die aus dem Herzen der Sonnenglut kommen. Deshalb beginnen die Zehn Gebote auch mit der Selbstvorstellung Gottes: „Ich bin der Herr, dein Gott.“
Deshalb wird es jetzt Zeit, von der zweiten Tafel zur ersten Tafel zu kommen – vom Verhältnis zu den Menschen zum Verhältnis zu Gott.
Mit dem nächsten Satz, „Das sehen Sie“, zielt Jesus mitten ins Herz dieses Mannes und antwortet auf dessen falsche Selbsteinschätzung mit einer entlarvenden Forderung. Diese entlarvende Forderung ist das dritte Vers 22:
Als Jesus das hörte, also dass der Mann sagte, er habe alles gehalten, sprach er zu ihm: „Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Komm und folge mir nach.“
Wir würden sagen, Jesus trifft genau den Kern. Wie ein Chirurg legt er das Herz dieses Mannes frei – mit einem einzigen schnellen Schnitt. Er zeigt diesem Juppi die Wahrheit über sich selbst, die er bis dahin erfolgreich verdrängt hat. Die Wahrheit über Juppi lautet: Er ist ein Götzendiener. Sein Götze ist sein materieller Besitz.
Das sehen wir im nächsten Vers, Vers 23: „Aber als er das hörte, wurde er traurig, denn er war sehr reich.“
Vor dieser Entscheidung gestellt – Jesus oder Götze, ewiges Leben oder aktueller Reichtum – weiß Juppi, wofür er sich entscheiden muss.
Wissen Sie, die Frage nach dem Geld war nur wie ein Kontrastmittel, das Jesus in sein Herz gespritzt hat – nur ein Kontrastmittel, um den Zustand deutlich zu machen. Wir wissen von anderen Bekehrten, die ihren Besitz ruhig behalten konnten. Denken wir etwa an Lydia, die Geschäftsfrau. Sie wird auch nicht ganz arm gewesen sein, aber Gott hatte einen anderen Plan mit ihr. Er hat ihr nicht gesagt: „Gib dein Geschäft gleich auf.“ Ihre Gefährdung lag wahrscheinlich woanders.
Aber was kann nicht alles für uns zum Götzen werden? Nicht nur das Geld. Bei dem einen ist es ein guter Ruf, den er auf keinen Fall verlieren will. Bei einem anderen ist es der akademische Ehrgeiz, den er um keinen Preis aufgeben will. Oder das ungestörte Familienleben – wenn Jesus da Unruhe reinbringt, muss Jesus eben draußen bleiben.
Oder die Affäre mit einer Nichtchristin, die er nicht aufgeben will. Oder die Karriere, die er nicht aufgeben will. Oder der Wunsch, von allen geliebt zu werden. Oder auch das beschauliche Spießbürgertum, aus dem man sich nicht aufschrecken lassen will. Es gibt so viele Götzen!
Deswegen fügt Jesus hier noch eine Erklärung hinzu, was es bedeutet, sich zu Gott zu bekehren. Darin ist eingeschlossen, was er in Vers 22 sagt: „Gib es den Armen, so wirst du deinen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach.“
Was heißt Nachfolge? Nachfolge heißt, dass ich mich der Herrschaft Jesu freiwillig unterstelle, dass ich mein Leben Jesus ausliefere und sage: „Jesus, du sollst von jetzt an über mein Leben bestimmen.“
„Gottes Willen zu erkennen ist eine typische Lebensäußerung des neuen Christen. Dieser innige Wunsch, den Willen Gottes für mein Leben zu erkennen, ist da. Dann ist es immer noch ein Kampf, diesen Willen zu tun. Aber ich will ihn tun, wenigstens das.“
Leben mit Jesus heißt folgen. Die eigenen Pläne und Ideen zählen nicht mehr. Folgen – komm, wir wollen ihm folgen. Sein Weg ist gut, wir gehen hinterher.
Diese Nachfolge muss man richtig verstehen: Sie ist keine Zusatzforderung zum Glauben, sondern die logische Konsequenz des Glaubens. Wer also Jesus in sein Lebenshaus hineinlässt, der gibt ihm auch den Zentralschlüssel.
Was Jesus hier dem reichen Jüngling deutlich macht, hat nichts mit Werkgerechtigkeit zu tun. Werkgerechtigkeit bedeutet, Erlösung gegen Leistung zu erhalten. Diese Haltung war jedoch die Sache des jungen Mannes. Dieser Jüngling glaubte, durch seinen religiösen Lebenswandel Gottes Forderungen ausreichend zu erfüllen. Er war also ein Verfechter der Werkgerechtigkeit.
Er wäre durchaus bereit gewesen, noch die eine oder andere Ergänzung nachzuliefern: ein bisschen strenger zu leben, noch ein, zwei oder drei weitere Gesetze zu befolgen. Das schaffe ich auch noch, dachte er. Vielleicht noch ein bisschen mehr spenden oder ein paar Stunden länger im Gemeindehaus putzen. Oder noch ein bisschen häufiger dies und jenes tun.
Doch Jesus zieht ihm den Teppich seiner Religion unter den Füßen weg und überführt ihn des Götzendienstes. Was bleibt ihm da noch? Nur noch alles zuzugeben und um Hilfe zu rufen, so wie der Zöllner aus dem Gleichnis im selben Kapitel. In Vers 13 heißt es: Der Zöllner stand fern, wollte die Augen nicht zum Himmel erheben, sondern schlug an seine Brust und sprach: "Gott, sei mir Sünder gnädig." Das bleibt dem reichen Jüngling.
Oder er kann schreien, wie die Kinder aus demselben Kapitel. Jesus sagt: "Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr das Reich Gottes nicht annehmt wie ein Kind, werdet ihr nicht hineinkommen." Die Rettung und Nachfolge gibt es nur geschenkt. Nur geschenkt, weil alles Selbstgemachte viel zu schlecht ist.
Eigentlich hatte der Jüngling in seiner Ausgangsfrage schon gut gesagt: Ist Ihnen diese Formulierung aufgefallen? Er fragte: "Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben erbe?" Aber Erbe ist immer geschenkt. Das Beste gibt es nur geschenkt.
Oder gar nicht, weil Gottes Maßstab für Gut so hoch ist, dass ihn nur Gott selbst erfüllen kann. Darum konnte auch nur Gottes vollkommener Sohn das vollkommene Sühnopfer sein. Denn nur Gottes Sohn kann Gottes Maßstab entsprechen und unsere Schuld auf sich nehmen. Und...
Was wäre diesem reichen Jüngling jetzt geblieben? Nur eine Chance: Er müsste die weiße Fahne hissen, die Fahne der Kapitulation. Das ist die einzige Möglichkeit, die wir vor Gott haben.
Ich habe mich informiert: Seit der Haager Landkriegsordnung von 1899 ist ein Parlamentär, der eine Kapitulation anbietet, völkerrechtlich geschützt. Wenn Sie also als Parlamentär irgendwo hinkommen und die weiße Fahne hissen, darf man Sie nicht erschießen. Völkerrechtlich ist das geschützt. Man könnte sagen, nicht erst seit der Haager Landkriegsordnung, sondern seit dem Kreuz von Golgatha ist ein Sünder, der seine Kapitulation anbietet, gottesrechtlich geschützt.
Damit man den Parlamentär als solchen erkennt, muss er die weiße Flagge hissen – die weiße Flagge vor Gott. Das ist unsere einzige Chance: die weiße Fahne der Kapitulation zu hissen. Sonst hilft nichts.
Doch dazu ist der Jüngling nicht bereit. In Vers 23 heißt es: „Als er das hörte, wurde er traurig, denn er war sehr reich.“ Wir sehen jetzt, was zwischen ihm und Jesus steht: diese vielen, vielen Güter, die er nicht loslassen will.
Der Herr Jesus wusste schon, warum er das gesagt hatte. In Matthäus 6,24, einem Teil der Bergpredigt, sagt Jesus: „Niemand kann zwei Herren dienen; er wird den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird an dem einen hängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“
Man möchte ihm zurufen, wie Jim Elliot es ausdrückte: Er ist kein Narr, der hergibt, was er nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er nicht verlieren kann. Er ist kein Narr. Diese vielen Güter kannst du sowieso nicht mitnehmen. Und jede Hoffnung, für die du Jesus zurückweist, muss sich in Luft auflösen – egal, worauf du anstelle von Jesus hoffst.
Wissen Sie, deswegen packt diesen Jüngling noch in dieser Situation die tiefe Traurigkeit. Er ahnt, dass er hier den Fehler seines Lebens macht. Aber anstatt nach Hilfe zu rufen – Jesus ist ja noch da – geht er trotzig und traurig davon.
Jesus lässt ihn ziehen. Jesus hat diesem Mann nichts mehr zu sagen. Es ist alles gesagt, und Gott kann mit der Sünde keinen Kompromiss machen. Und...
Natürlich sind die Jünger, die das mitbekommen haben, aufgewühlt. Das sehen wir sofort an ihrer Reaktion.
Als Jesus sah, dass der Jünger traurig geworden war, sprach er: „Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes“ (Vers 24). Er fügte hinzu: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt.“
Diejenigen, die das hörten – und wir wissen aus den anderen Evangelien, dass es die Jünger waren – fragten: „Wer kann dann selig werden?“ Jesus antwortete: „Bei den Menschen ist es unmöglich, aber bei Gott ist es möglich.“
Damit kommen wir viertens zur „unmöglichen Möglichkeit“. Das ist sehr interessant, denn die Jünger verstehen sofort, dass sie selbst betroffen sind. Sie hätten auch sagen können: „Na ja, wenn ein Reicher nicht reinkommt, dann sind wir ja fein raus, so vermögend sind wir ja nicht.“ Aber das fragen sie nicht, das sagen sie nicht. Stattdessen fragen sie: „Wer kann dann überhaupt gerettet werden?“ Sie haben viel verstanden. Können wir nicht selbst auch ganz schnell dem Götzendienst zum Opfer fallen, wenn es so schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen? Können wir nicht auch selbst noch scheitern?
Und was macht Jesus? Er gewährt uns keine billige Beruhigung. Die Jünger sagen quasi: „Pass mal auf, Leute, für euch ist das kein Problem.“ Doch Jesus setzt noch einen drauf mit diesem Kurzgleichnis: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.“
Noch einmal: Ein Kamel durch ein Nadelöhr – das ist die unmögliche Möglichkeit. Das Kamel ist riesengroß, das Nadelöhr winzig klein. Die Leute wussten, was ein Nadelöhr ist, und sie wussten seit Abrams Zeiten, was ein Kamel ist. Aber selbst dieses absolut Unmögliche ist immer noch wahrscheinlicher, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt. Krasser kann man es kaum zuspitzen.
Es geht noch weiter: Als die Jünger dann ihre entsetzte Frage stellen (Vers 26): „Wer kann dann überhaupt selig werden? Wer kann dann überhaupt gerettet werden?“, sagt Jesus ganz einfach: „Bei den Menschen ist es unmöglich.“
Dieser Götze Geld ist nur ein Beispiel für viele. Was immer jemand für seinen Reichtum hält, woran immer jemand sich klammert, worauf immer jemand seine Hoffnung setzt – das wird ihn am Ende in den Abgrund reißen. Denken Sie an die Katastrophe des reichen Kornbauern, der meinte, er habe alles in Sicherheit. Gott sagt ihm: „Du Narr! Heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern“ (Lukas 12).
Er hatte für sich Schätze gesammelt en masse, war aber arm bei Gott – eine tödliche Armut. Doch Jesus sagt noch ein Wort, das nicht das letzte Wort ist: „Bei den Menschen ist es unmöglich“, aber er fügt hinzu: „Bei Gott ist es möglich.“
Nur Gott kann das, was wir nicht können, nämlich einen Reichen ins Reich Gottes bringen. Nur Gott kann einem normalen Menschen ewiges Leben schenken – nur Gott.
Es ist, als ob Lukas das dadurch noch einmal unterstreichen möchte, dass er in Kapitel 19, das wir morgen sehen werden – ich freue mich schon darauf, es ist auch ein wunderschöner Text – zeigt, wie ein Reicher ins Reich Gottes kommt, nämlich Zacchaeus. Das ist gewissermaßen die Antwort darauf. Wir werden es morgen sehen.
Heute sehen wir, wie Petrus plötzlich seine Sprache wiederfindet. In Vers 28 spricht Petrus und erinnert sich an den Anfang vor drei Jahren: „Wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt.“
Der reiche Jüngling hat das nicht getan, aber Petrus sagt: „Jesus, wir haben das damals gemacht.“ Wir hören zwar nicht, in welchem Ton Petrus das sagt. Bisher habe ich das immer nur als eine Forderung verstanden. Doch es kann auch sehr staunend und dankbar gemeint sein.
Nachdem Petrus erkannt hat, wie unmöglich es eigentlich ist, stellt er fest: „Herr, wir haben das getan, wir durften das, wir sind dir nachgefolgt.“ Dann hat doch Gottes Macht schon an uns gewirkt. Du hast uns doch schon losgeeist von der Knechtschaft an diese Welt. Wir sind doch schon befreit zur Nachfolge.
Vermutlich klingt auch das andere mit: Es könnte eine gewisse Unsicherheit mitschwingen. Wie wird es nun weitergehen angesichts der zunehmenden Gefährdung? Angesichts dessen, dass wir jetzt nach Jerusalem gehen und ahnen, dass sich über Jesus gewissermaßen das vordergründig Unheil genannte zusammenbraut?
„Wir haben es doch abgegeben, Herr, an dich.“
In Matthäus 19 wird noch ein weiterer Satz von Petrus überliefert: „Was wird uns dafür?“
Sie hatten wirklich alles verlassen. Sie hatten ihre Netze, ihre Boote, ihr Business, ihr sesshaftes Leben und ihre heimischen Grundstücke aufgegeben. Petrus fragt nun einfach nach der Perspektive.
Die Art und Weise, wie Jesus darauf eingeht, zeigt uns, dass wir so fragen dürfen. Jesus weist diese Frage überhaupt nicht ab, sondern geht liebevoll darauf ein. Er hätte ja auch sagen können: „Petrus, bedenke doch mal, was ich verlassen habe – die Herrlichkeit des Himmels, die Unangefochtenheit der stets ausgeübten göttlichen Macht.“ Aber das sagt Jesus nicht.
Jesus sieht hinter dieser Frage auch die menschliche Not und die Sehnsucht nach Zukunftsgewissheit. Er reagiert mit einer Verheißung. Diese Verheißung gehört zu den größten Ermutigungen in der ganzen Bibel. Es ist eigentlich eine Doppelverheißung.
Jesus sagt zu Petrus und allen, die jetzt von seinen Leuten hören: „Diese Armut, die ihr um meinetwillen erduldet und riskiert, ist eine lohnende Armut.“ Das sind die Verse 29 und 30: „Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“
In Markus 10, Vers 30, erhalten wir noch die zusätzliche Information, dass Jesus gesagt hat, man empfange es „hundertfach“.
Damit haben wir fünftens die lohnende Investition. Jesus sagt: Alles, was ihr um meinetwillen auf euch genommen habt, ist eine lohnende Investition.
Schauen wir hin: Die erste Dividende gibt es schon jetzt, in dieser Zeit. John MacArthur hat es so zusammengefasst: Wer um Jesu Willen alles einsetzt, wird eine Fülle neuer Väter und Mütter, Brüder und Schwestern haben, mit denen er für immer und ewig in Gottes Familie verbunden ist.
Wo immer er hingeht, wird er Glaubensgeschwister finden, viele von denen, die er nie vorher gesehen hat. Durch die ganze Welt wird er Menschen finden, die seine Sorgen teilen, die ihn geistlich ermutigen und ihm helfen in allen seinen Bedürfnissen – sowohl materiell als auch geistlich.
Das ist das Geschenk der Gemeinde. Jesus hat das selbst erlebt. Erinnern Sie sich an die Szene in Markus 3, als plötzlich Maria und seine Halbbrüder draußen stehen und man sagt: „Da draußen ist deine Familie.“
Es kamen seine Mutter und seine Brüder, Markus 3, Vers 31, und standen draußen, schickten zu ihm, ließen ihn rufen: „Siehe, deine Mutter, deine Brüder, deine Schwester.“
Und was sagte Jesus? „Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“ Er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: „Siehe, das ist meine Mutter, das sind meine Brüder. Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester.“
Wir können so dankbar sein, wenn auch die Glieder unserer eigenen weltlichen Familie Glieder derselben geistlichen Familie sind. Das ist ein großes Geschenk.
Jesus sagt: „Und ich gebe euch eine Familie, die nicht zerstört werden kann, egal was euch hier auf dieser Erde widerfährt.“
Am Ende bekräftigt Jesus das seinen Leuten gegenüber nochmals und sagt: „Ihr dürft gewiss sein, in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben zu empfangen.“
Damit schließt sich der Kreis: Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Jesus sagt: „Wenn du zu mir gehörst und es wagst, dein Leben mir anzuvertrauen, dann bekommst du von mir das ewige Leben garantiert.“
Halten wir fest: So hat Jesus also evangelisiert. Wir haben das bei Bruder Drieder auch schon so vorgestellt bekommen. Jesus konfrontierte die Menschen mit dem heiligen Gott und seinem vollkommenen Anspruch. Einen Anspruch, den Gott nicht zurücknehmen kann, weil er Gott ist.
Dabei hat Jesus keine schnellen Ergebnisse versprochen und kein sogenanntes einfaches Evangelium. Es gab ja mal die Parole: „Wir predigen nur das einfache Evangelium“, was immer das auch sein mag. Im Gegenteil: Einfach ist es nicht. Es geht anders. Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass sich ein Reicher bekehrt. Das ist nicht einfach.
Bei den Menschen ist es unmöglich, von wegen einfach! Es ist nicht nur schwer, es ist unmöglich. Aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Jede Bekehrung ist ein Wunder – nicht nur die Bekehrung eines Atheisten, der Richard Dawkins leidenschaftlich unterstützt hat. Jede Bekehrung ist ein Wunder.
Wir sind völlig angewiesen auf den Herrn – wir, die wir evangelisieren. Und genauso unsere lieben Zeitgenossen, denen wir das Evangelium bringen. Auch sie sind völlig angewiesen auf den Herrn, dass er ihnen das Herz öffnet, ihren Widerstand bricht und sie bereit macht, auf ihn zu hören.
Graf von Zinzendorf hat in einem seiner speziellen Lieder, die teilweise ziemlich speziell sind, unsere evangelistische Aufgabe so beschrieben: Er sagt, Herr Jesu, könnten wir es auf allen Dächern, wir machten alle Heiligen zu Schechern. Hier sagt er, wir sollen von den Dächern die Wahrheit verkünden.
Und er sagt: Jesus, könnten wir es auf allen Dächern, wir machten alle Heiligen zu Schechern. Genau das ist die Aufgabe der Evangelisation: Heilige zu Schechern zu machen. Menschen, die sich heilig und ausreichend vor Gott ausgerüstet finden und gut finden, denen zu sagen, dass sie eigentlich wie der Schecher am Kreuz sind. Dass sie nur diese eine Chance haben, alle Hoffnung auf Jesus zu setzen und nach seiner Rettung zu schreien.
Und wenige Tage später – das heißt, wir sprechen schon von wenigen Minuten – werden die Jünger einen solchen Hilfeschrei hören.