Studienreihe über biblische Lehren von Doktor Martin Lloyd-Jones
Band eins: Gott der Vater
Kapitel eins: Über Ziel und Methode
Es ist immer gut, wenn wir mit einem Text beginnen. Nicht, weil ich predigen will, sondern weil ich möchte, dass wir mit einigen Worten starten, die uns den Hintergrund für all das liefern, was ich jetzt zu sagen beabsichtige. Diese Worte sollen uns erklären, was ich mit dieser Reihe von Studien über biblische Lehre vorhabe.
Ich beziehe mich auf 5. Mose 29,28: „Das Verborgene steht bei dem Herrn, unserem Gott, aber das Offenbare gilt uns und unseren Kindern für ewig, damit wir alle Worte dieses Gesetzes tun.“
Nun werden wir unweigerlich mit Einleitungsfragen beginnen müssen. Dies ist aus mehreren Gründen notwendig, wie ich meine. Ein Grund ist, dass manche Leute die Richtigkeit dessen hinterfragen, was wir vorhaben.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem wir nicht viel über Lehre hören. Es gibt sogar einige Leute, die töricht genug sind zu sagen, dass sie sie nicht mögen. Das erscheint mir eine sehr armselige und bedauernswerte Einstellung zu sein.
Vorträge oder Predigten über biblische Lehre waren einmal sehr weit verbreitet, doch sie sind vergleichsweise selten geworden, besonders in diesem Jahrhundert. Auch wenn wir uns nicht direkt mit dieser Kritik auseinandersetzen wollen, so bietet sie uns doch einen guten Ausgangspunkt.
Sie veranlasst mich zu bemerken, dass es bestimmte Dinge gibt, über die wir uns im Klaren sein müssen.
Was also werden wir tun? Dies soll eine Reihe von Studien über biblische Lehren sein. Was meinen wir damit, wenn wir von einer biblischen Lehre sprechen? Die Antwort ist, dass die Bibel in besonderer Weise bestimmte Wahrheiten vermittelt. Und nichts ist wichtiger, als dass wir das begreifen und damit beginnen.
Die Bibel ist ein Buch mit einem ganz klaren Ziel. Alles, worüber sie uns unterrichtet, dient einem bestimmten Zweck. Sie will uns ihre einzelnen Wahrheiten vor Augen halten und uns allen ins Gedächtnis schreiben.
Lassen Sie mich dies anhand einer verneinenden Aussage näher erklären: Die Bibel ist beispielsweise keine Universalgeschichte der Welt. Leider vergessen wir dies viel zu schnell. Achten Sie nur darauf, wie sie zweitausend Jahre Geschichte in nur elf Kapitel des ersten Mosebuches zusammenfasst. Die Bibel ist nicht in erster Linie an Weltgeschichte interessiert. Ihr Ziel ist ein anderes.
Lassen Sie mich noch eine weitere verneinende Aussage hinzufügen: Die Bibel ist nicht einmal daran interessiert, uns eine vollständige Geschichte all dessen zu liefern, was Gott jemals getan hat. Er hat viele Dinge getan, die in der Bibel nicht erwähnt sind. Aber sie wählt bestimmte Ereignisse aus, die ihr helfen, ihr eigenes Ziel und ihren Plan ins Blickfeld zu rücken.
Die vier Evangelien beispielsweise erheben nicht den Anspruch, eine komplette Biografie des Sohnes Gottes, unseres Herrn und Retters Jesus Christus, zu sein. Nein, es geht ihnen darum, bestimmte Wahrheiten über ihn weiterzugeben. Sie befassen sich beispielsweise nur mit drei Jahren seines Lebens. Darüber hinaus erfahren wir sehr wenig.
Sie berichten uns von seiner Geburt, ja, aber die hauptsächliche Betonung in den vier Evangelien liegt auf seinem öffentlichen Wirken – auf dem, was er getan hat, nachdem er dreißig Jahre alt war. Johannes macht uns dies in seinem Evangelium sehr deutlich. Er schreibt: „Auch viele andere Zeichen hat nun zwar Jesus vor den Jüngern getan, die nicht in diesem Buch geschrieben sind; diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“ (Johannes 20,30-31)
Johannes hatte nicht vor, uns eine exakte, detaillierte Lebensbeschreibung unseres Herrn zu geben. Nein, er hatte ein Ziel im Auge. Der letzte Vers in seinem Evangelium sagt: „Es gibt aber auch viele andere Dinge, die Jesus getan hat; wenn diese alle einzeln niedergeschrieben würden, so scheint mir selbst die Welt die geschriebenen Bücher nicht zu fassen.“ (Johannes 21,25)
Worum geht es dann in der Bibel? Diese Frage können wir ohne zu zögern beantworten. Die Bibel ist ihrem Wesen nach die große Geschichte der Erlösung. In ihr ist die Geschichte dessen niedergeschrieben, was Gott für Männer und Frauen angesichts ihrer Sünde getan hat.
Alles, was wir sonst noch in der Bibel finden, ist diesem Hauptthema untergeordnet. Die Bibel will uns die Botschaft von der Erlösung, die durch Gott und von Gott her geschehen ist, aufzeigen. Dies geschieht auf eine Weise, dass wir verstehen, erkennen und glauben können.
Wenn wir also über biblische Lehren sprechen, meinen wir die Aspekte der Erlösung, die uns in der Bibel veranschaulicht werden. Die biblischen Lehren sind die verschiedenen Wahrheiten, die wir hinsichtlich dieser entscheidenden Frage in der Bibel finden.
Es gibt natürlich viele mögliche Unterteilungen dieses einen Themas der Bibel. Lassen Sie mich Ihnen jedoch einige Lehren vorstellen, die wir notwendigerweise behandeln müssen.
Eine Selbstverständlichkeit ist das Buch selbst. Warum schenken wir diesem Buch so viel Beachtung? Warum beschränken wir uns auf dieses Buch? Was lehrt die Bibel über sich selbst? Ohne Zweifel müssen wir an diesem Punkt beginnen. Wir können nicht weitergehen und die Lehren der Bibel betrachten, bevor wir nicht eine klare Vorstellung davon haben, was die Bibel selbst ist und was sie behauptet zu sein.
Dann, natürlich, wenn wir die Autorität und den Maßstab der Bibel für uns akzeptiert haben, können wir mit jener Lehre beginnen, die stets den Vorrang vor jeder anderen Lehre haben muss: die Lehre von Gott. Im Anfang schuf Gott (1. Mose 1,1). Hier begegnen wir Gott; es ist seine Offenbarung. Wenn wir also zur Bibel greifen, lernen wir die Wahrheit über ihn kennen. Genau genommen ist dies mit dem Begriff Theologie gemeint.
Die nächste Lehre ist, das ist naheliegend, die Lehre vom Menschen. Ich habe gesagt, dass es die Aufgabe der Bibel ist, uns über Gottes Erlösungswerk aufzuklären. Erlösung ist das, was Gott wegen des Menschen tut. Die Lehre vom Menschen nennt man Anthropologie.
Dann kommen wir zu der Lehre unseres Herrn und Retters Jesus Christus, zur Christologie. Denn schließlich ist alle Erlösung in ihm zu finden, in ihm allein. Alles, was im Alten Testament geschieht, schaut auf ihn; er ist der Höhepunkt, und die Bibel hat uns eine Menge über ihn zu sagen.
Doch wenn wir herausgefunden haben, wie uns unsere Erlösung ermöglicht wurde, stellt sich als Nächstes die Frage: Wie wenden wir diese Lehre auf uns an? Die Antwort, die uns die Bibel auf diese Frage gibt, ist eine großartige Lehre: die Lehre von der angewandten Erlösung beziehungsweise die Soteriologie.
Und danach: Was passiert mit uns, wenn wir erlöst sind? Nun, wir werden einer Gemeinde hinzugetan und werden zu Gliedern des unsichtbaren Leibes Christi. Demzufolge würden wir erwarten, dass uns die Bibel etwas über die Gemeinde sagt – und sie tut es auch. Diese Lehre nennt man Ekklesiologie, die Lehre von der Ekklesia, der Gemeinde.
Anschließend stellen wir selbstverständlich die Frage: Hier sind wir nun, erlöst, Glieder Christi, seines Leibes, der Gemeinde – aber wozu das alles? Was wird mit uns geschehen, wohin wird das führen? Die Bibel spricht auch zu diesem Punkt, denn sie hat ihre Lehre von den letzten Dingen, die Eskatologie.
Alle biblische Lehre strebt auf etwas zu: einen großen Höhepunkt und eine große Vollendung. Es gibt bestimmte endgültige und letzte Dinge, und über diese finden wir eine Menge in der Bibel.
Dies sind also einige der Wahrheiten, die wir, so Gott will, hoffentlich miteinander betrachten werden. Und das ist alles, was ich zu tun beabsichtige.
Es möge also niemand denken, dass es uns hier um einen allgemeinen Überblick oder eine Zusammenfassung der Bibel und ihrer Inhalte geht. Das wäre eine großartige Sache, so etwas zu tun, aber genau das ist es nicht, was wir vorhaben.
Ich habe Ihnen bereits einen allgemeinen Überblick über diese Lehren gegeben, und genau dem wollen wir uns nun zuwenden. Wir werden die Lehren im Text, im Wort finden. Unsere Aufgabe ist es, sie herauszuarbeiten und zu untersuchen.
Warum sind wir der Meinung, dass wir das tun sollten? Hier sind einige Antworten, die ich auf diese Frage geben möchte.
Die erste lautet: Die Bibel selbst tut dies, und deshalb müssen wir es notwendigerweise auch tun. Ich sagte Ihnen zu Beginn, dass die Bibel nicht einfach eine Universalgeschichte darstellt. Sie ist ein Buch, das uns bestimmte einzelne Wahrheiten klar vor Augen halten will. Diese Wahrheiten sind Lehren.
Wenn ich meine Bibel richtig lesen will, bedeutet das, dass ich Lehren berücksichtigen muss. Die Bibel will, dass ich ihre Lehre begreife. Anders ausgedrückt: Es mag sein, dass ich meine Bibel sehr gut kenne, doch solange ich nicht klar sehe, wie wichtig es ist, ihre Lehren zu verstehen, kann mein Bibelwissen durchaus nutzlos für mich sein – und zwar ziemlich nutzlos.
Lassen Sie es mich folgendermaßen erklären: Ist es nicht genau das, was die Propheten getan haben? Sie lesen von ihnen im Alten Testament. Was haben diese Männer getan? Sie ergriffen diese Lehren, besonders die Lehre des Gesetzes, und versuchten, ihnen Geltung zu verschaffen. Sie wandten das Gesetz an. Sie gingen zum Volk und sagten: „Ihr Leute denkt, dass ihr das Gesetz kennt, nur weil ihr es habt, aber das trifft nicht zu.“ Sie sagten: „Das Gesetz sagt euch Folgendes, und das ist es, was ihr begreifen und verstehen müsst.“ Sie predigten dem Volk Lehre.
Und ist das nicht auch genau das, was unser Herr selbst getan hat? Was hat er denn in der Bergpredigt wirklich anderes getan, wenn nicht genau das? Er sagte: „Ihr habt gehört, ich aber sage euch.“ Er nahm das Gesetz und legte es in Form von Lehre aus. Er erklärte es. Er sagte, dass eine bloße allgemeine Kenntnis des Gesetzes keinerlei Wert hat. Du musst genau wissen, was es sagt. Er leitete die Prinzipien ab, wandte sie an und machte sie mit Nachdruck geltend.
Das ist ganz offensichtlich auch genau das, was die Apostel taten. Lesen Sie einmal die Apostelgeschichte und achten Sie auf die Verkündigung dieser ersten christlichen Prediger. Was taten sie? Nun, Sie werden feststellen, dass sie sich keinen Text vornahmen, dessen exakte Bedeutung im Griechischen oder Hebräischen erklärten und ihn dann analysierten. Nein, ihre Art der Verkündigung bestand darin, Lehren zu verkündigen. Sie hatten eine Botschaft, die sie den Menschen vorstellten. Sie benutzten ihre Schriften, um zu zeigen, dass dies die Lehre ist.
Genau das ist es ja auch, was Predigen ist: Zweck und Auftrag christlicher Verkündigung. Es ist nicht einfach nur eine Gelegenheit für einen Mann, seine eigenen Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Es geht auch nicht darum, ich sage es noch einmal, nur eine alternative Übersetzung der Heiligen Schrift zu liefern. Nein, Ziel jeglicher Verkündigung muss es sein, der Gemeinde die Wahrheit zu verkündigen. Die Apostel haben das getan, so wie es seither zum ureigensten Wesen christlicher Verkündigung gehört.
Oder nehmen wir die Briefe des Neuen Testaments. Was sind sie? Nun, in diesen Briefen werden gezielt wichtige Lehren aufgegriffen, unterstrichen und bekräftigt. In einigen Gemeinden bestand eine ganz konkrete Notwendigkeit danach. Dementsprechend artikuliert der Verfasser eines Briefes seine Lehre und wendet sie auf die Praxis an. Immer wieder kann man beobachten, wie sie damit beschäftigt sind, Lehre in Worte zu fassen und zu erläutern.
Das ist also mein erster Grund, warum ich dies tue: Ich sage, dass die Bibel es fordert. Sie tut es selbst und ermahnt uns, es ebenso zu tun.
Ein weiterer Grund ist, dass es für uns gefährlich ist, die Bibel zu studieren, ohne dies richtig zu tun. Man spricht davon, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen, nicht wahr? Und welch schreckliche Gefahr darin liegt, genau das zu tun.
Das eigentliche Problem der Juden zur Zeit unseres Herrn war, dass sie beim Buchstaben stehen blieben und nie zum Geist gelangten. Mit anderen Worten: Sie kamen niemals zur Lehre. Sie waren zufrieden damit, ganz allgemein mit den Worten vertraut zu sein, aber das Wort selbst begriffen sie nicht.
Dies ist etwas, das wir alle als eine äußerst große Gefahr für uns selbst erkennen müssen. Denn wenn wir beim Buchstaben stehen bleiben, gewinnen wir nichts. Es wird uns sogar in die Irre führen. Es kann die Ursache dafür sein, dass unsere Seele verdammt wird.
Wenn jemand nach dem Bibelstudium nicht zur Lehre kommt, dann bedeutet das, dass dieses Studium völlig nutzlos war. Es mag sehr intellektuell sein und es mag eine gute Sache sein, seine Zeit so zu verbringen. Ich habe Menschen kennengelernt, die die Bibel benutzt haben wie andere ein Kreuzworträtsel oder ein Puzzlespiel, nämlich um Teile zusammenzusetzen.
Doch sie sind niemals bis zur Lehre gekommen. Ihr Studium ist ohne Wert, es ist nutzlos.
Ein weiterer Grund, biblische Lehre zu studieren, ist, dass die Gemeinde Jesu dies durch die Jahrhunderte hindurch immer als etwas Unverzichtbares angesehen hat: die Lehren der Bibel herauszuarbeiten und zu betonen.
In den allerersten Tagen der Gemeinde wurde niemand als Gemeindemitglied aufgenommen, der nicht bereit war zu bekennen, dass Christus der Herr ist – koste es, was es wolle. Doch in dem Moment, in dem sie sagen „Jesus ist der Herr“, machen sie eine Lehraussage.
Nach einer Weile kamen die frühen Christen zu der Überzeugung, dass es nicht ausreichte, einfach nur zu sagen „Jesus ist der Herr“. Sie sahen es als notwendig an, eine sogenannte Taufformel einzuführen. Taufkandidaten wurden unterrichtet, ihnen wurden bestimmte Fragen gestellt, die sie beantworten mussten.
Aber sie erinnern sich, was geschah: Sehr bald begannen sich Irrlehren zu verbreiten. Leute innerhalb der Gemeinde fingen an, Dinge zu sagen, die nicht korrekt waren. Sie waren durchaus ernsthaft und aufrichtig, aber sie äußerten falsche und schädliche Ansichten.
Diese Häretiker und falschen Lehrer sorgten natürlich nicht nur innerhalb der Gemeinden für Verwirrung, sondern verführten auch Menschen außerhalb. Die wachsende Verbreitung von Irrlehren innerhalb der frühchristlichen Gemeinde führte dazu, dass sie die sogenannten Glaubensbekenntnisse entwarf.
Beispiele dafür sind das Apostolische Glaubensbekenntnis, das Nizänische Glaubensbekenntnis oder das Glaubensbekenntnis des Athanasius. Diese Glaubensbekenntnisse wurden äußerst wichtig, weil es so viele Irrtümer und Irrlehren in der Gemeinde gab. Unter der Leitung des Heiligen Geistes sagte die Gemeinde: Wir müssen klarstellen, was wir glauben und was wir nicht glauben.
Es reicht nicht aus, den Leuten einfach nur zu sagen, dass sie die Bibel aufschlagen sollen. Absolut aufrichtige, ernsthafte und fähige Männer und Frauen können dieses Buch lesen und doch Dinge sagen, die ganz verkehrt sind. Wir müssen das, was wir lehren, klar definieren. Definitionen biblischer Lehre sind das, was wir Glaubensbekenntnisse nennen.
Natürlich war es dann so, dass sich die Gemeinde, die im gewissen Sinn eins gewesen war, in zwei Teile aufspaltete: in die Westkirche und die Ostkirche. Die Lehre blieb in beiden Teilen mehr oder weniger dieselbe.
Die Gemeinde als Ganzes war zerbrochen, aber sie wurde bestimmt von diesen drei großartigen Glaubensbekenntnissen.
Dann kam die protestantische Reformation. Neues Leben, neue Vitalität und ein neues Verständnis kamen auf. Wieder sah die Gemeinde es als absolut wesentlich an, sich das, was sie lehrten, vorzunehmen, um es korrekt und unmissverständlich zu formulieren.
So entstanden die großen Bekenntnisschriften, wie sie unter Protestanten in der Regel genannt werden. Sie sind nichts weiter als eine Auflistung und Auslegung der Lehren der Bibel.
Abermals sagten die verantwortlichen Männer: Es reicht nicht aus, den Leuten eine aufgeschlagene Bibel zu geben. Wir müssen sie anleiten, wir müssen ihnen helfen, denn sie sind anfällig dafür, auf Abwege zu geraten.
Darum müssen wir ihnen sagen, dass wir genau Folgendes über Gott glauben – aber wiederum Folgendes nicht glauben. Wir müssen ihnen über Christus und über die Gemeinde usw. erzählen.
Die anglikanische Kirche hat ihr Bekenntnis, welches wir die neununddreißig Glaubensartikel nennen. Es gab außerdem viele berühmte Bekenntnisse auf dem Kontinent, wie etwa von den Herrnhuter Gemeinden oder der reformierten Kirche.
Und dann gab es das großartige Bekenntnis, das in Westminster Abbey im siebzehnten Jahrhundert entworfen wurde. Es ist deshalb als Westminster-Bekenntnis bekannt geworden. Es ist das Bekenntnis der schottischen Kirche und aller presbyterianischen Kirchen weltweit.
Jedes dieser Bekenntnisse und die Katechismen, die sie begleiten, sind nichts anderes als Aussagen über die biblischen Lehren, sodass Gemeindeleute genau wissen konnten, was sie glauben und was nicht – und die Gründe für diesen Glauben.
Sie sind dafür bestimmt, uns im Glauben zu erbauen und uns fähig zu machen, genau zu erkennen, wo wir stehen.
Wenn die frühchristliche Gemeinde die Notwendigkeit sah, ihren Glauben zu formulieren, und dies auch in der Zeit der Reformation sowie im siebzehnten Jahrhundert, dem Jahrhundert der Erweckungen, der Fall war, dann ist es ebenso sicher, dass auch heute ein dringender Bedarf dafür besteht.
Die Gemeinde Jesu ist heute von Sekten umringt. Mitglieder dieser Gruppen kommen an unsere Türen und sprechen, wie sie sagen, von den Schriften. Sie behaupten, an die Bibel zu glauben, die wir als Grundlage für unsere Lehre nehmen. Doch in dem Moment, in dem sie eine Aussage machen, spüren wir instinktiv, dass etwas nicht stimmt. Allerdings können wir darauf keine Antwort geben.
Dies ist unter anderem ein Grund, warum wir biblische Lehre studieren sollen: um uns gemeinsam zu befähigen, den Irrtum hinter solchen falschen Lehren zu erkennen. Nicht, dass ich Vorträge über Sekten halten möchte. Vielmehr werde ich Sie an das erinnern, was die Bibel lehrt. Wenn wir dann eine feste Vorstellung und Erkenntnis davon haben, was die Bibel lehrt, können wir jede andere Lehre prüfen, die uns angeboten wird.
Doch nicht nur außerhalb der Gemeinde gibt es Irrtümer und Sekten. Sogar innerhalb der Gemeinde herrscht eine große Verunsicherung. Es fehlt an Lehre, es mangelt an klaren Begriffsbestimmungen, und es besteht eine Bereitschaft, jeden sagen zu lassen, was immer er möchte.
Das bedeutet, dass es niemals eine Zeit gegeben hat, in der es dringender notwendig war, dass Christen die Lehren der Bibel gemeinsam betrachten. Wir müssen das Fundament kennen, auf dem wir stehen, und in der Lage sein, jedem Feind zu widerstehen, der uns angreift. Jedem raffinierten Feind, jeder Masche des Teufels, der als Engel des Lichts verkleidet kommt, um unsere Seelen zu zerstören.
Doch ich habe einen noch viel erhabeneren Grund, mit ihnen diese Lehren zu betrachten. Letztendlich ist dies die einzige Möglichkeit, Gott wirklich kennenzulernen, in seine herrliche Gegenwart zu treten und etwas über seine wunderbaren Wege mit uns zu lernen.
Ja, wir wollen unsere Bibeln weiterhin lesen und studieren, aber wir wollen uns nicht im Detail verlieren. Wir wollen diese großartigen, mächtigen Berggipfel der Lehre ansteuern und erklimmen, um zu begreifen, wer Gott ist und was er für uns getan hat in der Person seines geliebten Sohnes – und das trotz unserer Sünde.
Dies ist auf jeden Fall das Ziel, um das es mir geht. Mir geht es nicht darum, ihnen ein wenig intellektuelles Wissen oder Informationen zu vermitteln, die sie vorher vielleicht noch nicht hatten. Gott bewahre, dass das mein Anliegen ist oder dass irgendjemand über das, was wir tun, in dieser Weise denkt.
Erkenntnis, sagt Paulus, bläht auf, die Liebe aber erbaut (1. Korinther 8,1). Die Atmosphäre dieser Reihe an Abhandlungen oder Diskussionen ist nicht die eines Klassenzimmers. Am Ende wird es keine Prüfungen geben, um zu beurteilen, wie viel sie gelernt haben, und sie werden kein Diplom erhalten.
Nein, nein, es geht uns um Gott, ihn zu erkennen. Es geht um Anbetung. Jede Betrachtung der Bibel ist Anbetung, und es gibt für mich nichts Gefährlicheres, als der Bibel und ihrer Lehre so zu begegnen wie jedem x-beliebigen Lehrbuch.
Leute sagen oft zu mir: „Was ist los mit unseren theologischen Seminaren? So oft habe ich einen guten Mann gesehen, der okay war, als er hineinging, aber schau ihn dir an, wenn er wieder herauskommt.“ Sicher, das muss nicht immer wahr sein, Leute sagen oft solche Sachen. Aber wenn es manchmal doch zutrifft, dann meine ich, ihnen sagen zu können, warum das so ist.
An solchen Orten gehen sie an die Bibel viel zu oft so heran, als sei sie ein Lehrbuch. Viel zu oft begegnen sie diesen großartigen Lehren so, als wären sie menschliche Gedanken und Ideen. Sie nähern sich ihnen nicht in einer steten Atmosphäre der Anbetung und Ehrfurcht.
Sie sind an Übersetzungen und intellektuellem Wissen interessiert. Das ist zwar wichtig, aber wir dürfen dabei nicht stehenbleiben. Die Lehren der Bibel sollten nicht nur Studiengegenstand sein. Vielmehr sollten wir ein Verlangen haben, sie kennenzulernen – nicht damit wir, wenn wir sie kennengelernt haben, aufgebläht werden mit Erkenntnis und begeistert sind von dem, was wir an Informationen gesammelt haben, sondern damit wir Gott in Anbetung, Lobpreis und tiefer Bewunderung näher und näher kommen.
Das geschieht eben, weil wir die Herrlichkeit unseres wunderbaren Gottes in einer Fülle begreifen, wie niemals zuvor. Möge er uns Anlass dazu geben, dies zu tun, und schenken, dass wir alle als Auswirkung dieser Lehren ihn, den allein wahren und lebendigen Gott, und Jesus Christus, den er gesandt hat, kennenlernen.
Und dass wir als Folge daraus alle im Glauben erfrischt werden. So hoffe ich, dass durch uns und durch andere wie wir die gesamte Gemeinde Jesu erweckt werden möge und dass wir in unserer Mitte wieder die spürbare Anwesenheit der herrlichen Kraft Gottes bezeugen können.
Gelesen von Glaubensgerechtigkeit. Dieses Buch sowie viele weitere Hörbücher, Andachten und Predigten gibt es auf dem Youtube-Kanal von Glaubensgerechtigkeit