Einleitung und Thema der Predigt
Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt! Amen!
Wir hatten uns vorgenommen, in dieser Passionszeit über die Gegenstände der Passion zu sprechen. Auf alten Passionsbildern sind um das Kreuz herum der Speer, der Schwamm, die Würfel und alles, was eine Rolle spielt, dargestellt.
Nun sprechen wir im dritten Jahr schon über die Gegenstände der Passion und heute von den Fesseln Jesu. In Matthäus 27 heißt es: „Sie banden Jesum und führten ihn hin und überantworteten ihn dem Landpfleger Pontius Pilatus.“ Verheiße uns die Wahrheit deines Wortes, denn dein Wort ist die Wahrheit! Amen!
Ist ein Stuhl frei? fragt sie mich. Junge Frau, hier ist noch ein Stuhl frei. Das kann ich nicht sehen, dass Sie stehen, und da ist ein Stuhl frei. Ihr seid doch einig! „Rutsch doch rein, Mensch, rutsch doch hier, der Kerl gleich hier!“ Das macht nächsten Sonntag alles unser neuer Hausmeister.
Die Schwierigkeit des Heimkommens im Vergleich zum Aufbruch
Meine Freunde, jeden Tag liest man in Zeitungen, dass bald bemannte Raketen in den Weltraum geschossen werden. Ich kann es kaum erwarten, wie es losgeht. Manche hier können das auch kaum abwarten. Heute ist das gar kein Problem mehr. Man kann die Raketen mit Menschen an Bord starten lassen.
Die Schwierigkeit ist nur, wie sie wieder zurückkommen sollen. Verzeihung, hier ist tatsächlich noch ein Stuhl frei. Junge Frau, kommen Sie her, bringen Sie bitte noch einen Stuhl. Wir können das nicht anders regeln. Barmherzigkeit steht über allem, das steht auch in der Bibel, nicht hier. Jetzt sind zwei Frauen für einen Stuhl, das ist natürlich viel besser möglich.
Sehen Sie, die Raketen können starten. Die Schwierigkeit ist nur, wie wir nach Hause kommen sollen. Als ich das neulich gelesen habe, dachte ich: So ist es meistens. Das Losmarschieren ist einfach, aber nach Hause zu kommen ist das Schwierige, die Rückkehr.
Sehen Sie, 1942 sind deutsche Soldaten mit Pauken und Trompeten nach Russland marschiert. Das war verhältnismäßig einfach, sie kamen weit voran. Aber das Umkehren war danach sehr schwierig, das Heimkommen, das Zurückkehren. Manche haben zehn Jahre dafür gebraucht, und manche kamen gar nicht mehr zurück.
Das Losmarschieren ist einfach, aber das Umkehren und Nachhausekommen ist schwer. Meine Freunde, das ist auch im geistlichen Leben so. Es ist sehr leicht, vom lebendigen Gott wegzulaufen. Es ist ein Kinderspiel, seiner Vernunft und seinen wilden Trieben zu folgen und von Gott wegzugehen.
Zur Verlorenheit hat niemand Schwierigkeiten, sein Geld und Gut zu nehmen und abzuhauen. Es ist sehr einfach und gar nicht schwierig, von Gott so endgültig wegzulaufen, dass man schließlich am Ziel des Weglaufens ankommt – in der Hölle. Mir schaudert es, wie viele Menschen auf dem Weg in die Hölle sind.
Die Barmherzigkeit Gottes und das Ziel der Passion Jesu
Das Weglaufen ist nicht schwer, aber das Nachhausekommen ist sehr schwierig – das Umkehren, das Zurückkommen.
Kein Mensch käme zum lebendigen Gott zurück, wenn Gott in seiner Barmherzigkeit nicht selbst die größten Schwierigkeiten auf sich genommen hätte. Wir müssen nur umkehren und sagen: „Ich habe gesündigt.“ Alles andere übernimmt er.
Darum ist der Sohn Gottes aus einer anderen Dimension gekommen, meine Freunde, aus der Welt Gottes, damit Menschen heimkommen können. Deshalb hat Jesus am Kreuz gelitten – damit Menschen nach Hause kommen können zu Gott.
Es geht mir nicht um Religion, Kirche oder Christentum, sondern darum, dass sie nach Hause kommen zum Vater. Und sehen Sie, genau darum berührt uns das Sterben des Herrn Jesus, seine Passion und sein Leiden so unsagbar tief. Wie Bücher voller Geschichten ist hier die Tür des Leidens Jesu, um nach Hause zu kommen zum Herzen Gottes.
Ich will Ihnen offen sagen: Ich habe Gott gebeten, er möge es mir schenken, dass durch die Predigt heute Morgen, durch die Betrachtung des Leidens Jesu, einige von Ihnen wirklich nach Hause kommen. Und ich hoffe, er wird mein Gebet erhören.
Einführung in die Betrachtung der Fesseln Jesu
So wollen wir heute die Fesseln Jesu betrachten. Ich sagte bereits, dass wir uns auf eine merkwürdige Sache konzentrieren wollen: die Gegenstände des Leidens Jesu.
Wir haben schon über die Würfel gesprochen, mit denen die Soldaten um seine Kleider gewürfelt haben, und auch über die Nägel, mit denen er angenagelt wurde. Nun wenden wir uns den Fesseln zu.
Wir folgen dabei nicht streng der Reihenfolge der Karwoche, sondern gehen etwas durcheinander vor, so wie es der Herr oft tut. Die Predigt überschreiben wir mit dem Thema „Die Fesseln Jesu“.
Wie gewohnt habe ich drei Teile vorbereitet. Es ist heute nicht ganz einfach, die Gedanken klar zu ordnen, aber ich hoffe, es gelingt mir. Die drei Teile behandeln die Fesseln Jesu.
Die Predigt der Fesseln: Die Realität der gefallenen Welt
Erster Teil: Die Predigt der Fesseln.
Meine Freunde, diese Stricke, mit denen Jesus am Morgen des Karfreitags gebunden wurde, als er zu Pilatus geführt wurde, diese Fesseln haben eine Predigt gehalten. Die Predigt der Fesseln besteht aus nur zwei Teilen. Meine Predigt hingegen hat drei Teile – also nicht schwierig.
Die Predigt der Fesseln hat zwei Teile, aber sie ist eindrücklich. Diese Fesseln Jesu verkünden vor allem: Es ist eine schreckliche Welt, in der wir leben. Es ist eine gefallene Welt, an die du dein Herz hängst, wenn du vom lebendigen Gott wegläufst. Wir hängen doch alle unser Herz an die Welt. Aber was tun wir eigentlich?
Die Fesseln geben uns ein illusionsloses Bild davon, wie die Welt ist, an die wir unser Herz hängen. Sehen Sie, ich habe vor kurzem in der Zeitung das Bild eines jungen Mörders gesehen, der in Handschellen gefesselt war. Heute hat man keine Stricke mehr, heute klickt es nur noch. Alles ist technisch, sogar die Fesseln.
Der junge Mann wurde also in Handschellen vor Gericht geführt. Ich sah in der Zeitung sein junges Gesicht und die gefesselten Hände. Da fiel mir alles ein, was in der Bibel vom Sündenfall steht. Als ich diesen jungen Mörder sah, dachte ich: Ja, die Welt ist nicht mehr so, wie Gott sie geschaffen hat – sehr gut.
Da steht der Sündenfall, da steht der Aufruhr unseres Herzens gegen Gott. Und jetzt ist es so, dass die Bibel sagt: Der Teufel ist der Gott dieser Welt! So steht es in der Bibel: Der Teufel ist der Gott dieser Welt! Wenn Gott vom Herrn Gott reden soll, dann wissen Sie, dass es um den Teufel geht.
Und jetzt regieren Streit und Hass – haben Sie nicht Krach? – und Lüge und Geldgier und Unreinigkeit und Süchte, die fesseln. Die Predigt sagt: Wir leben in einer gefallenen Welt.
Die Ungerechtigkeit der Welt und die Unschuld Jesu
Und meine Freunde, die Jesus fesseln, tun damit etwas noch viel Schlimmeres. Es ist mir schrecklich, an so einem schönen Morgen so schreckliche Worte sagen zu müssen. Aber wir müssen uns die Wahrheit sagen: Die Fesseln, die Jesus tragen muss, bedeuten etwas sehr Schreckliches.
Sehen Sie, es ist völlig in Ordnung, wenn ein Mörder Fesseln trägt. Mörderhände gehören in Fesseln. Aber ist Jesus ein Mörder? Ist Jesus ein Übeltäter? Er hat vor einem großen Volk gesagt: „Wer kann mir eine Sünde nachweisen?“ Das würde ich nicht wagen, so vor ihn zu fragen: „Wer kann mir eine Sünde nachweisen?“ Ringsum war niemand, der etwas zu sagen wagte.
Jesus konnte es riskieren, diese Frage zu stellen: „Wer kann mir eine Sünde nachweisen?“ Und niemand wagte zu antworten. Und dennoch trägt er die Fesseln – der Unschuldige, der völlig unschuldig ist.
Meine Freunde, hier wird deutlich, wie sehr die Welt von Gott gefallen ist. Die Macht und die Gerechtigkeit stehen oft gegeneinander. Es wird schauerlich klar, dass der Unschuldige Fesseln trägt, während die Mächtigen Unrecht tun.
So ist die Geschichte Jesu, meine Freunde. Und so ist es heute oft in der Welt: Die Mächtigen tun Unrecht, und die Unschuldigen tragen die Fesseln. Die Bibel sagt immer wieder, dass es überall so ist: Diejenigen, die Einfluss haben, oft nur eine kleine Macht besitzen, sollen das Recht haben. Doch die Mächtigen der Welt haben oft nicht das Recht. Das zeigt, wie satanisch und schrecklich die Welt gefallen ist, wie sie aus der Hand Gottes gefallen ist.
Sehen Sie, das Predigen, die Fesseln an Jesus – und an solch einer Welt hängen Sie Ihr Herz? Bauen Sie auf diese Welt? Ist Ihr ganzes Herz in solch einer Welt?
Meinen Sie nicht, dass es Zeit wäre, eine Vision vom Reich Gottes zu bekommen, in dem Macht und Gerechtigkeit herrschen? Meinen Sie nicht ganz kurz gesagt, dass es Zeit wäre, umzukehren und sich dem Herrn Jesus zu bekehren, dem König dieses Reiches?
Warum hängen Sie Ihr Herz an diese Welt und gehen mit ihr verloren in Ihrem Elend? Meinen Sie nicht, es wäre Zeit, umzukehren und Ihre Hand dem entgegenzustrecken, der Sie retten kann – dem Heiland von Golgatha?
Kindheitserinnerung und die Notwendigkeit eines Heilandes
Als ich noch ein Junge war – klein, süß, mit vielen Geschwistern – gab es einmal eine alte Tante, die die Idee hatte, dass wir bei einem Fest auftreten sollten. Alle Geschwister sollten zusammen ein Lied singen. Und dann mussten wir dieses Lied schrecklich mühsam lernen.
Es ist merkwürdig, was man als Kind gelernt hat. Das kann man einfach. Ich habe es damals dösig gesungen. Währenddessen wurden wir mit bengalischem Feuer beleuchtet, und all die Kinder standen dahinter. Ich habe das damals nicht verstanden, wissen Sie. Aber heute verstehe ich es.
Ist es auch eine Freude, Mensch geboren zu sein? Darf ich mich heute meines Lebens freuen, wo es doch so viele Tränen, so viel Angst und Not gibt? So viel banges Sehnen, Schmerz und schließlich den Tod?
Ja, es wäre zum Weinen, wenn kein Heiland wäre! Aber sein Erscheinen bringt den Himmel her. Wer zu ihm sagen kann: „Mein Gott und mein Herr“, der darf nie klagen. Es wird immer herrlicher.
Ich weiß nicht, wie man in der gefallenen Welt leben will ohne einen Heiler. Die Menschen versuchen es, aber es ist immer auch danach.
Die zweite Seite der Predigt der Fesseln: Befreiung durch Jesus
Ah, liebe Freunde, diese Fesseln predigen eindrücklich von der gefallenen Welt. Doch diese Fesseln haben noch eine andere Botschaft in ihrer Predigt, und diese ist wunderschön und herrlich. Das muss ich Ihnen auch noch sagen, wenn ich im ersten Teil von der Predigt über die Fesseln spreche.
Diese Fesseln verkünden auch einen schönen Teil der Botschaft. Sehen Sie, alles, was mit dem Leiden Jesu zu tun hat, ist überschrieben mit zwei kleinen Wörtern: „für mich“. Die ganze Bibel klingt wie eine Melodie, die für dich singt. Jesus, der Sohn, wird arm, damit du reich wirst – so steht es in der Bibel. Jesus, der Sohn Gottes, bekommt Wunden, damit du heil wirst – so steht es in der Bibel. Jesus, der Sohn Gottes, erleidet den Tod, damit du das Leben bekommst. Jesus, der Sohn Gottes, wird ein Angeklagter, damit du vor Gott gerecht wirst.
Verstehen Sie, das ist immer dieser wundervolle Tausch „für mich“. Und genau das steht auch über den Fesseln Jesu „für mich“. Jesus wird gebunden, damit wir von den Banden Satans frei werden.
Nun, das klingt jetzt vielleicht pompös: „Bande Satans“. Da sitzt die liebe Oma und sagt fast nur: „Wusch“. In der Kirche lässt man das gelten, aber was heißt schon „Bande Satans“? Das klingt großartig, doch ich muss Ihnen sagen: Ich sehe um mich herum nur Banden Satans.
Ich suche eine glückliche Familie – überall Krach. Da ist ein Mann, der einer Frau hörig ist – Bande Satans. Und wir sehen Mädchen, die ihr Leben einfach verlieren – Bande Satans. Da ist ein Mann, der nur noch vom Geld besessen ist, er hat für seine Familie keinen Blick mehr, nur noch Beruf und Geld verdienen – merkt es nicht, Bande Satans. Da sitzen Menschen, die gar nicht sehen, dass ihre Frau und Kinder nebenan Not leiden, und am Ende wollen sie nur eine Beerdigung – nur Arbeit in ihrem Leben. Sie wissen nicht, dass sie Knechte des Teufels sind. Da ist jemand alkoholabhängig. Und da ist Krach und Streit, und man muss von morgens bis abends seinen Streit austragen.
Da ist jemand im Hochmut gefangen, und er kann nicht beten. Wo ich hinschaue, sehe ich Banden Satans. Kinder, die sich nicht mehr mit ihren Eltern verstehen, aber hart auf ihrem Standpunkt beharren – Bande Satans.
Ach, verzeihen Sie, ich habe Ihnen nur eine kleine Kostprobe gegeben von dem, was ich letzte Woche erlebt habe. Verstehen Sie? Das ist kein großes Wort, sondern die Wirklichkeit der Welt.
Im 116. Psalm steht ein schrecklicher Satz: „Stricke des Todes hatten mich umfangen, ich kam in Jammer und Not.“ Seien Sie ehrlich, kennen Sie das nicht? „Stricke des Todes hatten mich umfangen, ich kam in Jammer und Not.“
Und nun steht Jesus hier und trägt die Bande an unserer Stadt. Schauen Sie den gebundenen Jesus an und glauben Sie es: Er trägt für Sie die Bande, damit Ihre Bindungen zerrissen werden. Oh, ungläubiges Herz, schauen Sie auf Jesus und gehen Sie im Glauben in die Freiheit!
Wir singen gerne im Weihnachtslied einen Vers, den ich sehr mag:
„Fühlst du dich noch gebunden, entreiß dich nur beherzt, denn das Lamm hat überwunden, was deine Seele schmerzt.“
Auf Jesus sehen und in die Freiheit gehen.
Der Unsinn der Fesseln: Die Lächerlichkeit der Bindung Jesu
Lieben Freunde, ich komme nun zum zweiten Teil. Das war also die Predigt über die Fesseln. Die gefallene Welt, aber Jesus hat Fesseln für dich.
Jetzt folgt mein zweiter Teil. Würden Sie so freundlich sein, das letzte Fenster auf der Galerie zu öffnen? Es ist hier sehr warm. Unser Heizgerät meinte, Sie könnten frieren, aber Gott gebe, dass Ihre Herzen durch das, was ich predige, noch wärmer werden.
Zweitens: Der Unsinn der Fesseln. Der Unsinn der Fesseln – jawohl, der Unsinn, den ich meine, ist der Blödsinn der Fesseln. Sie banden Jesus. Wenn man so etwas liest, dass sie die Hände binden, die sich ausstreckten, und einen Toten – den Sturm, der still wurde – binden wollen, dann fragt man sich: Kann man denn so jemanden wirklich binden?
Hier würde ich sagen, es ist eine Dokumentation der Dummheit der Menschen. Passen Sie auf: Im Psalm 2 steht, dass der lebendige Gott uns mit festen Bindungen gefunden hat. Und nun heißt es weiter, dass die Menschen, also wir, sich aufmachen und sagen: Wir wollen die Bindungen Gottes zerreißen, wir wollen endlich frei sein.
Und im Psalm geht es so weiter: Wissen Sie, wie es weitergeht? Der im Himmel sitzt, lacht hier. Gott lacht über diese ganze abendländische Welt einfach nur. Dort haben sie Philosophien entwickelt, um die Bindungen Gottes zu zerreißen – und Gott lacht.
Stellen Sie sich das Wort vor: „Der im Himmel sitzt, lacht ihrer, und der Herr spottet ihrer.“ Gott lacht uns aus, weil wir seine Bindungen zerreißen und seine Gebote mit Füßen treten. Und doch wollen wir ihn binden – den geoffenbarten Gott Jesus? Nein, so etwas ist unmöglich.
Sie banden Jesus – es ist nie etwas Drückenderes geschehen.
Die Kraft Jesu trotz der Fesseln
Sehen Sie, im Alten Testament gibt es auch einen Starken, der gebunden war. Wissen Sie, wer das ist? Wer? Richtig, ja, beinahe gehört. Ausgezeichnet, Sie wissen, was von der Bibel – haben Sie auch gelustet: Simson.
Dieser von Gott Verlobte war eines Tages mit Stricken gebunden. Als er in das Lager der Philister gebracht wurde und der Siegesgeschrei der Philister zu hören war, da kam der Geist Gottes über ihn. Er zerriss die Stricke, als wären sie versenkte Fäden, und warf den Philistern die Brocken ins Gesicht.
Glauben Sie, dass Jesus das nicht gekonnt hätte? Wenn ich ganz ehrlich bin, würde mir die Versionsgeschichte eigentlich so mächtig einleuchten: Danach zerriss er die Stricke und schlug dem alten Käfer seinen Kopf ab. Das wird uns einleuchten. Er konnte es doch!
Jetzt frage ich Sie: Warum tut Jesus das nicht? Warum zerreißt er die Stricke nicht, die doch an seinen Händen – an den Händen des Königs der Welt – lächerlich sind? Warum zerreißt er die Stricke nicht? Warum nicht?
Meine Freunde, wir sind jetzt im Heiligtum, weil er sterben will, weil er leiden will. Hier steht wieder: „Führe mich.“ Jesus trägt die starken Stricke, weil er nur ein Ziel vor Augen hat – das Kreuz, das Kreuz.
Wir können das gar nicht verstehen, meine Freunde, wenn wir nicht ein ganz bestimmtes Kapitel der Bibel immer wieder studieren: Jesaja 53. Ich bitte Sie, lesen Sie in dieser Passionszeit für sich drei, vier, fünf, zehn Mal Jesaja 53 – lesend und betend. Da gehen Ihnen die Augen auf, da verstehen Sie das Leiden Jesu.
Ich habe als junger Student eine Examensarbeit darüber geschrieben und habe nichts begriffen. Ich bekam nur eine Eins. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Jesaja 53 behalten und es so lange lesen, bis Sie niederfallen vor dem Kreuz Jesu.
Da sehen wir den gebundenen Heiland. Da steht er: „Er tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.“ Und dann heißt es: „Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe lag auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.“
Er duldet die Fesseln, weil er nur ein Ziel vor Augen hat – das Kreuz. Und jetzt müsste ich Ihnen die Herrlichkeit des Kreuzes Jesu schildern. Ach, ihr armer Pastor, wer kann das?
Die Bibel braucht viele herrliche Bilder. Sie sagt: Da ist doch ein Bürge, der für mich eintritt, der für mich gebürgt hat, und jetzt tritt er für mich ein. Die Bibel sagt, er ist der Hohepriester, der das Versöhnungsopfer bringt, das mich mit Gott endgültig versöhnt. Jetzt brauche ich keine Priester mehr.
Die Bibel sagt, er ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt. Die Bibel sagt, da kauft er mich los aus der Knechtschaft der Welt. Die Bibel sagt, da bezahlt er für mich, der reiche Heiland – unendlich viele Bilder.
Wenn Sie gar nicht verstehen, dass Jesus den Unsinn der Fesseln trägt, zeigt Ihnen das, dass er entschlossen ist, dich und dich und Sie unter allen Umständen zu erlösen und zum Kind Gottes zu machen. Tun Sie, was Sie wollen, Jesus ist entschlossen, für Sie zu sterben. Er hat Sie gemeint.
Und siehe, wer das begreift, der kann in der Passionszeit nur beten: Herr, lass dein Todesblut an mir nicht verloren sein! Nicht beten dürfen: Herr, lass dein Todesblut an mir nicht verloren sein!
Die heimliche Schönheit der Fesseln Jesu
Lassen Sie mich noch kurz etwas Letztes sagen. Hoffentlich haben Sie noch genug Sauerstoff und Esprit, um den letzten Teil aufzunehmen. Er ist vielleicht der wichtigste: die Fesseln Jesu!
Die Predigerfesseln, die Unsünderfesseln und jetzt drittens die Schönheit dieser Fesseln. Ich habe „Schönheit“ gesagt. Ja, es waren zwar wahrscheinlich alte Stricke oder neue Stricke, aber sie besitzen eine heimliche Schönheit.
Und wissen Sie, was das ist? Die heimliche Schönheit dieser Fesseln Jesu ist, dass sie ein Hinweis sind auf die Fesseln, mit denen ein gläubiges Herz den Heiland an sich bindet.
Eddard erklärt: Sehen Sie, ich sehe die Christknechte, wie sie Jesus binden und dabei sagen: „Du sollst uns jetzt nicht mehr auskommen und weglaufen.“ Da machen sie einen Knoten, einen Zifferknoten oder etwas Ähnliches.
Meine Freunde, genauso sagt ein gläubiges Herz: „Herr Jesus, du darfst mir nicht mehr aus meinem Leben weglaufen!“ Ich weiß nicht, wer von Ihnen das versteht, aber wer Jesum gefunden hat, der hat nur noch eine wirkliche Angst: dass der Heiland aus meinem Leben weggehen könnte und ich ohne ihn in Ewigkeit bleiben müsste.
Darum hat ein gläubiges Herz den Wunsch: „Herr Jesus, ich möchte dich binden wie die Kriegsknechte, damit du mir nicht weggehst.“ Und denken Sie daran: Ein gläubiges Herz hat Stricke bereit, um ihn zu binden.
Ich bin sehr glücklich, dass die Entdeckung meines Lebens – darum bin ich Pastor – darin besteht, dass ich die Stricke entdeckt habe, mit denen ich Jesus an mich binden kann.
Wollen Sie sie wissen? Dann muss ich zunächst sagen: Ein Strick ist ja immer zusammengedreht aus mehreren Stricken, nicht? Und der Strick, mit dem ich Jesus an mich binde, ist aus zwei Stricken zusammengedreht.
Die Stricke des gläubigen Herzens: Zerbrochenheit und Vertrauen
Ein zerbrochenes Herz – wissen Sie, was das ist? Wenn mir jemand begegnet und ich tue Recht, scheue niemanden und bin gut zu den anderen, dann ist das kein zerbrochenes Herz. Und selbst wenn sie noch so christlich sind, Jesus geht ihnen davon.
Ein zerbrochenes Herz aber bindet ihn. Denken Sie daran, wie Petrus hinausging und bitterlich über sich weinte, als seine Gerechtigkeit wie Scherben vor ihm lag. Er sagte, er habe alles falsch gemacht und sein Herz sei böse. Was soll aus ihm werden? Als er über sich weinte, band er den Herrn Jesus mit unlösbaren Stricken an sich.
Doch der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind. Ach, was versteht die Welt davon! Aber die Kinder Gottes verstehen es: Ein zerbrochenes Herz findet Jesus, da kann er nicht weg. Da kann er nicht weg!
Der zweite Strick ist ein völliges Vertrauen. Kennen Sie die Geschichte von dem kanaanäischen Weiblein, das Jesus zunächst wegschickt? Sie sagt einfach: „Doch wenn ich ein Hund bin, bekommen auch Hunde Brotsamen.“ Sie hat so ein Vertrauen zu Jesus, dass er sie nicht wegschicken kann. Da konnte Jesus nicht anders, als ihr zu antworten. Da kann er nicht weg.
Die Bibel ist voll von solchen herrlichen Geschichten von zerbrochenen Herzen, die mit völligem Vertrauen zu dem Mann mit den Nägelmalen kamen – zu Jesus. Da sind Petrus, der Tschecher, die große Sünderin, Zachäus und Wilhelm Busch.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie dabei sind in der großen Schar zerbrochener Herzen, die mit unendlichem Vertrauen nur eins wissen: Ich muss Jesum selber haben, ich muss Jesum selber sprechen.
Schlussgebet
Lassen wir uns beten. Herr, ich danke dir von ganzem Herzen, dass du nicht die Stolzen, die Reichen und die Starken rufst. Vielmehr dürfen wir uns vor dir zeigen, so wie wir sind: schuldig, beladen, zerbrochen und arm.
All dein Reichtum, deine Kraft und Stärke sollen uns gehören. Herr, lass deinen Todfeind an mir nicht verloren sein. Amen.