Es gibt viele Menschen, die aus anderen Ländern kommen, gute Abschlüsse haben und in ihrem Heimatland einen hohen Status genießen. Doch wenn sie nach Deutschland kommen, müssen sie oft wieder von null anfangen. Der Grund dafür ist einfach: Ihre Qualifikationen werden hier häufig nicht anerkannt.
Solche Menschen kenne ich persönlich. Ich bin mir sicher, auch Sie haben von solchen Fällen gehört. Was in einem bestimmten Land als hoch angesehen gilt, lässt sich oft nicht einfach auf ein anderes Land übertragen.
Das gilt auch für uns Menschen im Verhältnis zu Gott. Was unter Menschen als wertvoll oder hoch angesehen wird, hat vor Gott oft keinen Wert. Vieles, wonach wir auf der Erde streben, interessiert Gott letztlich nicht. Es wird uns auch nicht helfen, wenn wir diese Welt verlassen.
Es ist eine Falle, nur darauf bedacht zu sein, hier auf Erden Ansehen zu erlangen. Darum geht es heute in unserem Predigttext. Wir betrachten heute Lukas 14,14-31.
Bevor wir das tun, möchte ich mit uns beten: Vater, ich danke dir, dass wir dein Wort haben und du uns zeigst, was vor dir gilt, Herr. Ich bete, dass du unsere Herzen öffnest, damit wir dein Wort empfangen. Amen.
Die Haltung der Pharisäer und die Gefahr der Menschenanerkennung
Ich würde zuerst die Verse 14 bis 18 lesen, Lukas 16,14-18.
Das alles hörten die Pharisäer. Sie waren geldgierig und verspotteten Jesus. Er sprach zu ihnen: „Ihr seid diejenigen, die sich vor den Menschen selbst rechtfertigen, aber Gott kennt eure Herzen. Denn was bei den Menschen hoch ist, das ist ein Gräuel vor Gott.“
Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jeder Mann drängt sich mit Gewalt hinein. Es ist aber leichter, dass Himmel und Erde vergehen, als dass ein Tüpfelchen vom Gesetz fällt. Wer sich von seiner Frau scheidet und eine andere heiratet, der bricht die Ehe. Und wer die von ihrem Mann Geschiedene heiratet, der bricht auch die Ehe.
Vor drei Wochen haben wir das Gleichnis vom ungerechten Verwalter betrachtet. Dabei lehrte Jesus seine Jünger, wie man gottgefällig mit Geld umgehen soll. Jesus warnte auch davor, Geld einen zu hohen Stellenwert zu geben, indem man mehr fürs Geld lebt als für Gott. „Du kannst nicht Gott und dem Mammon dienen“, sagte Jesus.
Die Pharisäer waren dabei. Im Vers 14 lesen wir, dass sie zuhörten. Ihre Reaktion war jedoch nicht von Demut geprägt, sondern sie verspotteten Jesus für das, was er sagte. Und wir lesen auch warum: Sie waren geldgierig, ihr Herz hing am Geld. Wenn Jesus also über die Gefahr von Geldliebe redet, hören sie nicht zu, sie verwerfen diese Lehre von Jesus.
Jesus sieht das und nimmt es zum Anlass, sie zu lehren und zu warnen. Dabei greift Jesus in diesen Versen zwei Probleme auf.
Das erste Problem ist die Tatsache, dass Hoheit unter Menschen oft Verwerfung von Gott bedeutet. „Hoch bei den Menschen, aber ein Gräuel vor Gott.“ Jesus offenbart ein grundsätzliches Problem im Denken und den Motiven der Pharisäer.
In Vers 15 lesen wir, dass sie sich nicht in erster Linie dafür interessieren, was Gott sagt und was ihm gefällt. Sie schauen vielmehr darauf, dass sie gut vor den Menschen dastehen. Sie suchen das, was in den Augen der Menschen wertvoll und ehrenhaft ist, und rechtfertigen sich damit selbst.
Was wir hier sehen, ist, dass ihre Religiosität nicht aus Liebe zu Gott stammt, sondern aus dem Wunsch, Ansehen unter den Menschen zu haben. Das ist es, was sie antreibt: Ansehen unter den Menschen.
So suchen sie nach Dingen, die ihren Wert vor den Menschen erhöhen. Eine dieser Dinge ist ganz offensichtlich Geld. Das war nicht nur damals so, ich glaube, auch heute erhöht Geld den Status. Das finden die Menschen beeindruckend. Für viele galt Reichtum damals als geistlicher Segen. Warst du reich, galtst du als von Gott besonders gesegnet.
Das wird heute von manchen Predigern sogar im Wohlstandsevangelium gelehrt. Es ist wirklich traurig.
Es gab aber auch andere Dinge, durch die sich die Pharisäer selbst rechtfertigten, zum Beispiel, dass sie vermeintlich das Gesetz wirklich so ernst nahmen. Eine andere Sache, worauf sie besonders stolz waren, war, dass sie Kinder Abrahams waren. Sie meinten dadurch, besonders gut dazustehen.
So haben sie sich vor den Menschen gerechtfertigt. Dieses hohe Ansehen unter dem Volk genossen sie auch. Sie waren Vorbild-Israeliten. Wirklich die Menschen, auf die alle aufschauten. Sie waren deswegen stolz.
Dabei vergaßen sie aber die wichtigste Meinung: Es ist nicht wichtig, was die Menschen über sie denken, sondern was Gott über sie denkt. Und ihm können sie nichts vormachen.
Jesus sagt zu ihnen: „Gott kennt eure Herzen.“ Gott kennt ihre Motive. Er lässt sich nicht beeindrucken, obwohl sie andere Menschen beeindrucken. Vielmehr verabscheut Gott dieses Verhalten der Pharisäer. Jesus sagt dann, dass das, was bei den Menschen hoch angesehen ist, vor Gott ein Gräuel ist.
Sie können vor den Menschen gut dastehen, aber letztendlich ist die wichtigste Meinung gegen sie gestellt.
Ich glaube, dieses Verhalten und diese Einstellung sind nicht nur ein Problem der Pharisäer. Ist es nicht oft auch bei uns so? Schätzen wir die Anerkennung von Menschen nicht manchmal mehr als das, was Gott will? Ist es nicht oft so, dass die Anerkennung von Menschen unser Verhalten bestimmt?
Die Anerkennung meiner Mitschüler zum Beispiel, als ich in der Schule war, hat mich öfter dazu getrieben, mich in der Klasse auf eine Art zu verhalten, die dem Lehrer nicht gefiel. Oder die Anerkennung meiner Arbeitskollegen hat mich öfter dazu gebracht, zu schweigen, wenn sie zum Beispiel über andere Arbeitskollegen oder den Chef lästerten.
Der Wunsch, vor Menschen gut dazustehen, kann uns oft dazu bringen, die Wahrheit gegen Lügen einzutauschen, die die Menschen gerne hören wollen.
Die Anerkennung von Menschen und der Wunsch, unter Menschen hoch angesehen zu werden, ist eine Falle. Das verführt uns. Wir bilden uns vor lauter Lob und Respekt ein, dass wir auf dem richtigen Weg sind, weil alle uns bestätigen. Wir verkennen dabei, dass der Weg tatsächlich von Gott wegführt.
Das Streben nach Anerkennung bei den Menschen führt dazu, dass viele Menschen den Weg der Wahrheit nicht erkannt haben. Zur Zeit Jesu war das ein großes Problem.
Jesus sagt selbst in einem anderen Evangelium, im Johannes-Evangelium: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?“
In Johannes lesen wir sogar, dass viele unter den Obersten, viele Pharisäer und viele Priester Jesus geglaubt haben. Aber weil sie Angst vor den Menschen hatten, folgten sie Jesus nicht. Wie traurig ist das!
Lasst uns also unser Herz prüfen. Ich möchte diese Frage stellen: In welchem Bereich meines Lebens ist die Anerkennung und Bestätigung von Menschen so wichtig geworden, dass Gottes Stimme weniger Bedeutung hat?
Ich stelle die Frage noch einmal: In welchem Bereich meines Lebens ist die Anerkennung und Bestätigung von Menschen so wichtig geworden, dass Gottes Stimme weniger Bedeutung hat?
Jesus warnt uns: Was vor den Menschen Anerkennung gewinnt, ist Gott nicht wichtig. Die Anerkennung bei den Menschen wird uns nichts bringen, wenn wir vor Gott stehen.
Gott wird uns nicht annehmen, weil wir so beliebt und angesehen waren oder weil wir viel Einfluss in unserer Umgebung hatten oder weil wir viele Twitter-Follower hatten.
Der Herr wird unseren gesellschaftlichen Status, unser Diplom oder unser Bankkonto nicht beachten, wenn wir vor ihm stehen. Es wird ihn auch nicht interessieren, dass wir moralisch gut gelebt haben.
Es würde ihn nicht interessieren, dass wir in die Kirche gingen oder sogar zu Hause saßen und Livestreams gesehen haben, wenn wir diese Dinge nur zur Schau machen, nur um uns gut darzustellen.
Lasst uns also nicht darauf bedacht sein, bei den Menschen gut dazustehen, sondern danach fragen, was Gott gefällt. Am Ende zählt nur, was er denkt.
Die Bedeutung des Gesetzes und der Propheten in der neuen Zeit
Jesus spricht in den Versen 16 bis 18 ein zweites Problem unter den Menschen an: Sie sind blind für ihre eigene Not. Dabei greift Jesus das Gesetz auf, also das Alte Testament, das damals die Bibel der Juden war. Das Neue Testament war zu dieser Zeit noch nicht geschrieben. Wenn Jesus vom Gesetz und den Propheten spricht, meint er das Alte Testament.
Beim ersten Lesen mag es vielleicht nicht sofort klar sein, warum Jesus plötzlich auf das Alte Testament, das Gesetz und die Propheten zu sprechen kommt. Es scheint zunächst fehl am Platz, fügt sich aber sehr gut in das ein, was Jesus gerade sagen will. Die Pharisäer nahmen das Gesetz und die Schriften der Propheten sehr ernst. Dadurch gewannen sie Anerkennung für ihre Religiosität und galten als Vorbild für Israel. Vor den Menschen wurden sie gerechtfertigt, weil sie das Gesetz und die Propheten scheinbar ernsthaft befolgten.
Jesus offenbart jedoch, dass sie den Sinn des Gesetzes und der Propheten völlig verfehlen. Die Pharisäer haben die Botschaft so missverstanden, dass sie nicht in der Lage waren, die Zeit, in der sie lebten, richtig einzuordnen und zu verstehen. Wenn Jesus in Vers 16 sagt, dass das Zeitalter des Gesetzes und der Propheten bis zu Johannes dem Täufer reichte, meint er damit, dass mit seinem Kommen eine neue Zeit angebrochen ist. Nun wird das Evangelium vom Reich Gottes verkündet – in den Worten und Taten von Jesus.
Dabei will Jesus nicht sagen, dass das Gesetz und die Propheten, also das Alte Testament, ungültig werden oder dass Gottes Standard sich geändert hat. Im nächsten Vers sagt Jesus ausdrücklich, dass das Gesetz bestehen bleibt. Was Jesus wohl meint, ist, dass das Gesetz und die Propheten richtig verstanden die Menschen auf den Moment vorbereiten sollen, in dem Jesus gekommen ist. Der Zweck der Offenbarung Gottes im Gesetz und den Propheten war es, die Menschen zu diesem neuen Zeitpunkt zu führen.
Mit dem Kommen von Jesus, dem Messias, erreicht das Gesetz und die Propheten ihr Ziel. Paulus greift diesen Gedanken im Galaterbrief auf und nennt das Gesetz den Zuchtmeister zu Christus. Viele Menschen zu Jesu Zeiten begannen, das zu verstehen. Viele sahen in Jesus die Erfüllung der Verheißungen des Alten Testaments. Sie freuten sich über das Kommen des Messias, suchten seine Nähe, vertrauten auf sein Erbarmen und ließen sich von ihm verändern.
Das Bild, das Jesus in Vers 16 verwendet, dass jeder Mann mit Gewalt hineindrängt, ist lebhaft. Jeder will ein Stück davon haben, bei Jesus sein und seine Botschaft hören. Aber nicht die Pharisäer. Sie haben nicht erkannt, wozu das Gesetz gegeben wurde und was die Botschaft der Propheten wirklich war.
Die Pharisäer sahen im Gesetz nur eine Tafel von Regeln, von denen sie meinten, sie erfüllen zu können, um sich selbst zu rechtfertigen. Wie das Alte Testament genau mit Christus zusammenhängt, haben sie nicht erkannt. Vielmehr meinten sie, Jesus halte das Gesetz nicht ein, und deshalb waren sie gegen ihn.
Anstatt durch das Gesetz und die Propheten zu erkennen, dass sie einen Retter brauchen und dass Jesus dieser Retter ist, glaubten sie, durch das Halten des Gesetzes selbst gerecht zu werden. Sie meinten, kein Evangelium zu brauchen und sahen keine Notwendigkeit für Jesus.
Im Folgenden erklärt Jesus, was nötig wäre, um sich selbst anhand des Gesetzes zu rechtfertigen: Sie müssten das ganze Gesetz einhalten. In Vers 17 sagt Jesus, es müsse bis zum kleinsten Tüpfelchen erfüllt werden.
In Vers 18 spricht Jesus ein bestimmtes Gebot an, das den Pharisäern zu dieser Zeit besonders schwer fiel: das siebte Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“. Dabei geht es nicht nur um Treue in der Ehe, sondern auch um das Verbot der Scheidung. Jesus macht das deutlich.
Scheidung war zu dieser Zeit unter den Israeliten sehr verbreitet. Unter den Pharisäern gab es sogar eine Gruppe, die lehrte, man dürfe sich aus jedem beliebigen Grund scheiden lassen. Diese Entwicklung ist also nicht neu.
Jesus spricht hier also nicht einfach ein Gebot an, sondern eines, das seine Zuhörer damals besonders treffen würde. Anhand dessen können sie sehen, dass sie das Gesetz nicht richtig halten.
Die Pharisäer verstanden den Sinn des Gesetzes und der Propheten so, dass sie sich dadurch selbst rechtfertigen könnten. Jesus zeigt ihnen aber, dass sie auch darin versagen. Sie verkannten nicht nur den Sinn des Gesetzes und der Propheten, sondern konnten die Forderungen gar nicht erfüllen. Ihre vermeintliche Gerechtigkeit ist ein Gräuel vor Gott.
Vielleicht erkennen wir ein bisschen Pharisäertum in uns selbst wieder. Manchmal benutzen wir die Bibel oder Gottes Wort wie eine Checkliste oder ein Thermometer, um unsere eigene Gerechtigkeit zu messen. Vielleicht denken wir auch, gut im Glauben unterwegs zu sein, weil wir bestimmte Gebote eingehalten haben.
Ich erinnere mich, als ich Teenager war, dass ich an manchen Tagen dachte, ich bräuchte keine Vergebung, weil ich brav war. Ich dachte so, weil ich an diesen Tagen nicht gelogen hatte und mich gut benommen hatte. Was ich damit sagte, war, dass ich Jesus an diesem Tag nicht brauchte, sein Opfer nicht brauchte, das, was er am Kreuz getan hat, nicht brauchte.
Ich meinte, die Gebote Gottes gehalten zu haben. Was mir damals unklar war, war der Stolz in mir, der Mangel an Liebe zu Gott und die Tatsache, dass ich nicht wirklich für Gott lebte. Das war von außen nicht sofort sichtbar, aber Gott kannte mein Herz.
Im Laufe der Zeit hat er in seiner Gnade diese verborgenen Sünden aufgedeckt. Zuerst führte mich das zur Verzweiflung, weil ich so viel Dunkelheit in mir sah. Doch dann wurde mir langsam klar: Genau deshalb ruft uns Gott auf, unsere eigene Gerechtigkeit fallen zu lassen und stattdessen an Jesus festzuklammern.
Das Gesetz ist kein Messgerät, das zeigt, wie gut wir sind, sondern ein Lackmustest, der zeigt, dass wir verloren sind. Es ist keine Checkliste, sondern eine Diagnostik.
Wenn wir also meinen, durch ein moralisches Leben uns selbst rechtfertigen zu können, haben wir das Gesetz missbraucht. Wir haben uns selbst und andere nur getäuscht.
Jesus warnt uns hier davor, Gottes Wort so zu benutzen, um uns selbst als fromm und gerecht darzustellen. Das Gesetz und die Propheten sollen uns zum Evangelium führen. Sie zeigen uns, dass wir Jesus Christus brauchen.
Er ist gekommen, um für uns die Gerechtigkeit Gottes zu erfüllen, die wir nicht erfüllen konnten. Er ist gekommen, um für uns die Strafe zu tragen, die wir verdient haben, weil wir Gottes Gerechtigkeit verfehlt haben.
Das Gesetz und die Propheten nehmen uns sozusagen bei der Hand und führen uns zu den Füßen von Jesus.
Darum sollten wir nicht danach streben, unter Menschen hoch angesehen zu sein. Wir sollten nicht danach trachten, vor Menschen gut dazustehen und uns selbst vor ihnen zu rechtfertigen, denn das wird uns nichts bringen.
Stattdessen sollten wir am Evangelium festhalten, an Jesus Christus festklammern. Das bedeutet, in das Reich Gottes hineindrängen.
Die Lehre von Jesus ist klar: Die Suche nach Hoheit unter Menschen führt zur Verwerfung durch Gott und zur Blindheit gegenüber Christus und unserer eigenen Not. Das ist die Botschaft von Jesus.
Das Gleichnis vom reichen Mann und Lazarus als Warnung
In den Versen 19 bis 31 finden wir ein Gleichnis, das eine bestimmte Botschaft vermitteln soll. Lassen Sie uns dieses Gleichnis nach und nach kurz betrachten.
Vers 19: Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Dieser Mann hat keinen Namen. Er lebt in Luxus, in Purpur und Leinen. Das bedeutet, er war reich, sehr wohlhabend und lebte im Wohlstand. Er führte das Traumleben. In ihm sollen sich die Pharisäer wiedererkennen. Wir haben gelesen, dass sie geldgierig waren. Viele lebten so und strebten nach so einem Leben, damals und auch heute.
Verse 20 und 21: Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel. Dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. Das Gegenteil erlebt Lazarus. Dieser Lazarus ist nicht der gleiche Lazarus aus der anderen Geschichte, die wir aus Johannes 11 kennen, von der Auferstehung. Das ist ein fiktiver Charakter in diesem Gleichnis. Seine Situation ist elend. Er hat nichts, und für den reichen Mann bedeutet er nichts. Für die Gesellschaft damals bedeutete er nichts, er hat keine Bedeutung.
Es ist aber interessant, dass diese Persönlichkeit der einzige ist in all den Gleichnissen Jesu, der mit Namen bezeichnet wird. Kein anderer Charakter oder keine andere Persönlichkeit hat in einem Gleichnis einen Namen. Das sagt uns, dass sein Name bedeutungsvoll ist. Wenn wir nachschauen, hat sein Name eine sehr schöne Bedeutung: Er bedeutet „Gott hilft“. Niemand kennt ihn, für die Welt ist er niemand, aber er hat einen Namen. Dieser Name sagt etwas aus: Gott hilft, Gott ist ein Trost. Lazarus hat nichts in dieser Welt, aber seine Hoffnung liegt bei Gott. Und dieser Hoffnung werden wir im Folgenden begegnen – sie wird nicht enttäuscht.
Ich glaube, was Lazarus hier repräsentiert, ist nicht einfach ein armer Mann. Vielmehr steht er für jemanden, der wirklich geistlich arm ist, der nichts bringt, also meint, nichts vor dem Herrn vorweisen zu können.
Vers 22: Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Arme stirbt. Wir lesen von keinem Begräbnis, aber das ist unwichtig. Er wird in Abrahams Schoß getragen. Das heißt, er genießt Gemeinschaft am Tisch mit Abraham. Dies ist ein Ausdruck des Paradieses, wo Gläubige Ruhe und Glück haben in Vorbereitung auf die endgültige Auferstehung. Dieses Bild finden wir an anderen Stellen der Bibel, zum Beispiel in Matthäus 8.
Vers 22, zweiter Teil: Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. Natürlich wurde er begraben, denn er hatte Bedeutung in dem Land, in dem er lebte. Er war reich und erhielt ein Begräbnis. Doch was wir von ihm lesen, ist, dass er nicht in Abrahams Schoß getragen wird, sondern dass sein Schicksal nicht schön ist.
Vers 23: Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Er rief: „Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle, denn ich leide Pein in diesen Flammen.“ Er sucht Erholung und ruft Abraham an, den er Vater nennt. Das hätten die Pharisäer gehört, denn sie sahen Abraham ebenfalls als ihren Vater an. Sie waren Nachkommen Abrahams und stolz darauf. In diesem Gleichnis zeigt Jesus, dass diese Tatsache ihnen nicht hilft. Diese Tatsache hilft niemandem.
Vers 25: Abraham aber sprach: „Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen. Nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt.“ Entnüchternde Worte. Das Gute wurde zu Lebzeiten des Reichen völlig ausgezahlt. Ihm bleibt nichts mehr übrig. Der Reiche hat nur für dieses Leben gelebt. Er hat all das Gute empfangen, das das Leben ihm anzubieten hatte. Nach dem Tod bringt es ihm nichts mehr. Hoch und respektiert vor den Menschen, im Tod ist er aber bankrott. Wie die Pharisäer: hoch angesehen unter Menschen und doch von Gott verworfen. Das Gegenteil ist der Fall bei dem Armen. Er hatte nichts im Leben, aber jetzt genießt er Gutes.
Vers 26: Und überdies sagt Abraham: „Es besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, sodass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann, und auch niemand von dort zu uns herüber.“ Nach dem Tod ist der Status endgültig. Das kann nicht mehr geändert werden.
Verse 27 und 28: Da sprach der Reiche: „So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus, denn ich habe noch fünf Brüder. Die sollen gewarnt werden, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qual kommen.“ Der Mann erkennt schnell, dass es für ihn keinen Weg zurück gibt, aber vielleicht gibt es für seine Brüder noch eine Chance. So bittet er Abraham, dass Lazarus wieder lebendig gemacht wird, damit seine Brüder ihn sehen und auf ihn hören.
Vers 29: Abraham sprach: „Sie haben Mose und die Propheten, die sollen sie hören.“ Abraham sagt damit, dass man durch Mose und die Propheten, also durch die Bibel, erkennen soll, dass ein kommendes Gericht bevorsteht und dass man zu Lebzeiten umkehren muss.
Vers 30: Der reiche Mann antwortete: „Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun.“ Vielleicht wie jeder Skeptiker heute antworten würde: Es reicht nicht, was die Bibel sagt, wir brauchen Wunder. Zeig mir, dass es Gott gibt.
Vers 31: Abraham entgegnete: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ Abraham verneint hier die Vorstellung, dass man durch Wunder zum Glauben kommen kann. Wenn man Gottes Wort nicht hört, kann es noch so viele Wunder geben – der Mensch wird nicht umkehren. Und das stimmt.
Die Geschichte von dem wahren Lazarus, also in Johannes 11 zum Beispiel, wo er auferstanden ist, hat nicht dazu geführt, dass die Priester plötzlich sagten: „Wow, Jesus ist wirklich der Sohn Gottes.“ Stattdessen wollten sie ihn besonders töten.
Jesu Leben ist ein weiteres Beispiel: Er vollbrachte Wunder nach Wunder, nicht nur die Auferstehung von Lazarus, sondern viele weitere. Trotzdem glaubten sie ihm nicht. Auch Jesu eigene Auferstehung veranlasste die Priester nicht dazu zu sagen: „Okay, er hatte Recht, wir lagen falsch.“ Stattdessen wollten sie das ganze Geschehen vertuschen.
Abraham sagt in dieser Geschichte – oder Jesus lehrt durch dieses Gleichnis – dass Wunder letztlich nicht helfen, weil das Problem ein Herzensproblem ist. Die Pharisäer meinten, sie bräuchten Jesus nicht, keinen Retter. Ihrer Meinung nach standen sie schon gut da. Sie hielten sich für gerecht. Wie der reiche Mann im Gleichnis waren die Pharisäer hoch angesehen unter den Menschen und doch blind für das, worauf das Gesetz und die Propheten hingewiesen haben. Sie waren blind für ihre geistliche Armut und große Seelennot. Deshalb konnten sie Jesus nicht erkennen.
Das Gleiche zeigt uns, dass ein Leben, das nur auf das Hier und Jetzt schaut, kein gutes Ende nimmt. Wenn unser Leben nur darum kreist, Anerkennung von Menschen zu erhalten, werden wir verführt. Es ist eine Falle und letztlich führt es zur Verdammnis.
Jesus sagt hier: Seid lieber wie Lazarus. Und noch einmal: Es geht hier nicht darum, dass arme Menschen automatisch in den Himmel kommen, genauso wie der reiche Mann Hoheit und Selbstgefälligkeit repräsentiert. Lazarus steht für Geistesarmut.
„Selig sind, die geistlich arm sind, denn ihnen gehört das Himmelreich“, sagte Jesus in Matthäus 5.
Lazarus hatte nichts. Nichts, womit er Anerkennung bei Menschen gewinnen konnte, nichts, womit er sich selbst rechtfertigen konnte. Alles, was er besaß, war ein Name. In diesem Namen lag das Versprechen von Hilfe und Trost bei Gott. Das ist alles, was er hatte, und das hat gereicht.
Rechtfertigung und Annahme bei Gott finden nicht diejenigen, die einen guten Ruf unter Menschen haben oder einen hohen Status in der Gesellschaft genießen. Es sind nicht diejenigen, die Wohlstand besitzen, und auch nicht diejenigen, die mit ihrer Religiosität prahlen.
Wir haben nichts in unseren Händen, womit wir Gott beeindrucken könnten. Luther hat einmal gesagt: „Wir sind Bettler, wir sind Bettler.“ Gott heißt nicht die Pharisäer oder den reichen Mann willkommen, sondern Lazarus. Gott heißt diejenigen willkommen, die mit leeren Händen kommen und allein auf seinen Trost hoffen.
Lassen wir uns beten:
Vater, wir danken Dir, dass wir kein hohes Ansehen vor den Menschen haben müssen. Herr, dass wir uns nicht anstrengen müssen, gut dazustehen. Herr, unsere Gerechtigkeit kommt von Dir.
Bitte hilf uns, mit leeren Händen zu Dir zu kommen, Herr, dass wir aufhören, Anerkennung vor den Menschen zu suchen, dass wir aufhören, uns selbst zu rechtfertigen. Herr, dass wir lernen, mehr und mehr auf Deine Gnade zu vertrauen, Herr, dass wir wie Lazarus leere Hände bringen, um Deine Gnade zu empfangen, Herr, um das Geschenk anzunehmen, das Du uns in Jesus Christus gibst.
Hilf uns zu sehen, was das in unserem Leben bedeutet, Herr, als Christen. So oft fallen wir wieder in alte Muster zurück, wo wir vielleicht Dinge zur Schau stellen, nur um zu zeigen, wie fromm wir sind.
Ich bitte Dich, Herr, dass Du uns lehrst, anhand dieser Geschichte einen Geist zu haben, der wirklich erkennt, wie abhängig wir von Deiner Gnade sind. Herr, bitte lehre uns diese Geistesarmut.
In Jesu Namen, Amen!