Die schleichende Gefahr kultureller Beeinflussung
Vielleicht kennen Sie noch das Experiment aus der Schule: Wenn man einen Frosch in einen Behälter mit stark erhitztem, möglicherweise sogar kochendem Wasser wirft, dann springt er erschrocken sofort wieder heraus.
Setzt man denselben Frosch jedoch in zunächst angenehm temperiertes Wasser und erhöht die Temperatur dann Schritt für Schritt langsam und stetig, bleibt er ruhig im Wasser sitzen – bis es zu spät ist und er schließlich in der Hitze umkommt.
Langsame, unmerkliche Veränderungen, aber dafür ständige, andauernde Beeinflussung können dramatische Folgen haben.
Ganz ähnlich sind wir Christen in der Gefahr, von der Kultur, in der wir leben, und vom Zeitgeist, der uns umgibt, unmerklich, aber stetig beeinflusst, verändert und erstickt zu werden.
Ist das nicht eine Schicksalsfrage unseres geistlichen Lebens?
Wie verhalten wir uns als Christen gegenüber einer Kultur, die uns tagtäglich beeinflussen will? Durch die Massenmedien, durch Zeitungen, durch Kunst und Musik, durch Gespräche, durch Ausbildung – durch all das, was wir Tag für Tag in uns aufnehmen.
Natürlich verdankt sich manches in unserer abendländischen Kultur durchaus der Bibel. So wäre etwa die Musik von Johann Sebastian Bach niemals möglich gewesen, ja nicht einmal denkbar, ohne seine feste Verankerung im Glauben an Jesus Christus und in der Bibel.
Doch in weiten Teilen hat sich unser Denkklima und unsere Kultur von Gott entfremdet.
Das war zu allen Zeiten so, beziehungsweise steht die Kultur und das Denken der Menschen Gott sogar feindlich gegenüber.
Die Bibel spricht dabei nicht von Kultur, sondern einfach von Welt – diesen Begriff haben wir eben in den Lesungen gehört.
„Stellt euch nicht dieser Welt gleich, passt euch nicht an diese Kultur an“, hätte Paulus auch sagen können.
Die Herausforderung durch eine gegensätzliche Kultur
Ein angesehener sogenannter Kulturschaffender in Deutschland ist der Berliner Theaterintendant Klaus Peimann. Er hat vor einiger Zeit geschrieben, was er unter anderem für die Haupttugenden des modernen Theaters hält.
Das ist natürlich extrem formuliert, macht aber eine bestimmte Denkrichtung deutlich. Peimann sagt, dass ausdrücklich erwünscht sind: Geschmacklosigkeit, Subversion, Unsittlichkeit, Irrsinn und Gelächter, Obszönität, Blasphemie (also Gotteslästerung), Ironie, Publikumskritiker und Selbstbeschimpfung – und so weiter bis ans Tor der Hölle. Soweit Klaus Peimann.
Diese Formulierung ist extrem, aber sie zeigt die Spitze des Eisbergs. Nun stellt sich die Frage, wie wir auf eine solche Kultur reagieren. Wie verhalten wir uns gegenüber dem geistigen Milieu, das uns umgibt? Das betrifft nicht nur Jugendliche in der Schule und Kinder, sondern auch uns Erwachsene an den Stellen, wo wir uns bewähren müssen.
Auch die Frage ist wichtig, wie wir unsere Kinder und Jugendlichen begleiten und ihnen helfen, die kulturelle Herausforderung zu bestehen. Wir können sie ja nicht wegsperren. Die Einflüsse sind einfach da und dringen durch alle Ritzen unseres Lebens ein, egal in welchem Alter wir uns befinden.
Das war bei den ersten Christen nicht anders. Deswegen hat Paulus auch geschrieben – wir haben es eben in der Lesung gehört – in Römer 12: Stellt euch nicht dieser Welt gleich. Oder wie Jakobus es in seinem Brief formuliert hat, Kapitel 4, Vers 4: Wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt, also unkritische Anpassung an die Welt, Feindschaft mit Gott ist? Wer der Weltfreund sein will, der wird Gottes Feind sein.
Das Buch Daniel als Hilfe in der kulturellen Herausforderung
In dieser Situation kann uns das Buch Daniel eine sehr hilfreiche Unterstützung bieten. Es berichtet von vier frommen jungen Menschen aus dem Volk Gottes, die von einem Tag auf den anderen einem regelrechten Kulturschock ausgesetzt waren – einem richtigen Kulturschock.
Sie wurden aus ihren Familien herausgerissen, aus ihrer Heimat verschleppt und von Israel nach Babylonien gebracht, um dort umerzogen zu werden. Das Alter der Jungen lag vermutlich zwischen zwölf und fünfzehn Jahren. Nach allem, was wir wissen, waren sie also noch recht jung.
Vor Ort hatten sie keinen Mentor und keine Unterstützung. Sie waren der babylonischen Kultur ausgeliefert, die einen direkten Angriff auf ihren Glauben darstellte.
Man könnte sagen, ein solcher Kulturschock sei immer noch besser als eine leise, langsame Beeinflussung. Denn bei einem Schock merkt man es wenigstens und wehrt sich anders dagegen. Das stimmt zwar, aber bei Daniel und seinen Freunden blieb es nicht nur beim Kulturschock. Die Dauerbehandlung folgte unmittelbar darauf – Tag für Tag, über drei Jahre hinweg.
Das sehen Sie auf Ihrem Predigtzettel in dem Text, den wir vor zwei Wochen gemeinsam studiert haben. In Vers 5 heißt es: „Und der König bestimmte, was man ihnen täglich geben sollte.“ Weiter heißt es, dass sie „so drei Jahre lang erzogen werden sollten“. Das beschreibt die Lage.
Alle Kontakte zur Heimat waren gekappt. Immerhin hatten sie die bewährte Freundschaft dieser vier jungen Leute untereinander. Und...
Die babylonische Umerziehung und ihre Herausforderungen
Worin nun diese Dauerbehandlung bestand, diese babylonische Umerziehung, diese Reeducation, hatten wir auch vor zwei Wochen gesehen. Die Babylonier waren zur Weltmacht aufgestiegen. Im Jahr 605 vor Christus unterwarfen sie auf ihrem Siegeszug schließlich auch Israel. Nebukadnezar war der politische Star der Stunde, ein großer Feldherr.
Nach dem Sieg über Israel ließ er einige junge israelische Männer aus gutem Hause nach Babylon verschleppen. Nach dem Motto: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft. So wollte er die besten Kräfte Israels in seinen Dienst nehmen. Dort, in Babylon, wurden sie einer umfassenden Schulung und Umerziehung ausgesetzt, wie Sie hier in den Versen 3 bis 6 sehen.
Der König sprach zu Aschpenas, seinem obersten Kämmerer. Dieser war so etwas wie der Rektor der Akademie in Babylon, wo die Jugendlichen ausgebildet wurden. Er sollte einige von den Israeliten auswählen, und zwar aus königlichem Stamm und edler Herkunft. Junge Leute, die keine Gebrechen hatten, sollten schön, begabt, weiß, klug und verständig sein – also fähig, am Hof des Königs zu dienen.
Aschpenas sollte sie in der Schrift und Sprache der Chalder unterrichten lassen – ein anderer Ausdruck für Babylonier. Der König bestimmte außerdem, was man ihnen täglich geben sollte: Von seiner Speise und von dem Wein, den er selbst trank. So sollten sie drei Jahre erzogen werden und danach vor dem König dienen.
Unter ihnen waren aus Juda Daniel, Chananja, Mischael und Asarja. Der totalitäre Charakter dieses Systems wird daran deutlich, dass man diesen jungen Männern aus Israel auch gleich neue Namen gab. Neue Namen, in denen die Götter und Götzen Babyloniens enthalten sind.
Vorher hatten ihre hebräischen Namen auf den lebendigen Gott der Bibel hingewiesen. Nun bekamen sie einen neuen Namen. Das bedeutet: Wir wollen euch ganz neu formen, wir wollen euch eine neue Identität verpassen. Wir wollen euer ganzes Leben und Denken verändern.
Daniels Entschluss und Gottes Furcht als Grundlage
Und jetzt stellt sich die spannende Frage: Wie werden die jungen Männer das überstehen? Wie wird ihr Glaube das aushalten? Und was werden die babylonischen Einflüsse bei ihnen bewirken?
Manche Eltern haben ihre Kinder zuversichtlich in eine Ausbildung oder ein Studium entlassen und sie nach zwei Semestern kaum wiedererkannt. Was geschieht mit Daniel? Das sehen wir jetzt in den nächsten Versen, ab Vers 8.
Aber Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht mit der Speise des Königs und dessen Wein unrein zu machen. Er bat den obersten Kämmerer, dass er sich nicht unrein machen müsse. Und Gott gab es Daniel, dass ihm der oberste Kämmerer wohlgesinnt und gnädig wurde.
Der Kämmerer aber sprach zu ihm: „Ich fürchte mich vor meinem Herrn, dem König, der euch eure Speise und euren Trank bestimmt hat. Wenn er merken würde, dass euer Aussehen schlechter ist als das der anderen jungen Leute eures Alters, so würdet ihr mich beim König um mein Leben bringen.“
Da sprach Daniel zu dem Aufseher, den der oberste Kämmerer über Daniel, Chananja, Misael und Asarja gesetzt hatte: „Versuch es doch mit deinen Knechten zehn Tage lang und lass uns Gemüse essen und Wasser trinken. Dann lass dir unser Aussehen und das der jungen Leute zeigen, die von der Speise des Königs essen. Danach kannst du mit deinen Knechten tun, was du für richtig hältst.“
Also machte er die Probe aufs Exempel. Er hörte auf sie und versuchte es mit ihnen zehn Tage lang. Nach den zehn Tagen sahen sie gesünder und kräftiger aus als alle jungen Leute, die von der Speise des Königs aßen.
Was einem hier sofort auffällt, ist Folgendes: Von seiner Heimat und seiner Familie konnten sie Daniel trennen, aber nicht von seinem Gott. Das ist das Erstaunliche. Auch in dieser völlig fremden Umgebung, die auf ihre Weise sicherlich beeindruckend für ihn gewesen sein musste, nahm Daniel den lebendigen Gott ernster als alles andere.
Es hätte vieles gegeben, was er hier fürchten konnte. Ich kann mir vorstellen, dass diese neue Welt ihn auch emotional stark beeindruckt hat: der Prunk im Palast, die vielen neuen Erlebnisse, das fantastische Essen – all das dürfte ihn sicherlich nicht unbeeindruckt gelassen haben. Dazu kam sicherlich die Angst um seine Zukunft: Wie wird das hier werden? Was kommt danach? Er war bestimmt ganz schön hin- und hergerissen.
Aber – und das ist jetzt wichtig – er ließ sich davon nicht in seinem Verhalten bestimmen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Daniel fürchtet Gott mehr als alles andere. Das heißt nicht, dass Daniel Angst vor Gott hat, sondern dass er Gott ernst nimmt. Es ist für Daniel entscheidend, wie Gott über ihn denkt.
Daniel will in erster Linie Gott gefallen – und das passt zu seinem Namen. Daniel heißt übersetzt „Gott ist mein Richter“ oder „Gott schafft mir Recht“. Er sagt damit, dass Gott die Instanz ist, die wirklich entscheidend ist. Was andere Instanzen sagen, kommt erst danach. Und Gott verschafft ihm Recht. Er ist derjenige, der für ihn sorgen wird, auch wenn er mit anderen Instanzen vielleicht in Schwierigkeiten gerät.
Hier kann man wirklich sagen: Daniel – Nomen est omen. Der Name ist ein Vorzeichen für diesen jungen Mann.
Diese Gottesfurcht Daniels wird besonders deutlich im Kontrast zu seinem Vorgesetzten. Das war immerhin ein mächtiger Mann am Hofe Nebukadnezars, dieser Kämmerer, der Rektor der Babylonakademie.
Schauen wir hin: Als Daniel ihn um die Sondererlaubnis bittet, seinen Speiseplan zu ändern, antwortet der Kämmerer in Vers 10: „Ich fürchte mich vor meinem Herrn, dem König.“ Ich muss sagen, das war sehr ehrlich und durchaus begründet. Nebukadnezar hatte schon viele Mitarbeiter töten lassen, die seinen Befehlen nicht hundertprozentig gehorchten. Auch dieser Kämmerer musste sich wirklich fürchten, wenn nicht alles so lief, wie der König es wollte.
So sagte er: „Ich fürchte mich vor meinem Herrn, dem König.“ In der Mengeübersetzung heißt es: „Ich fürchte nur meinen Herrn, den König.“ Und es ist, als ob Daniel dagegenhält und sagt: „Ich fürchte nur meinen Herrn, den noch viel größeren König.“
Du fürchtest den König von Babylon, ich fürchte den König des Universums.
Und das ist die Frage: Welchen König fürchten Sie? Fürchten Sie den König Ihrer Firma, den König Ihrer Nachbarschaft, den König Ihres Sportvereins, den König der Universität oder den König der Prüfungsbehörde? Oder fürchten Sie den König des Universums?
Wie wir handeln und entscheiden, hängt davon ab, wen wir fürchten.
Die erste Frucht der Gottesfurcht: Wagemut
Und Daniel ist ein anschauliches Beispiel dafür, welche schönen Früchte aufrichtige Gottesfurcht hervorbringt. Diese Früchte wollen wir uns jetzt genauer anschauen.
Die erste Frucht: Gottesfurcht macht wagemutig. Das zeigt sich hier in Vers 8: „Aber Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, dass er sich mit des Königs Speise und mit seinem Wein nicht unrein machen wollte.“
Das ist ein sehr starker Ausdruck. Daniel „nahm sich in seinem Herzen vor“. In der Bibel ist das Herz die Schaltzentrale unserer Persönlichkeit. Wenn wir heute sagen: „Ich gönne dir den Erfolg von Herzen“, meinen wir damit, dass wir es wirklich ernst meinen – nicht nur als höfliche Floskel. Oder Sie kennen den Ausdruck: „Er nahm sein Herz in beide Hände.“ Das bedeutet, dass jemand in einer schwierigen Situation alles auf eine Karte setzt, sich mit Leidenschaft hineinhängt und mutig handelt.
So ist es auch bei Daniel in dieser kritischen Situation. Er befindet sich mitten in der babylonischen Eliteausbildung. Er hat verstanden, dass man ihn fördern will – aber nur zu den Bedingungen der Babylonier. Sie wollen nicht nur seine Arbeitskraft und Intelligenz, sondern sein ganzes Herz, seinen Glauben.
Gegen die Namensänderung konnte er sich nicht wehren. Aber zwischen den Zeilen spürt man, dass er sich innerlich weigert, sich weiter anpassen zu lassen. Er ahnt, dass, wenn er den Umerziehungskurs einfach widerstandslos und unauffällig über sich ergehen lässt – nach dem Motto „Augen zu und durch“ –, er am Ende verändert herauskommen wird.
Daniel spürt, dass sein Leben auf eine strategische Entscheidung zusteuert: Gott oder die Götzen, Bibel oder Babel. Er weiß, wenn er jetzt nicht die Reißleine zieht, wird er sie vielleicht nie wieder ziehen können. Wenn er jetzt kein Zeichen des Widerstands gegen diese heidnische Weltanschauung setzt, wird er vielleicht nie mehr die Kraft dazu haben. Das würde ihn mitreißen.
Wenn er jetzt keine klare Grenze zieht, wird er möglicherweise nicht mehr hinter diese Grenze zurückkommen. Deshalb fasst er den Entschluss: „Ich werde weder die Speise des Königs essen noch den Wein des Königs trinken“, wie es in Vers 8 heißt.
Wir sollten das nicht unterschätzen. Es war nicht harmlos, ob er nun Menü A oder Menü B isst, so wie es in einer Mensa unterschiedliche Menüs gibt und das eine Mal besser oder schlechter schmeckt. Diese Form der Ernährung war ein verpflichtender Bestandteil der Ausbildung. Es war eine königliche Anordnung Nebukadnezars.
In Vers 50 wird deutlich, dass der König bestimmte, was man täglich zu essen und zu trinken bekam. Das war auch eine besondere Ehre und ein Genuss für die jungen Männer. Wenn Daniel das ablehnt, ist das offener Widerstand gegen Nebukadnezar. Das konnte als schwere Beleidigung gewertet werden, vor allem da Nebukadnezar damals auf dem Höhepunkt seiner Macht war. Das kann man in allen Geschichtsbüchern nachlesen.
Die Frage ist: Warum riskiert Daniel das? Weil er sich nicht unrein machen will. Das heißt, er will nichts tun, was er für Sünde hält, nichts, was gegen Gott gerichtet ist.
Warum nimmt Daniel die Sünde so ernst? Weil er Gott ernst nimmt und weiß, dass Sünde sich gegen Gott richtet. Gott ist ihm das Wichtigste.
Deshalb riskiert Daniel es lieber, Nebukadnezar zu provozieren – den er sieht –, als bewusst gegen Gott zu sündigen, den er nicht sieht. Das ist erstaunlich. Wir lassen uns meistens von dem bannen, was wir sehen, und halten das für die eigentliche Größe, die wahre Macht, den entscheidenden Faktor.
Daniel aber hat verstanden: Der große, weltbeherrschende Nebukadnezar, den er sieht, ist weniger wichtig als der lebendige Gott, den er mit seinen Augen nicht sieht. Deshalb provoziert er lieber Nebukadnezar, als gegen Gott zu sündigen.
Sie sehen: Gottesfurcht macht wagemutig. Das ist die erste Frucht der Gottesfurcht.
Für mich war das die Frage, die ich mir bei der Vorbereitung gestellt habe: Haben wir eigentlich noch Angst davor, uns zu versündigen? Sind wir vielleicht manchmal deshalb so feige gegenüber Menschen oder Institutionen, weil wir Gott so wenig fürchten?
Man sagt: Gottesfurcht treibt die Menschenfurcht aus. So geschieht es auch bei Daniel – er wird wagemutig.
Das Problem mit der königlichen Speise und Daniels Gewissensentscheidung
Natürlich stellt sich die Frage: Wo lag das Problem bei diesem königlichen Speiseprogramm? Das wird hier nicht im Einzelnen erklärt. Wir müssen uns dem Thema also vorsichtig nähern, denn auch die Kommentare sind sich nicht ganz einig.
Für Daniel galten noch die Speisebestimmungen des Alten Testaments. Diese waren für ihn verbindlich, denn Gott hatte sie für diese Zeit festgelegt. Die Babylonier hingegen hielten sich nicht an die Reinheitsgesetze des Alten Testaments. Das heißt, sie unterschieden nicht zwischen reinen und unreinen Tieren. Die einen durften die frommen Israeliten essen, die anderen nicht. Außerdem ließen sie das Blut der Tiere nicht richtig ausfließen, bevor das Fleisch gegessen wurde.
Diese Praktiken standen im Gegensatz zu dem, was damals für fromme Israeliten von Gott vorgesehen war. Gegen Wein hatte das Alte Testament prinzipiell nichts einzuwenden. Doch der Wein und die Speisen, die auf der königlichen Tafel serviert wurden, waren höchstwahrscheinlich den babylonischen Göttern geweiht. Das war damals üblich. Diese Speisen und Getränke wurden für den Dienst an den Götzen gebraucht.
Für Daniel könnte daraus das entscheidende Gewissensproblem entstanden sein. Er dachte sich vermutlich: Wenn ich widerstandslos genieße, lasse ich mich dann nicht in den Götzendienst mit hineinziehen? Das war wohl sein Gedankengang. Man muss wissen, dass das gemeinsame Mahl im Nahen Osten oft eine religiöse Dimension hatte. Daniel wollte natürlich keinesfalls geistliche Gemeinschaft mit Götzendienern haben.
Wahrscheinlich richteten sich seine Gewissensbedenken genau darauf. Im Endeffekt ist es für uns nicht so entscheidend, welcher Gesichtspunkt für Daniel besonders wichtig war. Entscheidend ist, dass er hier einen Widerspruch zum Wort Gottes sah. Sein Gewissen schlug aus. Seine grundsätzliche Herzenshaltung war: Er war überzeugt, dass es Sünde wäre, wenn er mitmachte.
Diese Überzeugung ließ ihm keine andere Wahl, als kompromisslos auf die Bremse zu treten. Paulus wird später in Römer 14 sagen: „Was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.“ Das heißt, wenn wir etwas nicht guten Gewissens tun können, es aber trotzdem tun – obwohl wir ahnen und meinen, dass Gott damit nicht zufrieden sein wird –, dann ist das Sünde. Paulus sagt: Du tust etwas, von dem du meinst, dass es gegen Gottes Willen ist, und tust es trotzdem. „Was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.“
Daniel handelt anders. Gottesfurcht macht wagemutig. Aus der Erkenntnis wird der Entschluss, und aus dem Entschluss wird die Tat. Das sieht man hier in Vers 8. Nun kommen wir ziemlich schnell im Text voran: Er bat den obersten Kämmerer, dass er sich nicht unrein machen müsse.
Gottes Beistand und die zweite Frucht der Gottesfurcht: Wirklichkeitstauglichkeit
Ein Bibelkommentator hat dazu Folgendes geschrieben: Wenn man den Text so liest, könnte sich die Frage stellen, ob sich ein Streit um Speise und Wein überhaupt lohnt. Ein bisschen Weihrauch hätte den urchristlichen Märtyrern den Tod und die Qual ersparen können. Ein paar Opferstäbchen für die römischen Götzen hätten manchen vor dem Gefängnis und vor dem Galgen bewahrt.
Dieser Ausleger sagt weiter: Der Teufel wird immer wieder die Frage stellen, ob es sich lohnt, ob man es nicht lockerer sehen kann. Doch Gottesfurcht fragt nicht, ob es sich lohnt, sondern ob es Gott verunehrt. Deshalb macht Gottesfurcht wagemutig gegenüber Menschen.
Und sehen Sie, Gott bekennt sich dazu. Er lässt seinen Diener nicht im Stich. In Vers 9 heißt es: „Und Gott gab es Daniel.“ Das bedeutet, Gott sorgte dafür, dass ihm der oberste Kämmerer günstig und gnädig gesinnt war. Darauf dürfen wir uns verlassen. Gott hat die Macht, unsere Umstände souverän zu lenken. Er bewegt die Herzen. Wenn es in seinem Sinne ist, kann Gott die Herzen der schwierigsten Menschen lenken, die Herzen der gottlosesten Menschen, die Herzen der Mächtigen. Gott kann sie dazu bringen, uns Gutes zu tun.
Übrigens gilt das auch für alle Menschen, mit denen Sie ab morgen wieder zu tun haben. Machen Sie sich das klar: Wenn Sie morgen vielleicht am Arbeitsplatz wieder einem ungnädigen Chef begegnen oder mit anderen Menschen zu tun haben, denken Sie an diesen Vers 9. Gott gab es Daniel, dass ihm dieser oberste Kämmerer wohlgesonnen war. So kann Gott auch all die Menschen lenken und beeinflussen, mit denen wir zu tun haben.
Gott gibt Daniel also die Sympathie dieses Mannes. Allerdings war das Problem damit noch längst nicht gelöst. Der Herr Kämmerer konnte auch nicht einfach so handeln, wie er wollte. Das sehen Sie hier in Vers 10: „Ja, er sprach zu ihnen: Ich fürchte mich vor meinem Herrn, dem König, der euch eure Speise und euren Trank bestimmt hat. Wenn er merken würde, dass euer Aussehen schlechter ist als das der anderen jungen Leute eures Alters, so brächtet ihr mich bei dem König um mein Leben.“ Das leuchtet natürlich ein.
An dieser Stelle hätte Daniel immer noch einen Rückzieher machen können. Sogar mit halbwegs gutem Gewissen hätte er sagen können: „Na ja, ich habe es ja versucht, und es soll eben nicht sein. Also mache ich doch mit.“ Das hätte er leicht sagen können. Doch dieser junge Mann, wahrscheinlich noch keine fünfzehn Jahre alt, bleibt hartnäckig.
Hartnäckig bedeutet hier nicht unverschämt. Daniel benimmt sich nicht wie ein dreister Rambo. Stattdessen lässt Gott ihn auf eine viel bessere Idee kommen. Hier entdecken wir die zweite Frucht der Gottesfurcht: Gottesfurcht macht nicht nur wagemutig, sondern auch wirklichkeitstauglich.
Wenn Sie mitschreiben, ist das etwas anspruchsvoller: Dieses zweite Wort lautet „Gottesfurcht macht wirklichkeitstauglich“. Wirklichkeitstauglich ist das genaue Gegenteil von weltfremd. Wer Gott fürchtet und seinen Willen sucht – das sehen wir an Daniel –, der wird nicht unüberlegt handeln, sondern besonnen.
Überlegen Sie mal: Der Kämmerer hatte die Sache ja noch nicht endgültig entschieden. Er hatte sie quasi offengelassen. „Nun, wenn es klappt, habe ich nichts dagegen.“ Wenn Nebukadnezar es mitkriegt, dass Daniel etwas anders machen will, hat er seine Zustimmung nicht gegeben. Der Herr Kämmerer konnte seinen Kopf jederzeit gut aus der Schlinge ziehen.
Was macht Daniel? Er versucht es ganz freundlich eine Etage tiefer, beim unmittelbaren Aufseher, also bei dem, der direkt für die Beschaffung der Speisen zuständig war. Daniel schlägt diesem Aufseher ein ganz einfaches Experiment vor, bei dem auch dieser Aufseher noch nicht zu viel riskiert.
In Vers 11 heißt es: „Da sprach Daniel zu dem Aufseher, den der oberste Kämmerer über Daniel, Hananja, Michael und Asarja gesetzt hatte: Versuch doch mit deinen Knechten zehn Tage lang und lass uns Gemüse essen und Wasser trinken. Dann lass dir unser Aussehen und das Aussehen der jungen Leute zeigen, die von des Königs Speise essen. Danach magst du mit deinen Knechten tun, was du für richtig hältst.“
Das war ein ganz überraschender Vorschlag. Wasser wurde bei Götzenfesten weniger verwendet als Wein, und Gemüse wurde seltener geopfert als Fleisch. Die Gefahr der Verunreinigung war also geringer. Außerdem musste das Gemüse, wenn es inoffiziell vom Speisemenschen besorgt wurde, nicht unbedingt von der Königstafel stammen.
Im Zweistromland gab es reichlich Gemüse: Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen, Melonen. Aus sportphysiologischer Sicht war das auch nicht schlecht: weniger Kalorien, Gemüse und Wasser statt Fleisch und Wein. Wenn ich vor der Wahl stünde – entweder Fleisch und Wein oder Gemüse und Wasser –, würde mir meine Frau bestimmt immer zu letzterem raten. Ganz klar, das war auch für Sportler keine schlechte Wahl.
Und was macht der Speisebeschaffer? Hier steht: „Und er hörte auf sie und versuchte es mit ihnen zehn Tage lang.“ Und tatsächlich funktioniert das Experiment. Der Speisebeschaffer wittert eine Win-win-Situation. Er kann profitieren, denn die Speise von des Königs Tafel wird weitergeliefert. Er kann sie jetzt selbst essen oder verkaufen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, und er dürfte auch etwas davon gehabt haben.
So lässt Gott diesen Plan wirklich aufgehen. Gottesfurcht macht wirklichkeitstauglich. Die alten Christen haben gesagt: Unser Glaube macht uns nicht weltflüchtig, sondern welttüchtig. Wir gehen nicht wie der letzte dumme August durchs Leben und lassen uns von jedem über den Tisch ziehen. Stattdessen lernen wir, die Welt zu verstehen und uns besonnen zu verhalten.
So erlebt es Daniel: Das Experiment funktioniert. In Vers 15 heißt es: „Nach zehn Tagen sahen sie gesünder und kräftiger aus als alle jungen Leute, die von des Königs Speise aßen.“ Das ist also irgendwie aufgegangen. Von da an mussten diese vier Aufrechten nicht mehr um ihren exklusiven Speiseplan kämpfen.
Das wird wunderbar im Vers 16 beschrieben: „Da tat der Aufseher die Speise und den Trank, die für sie bestimmt waren, weg und gab ihnen Gemüse und Wasser.“ Und so lief das während der ganzen drei Jahre ihrer Ausbildung. Ich kann mir vorstellen, dass der Rektor die Sache mitbekommen hat und wohlwollend alle Augen zudrückte. Das war endlich ein Lichtblick in dieser bedrückenden Situation.
Die dritte Frucht der Gottesfurcht: Weisheit und Erkenntnis
Am Ende des Kapitels gibt es noch einen Lichtblick, den ich Ihnen zum Schluss zeigen möchte. In Vers 17 heißt es: „Und diesen vier jungen Leuten gab Gott Einsicht und Verstand für jede Art von Schrift und Weisheit. Daniel aber verstand sich auch auf Gesichte und Träume jeder Art.“
So sehen wir am Ende, dass Gottesfurcht nicht nur wagemutig macht, nicht nur wirklichkeitstauglich, sondern drittens auch weise. Wieder ist es Gott, der in souveräner Freiheit gibt, was und wie er will. Hier steht erneut: „Und Gott gab“, und „Gott gab ihm, dass sie weise wurden.“ Daniel erhält zusätzlich noch eine besondere Begabung von Gott.
Durch Daniel – und das sehen wir dann in den nächsten Kapiteln – wird Gott ganz bestimmte Offenbarungen geben. Er wird weltgeschichtliche, universalgeschichtliche Zusammenhänge aufzeigen, zum Beispiel in Daniel 2 und Daniel 9. Diese Texte sind weltberühmt geworden und haben die Geschichte bewegt. Alexander der Große hat diese Texte gelesen und sich darin wiedergefunden. Das wird Gott noch durch Daniel offenbaren.
Aber schon hier sehen wir: Daniel ist eine Ausnahme. Die drei anderen gottesfürchtigen jungen Männer bekommen diese Gabe nicht. Die Gabe der Träume und der Prophetie ist heute nicht mehr nötig, weil wir durch die Bibel vollständig informiert sind. Damals war sie jedoch notwendig, und Daniel erhielt diese besondere Begabung.
Gott schenkt aber allen gemeinsam etwas anderes, nämlich Einsicht und Verstand. Das ist eine wunderbare Formulierung. Hier steht „Einsicht und Verstand“, was man auch übersetzen kann mit „für jede Art von Gelehrsamkeit und Wissenschaft“. Die vier Freunde mussten natürlich hart studieren. Sie mussten genauso hart arbeiten wie unsere Studenten hier an der ART. Diese Last blieb ihnen nicht erspart, weshalb sie manchmal auch ein wenig blass aussahen – aber dann auch wieder nicht.
Sie waren in Babylonien mit einer reichhaltigen Literatur konfrontiert. Dort gab es eine riesige Literaturproduktion und oft sehr schwierig zu durchschauende Wissenschaftszweige. Diese mussten sie durchdringen. Drei Jahre lang, also einen Bachelorjahrgang, mussten sie das wirklich studieren.
Wir hatten letztes Mal schon gesehen, dass das alles andere als nur objektives Wissen war. Sie mussten sich auseinandersetzen. Wissenschaft hat immer auch viel mit Weltanschauung zu tun. Bei Wissenschaft muss man immer deutlich unterscheiden: Bis wohin gehen die Fakten, also die Tatsachen, und wo beginnt die Deutung, die Interpretation? Und von welchen ideologischen Vorurteilen sind dann wieder die Deutungen geprägt? Welche Interessen stehen dahinter? Vielleicht auch wirtschaftliche oder religiöse Interessen? Wer hat einen Vorteil davon, dass dieser Fund so gedeutet wird? Jeder Fund wird anders interpretiert.
Wissenschaft ist also nicht einfach nur objektiv sehen, was da ist. Die Evolutionslehre zum Beispiel ist keine vorurteilsfreie Wissenschaft, sondern ein weltanschauliches System, das bestimmte Fakten in einem bestimmten religiösen Rahmen mit einer bestimmten Zielsetzung deutet. Das muss man durchschauen.
Die babylonische Wissenschaft war teilweise mit okkulten Praktiken und Theorien vermischt. So hatten diese vier jungen Männer eine enorme intellektuelle Arbeit zu leisten. Sie waren darauf angewiesen, dass Gott sie in ihrem Denken bewahrte, dass er ihnen Urteilsvermögen schenkte und Durchblick.
Ich möchte sagen: Wer sich mit Gedanken auseinandersetzt, begibt sich auf ein Minenfeld. Und was sagt Gott? Gott sagt nicht: „Haltet euch raus, guckt da gar nicht hin, überlasst das sich selbst, Christen haben da nichts zu suchen.“ Das sagt Gott nicht. Gott sagt nicht „Haltet euch raus“, sondern „Haltet euch an mich, haltet euch an mich.“
Deshalb ist es so wichtig, dass auch Christen in diesen Bereichen tätig sind – in der Forschung, in der geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Es ist auch wichtig, dass Christen an den Schulen sind und sich dort einsetzen.
Gottesfurcht macht weise. Sprüche 1,7 sagt: „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis.“ Die Furcht des Herrn. Und sehen Sie, das gilt für den jungen Christen in der vierten Grundschulklasse genauso wie für den gläubigen Professor am Max-Planck-Institut oder für den Theologiestudenten an unserer ART.
Wir sind alle darauf angewiesen, dass Jesus Christus uns bewahrt, dass er uns hilft, die Zusammenhänge richtig zu durchschauen, dass wir unseren Verstand vernünftig einsetzen. Wir sind alle darauf angewiesen, dass unser Herr uns lehrt, alle Thesen und Theorien an seinem Wort zu prüfen.
Einer unserer geistlichen Lehrer hat uns immer diesen Liedvers als Leitvers ans Herz gelegt, in dem über Jesus gesagt wird: „In meinem Studieren wird er mich wohl führen, und bleiben bei mir, wird schärfen die Sinnen zu meinem Beginnen und öffnen die Tür.“
Jesus Christus muss unsere Sinne und unseren Verstand schärfen, unsere Arbeit segnen und leiten. Er muss uns die Türen öffnen zu der richtigen Erkenntnis und zum richtigen Urteil.
Ich wurde wieder an die Zeit erinnert, als ich selbst an meiner Doktorarbeit schrieb. Dabei habe ich immer wieder gebetet: Herr, ich weiß, dass ich mit dieser Arbeit eine absolute Minderheitenposition vertrete. Aber ich bitte dich, bewahre mich davor, faule Kompromisse zu machen. Hilf mir, die Sachen präzise zu formulieren und schnell zu arbeiten. Du weißt, ich muss bald fertig werden.
So kann man beten für die Schule, für die Arbeit am ganz normalen Arbeits- und Berufsplatz, für die Erziehung unserer Kinder. So können wir beten, wenn wir uns interessehalber mit irgendwelchen Thesen und Anfragen auseinandersetzen. Wir können sagen: Herr, gib mir bitte den Durchblick, lass es mich so verstehen, wie es in deinem Sinne ist.
Ich kann bekennen: Gott hat mir damals auch einen sehr fairen Doktorvater geschenkt und einen wohlgesonnenen Zweitreferenten. Denn es muss ja immer ein zweiter Professor ein Zusatzgutachten schreiben. Und da kann ich nur sagen, so wie hier in Vers 9: „Und Gott gab ihm“, also mir in dem Fall, „dass ihm der Doktorvater günstig und gnädig gesinnt wurde.“ Das war nicht selbstverständlich. Wir sind in Gottes Hand, das hätte auch anders laufen können.
Manchmal führt Gott auch schwierigere Wege. In Kapitel 3 werden die drei jungen Leute in den Feuerofen geworfen, und in Kapitel 6 landet Daniel in der Löwengrube. Es geht nicht immer glatt wie ein großer Siegeszug. Aber Gott meint es immer gut und macht es immer richtig.
Wir sind und bleiben angewiesen darauf, dass er uns führt: in unserem Denken, in unserem Urteilen und in unserem Bewerten. Wir wissen noch von Paulus – Sie erinnern sich an Epheser 6 –, dass das ein geistlicher Kampf ist. Diesen Kampf gewinnen wir nicht allein mit unserem Verstand. Wir müssen uns bemühen, gründlich zu arbeiten und sauber zu denken. Aber es kommt sehr darauf an, dass unser Verstand durch das Wort Gottes und durch Gebet geleitet und geschärft wird und dass Gott uns dabei hilft.
Wenn er das tut, werden wir nicht mehr so leicht von unserer Kultur und dem Zeitgeist manipulierbar sein. Dann werden wir für den Zeitgeist eine harte Nuss als Christen. Im Gegenteil: Wir werden immer mehr lernen, diese Welt kritisch zu hinterfragen, und unser Leben immer mehr nach Gottes Willen auszurichten.
Die Bedeutung der Nähe zu Gott für geistliche Standhaftigkeit
Einer der intelligentesten und vielseitigsten Geisteswissenschaftler des achtzehnten Jahrhunderts war wohl Jonathan Edwards. Edwards war zudem ein leidenschaftlicher Prediger, und er hat es besonders jungen Predigern ans Herz gelegt. Er sagte: Um brennende und leuchtende Lichter zu sein, sollten wir eng mit Gott wandeln und uns nah an Christus halten. So können wir stets von ihm erleuchtet und angefacht werden. Außerdem sollten wir viel Gott im Gebet suchen und mit ihm, der Quelle des Lichts und der Liebe, sprechen.
Jonathan Edwards betonte: Wir brauchen die Nähe des lebendigen Gottes. So ist es auch bei Daniel gelaufen. Nach drei Jahren kam schließlich das Abschlussexamen. Ich lese es nur noch vor: Als die Zeit um war, also diese drei Jahre, die der König bestimmt hatte, dass sie danach vor ihn gebracht werden sollten, brachte der oberste Kämmerer sie vor Nebukadnezar. Der Rektor lieferte gewissermaßen seine Ausbildungsergebnisse vor dem König ab.
Der König sprach mit ihnen, und es wurde unter allen niemand gefunden, der Daniel, Chananja, Mischael und Azarja gleich war. Wir könnten auch sagen, niemand konnte ihnen das Wasser reichen. Sie wurden des Königs Diener.
Nebukadnezar war ein kluger Mensch, trotz allem Schlimmen, das er getan hat. Er erkannte, welche Substanz diese Leute hatten, was sie konnten und zu bieten hatten. Der König fand sie in allen Dingen, die er sie fragte, zehnmal klüger und verständiger als alle Zeichendeuter und Weisen in seinem ganzen Reich. Das ist das Ergebnis.
Schauen Sie, Gott hat nicht nur bewirkt, dass die Ausbildung so erfolgreich verlief, sondern auch dafür gesorgt, dass Nebukadnezar das bemerkte. Es hätte ja auch sein können, dass die brillantesten, intelligentesten jungen Männer geworden wären, und Nebukadnezar so borniert gewesen wäre, das nicht zu erkennen. Aber Gott sorgte dafür, dass alles gut ging.
Im nächsten Kapitel, also ab nächster Woche, werden wir dann die ersten Aufgaben sehen, in denen Daniel stark gefordert wird. Hier und heute ist es deswegen so wichtig, dass wir das festhalten: Hier haben wir die Basis, hier die Grundlage seines Lebens kennenlernen können.
Gott will es schenken. Er will es Ihnen schenken, er will es mir schenken, dass auch unser Leben immer stärker von dieser Grundhaltung geprägt ist – von der Grundhaltung der Gottesfurcht. Dass wir den lebendigen Gott, den Herrn Jesus Christus, wirklich ernster nehmen als alle anderen Mächte und Machtfaktoren.
Diese Gottesfurcht wird uns wahrhaft mutig machen. Sie wird uns wirklichkeitstauglich werden lassen und uns weise machen. Dann werden wir gut ausgerüstet sein, um in dieser Welt zur Ehre Gottes zu leben.
Lied als Ausdruck der Zuversicht in Gottes Führung
So wollen wir jetzt als Antwort auf diese Predigt ein Lied singen, das im Umfeld von jungen Leuten entstanden ist, denen es ganz ähnlich wie Daniel ging. Sie finden es im Grünen Liederbuch unter der Nummer 381.
„Vertraut auf den Herrn für immer, denn er ist der ewige Fels!“
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen: Dieses Lied entstand im Umfeld von jungen Leuten, die sich der Diktatur der DDR gegenüber sahen. Sie mussten oft einen hohen Preis bezahlen, wenn sie sich zu Jesus Christus bekannten. Viele von ihnen bekamen keinen Studienplatz, konnten das Abitur nicht machen oder wurden in ihrem Betrieb zitiert, zum Chef gerufen und unter Druck gesetzt.
Doch diejenigen, die diese Erfahrungen gemacht haben, vertrauen auf den Herrn. In Vers 4 heißt es dann: „Die Mächtigen kommen und gehen, und auch jedes Denkmal fällt.“ So ist es auch mit dem Denkmal Nebukadnezars – es ist irgendwann gefallen.
Bleiben wird nur, wer auf Gottes Wort steht, dem wichtigsten und festesten Standpunkt der Welt.
Amen.